Acta Pacis Westphalicae III A 3,1 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 1. Teil: 1645 / Maria-Elisabeth Brunert

V. Die Protokollführung

Über Protokolle als Geschichtsquelle

Dazu Winfried Becker in seiner Einleitung zu APW IIIA 1,1.
und Protokolle als Form des Kanz-leischriftguts

Dazu Wolff in seiner Einleitung zu APW IIIA 4,1.
ist im Rahmen der Acta Pacis Westphalicae bereits umfas-send und gründlich geschrieben worden; und das Wichtigste über die hier heran-gezogenen Fürstenratsprotokolle ist schon bei der Beschreibung der Überlieferun-gen gesagt worden. Es sollen daher nur einige wesentliche Punkte hervorgehoben werden:
Man kann unterscheiden zwischen den Protokollen, die bei der Gesandtschaft am Kongreß verblieben (wie die magdeburgischen oder auch diejenigen der wet-terauischen Gesandten), und jenen, die als Beilagen zu den Relationen an die Höfe überschickt wurden. Die überschickten sollten das dokumentieren, was der Gesandte in seiner Relation nicht ausführlich referierte. Sie konnten auch ein Kontrollinstrument sein, denn sie ermöglichten dem Kanzler – oder auch dem Fürsten selbst – zu überprüfen, ob der Gesandte auftragsgemäß und mit genügen-dem Nachdruck den Willen seines fürstlichen Herrn vorgetragen hatte. Die Ge-sandten wußten dies natürlich und konnten versuchen, den Text des eigenen Vo-tums ihrer Instruktion anzupassen oder das Protokoll insgesamt so zu formulieren, daß ihre eigene Rolle im Fürstenrat in einem glänzenderen Licht erschien, als sie tatsächlich gewesen war. Es gibt Indizien, daß die Gesandten tatsächlich hin und wieder so verfuhren

Siehe oben bei Anm. 506; auch beim kulmbachischen Ges. besteht dieser Verdacht (s. oben nach Anm. 307).
. Doch im ganzen gibt es keine Hinweise darauf, daß ein-zelne Gesandte etwa grundsätzlich manipulierte Protokolle überschickt hätten.
Es gibt wesentliche Gemeinsamkeiten zwischen Protokollen und einer bestimmten Art von Diarien. Tagebücher wie Sachsen - Altenburg A III oder das DLö-ben bestehen zu einem großen Teil aus der Wiedergabe mündlicher Verhandlun-gen, sind also gewissermaßen aneinandergereihte Einzelprotokolle. Dem ent-spricht, daß der zeitgenössische Sprachgebrauch schwankt: protocoll konnte auch ein diarium meinen

Siehe z. B. die Aufschrift auf dem Titelblatt von Sachsen- Altenburg A V (s. oben).
. Daher konnten in dieser Edition in verhältnismäßig gro-ßem Umfang auch Diarien als Druckvorlage verwendet werden.
Die besten und als Quelle ergiebigsten Protokolle unserer Edition sind die magde-burgischen. Die erzstiftischen Gesandten waren die einzigen, die ihren Sekretär mit in die Sitzungen brachten. Werner hatte als Direktorialsekretär neben dem Protokollieren auch andere Aufgaben zu erfüllen wie das Hinausbegleiten der Ge-sandten oder die Ansage der Sitzungsnummer. Werners Protokolle sind das beste

[p. CXXXVII] [scan. 137]

Zeugnis für den Verlauf der Sitzungen, da er wie ein Stenograph bemüht war, alles Gehörte mitzuschreiben, während die Gesandten bei ihren Mitschriften dazu neigten, das subjektiv als wesentlich Empfundene aufzuzeichnen. Folgendes Bei-spiel illustriert die Art von Werners Mitschrift

Magdeburg A I fol. 28’. Auf die Auflösung der Abkürzungen und die Anwendung editions-technischer Regeln wurde bewußt verzichtet.
:
Direct. pp. Wie vorgestern bey damals [ Auslassungszeichen] beschloßen worden, d[+ Kürzungszeichen] schreiben [ Auslassungszeichen] abgefaßet, d[+ Kürzungs-zeichen] ihrige dardurch beantwortet, undt was sonst [ Auslassungszeichen] be-schloßen zu erkennen [ Auslassungszeichen] Soist zu Papier [ Auslassungszeichen] gestern früh [ Auslassungszeichen] andere Verhinderungen

Verhinderungen wurde in üblicher Weise zweifach abgekürzt: 1. das er hinter dem d wurde durch einen an das d anschließenden, nach links über das Wort führenden Aufschwung ersetzt; 2. die Endung en wurde durch einen an das g gesetzten, nach rechts geführten, schlaufen-förmigen Abbrechungshaken (beschrieben bei Beck / Henning, 199) ersetzt.
[ Auslassungszei-chen] Weil aber nicht länger zu verziehen undt sie sich zu dem ende [ Auslas-sungszeichen] wollte Er es ablesen [ Auslassungszeichen] möchten die contenta wol in acht nehmen undt erinnerung thun [ Schlußzeichen]
Legebat das Concept des Beantwortungsschreibens [ Schlußzeichen] Undt stellete es zur fernern Umbfrag [ Abbrechungshaken] [ Am Rand wurde neben den letzten sechs Worten ergänzt:] wern nicht allein conclusum; sondern

Das er in sondern wurde durch das oben Anm. 364 beschriebene Kürzungszeichen ersetzt.
auch rationes hi〈r〉ein gebracht

Neben den schon genannten Abkürzungen wurde das n am Ende eines Wortes durch einen nach unten links führenden Haken ersetzt (also das übliche Abbrechungszeichen).
.
Der Vergleich mit dem von Werner extendierten Protokoll ( Magdeburg C) zeigt, für welche Worte die Auslassungszeichen stehen. So ist an die Stelle des ersten die Wendung gehaltener zusammenkunfft undt deliberation getreten

Der Text ist abgedruckt in Nr. [8] , Beginn des Protokolls.
. Das auf das Wort ende folgende Auslassungszeichen hat Werner durch wieder eingestellet ersetzt. Insgesamt hat er sich bei seiner Extendierung eng an den Wortlaut der Mitschrift angeschlossen, die dortigen Auslassungszeichen ersetzt und zum Teil das dort nur stichwortartig Angedeutete aus seiner Kenntnis oder viel-leicht auch seiner Beurteilung der Vorgänge durch ausschmückende Beschreibung ergänzt. So wurde aus wern nicht allein conclusum; sondern auch rationes hi〈r〉ein gebracht die amplifizierende Wendung: darein nicht allein das con-clusum, sondern auch die vornehmsten rationes auffs fleißigste, kürtzeste undt soviel immer möglich gebracht weren etc.

Siehe ebenda. – Das Konzept, von dem hier die Rede ist, wurde vom magdeburgischen Direktorium, vielleicht sogar unter Werners Mithilfe, stilisiert. Möglicherweise sah sich Wer-ner deshalb zu den lobenden Epitheta veranlaßt. Ganz sicher kann man nicht sein, ob die Worte auffs fleißigste, kürtzeste undt soviel immer möglich in der Sitzung wirklich gefal-len sind.

[p. CXXXVIII] [scan. 138]

Der Vergleich zwischen Mitschrift und ausgearbeitetem Protokoll zeigt, daß im Rapular mehr Latein verwendet wurde als in den extendierten Protokollen. So heißt es z. B. einmal: Cavendum, ne a locis tractatuum ulla ratione abstraha-mur [ Schlußzeichen] Non tam propter

In der üblichen Weise abgekürzt: pp, die Schäfte doppelt durchgestrichen.
respectum auxilii humani: quam ob respectum gloriae divinae

Abgekürzt: glae dnae, jeweils mit waagerechtem Strich über der Abkürzung. Bei ae ist das e auf einen oben an das a anschließenden Punkt reduziert.
[ Kürzungszeichen]

Fol. 27’.
. Daraus wurde im extendier-ten Protokoll: Mann habe wol acht zu haben, das mann ja nicht ulla ratione a locis tractatuum abstrahiret werde, nicht sowol in respect menschlicher hülffe oder assistentz als Göttlicher ehre

Siehe Nr. [7 vor Anm. 88] .
Es ist kaum zu entscheiden, ob in den Sit-zungen tatsächlich teilweise lateinisch gesprochen wurde, oder ob der Protokollant wegen der Kürze des Lateinischen einfache Sachverhalte lateinisch notierte, auch wenn sie deutsch vorgetragen worden waren. Die gerade beim Protokollieren vorteilhafte Kürze des Lateinischen wird deutlich, wenn man bedenkt, daß aus den Worten: indifferent: Ut fiat in scriptis [ Kürzungszeichen]

Fol. 27.
im extendierten Protokoll wurde: Were gleichsfalls indifferent undt leicht darmit einig, das es in schrifften geschehe

Siehe Nr. [7 (unten S. 115 Z. 18f)] . Immerhin ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, daß im Protokoll des wetterauischen Ges. Heidfeld der Anteil des Lateinischen teilweise noch größer ist (s. oben bei Anm. 529).
.

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