Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
25. Sitzung des Kurfürstenrats Münster 1646 März 8

6
74

7

25. Sitzung des Kurfürstenrats


8
Münster 1646 März 8

9
Kurmainz Rk FrA Fasz. 14 nr. 25 fol. 160–166’ = Druckvorlage; damit identisch Kur-
10
mainz
Rs FrA Fasz. 15 ( unvollständig). Vgl. ferner Kurtrier zA ( damit identisch Kur-
11
trier
spA p. 425–434); Kurköln zA I fol. 189–192’ ( damit identisch Kurköln spA I
12
fol. 405’–414’, Kurköln spA Ib fol. 423–432 und Kurköln zA Extrakt fol. 16’–17);
13
Kurbayern K II fol. 161–171 ( damit identisch Kurbayern spA II p. 591–611, Kurbayern
14
Rp II).

15
Wiederaufnahme der Partikularverbandlungen über die Restitution von Kurpfalz. Freies Geleit
16
für Portugal und den Herzog von Lotbringen. Einschluß Spaniens in den Frieden, den das Reich
17
schließen wird.

18
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
19
brandenburg; Kurbayern kommt später binzu.

20

29
515, 20–517, 19 Kurmainz – werden] Der erste Teil der Sitzung fehlt offenbar wegen Ab-
30
wesenheit Kurbayerns in Kurbayern K II, spA II, Rp II, aber auch in Kurmainz Rs;
31
in Kurbayern K II liegt allerdings eine zeitgenössische Abschrift des kurbrandenburgischen
32
und des kurmainzischen Votums vom ersten Teil der Sitzung bei.
Kurmainz referirt vor der herrn Churbayrischen ankunnfft, waßgestalt des
21
herrn graven von Trautmanßdorffs Excellenz bey abgelegter visiten ihnen
22
zu verstehen geben, daß bey derselben die Pfaltzische anweßende deputirte

33
Joachim Camerarius (1603–1687), seit 1631 in schwedischen Diensten, 1633 schwedischer
34
Resident am pfälzischen Hof, kurpfälzischer und kgl. schwedischer Rat ( Zedler 5 Sp. 396f.,
35
Gauss, Wettstein S. 295), Dr. Jonas Meisterlein, fl. pfalz-simmerscher Rat (am 6. Mai 1645
36
beide in Osnabrück anwesend laut Kurköln VI 242 a fol. 200) und Philipp Streuff von Lauen-
37
stein. Streuff und Camerarius kamen am 18. Mai 1645 nach Münster ( DWartenberg II
38
S. 1262f.).

23
die befürderung der Pfaltzischen tractaten starck urgirt, welche sie aber,
24
weiln solches eine sach, so vor daß churfürstliche collegium gehörig, zu

25
514, 33 werdte] Laut Kurköln zA I, spA I, Ib und Kurtrier zA, spA behält sich Kur-
26
brandenburg
außerdem noch die Übergabe von vota particularia vor, weyln es die reichs-
27
abschied zugeben.

[p. 516] [scan. 640]


1
dem Churmaintzischen reichsdirectorio verwießen. Was sollen sie den pfäl-
2

34
2 werden] Zusätzlich in Kurtrier zA, spA: Wahn die particulartractaten solten
35
vortgesetzt werden, stehet alsodan ferner zu berathschlagen, wie man sich darin
36
zu verhalten.
zischen
Gesandten antworten, wenn diese sich vielleicht bald an sie wenden werden?

3
Kurtrier . Ihre Churfürstliche Gnaden zu Tryr […] vernehmen gern, daß
4
dieße sach wider reassumirt werden solle, weiln ohne hinlegung deren die
5
beruhigung des reichs nit werde zu erhalten sein, wie dato die erfahrung
6
geben. Hochstgedachte Ihre Churfürstliche Gnaden vernehmen, daß daß
7
churfürstliche collegium sich dabevorn zur interposition eingelaßen, und
8
dahero dieselbe ihnen ahnbevohlen, wann die sach wider reassumirt werden
9
solte, sich der interposition halber alßdann auch vernehmmen zu laßen. Es
10
hetten ihnen derentwegen die Pfaltzische abgeordnete iüngsthin

37
10–11 ein – schrifft] Laut Kurköln zA I, spA I, Ib und auch laut Kurtrier zA, spA
38
eine protestationschrifft wieder ettliche churfursten.
ein gewiße
11
schrifft praesentiren wollen; sie hetten sich aber deren ahnnehmung halber
12
entschuldiget und dieselbe ahn daß Churmaintzische directorium verwießen.
13

39
13–15 Sie – ungeneigt] Fehlt in Kurköln zA I, spA I, Ib, abweichend in Kurtrier
40
zA, spA: Da die Sache nicht unter die Amnestie fällt, sondern nun ad particulares trac-
41
tatus gestelt wirdt, so berühet es billig dabey.
Sie hetten vernohmmen, daß die Pfaltzische, weilen sie vermerckt, daß
14
dieße sach von der amnistia abgesondert werden wolle, zu particular-
15
tractaten nit ungeneigt. Die proponirte question, wie sich nemblichen die
16
herrn Churmaintzische, zum fall die Pfaltzische sich bey ihnen anmelden
17
solten, zu verhalten, da werde derselben anpringen erstlichen zu vernehm-
18
men und dem churfürstlichen collegio zu referiren stehen, uf solchen fall
19
man sich dann hinwider zu erclären wißen wird.

20
Kurköln . Erinnerten sich, worauf dieße sach vor dießem bestanden und
21
welchergestalt dieselbe auf reassumption verwießen worden. Und nachde-
22
mahln iüngsthin bey beredung der amnistiae darfürgehalten worden,
23
daß dieselbe durch absonderliche handlung hingelegt werden müste, wolte
24
man frieden im reich haben, Churbayern auch zu dießer reassumption nit
25
ungeneigt, so werde zu vernehmmen stehen, waß auch die Pfaltzische darauf
26
sich werden erclären. Und weiln die sach vornehmblich vor daß churfürst-
27
liche collegium gehörig, so werde die mediation mit mehrerer frucht vor
28
demselben können vorgenohmmen werden;

42
28–30 und – könne] Fehlt in Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA I, Ib.
und werden sich die interessirte
29
umb soviel weniger zu beschwehren haben, weiln nichts ohne beyder theil
30
gueten belieben gehandlet und geschloßen werden könne. Und hetten die
31
herrn Churmaintzische denselben, wann sie sich bey ihnen angeben solten,
32
zu verstehen zu geben, daß mit Kayßerlicher Mayestät und der interessenten
33
belieben dieße handlung bis zu anderer zeit verwießen worden; und weiln

[p. 517] [scan. 641]


1
ietzo die beste gelegenheit sein werde, solche vorzunehmmen, so stelte man
2
zu ihrem belieben, dieselbe zu reassumiren, nit zweivelend, Ihre Churfürst-
3
liche Durchlaucht in Bayern werden sich auch darzu gern bequemen.

4
Kurbrandenburg . Sie hetten vernohmmen, ob wehren die Pfaltzische
5
gemeint, sich selbiger sach halber in tractaten einzulaßen, welches ihnen nie
6
vorkommen. Welchergestalt ermelte Pfaltzische sich gegen sie dießer sachen
7
halben vernehmmen laßen, hetten sie iüngst, als man in puncto amnistiae
8
deliberirt, angezeigt. Solte es yedoch derselben will sein, die handlung
9
vorzunehmmen und derentwegen ichtwas bey den herrn Churmaintzischen
10
anpringen, hette es seinen gewießenen weg, und könde ihnen auf ihr begeh-
11
ren ahn hand gegangen werden. Conformirten sich sonsten mit Tryr, daß
12
erstlichen zu vernehmmen, waß dieselbe bey Maintz werden anpringen,
13
solchem nach man alßdann darüber deliberiren und sich mit beßerm bestand
14
erclären könne.

15
Kurmainz . Nechst kürtzlicher recapitulirung der vorstimmenden votorum
16
hielten, es könde der herrn Churcöllnischen vorschlag den Pfaltzischen
17
deputirten, zum fall sie sich bey ihnen angeben solten, glimpflich zu gemüet
18
geführt werden. Die Antwort der Pfälzer werden sie vortragen, darüber kann
19
dann beraten und pro re nata ein gewißes verglichen werden.

20
Dießem nechst proponirte Maintz in beysein der herrn Churbayrischen
21
gesanden: Nachdemahln sowohl alhie alß zu Oßnabrück in beyden fürsten-
22
und stätträthen albereit die proaemialia beyder replicen vorgenohmmen und
23
erörtert worden und den herrn gesanden nit unbekand, welchergestalt von
24
den Osnabrückischen gesanden uff die re- und correlation der ersten class
25
starck getrungen werde, alß hetten, damit man umb soviel ehender vort-
26
kommen mögte, vor nothig erachtet, den herrn gesanden solche auch in
27
deliberation zu stellen. Die Frantzosen suchten in dem proaemio ihrer replic
28
von Kayßerlicher Mayestät und der cron Spanien instendig salvos conduc-
29
tus vor die Portugeßische gesanden, 2º begehrten sie zu wießen, ob man
30
mit der cron Franckreich in einigen frieden sich schließlichen einzulaßen
31
nit gedencke, es wehre dann sach, daß die zwischen selbiger und der cron
32
Spanien vorschwebende strittigkeiten erlediget wehren. 3. Sie hätten dem
33
Herzog von Lothringen das freie Geleit abgeschlagen, weil er sich schon in Son-
34
derverhandlungen
mit Frankreich eingelassen

38
34 habe] Laut Kurbayern K II, spA II spricht Kurmainz zusätzlich die Empfehlung aus,
39
dem Herzog hierin an handt zu gehen, umb statum causae recht zu vernehmen.
habe.

35
Bitten um Äußerung zu diesen drei Punkten.

36
Kurtrier . Bey der ersten frag, ob den Portugesischen gesanden ein förmb-
37
licher salvus conductus zu ertheilen, stünden sie umb deßwillen nit wenig

[p. 518] [scan. 642]


1
ahn, dieweiln 1º sowohl die suchende persohn alß causa ipsa und die landt-
2
schafft Portugall gantz mit dießen tractaten, man nehmme gleich daß
3
reich allein oder die, so den frieden tractiren, zusammen, kein gemein-
4
schafft habe,

33
4–11 dann – wolle] Fehlt in Kurköln zA I, spA I, Ib.
dann mit allen interessirten theilen das reich eingeflochten;
5
sie sehen aber nit, waß dasselbe mit Portugal vor interesse habe. Ihre König-
6
liche Mayestät in Spanien wehren starcker opponent und erkenneten den
7
inhabern des königreichs Portugall vor keinen rechtmeßigen possessoren

39
1637 und 1640 fanden in Portugal Aufstände gegen die spanische Herrschaft statt, Kg. Johann IV.
40
von Braganza war mit Richelieu verbündet ( CMH IV S. 414, 466–468, 470–473).

8

34
8–9/10 und – praeiudiciren] Fehlt auch in Kurtrier zA, spA, Kurbayern K II,
35
spA II.
und daß consequenter derselbe keinen legaten haben könde; sehen also nit,
9
waß nöthig, höchstgedachter Ihrer Königlichen Mayestät hierin zu praeiu-
10
diciren. Man wüste auch nit, waß es nutze, weiln Spanien mit denselben
11
gar nit tractiren wolte. Wan aber Kayßerliche Mayestät vor guet ansehen
12
würden, Spanien auch darzu zu bewegen, mit den Portugesen dießorths
13
zu tractiren, so könden sie wohl geschehen laßen, daß Ihre Kayßerliche
14
Mayestät zu ersuchen, denselben einen salvum conductum zu geben.

15
Ad 2 um ob Kayßerliche Mayestät und die ständ des reichs ohne einverlei-
16
bung Spanien keinen frieden zu schließen, da wehren underschiedliche
17
considerationes pro et contra, und zwar pro, wann Spanien als ein stand
18
des reichs den krieg mit geführt, wie selbige cron dann auch in den Nider-
19
burgundischen landen und sonsten im reich gethan und also noch under-
20
schiedliche orth, sonderlich in der Pfaltz

41
Hier ist besonders Frankenthal zu nennen, das nach 1608 von Kf. Friedrich IV. von der Pfalz
42
zur Hauptfestung der linksrheinischen Pfalz ausgebaut worden war, aber über den Friedensschluß
43
hinaus, von 1635 bis 1652, spanische Garnison blieb ( Wille S. 79ff., 111, Hauck S. 84,
44
100f., Handbuch 5 S. 100–102).
, inhetten, dahero sie dan auch
21
der meinung, keinen frieden zu schließen alß mit einverleibung der cron
22
Spanien als comembri imperii;

36
22–24 und – reichs] Fehlt in Kurtrier zA, spA, Kurbayern K II, spA II, hingegen
37
zusätzlich in Kurköln zA I, spA I, Ib: Denn Burgund hat die Generalamnestie 1641 in
38
Regensburg mit helffen abhandlen.
und hette man auch kein ursach, dieselbe
23
alß hertzogen zu Burgund außzuschließen, weiln die cronen die amnistiae
24
begehren vor alle ständ des reichs. Waß aber den Cathalonischen und andere
25
krieg belanget, damit hette daß reich ebensowenig alß mit Portugall zu
26
thun. Und könde gegen obbesagte rationes vorgewend werden, daß, obzwar
27
Ihre Königliche Mayestät in Spanien in Burgund mit den Staden und Frant-
28
zosen zuzeiten krieg geführt, so hette sich doch daß reich damit nit einge-
29
mischt, 2º hetten dieselbe auch albereit mit besagter cron Franckreich und
30
den Holländern ohne zuziehung Kayßerlicher Mayestät und des reichs
31
tractaten angefangen. Hielten also dafür, dießen puncten außzusetzen, bis
32
man sehe, wie sich die tractaten zwischen dem reich und beyden cronen

[p. 519] [scan. 643]


1
anlaßen und ob der fried könde geschloßen werden oder nit.

37
1–4 Und – pleiben] Fehlt in Kurköln zA I, spA I, Ib, Kurbayern K II, spA II.
Und wann
2
man befinden solte, daß kein fried alß durch separation der cron Spanien
3
könde geschloßen werden, würde ermelte cron daß reich nit verdencken,
4
sich dießfals eher einzulaßen alß lenger im krieg zu pleiben; yedoch hette
5
man zu sehen, wie sich daß friedenswerck mit den cronen anlaßen werde.

6
3º sehen sie keine rechtmeßige ursach, warumb dem herrn hertzogen zu
7
Lottringen der gesuchte salvus conductus zu verweigern, dann wie mit
8
Spanien gemelt, also auch Ihre Fürstliche Durchlaucht ihre waffen geführt,
9
auch noch posten im reich einhetten. Sie wehren ein vornehmer stand des
10
reichs und demselben zugethan, trügen auch von demselben ahnsehentliche
11
stück zu lehen

42
Die Markgrafschaften Pont-à-Mousson, Nomeny, die Grafschaften Blankenburg und Clermont
43
und die Herrschaft Bilstein ( Derichsweiler I S. 133f.).
, wehre also daß reich ratione directi dominii interessirt,
12

38
12 und – und] Zusätzlich in Kurköln zA I, spA I, Ib, Kurbayern K II, spA II:
39
Denn Lothringen muß sich dazu äußern können, daß die französische Replik vom Kaiser
40
verlangt, ihm nicht zu Restitution zu verhelfen.
und dahero pillig, hochgedachte Ihre Fürstliche Durchlaucht zu hören und
13
zu solchem end deroselben salvos conductus zu ertheilen. Sie haben hierzu
14
zwar keine besondere Instruktion, da aber Kurtrier Hunderte von Jahren hindurch
15
mit dem Herzog von Lothringen

41
15 verbündet] Statt dessen in Kurbayern K II, spA II nur: in gueter correspondenz.
verbündet gewesen ist, wird der Kurfürst von Trier

16
die Sache durch allgemeinen Friedensschluß gern beigelegt wissen wollen, zumahlen
17
sonsten daß hauß Lottringen alß souverain sich so leicht nit undertrucken
18
laßen, sondern sich ahn andere potentaten hencken und den krieg conti-
19
nuiren werde, wordurch dann der ertzstifft Tryr wegen der nachparschafft
20
auch leiden müste.

21
Kurköln . Belangend 1º die vor die Portugesische gesanden begehrte salvos
22
conductus Caesareos, da müsten sie mit den herrn Churtryrischen einig
23
sein, daß selbe sach zumahln mit dem reich keine gemeinschafft habe und
24
also zu den tractaten, so Franckreich und Spanien miteinander werden
25
vornehmmen, zu verweißen. Wobey dann auch zu consideriren, wann man
26
auch schon den Portugesen solchen salvum conductum ertheilen wolte,
27
sie denselben doch ehender nit annehmen würden, es geben dann Ihre
28
Kayßerliche Mayestät den königlichen titul, worzu sich aber dieselbe nit
29
werden tringen laßen, welches dann abermahls newe remorae der friedens-
30
handlungen sein würden. Sie sehen nit, in quem finem solches gesucht
31
werde, weiln die Portugesische hier zur stell und von niemand ubel ange-
32
sehen oder beschwehrt würden. Solten sie solches umb mehrer sicherheit
33
willen suchen, werde ihnen durch andere mittel alß die salvos conductus
34
geholffen und etwa den Kayßerlichen soldaten bevohlen werden können,
35
sie sicher passiren zu laßen, wordurch dann der disputat des königlichen
36
tituls vermitten pleibe.

[p. 520] [scan. 644]


1
2º sehen sie nit, zu waß end solche frag zu rüttelen nöthig, weiln die frembde
2
cronen selbsten wisten, daß man ohne absehen der cron Spanien mit ihnen
3
die tractaten angefangen. Wehre bekand, daß Franckreich und Spanien
4
absonderlich undereinander frieden zu tractiren veranlast, und gebe ein
5
tractation der andern keine hinderung, derowegen ihres davorhaltens dieße
6
frag quiesciren könde, bis man mit den tractaten fertig. Solchem nach alß-
7
dann dahinstehen werde, ob und waß man bey ein- oder der andern vor
8
officia einwenden könde. Und werde man auß christlicher lieb und naher
9
verwandnus mit dem reich nit gern sehen, daß daß reich allein, sondern
10
Spanien zugleich und sonsten menniglich fried haben mögte.

11
3. Sind auch der Meinung, daß der Kaiser auf der Forderung nach freiem Geleit für
12
den Herzog von Lothringen bestehen soll, weiln 1º Ihre Fürstliche Durchlaucht
13
ein vasallus imperii und ein vornembstes glied im reich, auch occassione
14
deßen, daß sie Ihrer Kayßerlichen Mayestät assistirt, in gegenwertige unge-
15
legenheit kommen und von land und leuthen vertrieben worden; und wehre
16
iha unpillig, daß Ihre Kayßerliche Mayestät in ansehung deßen sich ihro
17
soviel nit annehmmen solten, daß dieße sach hier vorgenohmmen werden
18
solte. Die cronen geben selbsten vor, daß dießes allgemeine tractaten, da
19
alle strittigkeiden hinzulegen, die ratio politica zu geschweigen, die man
20
hette wegen naher nachparschafft. Und laße sich nit entschuldigen, daß
21
dieße salvos conductus bey den praeliminartractaten zwar begehrt, aber
22
abgeschlagen worden, weiln Lottringen mit Franckreich sich damahls ver-
23
glichen und solcher vergleitung nit vonnöthen gehabt; wie dann die ständ
24
auff iüngstem Regenspurgischen reichsconvent ahn Franckreich wegen
25
außhändigung solcher salvorum conductorum geschrieben, darauff auch die
26

32
26 antwortt] Laut Kurbayern K II, spA II vom 6. Juli 1641.
antwortt, und zwar deß inhalts, ervolgt, sintemahlen Lottringen mit der
27
cron Franckreich verglichen, daß es derselben nit bedürfftig wehre

36
Vgl. über das „formlose Anschreiben“ Ludwigs XIII. an den Regensburger Reichstag vom
37
6. Juli 1641 Bierther S. 266f. Anm. 81, 230 Anm. 12.
. Nach-
28
demahln aber hochgedachte Seine Fürstliche Durchlaucht seithero in einen
29
andern stand gesetzt

33
29 und – daß] Fehlt in Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA I, Ib, Kurbayern
34
K II, spA II. In der Vorlage sind einzelne kleinere Korrekturen Raigerspergers angebracht,
35
die aber in Kurmainz Rs nicht eingearbeitet worden sind.
und von deroselben vorgeben worden wie noch, daß
30
sie zu den vergleichungsarticuln vi et metu genöthiget, auch selbige nit
31
vollkommentlich zum standt gepracht noch gehalten worden wehren

38
Hg. Karl IV. von Lothringen war als Herzog von Bar französischer Lehensmann. Durch ver-
39
schiedene
Verträge suchte Frankreich seine militärischen Aktionen zugunsten des Kaisers und
40
seine guten Beziehungen zum Reich zu unterbinden und ihn französischer Botmäßigkeit zu unter-
41
werfen
, so durch den Vertrag von Moyenvic vom 6. Januar 1632 ( Heydendorff I S. 92,
42
Stramberg 3, 7 S. 104), durch den Vertrag von Liverdun vom 26. Juni 1632 ( Heydendorff
43
I S. 95, des Robert I S. VII, VI, Stramberg 3, 7 S. 109), durch den Vertrag von Charmes
44
vom 20. September 1633 ( Heydendorff I S. 102f., des Robert I S. VIIf., Stramberg 3,
37
7 S. 123–133), durch den Vertrag von Paris vom 29. März 1641 ( des Robert II S. 217–220,
38
Stramberg 3, 7 S. 183–185, 196). Vgl. auch H. Weber, Frankreich S. 377, Hurter IV
39
S. 92–96.
, alß

[p. 521] [scan. 645]


1
gibt die vernunfft selbsten, daß solche sach alhie, und zwar umb sovieln
2
mehrer, vorzunehmmen. Seye ahngesehen bekant, daß sich etliche auß den
3
reichsständen wie Würtenberg und andere dabevorn auch absonderlich
4
mit Kayßerlicher Mayestät verglichen, die frembde cronen dannoch begehrt
5
haben, solche sach alhie ufs new zu reassumiren.

6

32
6 Kurbayern ] Kurköln zA I, spA I, Ib im kurbayerischen Votum wesentlich kürzer.
Kurbayern . 1º befinden, daß die Portugesische ein frembde sach seye, so
7
weder Kayßerliche Mayestät noch daß reich betreffe, auß den ursachen
8
sie dann davorhielten, solche ahn Spanien zu verweißen. Es wehren zwar
9
bey den praeliminartractaten solche salvos conductus begehrt, aber weiln
10
selbige kein gemeinschafft mit dem reich hette, nit erhalten worden; und
11
hette sich daß reich in frembde händel nit einzumischen. Die Schweden
12
hetten zwar in ihrer replic movirt, es dörfften die Portugesen alhie nit
13
sicher vor daß fenster sehen. Sie befinden aber nit, daß sie gefahr von dem
14
reich oder Kayßerlichen völckern hetten; sie sehen auch nit, wann schon
15
dießer salvus conductus solte verwilliget werden, wie derselbe einzurücken,
16
daß sie damit zufrieden wehren, dann den königlichen titul Ihre Kayßer-
17
liche Mayestät in ewigkeid nit geben würden.

18
Die zweite Frage ist zu früh gestellt. Schließt Spanien mit seinen Kontrahenten
19
vor dem Reich Frieden, so erledigt sie sich von selbst. Solte aber Spanien die sach
20
desperat geben, daß sie mit Franckreich keinen frieden schließen könden,
21
und allein in die umbfrag kommen, ob mit den exteris nechst außschließung
22
Spanien fried zu schließen, so hielten, es werde leicht hierüber zu deliberiren
23
und zu concludiren sein, dann Spanien nit begehren werde, daß in ansehung
24
deßen daß reich des friedens lenger solte beraubt

33
24 pleiben] Zusatz von J. Adolf Krebs in Kurbayern K II, spA II: Wenn die Spanier
34
dann auch schon die Fortsetzung des Kriegs von Teutschlandt verlangen wolten, würde
35
dannoch das Römische reich vor sich abdanckhen, den friden amplectiren undt
36
diejenige weitters kriegen lasen, so lust darzue haben.
pleiben. Es wehr zu end
25
der Frantzösischen replic auch eine quaestion begrieffen, waß vor potenta-
26
ten einzuschließen; wann man darzu komme, hette man alßdann auch hier-
27
von zu reden.

28
3º. Wolten sich von den maioribus nit separiren. Wehre bekand, daß Lottrin-
29
gen ein stand des reichs, man hette auch keine gewiße nachricht, waß selbi-
30
ger hertzog gehandlet, dahero ihres davorhaltens derselbe wenigst alhie
31
zu hören.

[p. 522] [scan. 646]


1
Kurbrandenburg. Ad 1 mum hielten sie auch, daß dießes eine frembde sach,
2
so daß reich nit, sondern die cron Spanien allein

35
2 concernire] Zusätzlich in Kurköln zA I, spA I, Ib, sinngemäß auch in Kurtrier
36
zA, spA, Kurbayern K II, spA II: die Portugäsen seyen auch nicht qua tales,
37
sondern underm comitat der Frantzosen einkommen.
concernire. Und wehre zu
3
den tractaten niemander zuzulaßen, alß der einig interesse mit dem reich
4
hette. Sie hetten zwar derentwegen keinen bevelch, vermeinten aber yedoch,
5
es könde solches begehren wohl zurückgetrieben werden, weiln ihnen
6
Portugesen in andere weg könde securität verschafft werden. Wann aber
7
Franckreich instendig darumb anhalten und also daran stehen solte, daß
8
kein fried zu erhalten, es seye dann den Portugeßen willfahrt, alßo hielten
9
sie, es seye denselben eher ein salvus conductus zu ertheilen alß den frieden
10
dardurch lenger zu verhindern.

11
Zu Punkt 2 wie Kurbayern. Darüber kann geredet werden, wenn man die am Ende
12
der Repliken angeschnittene Frage berät, für wen der Friede zu gelten hat. Inmittels
13
man auch sehen werde, wie sich die tractaten mit Franckreich und Spanien
14
anlaßen. Der cron Spanien wehre ebensowohl alß andern der frieden zue
15
gönnen, es wehren dieselbe auch ein vornehmmer stand des reichs, und
16
dahero ihro gleichergestalt vorstand zu leisten; yedoch wehre ein Separa-
17
tion in den sachen selbsten zu machen. Waß gemeinschafft mit dem reich
18
hette, wehre pillig, daß man sich derselben annehme; waß aber außwertige
19
sachen belangt, weiln daß reich darunder, sonderlich in den Holländischen
20
krieg, sich nie gemischt, hette es dabey auch noch sein verpleiben. Solte man
21
sehen, daß einige hoffnung zum frieden zwischen Spanien, Franckreich
22
und andern nit bevorwehre, und daß reich derentwegen noth leiden,

38
22–24 so – verdencken] Zusätzlich in Kurbayern K II, spA II im Sinne des kur-
39
bayerischen
Votums: Das Reich wird dann den friden nit ausschlagen; abweichend in
40
Kurköln zA I, spA I, Ib: Wan pax universalis getroffen seye, Spanien darauß
41
nicht zu lassen.
so
23
werde sich die quaestion wohl erörtern laßen, waß dem reich nutzlich;
24
und werde die cron Spanien deßen daß reich nit verdencken.

25
3º. Wehren Ihre Fürstliche Durchlaucht zu Lottringen zwar ein vasall
26
des reichs, aber nit wegen des gantzen hertzogthumbs, sondern allein
27
gewißer stück. Soweit nun dieselbe interessirt, wehre auch pillig, daß ihro
28
die hand gepotten werde, wie dann Ihre Churfürstliche Durchlaucht zu
29
Brandenburg deroselben gern die restitution gönnen, auch sehen werden,
30
daß ihro zu solchem end ein salvus conductus ertheilt werden mögte. Wird
31
aber Franckreich sich beharrlich weigern, ist zu bedenken, ob man eben des reichs
32
notturfft derentwegen zurückzustellen.

42
32–34 Sie – zurückzustellen] Laut Kurköln zA I, spA I, Ib von Kurbrandenburg
43
durch die Bemerkung abgemildert, daß sonsten aber alles mochliche mit fur Lothringen
44
anzuwenden.
Sie müsten dem reich zuträglicher
33
zu sein erachten, dem reich ehender frieden zu erwerben alß demselben
34
wegen einigen stücks, so vom reich dependirt, zurückzustellen.

[p. 523] [scan. 647]


1
Kurmainz.

29
1 Recapitulirte – vota] Ausführlicher in Kurtrier zA, spA, Kurbayern K II,
30
spA II, Kurköln zA I, spA I, Ib: 1. Verhandlungen über Portugal sind an Spanien zu
31
verweisen. 2. Die Frage des Einschlusses Spaniens in den Frieden ist usque ad finem
32
replicarum außzusetzen. 3. Für Lothringen ist freies Geleit zu verlangen. Punkt 1 und 3
33
können nach Meinung Kurbrandenburgs anders entschieden werden, wenn dadurch der Friede
34
zu erhalten ist. Kurköln endet darauf, Kurtrier und Kurbayern im folgenden knapper.
Recapitulirte kürtzlich der herrn vorstimmenden vota; Kur-
2
mainz
findet hinsichtlich des ersten Punkts, daß das freie Geleit für die Portugiesen
3
eine neue, im Präliminarfrieden nicht aufgeführte Forderung ist; dort ist es allein
4
dahin gestelt worden, daß denienigen, welche mit des Römischen reichs
5
krieg implicirt, salvi conductus zu ertheilen seyen. Sehen dahero nit, wie
6
den Portugeßen, alß welche sach mit dem Römischen reich keine gemein-
7
schafft habe, hierin zu willfahren. Und wann man auch schon denselben
8
solchen salvum conductum zu ertheilen vor rathsamb erachten solte, so
9
werden sich wegen des Titels Schwierigkeiten und Verzögerungen in den Verhand-
10
lungen
ergeben, dann Ihre Kayßerliche Mayestät denienigen, welche dero
11
hauß und befreunden vasall und perduellis seyen, mit solchem königlichen
12
titul und gesuchtem gelaid keineswegs werden ahn hand gehen.

35
12–21 Stelten – abgewießen] Fehlt auch in Kurtrier zA, spA, Kurbayern
36
K II, spA II.
Stelten es
13
also ihrestheils dahin, sinthemahln sie ahn keinem orth weder von Pabst-
14
licher Heyligkeit, Veneto noch Dennemarck vor legaten erkennet werden,
15
man auch durch ertheilung des salvi conductus ihre rebellion tacite appro-
16
biren thete, welches wider des reichs reputation und authorität, und zwar
17
umb soviel mehr lauffe, weiln ihr herr, von deme sie abgefallen, ein stand
18
des reichs und socius belli, ohnedaß dießes in böße consequenz gezogen
19
und andern potentaten dergleichen widerfahren dörffte, daß dieße sach ad
20
exemplum anno 1619, alß die rebellische ständ in Böheimben bey vorgewe-
21
ßener wahl ihre gesanden schicken wollen und man sie rund abgewießen

39
Die böhmischen Stände verlangten 1619 für ihre Gesandten Einlaß in die Reichsstadt Frankfurt,
40
die wegen der Wahlvorbereitungen für Ferdinand II. geschlossen worden war, und Teilnahme an der
41
römischen Königswahl, weil sie Ferdinand II. als böhmischen König und Inhaber der böhmischen
42
Kurstimme nicht anerkannten ( BuA II 1 nr. 115 S. 20f., nr. 131 S. 257). Ihre Gesandten
43
Christian Aderspach Berkha, Johann Smil von Michalowitz und Johann Arnold Adlinger von
44
Arnoldstein wurden jedoch abgewiesen; sie mußten in Hanau Quartier nehmen und gaben beim
45
kurmainzischen Direktorium eine Protestschrift ein ( Londorp I S. 660, Hurter I S. 58–61).
,
22
zu Ihrer Kayßerlichen Mayestät und der cron Spanien zu verweißen, ihrem
23
belieben nach darin zu verfahren.

24
Ad 2 um ob Spanien mit in Teutschen frieden einzuschließen,

37
24–28 da – worden] Fehlt in den anderen Überlieferungen, wie auch 524, 17–19 nach – ver-
38
bunden] und 524, 20 1636 – conclusum].
da befinden
25
sie in erwegung der sachen, daß im praeliminarconcluso enthalten, daß
26
ietztbesagte strittigkeiden bey dießem convent verglichen werden sollen,
27
deme pillig zu inhaeriren, weiln dießes conclusum von beyden königen
28
angenohmmen und ratificirt worden, dergestalt daß auch die Frantzosen

[p. 524] [scan. 648]


1
uber die Spanische vollmacht scrupulirt und des cardinalinfantens nit vor
2
sufficient ermeßen, 2º wehren die salvi conductos umb deßwillen ertheilt,
3
daß alles alhie erlediget werde, 3º seyen die gesanden in loco tractatum
4
erschienen und hetten ihre plenipotentias gegeneinander außgewechßelt,
5
auch die plenipotenz der Spanier von den Frantzosen nach ihrem begehren
6
reformirt worden. Von der Separation selbsten zu reden, werde hiernechst
7
gelegenheit geben und dabey zu erwegen sein, waß vor nutzliche dienst
8
daß reich von Spanien empfangen; dahero sie sich mit den vorstimmenden
9
verglichen, daß dieße sach biß dahin außgestelt werde.

10
3º hielten sie mit den herrn vorstimmenden davor, daß des herrn hertzogens
11
zu Lottringen Fürstlicher Durchlaucht mit dem begehrten geleid pillig
12
ahn hand zu gehen, weiln dieselbe bishero socius belli geweßen. Wehren
13
anno 1632 Kayßerlicher Mayestät mit einer ahnsehentlichen armaden zu
14
hülff kommen, auch in der Nördlinger schlacht der catholischen ständ
15
exercitum geführt und sich noch vor zwey Jahren bey Dütlingen in persohn
16
eingefunden

28
In der Schlacht von Nördlingen ( 5./6. September 1634) kommandierte Hg. Karl IV. die ligisti-
29
sche
Armee. Vgl. E. Leo, Nördlingen S. 52, passim, des Robert II S. 207, Martin II
30
S. 212, über die Schlacht von Tuttlingen Gindely III S. 145, 42, Stramberg 3, 7 S. 191f.
, stünden auch noch in würcklicher armatur wider des reichs
17
feinden; 2º seyen sie vasallus, cliens et faederatus imperii nach inhalt deren
18
anno 1542 zu Nürnberg mit dero vorfahrn ergangener transaction

31
Nach dem Nürnberger Vertrag vom 26. August 1542 zwischen Kg. Ferdinand I. und Hg. Franz
32
von Lothringen sollte Lothringen für die bisherigen Reichslehen (siehe oben S. 519 Anm. 1) auch
33
weiterhin die Belehnung empfangen; das Herzogtum selbst jedoch sollte liber et non incorporabilis
34
sein und bleiben und dem Reichskammergericht nicht unterstehen. Dennoch blieb Lothringen Teil des
35
Oberrheinischen Kreises, genoß den Schutz des Reiches und wurde für die Reichsmatrikel neu
36
veranschlagt. Dieser Kompromiß, der den Unabhängigkeitsbestrebungen der lothringischen Herzöge
37
vom Reich ebenso Rechnung trug wie den Bemühungen um die Abwehr französischer Eingliederungs-
38
versuche, begründete die staatsrechtliche „Zwitterstellung“ des Herzogtums ( Derichsweiler
39
I S. 133–135, 390f., Fitte S. 27ff., Ritter II S. 36f.). Lothringens Anteil an den Friedens-
40
verhandlungen ist ausführlich dargestellt bei Fitte S. 59–74.
, dahero
19
Ihre Mayestät und daß reich Ihrer Durchlaucht verbunden; 3º der Prager
20
frieden wie auch daß anno 1636 zu Regenspurg verfastes conclusum

41
Die Restitution Lothringens war auf dem Nürnberger Kurfürstentag von 1636 vorgesehen worden
42
( Hurter IV S. 493f.).

21
führe nach sich, daß hochgedachter Seiner Durchlaucht restitution zu
22
befürdern. Solte solches nun geschehen, müsten dieselbe anhero gelaßen,
23
gehört und ihro assistirt, auch zu solchem end von den cronen sicher geleid
24
ertheilt werden. Wehren dahero Ihre Kayßerliche Mayestät allerunderthe-
25
nigst zu ersuchen, dahin zu sehen, wie solcher salvus conductus ertheilt
26
werden mögte, allermaßen sie dann solches bey verfaßung des conclusi
27
beobachten wolten.

Dokumente