Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
123. 105. Sitzung des Städterats Osnabrück 1648 Januar 18 2 Uhr
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Osnabrück 1648 Januar 18 2 Uhr
Strassburg AA 1144 fol. 443–449 = Druckvorlage; Ulm A 1560 o. F.; vgl. ferner Bremen
2 – X. 8. m.
Verhandlungen der prinzipalen Stände unter Ausschluß der Städte: Konsequenzen für die städtische
Rechtsstellung; Vorgehen wegen eines möglichen Abschlusses des Amnestiepunktes und der Militär
satisfaktion .
Anwesend: Straßburg, Lübeck, Kolmar, Bremen auf der Rheinischen, Regensburg, Nürnberg und
Lindau auf der Schwäbischen Bank.
Herr Director proponirt: Die ursach, um derer willen er die herren abge-
sandten in sein losament bemühen laßen, beruhe darauff, daß der herr
Lübeckhische ihme andeutten laßen, ob hette er eines und anders, daran dem
samptlichen stättcollegio gelegen und deretwegen sich collegialiter zu
underreden, in erfahrung gebracht. Weiln nun die zeitt was kurtz und einer
und der andere von denen herren abgesandten mitt anderen geschäfften
beladen sein möchte, alß stelte er zu des herrn Lübeckhischen belieben, ob
er mitt vertraulicher apertur und communication den anfang machen wolte.
Lübeck referirt: Demnach er nicht allein am vergangenen sonnabendt dem
herrn directori, was für praejudicirliche discurs wider das erbare stättcolle
gium an einem und anderem orth gehen, auß guthem vertrauen angedeuttet,
sondern man auch vor augen sehe, wie beede höhere collegia ihr interesse
anietzo so wohl in obacht nemen, in deme sich etliche auß derenselben mittel
öffters zusammen thun, von dem negotio pacis underreden und dergestalt
vigilant erweisen, wie sie vermeinen, daß es zu ihrem nutzen am dienlichsten
sein möge, alß habe er nöthig zu sein erachtet, daß man auch an seitten der
erbaren frey- und reichsstätt nicht still sitzen, sondern von der sache, was
etwa dabey zu thun sein wolle, sich mit einander bereden solte und daß um
soviel mehr, weiln es nicht allein auß denen Churbayerischen schreiben und
jüngst verwichener tagen an verschiedenen orthen gefallenen discursen,
sondern auch einem intercipirten schreiben das ansehen gewinnen wollen,
ob solte die karten dergestalt verkehret werden, daß sich die vornemsten
von denen chur- und fürstlichen über dem negotio pacis zusammenthun und
dem werck abhelffen solten
Die Verhandlungen waren im letzten Drittel des Jahres 1647 ins Stocken geraten. In der Er-
kenntnis , daß ein Beharren auf extremen Positionen den Frieden noch lange hinauszögern würde,
kamen sich die gemäßigten Gruppen der beiden Konfessionsparteien immer näher, zunächst die
Gesandten der fränkischen Bischöfe, Braunschweigs und der sächsischen Herzöge, dann im Januar
1648 Kurmainz, Kurtrier, Kurbayern, Straßburg-Stadt, schließlich auch Kursachsen und Kur-
brandenburg . Kurbayern hatte zwar den Ulmer Waffenstillstand mit den Franzosen aufgekündigt,
Ende 1647 aber in einem Schreiben an den Kaiser mit einem Alleingang der nachgiebigen Stände
gedroht ( Meiern IV S. 836 , die kurbayerischen Monita ebd. S. 941). Zu den Verhandlungen zu
Beginn des Jahres 1648 Meiern IV XXXIII. Buch S. 863ff. ; F. Dickmann S. 458ff.;
W. Becker S. 303ff.; F. Wolff S. 172–176; zur Vermittlungspolitik des kurmainzischen Ge-
sandten Vorburg Chr. F. Sattler VIII S. 161ff.; V. Kybal – G. Incisa I 1 S. 134f.;
C. Wild S. 68ff.; zu den kurbayerischen Bestrebungen UuA IV S. 647, 650.
laßen, wann man nicht erst dieser tagen wahrgenommen hette, daß die deli-
beranda von denen primariis vorhero überlegt und abgedroschen gewesen,
geschwind darüber hingegangen, dasjenige, was bey einem und anderm punc-
ten erinnert worden, zum theil negligirt, zum theil pro arbitrio und zwar mitt
verdruß der vornembsten dem auffsatz beygeruckhet worden seye. Und ob er
zwar wohl darzu stillschweigen köndte, weiln seine herren und oberen bey
beeden punctis, amnistiae et gravaminum in particulari seines wißens nicht
interessirt, so hette er doch, weiln das stättische wohlwesen, daß man sich
darüber zusammen thue, erfordere, mit wohlbesagtem herrn directore
darauß communiciren und zu fernerem nachdenckhen stellen wollen, ob nicht
mit denen herren Kayserlichen, Schwedischen und principalioribus evangeli-
corum auß dem werckh per deputatos nomine collegii zu reden und denen-
selben nicht allein das interesse der stätt zu remonstriren, sondern auch sie,
daß sie die stätt, daran dem Römischen reich nicht wenig gelegen und die
nicht den geringsten stand machen, mehrers achten und, bey ihrem alten estat
und rechten conserviren und erhalten helffen, zu bitten sein möchte?
Es komme 2. hierbey, daß herr Salvius sich vernemen laßen, sie
in wenig zeitt aus der sachen zu kommen, weiln punctus amnistiae bereits ali-
qualiter abgehandelt und sie den punctum gravaminum denen evangelischen
ständen, wobey sie, es in einem und dem anderen zu laßen, gedenckhen, sim-
pliciter heimzugeben entschloßen seyen. Auff welchen fall nichts gewißers,
dann daß die erbaren stätt de quarum corio luditur und welche dabey am
meisten interessirt, von den höheren ständen verlaßen und hindangesetzt
werden. Könne also guthe und embsige vigilanz, ob man gleich, daß es auch
seines dafürhaltens keine sondere noth habe, vermeinen möchte, darum
deßto weniger schaden, weiln man bey jetzigen zeitten etiam pessima quae-
que täglich besorgen müße.
Es seye 3. von denen herren Kayserlichen offentlich gesagt, punctus satis-
factionis militiae
Die Abfindung der schwedischen Armee war während des Kongresses schon mehrmals aufgegriffen,
aber immer dilatorisch behandelt worden, zuletzt am 28. Dezember 1647 ( Meiern IV S. 848 ;
vgl. Th. Lorentzen ; APW [ II C 3 S. LIff ] ).
köndte, daß man diesen puncten, denen herren Schwedischen zu gefallen,
am ersten vor die hand neme, zumahln nicht allein die principaliores evan-
gelicorum dahin außschlagen, sondern er auch von etlichen churfürstlichen
dergleichen vermerckht habe, alß werde man nicht, biß den stätten das netz
über dem kopff zugezogen, warten, sondern bey zeitten vorkommen und die
consilia underbrechen müßen.
Gleich wie ihme aber zu solcher apertur keine ohnnöthige sorgfalt, sondern
die stättische verwandtnus treibe, also bitte er, selbige in secreto zu halten
und im besten auffzunemen. Hielte schließlichen dafür, daß man die depu-
tationes an die herren Kayserlichen, Schwedischen und vornemste herren
chur- und fürstlichen vorgehen und dabey sagen laßen köndte, nicht, daß sie
dergleichen, wie oben angeregt, zu praejudiz der stätt tentirten, sondern nur,
daß man verneme, ob weren etliche, die dergleichen vorhetten. Seye sonsten,
wie der churfürst in Bayern die reichsstätt bißher tractirt habe, zu genügen
bekandt. Mit solcher seiner meinung seye auch der herr director guther
maßen einig gewesen und werde es, wann die deputatio nomine collegii
geschehe, mehr ansehens haben, alß wann singuli daßelbe verrichten solten.
Seye der cron Schweden sowohl als denen fürstlichen an dem stättischen
wohlwesen gelegen. Wolle sich aber in allem mit denen majoribus gerne
conformiren.
Regensburg. Legte zuvorderst den an das stättische collegium von seinen
herren und oberen ihme commitirten grueß, neuen jahrs wunsch und
freundtlichsten danckh für die gegen selbige bißhero getragene sorgfalt ab,
mit angehengter bitt, gedachter seiner herren und oberen angelegenheiten
noch ferners bester maßen in obacht zu nemen. Sagte demnach, daß er zwar,
die ursachen seiner wideranherokunfft anietzo specifice zu eröffnen, für ohn
nöthig achte, halte aber gleichwohl pro singulari fato, daß ihme stracks
anfangs etlicher maßen anlaß darzu gegeben werde, gestalten dann seine
anhero vorgenommene reiß eines theils darum geschehen, weiln sowohl am
Kayserlichen hoff durch herrn graven von Trauttmansdorff, daß seine herren
principalen diese tractaten widerum beschickhen, alß auch von Ihrer Chur
fürstlichen Gnaden zu Maintz, daß die reichsstätte in majori numero alhier
zusammenkommen möchten, zu Franckforth erinnert worden seye. Und
weiln, wie Lübeckh referirt, des churfürsten in Bayern mitt den reichsstätten
führende process bekandt, er auch, wie hohe ursach selbige sich zu beclagen
haben, ex communicatis verstanden, alß seye gewißlich wohl zu vigiliren
und beschehene monita von großer wichtigkeit zu halten. Wolle in quae-
stione an vorgeschlagene deputationem nicht mißrathen, sich aber in quae-
stione quomodo et quid proponendum mitt mehrerem vernemen laßen.
Kolmar. Sagte zuvorderst dem herrn Regenspurgischen abgesandten nächst
freundlicher gratulation wegen seiner glücklichen anherokunfft für den von
seinen herren und oberen zuentbottenen gruß und wunsch gebührenden
danckh. Angesehene deputationem aber betreffend bestehe selbige darinnen,
daß des löblichen stättcollegii wohlfahrt bey diesen tractaten eben sowohl als
der höheren und zwar deßto mehr zu beobachten seye, weiln nicht allein ver-
schiedene discurs zu praejudiz deßelben, hinc inde vorgeloffen, sondern auch
das demselben zustehende jus suffragii verringert, wo nicht gar abgestrickht
werden wolle, maßen man bey letzterem consessu evangelicorum
Sitzung vom Montag, dem 10. Januar 1648 ( Altenburg vol. III fol. 541–557; Magdeburg
Rep. A I Nr. 540 vol. VIII fol. 205–208’; Druck Meiern IV S. 872–877 ).
vota zwar angehöret, hernach aber davon, allein was beliebig gewesen,
attendiret habe. Wann aber solche sachen dem erbaren stättcollegio inskünff
tig zu nachtheil und böser consequenz außschlagen und angezogen werden
dörfften, alß habe man billich wohl zu vigiliren und dahin, daß selbiges bey
seinem alten standt und wohlwesen erhalten werden möge, möglichst zu
sehen und zu trachten.
Bey dem 2. müße er bekennen, daß man den stätten schon von langer zeitt
hero mitt dem laßt militarischer satisfaction getrohet, und stehen die chur-
und fürstliche in der meinung, ob hetten sich die stätt, weiln sie noch am
besten in ihrem estat conservirt worden, deßwegen nicht groß zu beschwä
ren . Weiln aber gleichwohl auch, was die stätt in wehrendem krieg beygetra-
gen und wieviel trangsahlen sie erlitten, zu genügen bekandt, würdte höch
lichen zu bedauern sein, wann man
solte. Verhoffte also, es würde vorgeschlagene deputation an die herren Kay-
serlichen ohne verfang nicht sein, von denen herren Schwedischen wohl
auffgenommen und ohne zweiffel der stätt desiderium hiernechst beobachtet
werden, zumahl, wann man ihnen, daß die chur- und fürstliche den satis-
factionslast den stätten allein auffzubürden intentiren, zu verstehen geben
solte. Maßen er, daß solches geschehen werde, darum desto weniger
zweiffle, weiln sie den Römerzug und gemeinen pfennig vorschlagen und
bey beeden vorwenden werden, daß sie sich bey diesem anhaltenden reichs-
und landtverderblichen krieg gantz enervirt und verzehrt, die stätt aber bey
ihrem estat noch ziemlicher maßen conservirt und auffrecht erhalten hetten.
Stelte über dieses zum nachdenckhen, ob nicht auch die herren Frantzösische
plenipotentiarii hierunder zu ersuchen, wie nicht weniger mitt denen herren
catholischen, welche auch darzwischen kommen, aus der sachen zu com-
municiren , weiln es nicht allein causa communis seye und von dem krieg
keinen anfang genommen, sondern auch herr Vollmar in neulichkeit sich
solle haben vernemen laßen, er möchte wünschen, daß alle reichsstätt
mediat- und municipalstätt weren. Wann aber dieses eine sach von hoher
consideration, wolle er der übrigen herren abgesandten vernünfftige guth-
achten darüber noch ferners vernemen und sich alßdann mit denselben
gerne conformiren.
Nürnberg. Danckht nicht allein dem herrn Lübeckhischen für seine bey
diesem schwären pass tragende vernünfftige sorgfalt und dem herrn directori
für angestelte zusammenkunfft, sondern auch dem herrn Regenspurgischen
für seiner herren principalen zu entbottenen gruß. Die sach aber an sich
selbsten betreffend seye bekandt, daß die herren chur- und fürstliche eine
zeitt hero fleißig zusamenkommen seyen, ihr interesse wohl in acht genom-
men , was zur conservation deßelben immer dienlich gewesen, reifflich über
legt haben und das arbitrium pacis vast gantz an sich ziehen wollen. Were
demnach guth, wann die stätt dergleichen theten, bevorab weiln man ge-
sehen , was bey letztmahls gehaltener consultatione evangelicorum vorgan-
gen und wie alles von den höheren vorhero überlegt und gleichsam debattirt
gewesen. An dem herrn Chursächsischen hette er heut, alß er ihme referirt,
daß die herren Kayserlichen bey dem negotio pacis darumb solche moras
suchen, weiln sie der resolution von beeden churfürstlichen häusern, Sach-
sen und Brandenburg, über Ihrer Kayserlichen Majestät an sie gethanes an-
suchen in puncto „Ultimorum“
Vgl. Evangelicorum declarationes ultimae circa prooemium instrumenti pacis, ut etiam
amnestiae et gravaminum puncta vom 11. Januar 1648 ( Druck Meiern IV S. 877–880 );
Relation über Verhandlungen der evangelischen und kaiserlichen Gesandten über die Ultima ebd.
S. 886–889; Gründe der Kaiserlichen, keine Änderungen mehr vornehmen zu wollen ebd.
S. 889–894.
merckhen können, wann selbige nach der Kayserlichen belieben falle, daß sie
der stätt nicht groß mehr achten würdten.
Von herrn Oxenstirns und herrn Salvii Excellentien hette er auch vernom-
men , daß sie, wann der punctus amnistiae völlig erörtert sein werde, den
punctum gravaminum den evangelischen ständen heimstellen wolten. Soviel
den punctum satifactionis militiae anlange, habe es bey denen fürstlichen die
meinung, ob würdten die stätt das meiste dabey thun oder zum wenigsten
das geldt vor sie herschießen und gleichsam das lytrum redemptionis sein.
Hette man also, wie das löbliche stättcollegium in guthem esse, vigor und
wohlstandt zu erhalten sein möchte, zwar billich allen fleiß anzuwenden,
quoad modum aber stehe er an, ob man des puncti satisfactionis militiae
halben bey denen herren Kayserlichen und Schwedischen einkommen solle?
Zumahln wißlich, daß die herren catholischen auch in quaestione an noch
nicht allerdings einig, über das auch die Teutsche Schwedische kriegsofficier
mit der so hoch gespannten satisfactionsanforderung nicht zufriden seyen.
Köndte jedoch mit gelegenheit incidenter gedacht und, wann man in anderen
puncten verglichen, denen herren Kayserlichen, chur- und fürstlichen abge-
sandten , wieviel dem Römischen reich an conservation der stätte gelegen
seye, remonstrirt, denen herren Schwedischen aber, was die stätt in wehren-
dem krieg bey ihren waffen gethan und beygetragen und was für stattliche
promessen von Ihrer Königlichen Majestät in Schweden gegen denensel-
ben hingegen jederzeit gethan und geschehen seyen, beweglich zu gemüth
geführet werden. Besorge, die völckher dörfften, biß sie bezahlt, den ständen
auff dem halß liegen bleiben, wolte sich aber von denen majoribus ratione
deputationis nicht separirt, sondern darzu Straßburg, Lübeckh, Regens-
purg und Lindau ernennet haben.
Bremen. Repetirte vorderist gegen dem herrn Regenspurgischen vorge-
dachte curialia, sagte demnach auff proponirten puncten: Es seyen zwar
vorgebrachte erinnerungen (dafür dem herren Straßburgischen und
Lübeckhischen billich schuldiger danckh gebühre) sehr wichtig und von
großer importanz. Er befinde aber, so viel in specie die von dem herrn
Lübeckhischen vorgeschlagene deputationem betreffe, kein genugsames
fundament darzu, sondern habe vielmehr sowohl auß der proposition alß
den Bayerischen schreiben wahrgenommen, daß angeregtes praejudicium
praeteritionis vel exclusionis nicht den stätten allein, sondern auch, wie
kundtbar, etlichen fürstlichen und grävlichen zugezogen werden wolle. Wer-
den also nicht allein die stätt, sondern auch die fürstliche und grävliche ein
solches tanquam commune praejudicium zu anden haben. Und köndte man,
wann die herren fürstliche publici boni causa bey dem werckh laviren wol-
ten , stättischen theils, umb größere ohngelegenheiten und offensiones zu
verhütten, nicht weniger thun, wann sie aber ein und ander praejudicium zu
anden begehren, mit ihnen concurriren und in specie der stätt authoritet und
privilegia zu restabiliren und zu conserviren suchen.
Weiln man nun, wann bey der sachen etwas mit nutzen geschehen solle, meh-
rere und umbständlichere nachricht sowohl von gefallenen widrigen discur-
sen alß intercipirten schreiben haben, alß dann denen herren Kayserlichen und
Schwedischen rei indignitatem remonstriren und die authores angeben
müße, sonsten mehr schimpff alß nutzen davon zu besorgen, alß were dieses
seine schließliche meinung, man solte noch ein wenig zusehen, was ferners
an den tag kommen möchte, indeßen aber gleichwohl nicht feyren, sondern
mit denen höheren communicationes anstellen, sich der discursen und litera-
rum interceptarum versichern und alßdann, wann gnugsame nachricht ein-
gebracht , zusammen tretten und weitters von der sachen reden.
Lindau. Widerholte gegen dem herrn Regenspurgischen vorige danckh-
sagung und sagt: Er hette zwar, warumb dieser convent angestellet seye,
keine eigentliche nachricht gehabt, so viel er aber aus bißhero abgelegten
votis wahrgenommen, halte er auch dafür, daß man ex parte civitatum hohe
ursach zu vigiliren habe (gestalten er auch dem herrn directori für tragende
sorgfalt und angestelte zusammenkunfft freundtlichen danckh hiemit sage),
bevorab, weiln augenscheinlich wahrzunemen, daß man den stätten baldt
da, baldt dort eintrag thun wolle, allermaßen ihnen das votum decisivum zu
Münster controvertirt worden, was sich wegen der noblesse praecedenz ver-
loffen , seye bekandt. Man habe es auch bey jüngster consultation, wie es
hergangen und das werckh überstoßen worden, gesehen. Solte nun auch
darzukommen, daß die höheren stände den stätten die satisfactionem militiae
pro authoritate auffbürden und mit denenselben nach ihrem guthen belieben
disponiren wolten, würdte der löblichen reichsstätt freyheit in rei veritate
mehrers eine medietet alß immedietet sein. Was aber hierbey zu thun sein
wolle, stehe er an, habe keine eigentliche gewißheit von der sachen. Hielte
aber gleichwohl auch dafür, man hette dabey nicht stillzuschweigen, sondern
vielmehr den vornembsten herren chur- und fürstlichen per deputatos zuzu-
sprechen und zu verstehen zu geben, daß wunderbarliche und ohngleiche
discurs von exclusion der geringeren stände und der satisfactione militiae
hin und widerlauffen; nachdem aber, es dörfften über der stätt interesse von
denen catholischen die meisten difficulteten gemacht werden, zu besorgen,
alß wolte man ihnen daßelbe bestermaßen dabei recommendirt haben, den
stätten ja nichts zu vergeben, sondern daß selbige bey ihrer alten harmoni und
consistenz gelaßen werden möchten, müglichsten fleiß anzuwenden. Die her-
ren Schwedischen hette man zu erinnern, daß sie sich der stätt darumb desto
mehrers annemen wolten, weiln sie nicht allein under denen chur- und fürst
lichen etliche finden, die es mit denenselben nicht zum besten meinten,
sondern es auch mit dem hauptwerckh selbsten an die bundriemen ginge,
und embsige vigilanz zu halten were, damit denen stätten keine schädliche
praejudicia zugezogen werden möchten. Was bey denen herren Kayserlichen
deßwegen anzubringen sein möchte, wißte er nicht, bevorab weiln die sach
in punctum gravaminum miteinlauffe. Stelle es doch auff die majora. Und
weiln auff eine deputation geziehlet werde, wolle er selbige denen herren
vorsitzenden überlaßen.
Herr Director. Man habe in alle weg auff sich zu sehen und werde ver-
muthlich einen jeden seine obhabende instruction und der sachen wichtigkeit
dahin antreiben, daß er, was zu abwendung eines und anderen dem erbaren
stätt collegio obschwebenden praejudicii diensam und ersprießlich pro virili
beytrage und ergreiffe. So viel aber den vorgeschlagenen modum deputatio-
nis anlange, ob nemblich damit fürzugehen seye, ehe man beßere und
gewißere nachricht erlangt, seye er eben auß denen von dem herrn Bremi-
schen angeführten und anderen rationibus am verwichenen sambstag, alß
der herr Lübeckhische mit ihme hierauß communiciret, angestanden. Dann
alß er vorgebracht, es wolle das ansehen gewinnen, ob begehrte man an
seitten der herren chur- und fürstlichen den stätten etwas zu nahe zu tretten
und in ihren wohlhergebrachten juribus in einem und anderem eintrag zu
thun, darauff auch das erste praejudicium, welches sich jüngsthin am rath
hauß bey damals gehaltener consultation begeben, angeführt, 2. nicht allein
von einem intercipirten schreiben, sondern auch, daß 3. so widerwertige dis-
cursus von der satisfactione militiae, ob wolte selbige den stätten allein oder
doch meistentheils auffgebürdet werden, hinc inde lauffen, meldung gethan.
Mit angehängter frag, ob nicht vermittelst einer deputation dem werckh zu
helffen und respective vorzukommen were? Habe er dabey erinnert, daß
noch zur zeit kein sattes fundament, darauff die sach zu stellen, vorhanden,
sondern vorhero beßere information einzuziehen seye. Sonsten man, wann
die herren chur- und fürstliche einen rechten grund zu wißen begehren
solten, übel bestehen würde und anders
vorwenden köndte. Welches bey einem und anderen ein ohngleiches ansehen
gewinnen dörffte, ob
geringeren stände bißhero nicht der gebühr in acht genommen hetten,
gleichsam offentlich beschuldigen. Seye demnach dazumahln der meinung
gewesen, man hette mit denen deputationibus noch etlich tag darumb ein-
zuhalten , weiln 1. das erste vermeinte praejudicium keinen satten grund
habe, 2. die stätt allein nicht, sondern auch übrige fürstliche und grävliche an-
gehe , welche, wann sie dergleichen particular handlungen vermerckhen sol-
ten , nimmermehr darzu stillschweigen, sondern selbige bald widersprechen
und causam communem mit den stätten darauß machen würden, 3. die
noch nicht über den bach, sondern der herren fürstlichen noch in vielen
stückhen vonnöthen und, sie zu offendiren, alle occasiones zu vermeiden
haben. Er hette 4. das
Leuxelring und den P. Adamum Adami
Adamus Adami OSB ( 1610–1663 ), Gesandter des Abts von Corvey und der schwäbischen
Reichsprälaten, Abt von Murrhart, Weihbischof von Hildesheim ( 1652 ) (ADB I S. 47 ; NDB I
S. 55f. ; F. Israel ; K. Bierther S. 132f.; P. Volk ; APK 63–67; A. Bertram III
S. 80–82; Materialien S. 244–250; P. Gauchat IV S. 203; APW [ II C 2 S. 260 Anm. 2 ] ; Handbuch des Erzbistums Köln [ 1966 ] I S. 57 ). Leuxelring, Adami und
Wartenberg waren Verfechter extrem katholischer Positionen, die in Münster während der hier
angesprochenen Verhandlungen isoliert waren. Franz Wilhelm Gf. von Wartenberg (1593–1661),
1625 Bf. von Osnabrück, kurkölnischer Primargesandter (über ihn ADB XIL S. 185ff. ,
NDB V S. 365 ).
catholischen, gleich wohl auch nur von hören sagen, geschriben und beede
gemeldte gesandten eben darumb, weiln ihre vota eine zeithero von übrigen
catholischen nicht mehr attendirt werden wollen, sich widerumb nacher
Münster begeben haben. Daß es aber auff die evangelischen stätt gemeint
sein solte, seye 5. darumb nicht vermuthlich, weiln sie zu denen consulta-
tionibus biß dato jederzeit erfordert und letztlich noch dahin gestellet
worden, wer etwas bey dem ersten auffsatz ultimarum declarationum zu
erinnern habe, der möge es wohl thun.
Was 2. punctum satisfactionis militiae betreffe, habe er, daß selbige den
stätten allein auffgeladen werden solte, noch nie gehört. Seye auch desto
ohnglaublicher, weiln es 1. eine solche sach, die von den evangelischen allein
nicht außzumachen, sondern alle und jede stände, consequenter die catho-
lischen mit concernire, bevorab, nachdem derselbe pass von denen herren
Kayserlichen also eingericht worden, daß auch für Ihre Majestät und deren-
selben adhaerenten soldatesca eine satisfaction begehret werde. Es habe 2.
herrn Salvii Excellenz zu der zeit schon, da der herr grav von Trauttmans-
dorff die satisfactionem militiae auff 120 Römermonat, so underbeedenarmeen
aequis partibus zu theilen, gestellet, dafür gehalten, es werde sich nicht thun
laßen, daß die meisten craise davon außgenommen werden, weiln 4 craisen
ohnmöglich fallen würde, einen solchen last zu übertragen. Was nun 4
craisen ohnerträglich, werde man viel weniger den stätten allein zumuthen
können. Die herren Kayserlichen hetten zwar 3. die churfürstlichen zu sich
erfordert und gefragt, ob sie den punctum satisfactionis vor handen nemen
wolten, aber kein andere antwort darauff bekommen, alß daß es eine sach
seye, welche vor die samptliche ständ gehöre und davon nach dem friden
schluß erst werde zu reden sein. Herr Volmar habe ihme 4. auch einen floh
ins ohr gesetzt, indem er gesagt, es weren etliche evangelische fürstlichen
bereits mit promessen dahin eingenommen, daß sie wackher hinein votiren
solten. Er könne es aber nicht wohl glauben; und obgleich dem also were
und die superiora collegia den stätten den schwärsten stein auffzubürden
vorhetten, würdte es doch damit nicht angehen, weiln die evangelischen under
ihnen pro certo jederzeitt gehalten, daß die majora, wann es umb geldt zu
thun, keinen vorgang haben, noch ein stand dem anderen das geldt auß dem
seckhel votiren könne. Ohnangesehen die catholische es jederweiln gern
anderst gesehen hetten. Dieweiln nun 5. ohnzeitige praeoccupationes in der-
gleichen sachen mehr schäd- dann nutzlich seyen, alß wolle sich nicht viel
hievon berühren laßen. Habe also dazumahl dafür gehalten, man köndte die
deputation noch ein par tag anstehen laßen und indeßen mehreren bericht
einziehen. Gestalten er dann darauff nicht underlaßen hette, bey herrn
Lampadio vergangenen montag zu sondiren, ob er ihme belieben laße, daß
also in der stille von etlichen wenigen allein tractirt und, wann deputationes
vorgehen, so wohl fürstliche und grävliche alß stättische praeteriret werden,
wie in neulichkeit geschehen, welches bey etlichen seltzame discurs erwöckhet,
also daß sie sich vernemen laßen, wann zween oder drey das werckh auß
machen wolten, möchten sie hiernächst auch militiam bezahlen. Der dann so
gar keinen gefallen darob getragen, daß er auch mit seinem collega deßwegen
nicht zufriden und die versicherung von sich gestellet, daß, so lang ihme
Gott witz und verstand laßen werde, er nicht zugeben wolle, daß man die
geringere stände übergehe und hindansetze. Sonsten seye es noch nicht an
deme, daß von der satisfactione militiae geredet werden könne.
Wolle man nun nichts destoweniger dafür halten, daß mit der deputation
fürzugehen seye, begehre er sich nicht zu separiren; melius esse praevenire
quam praeveniri nec cautelam abundantem nocere. Wann es allein behutsam-
lich in der generalitet und solcher gestalt geschehe, daß nicht erst zu weite-
ren beschwärlichkeiten anlaß gegeben werde. Besorge allein, man werde bey
denen herren Kayserlichen ohne mehreren grund noch zur zeit wenig
richten, bey denen herren Schwedischen aber köndte das ansprechen mit
beßerem fug geschehen, weiln sie selbsten angehört, wie es mit der statt
Speyer ergangen. Seye im übrigen der meinung, daß man omnibus modis zu
vigiliren und dahin zu trachten habe, daß dem gemeinen stättwesen nichts
praejudicirliches zugezogen werde, auch an allen dienlichen orthen nach-
zuforschen , ob ein oder ander praejudicium denen stätten zugezogen werden
wolle. Seye erbietig, das seinige mit einziehung gründtlichen berichts fleißig
zu thun, nicht zweifelnd, es werden übrige herren abgesandten auch das
ihrige contribuiren und beytragen helffen, was zu des stättischen wohl-
wesens befürderung nöthig und diensam fallen möchte.
Conclusum. Man solle zwar vorgeschlagene deputation an die herren
Schwedische morgen werckhstellig machen und das stättische interesse in
genere und specie, soviel Regenspurg, Nürnberg und Lindau
Bei Regensburg handelte es sich um die Restitution des Bürgerspitals (s. o. [ S. 228 Anm. 1 ] ), bei
Nürnberg um die St.-Elisabeth-Kapelle (s. o. [ S. 181 Anm. 1 ] ; Bedenken der Stadt in
Meiern VI S. 185 –187), bei Lindau um die entzogenen Reichspfandschaften (s. o. [ S. 86 Anm. 6 ] ).
recommendiren, indeßen aber gleichwohl aller orthen sondiren und fleißig
nachforschen, ob einiger grund obangeregter praejudiciorum vorhanden
seye und sodann, was bey der sachen weitters vorzunemen, überlegen. Zu
vorgedachter deputation seind erbetten worden: Lübeckh, Regenspurg,
Colmar und Nürnberg.