Acta Pacis Westphalicae III A 3,4 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 4. Teil: 1646 - 1647 / Maria-Elisabeth Brunert

1. Die französische Territorialsatisfaktion

In der Zeit vom Frühjahr 1646 bis zum Herbst 1647 gehörten die fran-zösischen und schwedischen Satisfaktionsforderungen zu den wichtigsten Verhandlungsgegenständen. Die kaiserlich-französischen Verhandlungen hatten bereits begonnen, bevor die Reichsdeputierten den Kaiserlichen am 27./28. April 1646 die Bedenken der Reichsstände übergeben hatten. Die Reichskurien sprachen darin unterschiedliche Empfehlungen für diese Verhandlungen aus: Vor allem der Kurfürstenrat drängte auf Eile und befürwortete Verhandlungen noch vor dem Sommerfeldzug. Ein Teil des Fürstenrats empfahl, es bei dem bisherigen Angebot (den „Bistümern“ und Reichsstädten Metz, Toul und Verdun sowie den Festungen Pine-rolo und Moyenvic) zu belassen; ein anderer Teil aber empfahl in realisti-scher Einschätzung der Lage, daß die Kaiserlichen die Verhandlungen mit Befragung der Betroffenen fortsetzen sollten, falls Frankreich das bishe-rige Angebot nicht für ausreichend erachte. Der Städterat empfahl darüber hinaus, daß Frankreich die Gebiete, die ihm (möglicherweise) zu zedie-

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ren seien, vom Reich zu Leben nehmen möge

S. im einzelnen APW III A 3/3, XCIIf.
. Damit war eine wichtige Frage angeschnitten, denn schon am 17. Mai 1646 stellte Trauttmansdorff in mündlicher Verhandlung die Übertragung des zu zedierenden Besitzes in voller Souveränität in Aussicht . Bereits am 14. April hatte er den Fran-zosen das Ober- und Unterelsaß einschließlich des Sundgaus unter dem Titel einer Landgrafschaft des Elsaß angeboten

Tischer, 258–290 (auch zum folgenden).
. Das Haus Habsburg hatte bei einer Zession zu voller Souveränität den Vorteil, Frankreich aus der Gemeinschaft des Reiches und damit auch aus der Wahl des Römischen Königs herauszuhalten, während Frankreich im Gegenzug darauf verzich-tete, Reichsstand (mit all den damit verbundenen Pflichten und Rechten) zu werden. Zeitweilig bemühten sich die Franzosen, das Souveränitätsan-gebot dahingehend zu interpretieren, daß damit alle Rechte des Reichs im Elsaß und im Sundgau einschließlich der Dekapolis gemeint seien. Doch setzte sich bereits im Juni 1646 in der französischen Gesandtschaft die Ansicht durch, daß die Forderung nach Souveränität über die Immedi-atstände aufzugeben sei, um die Reichsstände nicht zu düpieren. In den weiteren kaiserlich-französischen Verhandlungen ging es daher auch um Schutzklauseln für die Reichsunmittelbaren, und zwar einerseits im Elsaß und andererseits im Bereich der lothringischen Städte und Bistümer Metz, Toul und Verdun. Hier war zudem strittig, welcher Bereich mit den Städten zu zedieren sei: die Hochstifte oder die (größeren) Diözesen. In den kaiser-lich-französischen Satisfaktionsartikeln vom 13. September 1646 wurde die Formulierung episcopatuum districtus gebraucht, die beides bedeu-ten konnte. Diese Artikel, die nicht unterzeichnet wurden und als befri-stetes Agreement theoretisch nur siebzehn Tage gelten sollten, enthielten auch die Zusage zur Zession der rechtsrheinischen Festung Breisach, auf der die Franzosen unnachgiebig bestanden hatten. Die Satisfaktionsarti-kel wurden weder veröffentlicht noch in den Reichskurien beraten. Daher wurden sie erst im Juni 1647 mit dem kaiserlichen Entwurf für den Frie-den mit Frankreich

KEIPM3 1647 VI 12, ohne Nennung des Papstes und mit Klauseln, an denen der Hl. Stuhl aus kirchenrechtlichen Gründen Anstoß nehmen konnte bzw. KEIPM4 1647 VI 12, mit Nennung des Papstes und ohne die Klauseln, an denen der Hl. Stuhl aus kirchenrechtlichen Gründen Anstoß nehmen konnte, praes. 1647 VI 12 (s. zu den beiden Versionen des Vertragsent-wurfs [Nr. 138 Anm. 11] ).
offiziell bekannt, der allerdings umfangreichere und präzisere Garantieklauseln für die im Elsaß und in Lothringen betrof-fenen Reichsunmittelbaren enthielt, während der französische Gegenent-wurf vom Juli 1647 ( FEIPM1 1647 VII 20, ohne Nennung des Papstes und mit kirchenrechtlich bedenklichen Klauseln

Praes. 1647 VII 20 (s. [Nr. 138 Anm. 3] ).
) die Schutzklauseln der Septemberartikel

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beibehielt, in anderen Punkten aber weitergehende Forderungen stellte. Diese wurden von den Kaiserlichen zurückgewiesen; dann stagnierten die kaiserlich-französischen Verhandlungen, nachdem Trauttmansdorff den Kongreß am 16. Juli 1647 verlassen hatte. Sie wurden erst Anfang Novem-ber 1647 und damit außerhalb des Editionszeitraums dieses Bandes wieder in Gang gebracht. Zuvor hatten die Reichskurien über drei strittige Fragen ihr auf den 25. September datiertes Gutachten abgegeben

S. unten bei Anm. 109.
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