Acta Pacis Westphalicae III A 3,4 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 4. Teil: 1646 - 1647 / Maria-Elisabeth Brunert
I. Die militärischen und politischen Rahmenbedingungen
Das Jahr 1646 verlief, ohne daß es zu einer größeren militärischen Kon-frontation zwischen den kaiserlichen (und bayerischen) Truppen auf der einen Seite und den Armeen der Franzosen und Schweden auf der ande-ren gekommen wäre. Die Schweden waren bereits Mitte Februar 1646 von Böhmen aus Richtung Westen aufgebrochen. Südlich ihres Marsch-weges folgten ihnen im März die Kaiserlichen unter Erzherzog Leopold Wilhelm, um einen Durchbruch nach Süden zu verhindern. Die Schweden schwenkten nach Oberhessen und Westfalen ein, um die in Westfalen ste-henden Reichstruppen zu schädigen. Die Kaiserlichen schlugen zunächst bei Staffelstein im Bambergischen ihr Hauptquartier auf, zogen von dort Ende Mai den Main hinauf, lagerten in den folgenden Monaten bei Hanau und Aschaffenburg und unternahmen von dieser Basis aus auf der Suche
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nach Fourage immer größere Streifzüge
S.
[Nr. 132 Anm. 30] . Die Wetterauer
Ges.
wiesen am 5. April 1647 im
FRO
auf die schweren Schäden hin, die durch diese Truppenbewegungen im vorangegangenen Sommer entstan-den waren (s.
ebenda, bei Anm. 30).
. Am 10. Juni 1646 trafen Kaiser-liche und Schweden bei Gießen in einem Scharmützel aufeinander, dem keine größere Bedeutung zukam
. Schweden wartete mit immer größerer Ungeduld darauf, daß die Franzosen ihre Hauptarmee verstärkten, um in einem gemeinsamen Sommerfeldzug nach Oberdeutschland durchzubre-chen
APW
II C 2, XXXVI;
Tischer,
275f.
. Frankreich maß jedoch den militärischen Aktionen auf dem katala-nischen und italienischen Kriegsschauplatz zunächst übergeordnete Bedeu-tung bei
APW II B 3/1, XXXIV–XXXVII.
und beließ in den ersten Monaten des Jahres 1646 seine im Elsaß, in Lothringen und im Kurtrierischen liegende Armee unter Turenne auch deshalb im Linksrheinischen, weil es bei den gleichzeitigen Verhandlungen über seine Satisfaktion (zu Recht) mit bayerischer Unterstützung rechnete und diese nicht durch eine gemeinsame militärische Aktion mit den Schwe-den gegen den Kaiser aufs Spiel setzen wollte. Auf der anderen Seite zögerte auch Bayern, immer darauf bedacht, sich das französische Wohlwollen in der Pfalzfrage zu erhalten, den Kaiserlichen die erbetene Truppenhilfe in Westfalen zu gewähren, während es den Kaiser zu einer politischen Einigung mit Frankreich drängte
Immler,
Kurfürst, 309–312 (auch zum folgenden).
. Erst nachdem Kurfürst Maximilian in der zweiten Junihälfte 1646 klargeworden war, daß ein Friedensschluß mit Frankreich nicht unmittelbar bevorstand, sandte er alle seine Trup-pen zur Unterstützung der Kaiserlichen nach Norden. Aufgehalten durch eine Diversion nach Luxemburg, überschritt Turenne nun endlich, von den Schweden dringend erwartet, am 15. Juli 1646 bei Wesel im Herzog-tum Kleve den Rhein. Kaiserliche und Bayern hatten die Zeit, die sich durch das lange Zögern der Franzosen ergeben hatte, nicht zu ihrem Vor-teil nutzen können, sondern mußten sich am 16. Juli aus dem verwüsteten Oberhessen, das ihnen keine Nahrungsmittel mehr bot, in ihre Ausgangs-stellungen am Main zurückziehen
. So war der Weg frei für die Vereini-gung der französischen mit der schwedischen Armee, die am 10. August im Oberhessischen vollzogen wurde. Erzherzog Leopold Wilhelm rech-nete damit, den vereinigten Armeen den Weg in den Süden verlegen zu können; doch gelang den Schweden und Franzosen der Durchbruch, so daß sie Ende August 1646 südlich der kaiserlich-bayerischen Armee stan-
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den. Ungehindert zogen sie durch hessen-darmstädtisches Territorium und Schwaben der Donau zu. Hingegen rückten Kaiserliche und Bayern in einem großen Bogen von der Wetterau durch Thüringen und die Ober-pfalz auf Regensburg vor. Leopold Wilhelm konnte zwar am 12. Okto-ber 1646 das belagerte Augsburg entsetzen, doch gelang es den Schweden und Franzosen, Anfang November den Lech zu passieren und in Bay-ern einzufallen. Nur der Wintereinbruch hinderte die Verbündeten, sich im Kurfürstentum festzusetzen. Sie gingen wieder über den Lech zurück und bezogen im Oberschwäbischen Winterquartiere
. Nachdem vor allem Kurfürst Maximilian den Oberbefehlshaber Leopold Wilhelm wegen seiner Strategie kritisiert hatte, demissionierte der Erzherzog am Ende des Jahres und wurde zunächst durch Gallas ersetzt, der aber bald erkrankte und am 25. April 1647 in Wien verstarb. Bereits am 17. April 1647 wurde Holzappel gen. Melander das Kommando über die kaiserliche Hauptarmee übertra-gen, die im Februar 1647 in Sulzbach in der Oberpfalz ihr Hauptquartier hatte, das dann nach Budweis/České Budĕjovice zurückgenommen wurde. Fast die ganze kaiserliche Armee wurde disloziert und in die kaiserlichen Erb- und Kronlande verteilt, um sich regenerieren zu können
Immler,
Kurfürst, 322;
Höfer,
60f; zum ksl. Feldmarschall Peter Melander (eigentlich: Eppelmann), (seit 1641) Reichsgf. zu Holzappel (1589–1648 V 17), von April 1647 bis zu seinem Tod Oberbefehlshaber der ksl. Hauptarmee, s.
Geisthardt;
Höfer,
44–51;
Croxton/
Tischer,
130.
.
Schon während des Anmarsches der feindlichen Armeen auf Bayern hatte Kurfürst Maximilian dem Kaiser gedroht, sich notfalls mit Schweden und Franzosen zu verständigen
. Die kaiserlichen Bemühungen waren dem-entsprechend in den folgenden Monaten darauf gerichtet, Bayern von einer solchen Trennung abzuhalten. Trauttmansdorff forcierte seine Anstrengun-gen auf dem Kongreß, um möglichst bald und noch vor seiner seit länge-rem geplanten Abreise den Friedensschluß zu erreichen. Um Bayern zu beruhigen, ließ er die Reichskurien am 16. und 28. März 1647 über die Pfalzfrage beraten und ein Gutachten erstellen
. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Kurfürst Maximilian (ebenso wie sein Bruder, Kurfürst Ferdi-nand von Köln) jedoch schon durch die Ulmer Waffenstillstandsvereinba-rungen mit Frankreich und Schweden (sowie Hessen-Kassel) vom Kaiser getrennt. Infolge des Waffenstillstands wurde die französische Armee unter Turenne zum Einsatz in den Spanischen Niederlanden abberufen. Auf ihrem Weg dorthin verheerte sie hessen-darmstädtisches und Kurmainzer
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Territorium
, so daß dieser Truppenabzug zunächst einmal nur eine Ver-lagerung der Kriegsverwüstungen bedeutete.
Nachdem die Schweden überraschend ihr Winterquartier verlassen und am 4. Januar 1647 Bregenz erobert hatten, unternahmen sie einen Vorstoß nach Süden an Vaduz vorbei bis zum Paß nach Graubünden und erreich-ten damit die südlichsten Orte, die sie je berührten. Sie drangen jedoch nicht weiter vor, sondern belagerten die Seefestung Lindau, nachdem sie bereits am 10. Januar Langenargen und am 12. Februar die Mainau hatten einnehmen können. Als der Abschluß des Ulmer Waffenstillstands immer wahrscheinlicher wurde, hob Wrangel die Belagerung (aber noch nicht die Blockade) Lindaus am 6. März auf und wandte sich zurück
S.
[Nr. 130 Anm. 17] . Der Würzburger
Ges.
wies im
FRO
am 27. März 1647 darauf hin, daß sich seit Herbst 1646 der Krieg und die dadurch hervorgerufenen Beschwerden besonders im Fränkischen und Schwäbischen Reichskreis verschlimmert hätten (s.
ebenda, bei Anm. 17).
. Nach Bekanntwerden des Waffenstillstands verließ die schwedische Hauptar-mee Oberschwaben und erreichte Ende März/Anfang April Franken. Sie bewegte sich nunmehr langsam durch bambergisches und brandenburg-kulmbachisches Territorium auf Böhmen zu. Gestützt auf die Versorgungs-basis Franken, wollte Wrangel die Widerstandskraft des Kaisers in dessen Erbkönigreich endgültig zermürben
. Um sich den Weg nach Böhmen zu öffnen, nahmen die Schweden am 18. Juli 1647 nach fast einmona-tiger Belagerung Eger/Cheb ein. Die Kaiserlichen gaben am 8. August wegen Pulver- und Proviantmangels einen Rückeroberungsversuch auf
. Die Schweden wurden besser versorgt, da die Reichsstände im Fränki-schen hohe Kontributionen zahlen mußten. Auch Reichsstände außerhalb des Fränkischen Reichskreises hatten die Schweden zu beliefern, so z. B. Anhalt, das neben Kontributionen trotz schlechter Ernte Lebens- und Fut-termittel an sie abgeben mußte
. In den folgenden Wochen operierten Kaiserliche und Schweden in Nordböhmen, ohne daß es zu einer Entschei-dungsschlacht kam
Ruppert,
316;
Höfer,
80–92.
. Der erneute Anschluß Kurkölns und Kurbayerns an den Kaiser im August bzw. September/Oktober 1647 hatte nur insofern militärische Auswirkungen, als die Schweden ab Ende September Böhmen verließen
Erst Mitte Oktober stieß der bay. Sukkurs zur ksl. Armee (
Ruppert, 315). – Kf. Ferdinand von Köln hatte am 15. August 1647 den Waffenstillstand mit Schweden und Hessen-Kassel gekündigt (Joachim F.
Foerster, 296ff;
Höfer, 83); Kf. Maximilian kündigte ihn erst auf, nachdem er die Bedingungen für seinen erneuten Anschluß an den Ks. ausgehandelt hatte (zum ksl.-bay. Rekonjunktionsrezeß von 1647 IX 2, vom Ks. 1647 IX 7 in Pilsen und vom Kf.en in München ratifiziert, mit Zusatzabkommen von 1647 IX 23, in neuer Fassung vom Ks. 1647 X 12 in Prag und X 17 vom Kf.en in München ratifiziert, s.
Kapser, 49–54;
Albrecht, Maximilian, 1073f).
; in den Osnabrücker Fürstenratsprotokollen wird die neuerli-
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che Verbindung der Kurfürsten Maximilian und Ferdinand mit dem Kaiser nicht mehr erwähnt.