Acta Pacis Westphalicae III A 3,1 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 1. Teil: 1645 / Maria-Elisabeth Brunert
Ad articulum 4.:
Sachsen-altenburgisches Direktorium. Nachdem man ietzo von den
reformirten zu reden, wurde hierin und in diesem artikel behutsam zu gehen
sein, damit man keine separation veruhrsache. Diesestheils habe man unvor-
greiflich zu pappier bracht , wie und uf was maße etwa a part ein vergleich
mit ihnen eingangen werden könte, stehe auch [ zu] bedencken und gut-
düncken.
Braunschweig-Lüneburg-Celle, Grubenhagen und Kalenberg.
Er halte die Calvinisten dreimal so hoch alß die Papisten
Eine untypische Einstellung für einen Lutheraner jener Zeit. Bezeichnender ist die bei dem
Theologen Polykarp Leyser (1552–1610), Hofprediger und Kirchenrat zu Dresden, anzutref-
fende Ansicht, daß die Papisten (abgesehen von den Jesuiten) den Calvinisten vorzuziehen
seien, die Leyser in seiner 1602 verfaßten und 1620 gedruckten Erörterung Ob / wie / und
warumb / man lieber mit den Papisten gemeinschafft haben / und gleichsam mehr vertra-
wen zu ihnen tragen solle / denn mit / und zu den Calvinisten näher ausführte ( Hassin-
ger , 371; Mahlmann, 436f.).
nit unwißend, daß sie nit ruhen könten. In pacem publicam ließe man sie gern
recipirn, allein sie musten die evangelischen nit vertreiben und ref[ ormiren]. Er
habe vorigs tags mit dem herrn Caßelischen abgesanden herrn Scheffern ge-
redet und ihm austrücklich gsagt, daß den reformirten die gwalt, unser glau-
bensgnoßen zu vertreiben, nit könne eingeraumt werden, welcher zur antwort
geben, wan wir evangelischen dergleichen auch nit thuen wolten.
Sonst sei erinnerlich, daß Churbrandenburg sich bishero löblich verhalten
Kf. Johann Sigismund von Brandenburg (1572–1620, Kf. seit 1608) hatte seit 1613 das refor-
mierte Bekenntnis angenommen, während die Mark und Preußen lutherisch waren. Der Kf.
mußte den Ständen gegenüber 1615 die Fortdauer des lutherischen Kirchenwesens anerkennen.
Seither hatte sich eine im Grundsatz auf Bikonfessionalität angelegte Religionspolitik entwik-
kelt. Kf. Friedrich Wilhelms Kirchenpolitik war anfangs durchaus parteiisch zugunsten der
Reformierten, soweit dies mit den verbrieften Rechten der Lutheraner, die er respektierte, zu
vereinbaren war ( Leube, 164; Opgenoorth I, 56; Schultze, 475f.; Heinrich, 114f.).
und den evangelischen in sein landt kein uberlast
bedencken billich austrücklich zu rühmen, dabeneben auch zu bitten, daß
andere reformirten dergleichen thuen wolten. Jetzo entstehe die frag, ob man
sie generaliter in den religionfried mit einnehmen solle. Dieweil sie nun die
herren Keyserlichen in ihr resolution
Wie [Nr. 24 Anm. 83] .
bei bewenden und generaliter geschehen laßen, iedoch aber a part mit ihn[ en]
sich vergleichen. Welcher vergleich glimpflich, prudentissime und also einzu-
richten, damit sie zufrieden sein könten. Es frage sich auch, durch wen mit
ihn[ en] zu tractiren, welches dan durch die Schwedischen herren plenipoten-
tiarii geschehen muste, alß welche die interpretation ihrer proposition zu ma-
chen. Er vermeine, wolten die reformirten das publicum exercitium ihren
evangelischen unterthanen [ nicht] verstatten, musten sie doch exercitium pri-
vatum zulaßen auch am ende, do es zuvor nit eingeraumt worden. Die von
Altenburg aufgesetzte puncta könten in deliberation gezogen werden.
Fränkische Grafen. Befinde diesen punct von groß importants. Man
muße der reformirten macht gleichwol consideriren und daß sie in vielen
glaubensartikeln mit uns einig. Dahero mit ihnen behutsam zu tractiren, und
daß solches 1. ohne praejudi〈tz〉 der evangelischen religion, dan auch 2. im-
mediate per Suecios [ !] legatos und damit 3. die catholischen nit causam com-
munem draus machten, noch sich drauf ihrseits auch bezögen, geschehen.
Stelle zu bedencken, ob’s nit etwa auf ein ander zeit zu verschieben.
Stadt Straßburg. Es sei schwer, sich hierin zu resolviren, dan wan die
reformirten simpliciter in den religionsfrieden solten aufgenommen werden,
wurden sie es nit beßer machen alß die catholischen. Sie grieffen umb sich
wie der krebs, welches man zu Franckfurt am Main
Nach Frankfurt a. M. waren seit 1554 in mehreren Wellen Reformierte aus den Span. Ndl.n
eingewandert, die neue Gewerbe- und Handelszweige sowie eine innovative Produktionstech-
nik und Produktionsorganisation in die Reichsstadt gebracht hatten, was Neid und soziale
Abwehrreaktionen bei den Einheimischen geweckt und wirtschaftliche und soziale Spannungen
verstärkt hatte. Dauerndes Streitthema war die Zulassung des reformierten Gottesdienstes in
der Stadt. 1594 wurde der ndl. reformierten Gemeinde, 1596 der frz. reformierten Gemeinde
der private Gottesdienst untersagt ( Schindling, 224–230). Aus dem Jahr 1645 oder aus der
Zeit unmittelbar davor sind keine besonderen Entwicklungen oder Vorfälle innerhalb der re-
formierten Gemeinden bekannt, auf die der Ges. hier Bezug genommen haben könnte (freund-
liche Mitteilung von Prof. Dr. Dieter Rebentisch, Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, vom
5. November 1996).
sehe. Derowegen man sich mit gwißen cautelis verwaren muste, derzu der
Altenburgische aufsatz dienen könte. Man muße zwar dahin trachten, daß sie
nit von uns abalienirt wurden, ihnen doch auch nit zuviel einraumen. Die
tractaten mit ihn〈e〉 musten durch die herren Schwedischen geschehen, dar-
umb sie in geheim durch ein oder ander person anzulangen.
Sachsen-altenburgisches Direktorium. Der schluß gehe dahin, daß
1. churfürstlicher durchlaucht zu Brandenburg moderation in puncto refor-
mationis expresse in dem bedencken zu erwehnen, zu loben und sie ümb con-
tinuation zu bitten;
2. es beßer sei, wan mit den herren reformirten durch die königlich Schwedi-
schen tractirt und sich mit ihnen per modum reversalium verglichen wur-
den.
3. Dieser vorschlag seie in höchster geheim an die herren Schwedischen zu
bringen und dan
4. der entworffene auffsatz zu communiciren und zu bedencken.
Sachanmerkungen zu Nr. 26