Acta Pacis Westphalicae III A 3,4 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 4. Teil: 1646 - 1647 / Maria-Elisabeth Brunert
c. Französische Territorialsatisfaktion
Der Fürstenrat Osnabrück nahm sich, wie die anderen (Teil-)Kurien, der drei Fragen an, die nach Auslieferung des französischen Vertragsentwurfs vom 20. Juli 1647 (
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1647 VII 20, ohne Nennung des Papstes und mit kirchenrechtlich bedenklichen Klauseln bzw.
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1647 VII 20, mit Nennung des Papstes und ohne kirchenrechtlich bedenkliche Klauseln) zwischen Kaiserlichen und Franzosen kontrovers waren. Die erste Sitzung des Fürstenrats Osnabrück, die diesem Thema gewidmet war, wurde am 17. August 1647 abgehalten, nachdem das Kurmainzer Reichsdirektorium erst am Vorabend und nur mündlich die Proposition mitgeteilt hatte. Dieses Verfahren mag gewählt worden sein, weil nur zwei Punkte von den kaiserlichen Gesandten für die Proposition vorgesehen waren
: erstens die von ihnen seit Beginn des
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Friedenskongresses geforderte und von den Franzosen abgelehnte Zulas-sung des Herzogs von Lothringen; zweitens die Frage der reichsständischen Lehen der an Frankreich zu zedierenden Hochstifte Metz, Toul und Ver-dun
Der frz. Vertragsentwurf sprach von den „Diözesen“ Metz, Toul und Verdun (s.
[Nr. 138 Anm. 5] ).
. Der dritte Punkt beruhte auf einem Gesuch der Dekapolis und besonders Colmars, die Reichskurien möchten sich für die Erhaltung ihrer Reichsunmittelbarkeit einsetzen, die sie bedroht sahen, falls Kaiser, Reich und das Haus Habsburg, wie im französischen Vertragsentwurf vorge-sehen, die Reichslandvogtei Hagenau über die Dekapolis an Frankreich abtraten
. Sie argwöhnten mit Recht, daß die Kaiserlichen sich nicht allzu nachdrücklich für ihre Belange einsetzen würden. Gegen ein solches Enga-gement sprach, wie Nassau und Volmar am 1. Oktober 1647 dem Kaiser erläuterten, daß ein Teil dieser Reichsstädte erst den Schweden und dann den Franzosen
thür und thor aufgethan
APW II A 6 Nr. 241, dritter Absatz.
. Vor allem wollten die Kaiserli-chen verhindern, daß das Haus Österreich den Franzosen statt der gefor-derten Landvogtei etwas anderes zedieren müsse. Es war also nicht im Sinne der Kaiserlichen, daß Kurmainz eigenmächtig das Hilfeersuchen der Dekapolis in den Reichskurien proponieren ließ. Im Fürstenrat Osnabrück vertrat am 17. August 1647 niemand den kaiserlichen Standpunkt in dieser Frage. Österreich war nach der Abreise Richtersbergers
nicht mehr ver-treten, Bayern fehlte, und Salzburg schloß sich der Mehrheit an. So kam es in allen drei Fragen zu einhelliger Beschlußfassung: Erstens sollte der Her-zog von Lothringen, sofern er (für einige kleine Teile seines Territoriums) Reichsstand war, in den Frieden eingeschlossen werden. Zweitens sollten jene Reichsstände (unter ihnen Pfalz-Zweibrücken, Pfalz-Veldenz
und einige gräfliche Häuser), die Lehen von Metz, Toul und Verdun innehatten, bei deren Zession an Frankreich ihren immediaten Status nicht verlieren. Den französischen Gesandten sollten die Rechtsverhältnisse erläutert wer-den; dann würden sie von selbst von ihren anders lautenden Forderungen ablassen. Drittens sollte sich eine Reichsdeputation bei den Franzosen für die Dekapolis verwenden
S. Nr. 138, Ende des Protokolls.
.
Das Beratungsergebnis ging an das Kurmainzer Reichsdirektorium, das aufgrund der Beschlüsse aller (Teil-)Kurien ein Reichsgutachten entwarf, das den (Teil-)Kurien vorgelegt wurde. Bei der Beratung im Fürstenrat
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Osnabrück am 18. September 1647
stellte sich heraus, daß der Entwurf bei ähnlicher Zusammensetzung dieser (Teil-)Kurie wie am 17. August einhellig abgelehnt wurde. Es fanden sich nämlich eine ganze Reihe von Abweichungen vom eigenen Beratungsergebnis, außerdem Punkte, die im Fürstenrat Osnabrück gar nicht vorgekommen waren. So fehlte bei Punkt 1 die Einschränkung, daß der Herzog von Lothringen nur insoweit in den Frieden eingeschlossen werden solle, als er (für wenig bedeutende Teile sei-nes Territoriums) Reichsstand war, ferner die zweite Einschränkung, daß seinetwegen der Friede nicht aufgehalten werden solle; beides stand in der Correlation des Fürstenrats als einem Teil der Reichsbedenken vom April 1646, auf das der Fürstenrat Osnabrück in seinem Beschluß vom 17. August 1647 Bezug genommen hatte
. Auch wurde ein Vergleich zwischen dem Herzog von Lothringen und dem Württemberger Herzog gezogen, der von Eberhard III. von Württemberg als Beleidigung empfunden werden mußte
. Bei Punkt 3 fanden sich Erwägungen für den Fall, daß Frank-reich bei seiner Forderung hinsichtlich der Dekapolis bleiben werde
. Der Unmut über das Kurmainzer Reichsdirektorium war allgemein und gipfelte in Erläuterungen Braunschweig-Celles, daß dieses keine
potestas dictatoria habe
. Alle Votanten forderten, daß die seit geraumer Zeit unterbliebenen Re- und Correlationen wiederaufgenommen werden soll-ten, um ein derartiges Vorgehen des Reichsdirektoriums künftig zu unter-binden. Tatsächlich war im Editionszeitraum nur bei der Beratung über die Pfälzische Sache eine regelrechte, zeitaufwendige Re- und Correlation in beiden Kongreßstädten vorgenommen worden
S. Nr. 131 (Protokoll des Osnabrücker Verfahrens).
. Das Salzburgische Fürstenratsdirektorium stellte die Änderungswünsche in einem eigenen Schriftsatz
Extract deren in den abgelegten votis beschehenen erinnerungen
(s. Nr. 142, Ende des Protokolls).
zusammen, den es mit dem Beschluß vom 18. September 1647 an das Kurmainzer Reichsdirektorium weiterreichte. Die Kurmain-zer arbeiteten den größten Teil dieser Änderungswünsche ein, scheinen dann aber gezögert zu haben, das ausgefertigte, auf den 25. September 1647 datierte Gutachten bestimmungsgemäß den kaiserlichen Gesandten durch Deputierte übergeben zu lassen. Dies geschah nämlich erst am 28. September, nachdem die Kaiserlichen das erbetene Gutachten angefordert
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hatten
. Dieses nahm sich der Immediatstände an, und zwar sowohl der elsässischen Reichsstädte als auch jener Reichsunmittelbaren, die durch die Zession von Metz, Toul und Verdun an Frankreich betroffen waren. Für die Franzosen war es daher „schlicht ärgerlich“
Tischer, 289. Das Kurmainzer Reichsdirektorium hatte eine Formulierung, die nach Thumbshirns Meinung
hart klang, nicht gestrichen (s.
[Nr. 142 Anm. 18] ). Zweifellos hat sie zu dem negativen Urteil der Franzosen beigetragen.
. Auch die Kaiserlichen haben zumindest das reichsständische Engagement für die Dekapolis nicht begrüßt
. Beide einigten sich über die reichsständischen Bedenken hin-weg am 11./14. November 1647 in einem Vorvertrag, der wesentlich auf die im September 1646 vereinbarten Satisfaktionsartikel zurückgriff
.