Acta Pacis Westphalicae III D 1 : Stadtmünsterische Akten und Vermischtes / Helmut Lahrkamp
125. Gravamina der Kaufleute von Münster und Wesel übergeben 1646 März 3
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übergeben 1646 März 3
Konzept ( zweifach vorhanden ): A XI 31. Kanzleivermerk: Gravamina specifica der stätte
Münster und Wesel, wie die den Oßnabrückischen herrn deputirten zum Vinnenberg
pro informatione übergeben. 3. Martii anno 1646. Der Text deckt sich fast wörtlich mit der
1643 abgefaßten Eingabe der Münsterischen Kaufleute ( Nr. 50 S. 61ff. ).
Beschwerde über die Licenten.
Es haben sich die kauffleute hiesiger und benachbarter interessirter stätte
offt und vielmaln beclagt, nicht allein wegen der beschwerlichen uflagen,
so sie und andere ihre mitbürgere innerhalb den stätten außstehen müssen,
sondern auch der beschwerlichen licenten, so außerhalb allenthalben, wohin
einer oder ander seine reise nemmen und nahrung suchen muß, den hand-
tierenden ufgedrungen werden, also daß in dem einigen stifft Münster mehr
ort zu nennen, alwo der handtierender man der licenten halber beschwerd
wird, maßen solches ein frembder oder nicht wolkündiger kaum oder viel-
leicht garnicht glauben oder begreiffen solte; werden derenwegen unumb-
genglich genötiget, wo nicht gentzliche ruin und totalundergang erfolgen
solle, dermalneins ufzuwachen und umb bessere durchtringende rettungs-
mittele zu gedencken und darüber sich gehörender orten zu bemühen.
Vorerst wissen alle der rechten und reichs kündige, daß newe licenten, zölle
und dergleichen onera den underthanen ufzuladen keinem fürsten, graven
oder herrn des reichs, es sey dan uf gemeinen reichstägen obsonsten von
Ihrer Kayserlichen Mayestät, churfürsten und gemeinen ständen verwilliget,
und gleichwol alsdan mit sothanem moderamine, daß inmittelß darab die
unterthanen nicht mögten übermeßig beschwert und sich deßwegen billich
zu beclagen haben. Dieses ist auch uf dem letztgehaltenem landtag im
stifft Münster von des stiffts löblichen ständen in gute consideration gezogen,
alß deme, was der licenten halben domals angefangen gewesen, an seiten
der stätte contradicirt worden und nach vielen darüber gehabten bedencken
und consultationibus endlich das conclusum dahin gefallen, daß es allein
uf ein jahr verstreckt und eingewilligt werden mögte, mit diesem anhang
und sonderlicher voraußbescheidung, daß zu mehrer gemeinen nutzens
befürderung die gleicheit gehalten und niemand, sowol geist- als weltliche,
adel und unadeliche, davon exempt sein solten.
Welches aber folgents nicht gehalten, die licenten noch so geraume jahren
continuirt, die geist- und adeliche sich selbstthätig eximirt, dadurch dan
aber aller last der armen bürgerey und handelßleuten allein auf den halß
gedrungen worden. Welchem gelinden und limitirten anfang die stände
insgemein, also auch nicht allein, ihres theils getrawet, sondern auch der
statt Münster eingesessenen bürgern und anderen, welchen daran gelegen,
daßelbige also von einem oder anderen entdeckt und offenbahret worden.
So ist aber wieder alle zuversicht nach geendigtem ersten jahr nicht allein
keine abschaffung der licenten erfolgt, sondern vielmehr deren die außbrei-
tung so weit geschehen, daß schier kein ort des stiffts ohne beschwer der
licenten zu finden, gestalt dan zu Vreden, Meppen, Rheine, zur Vechte,
Wahrendorff und nun noch weiter dessen auction so weit sich erstrecket,
daß auch zu Dorsten vor etlichen jahren ein newer licentplatz angeordnet und
die licenten zu Lüdinghausen den handelßleuten domaln viel ungelegenheit
und beschwernüßen verursachet haben; und obwol beide diese Kayserliche
licenten titulirt worden, dannoch Dorsten und Lüdinghausen nicht über
fünf meilen voneinander gelegen, beide ort auch jetziger zeit Ihrer Chur-
fürstlichen Durchlaucht zu Cölln als beiderseits landtsfürsten immediate
underworffen, obgleich dieselbe ihre verschiedene limites haben, der vielen
außerhalb stiffts folgenden licenten alß Fürstenaw, Widenbrück, Paderborn,
Hamm, Schwelm, auch fürstlich Hessischer und anderer zu geschweigen.
Und ob nun wol es viel mühe gekostet, daß die Lüdinghausische licenten
dermalneinst abgeschaffet, so haben doch zu Dorsten die Kayserliche und
Spanische licenten ein zeitlang, und zwar die Kayserliche biß auf heutige
stund, nicht abgebracht werden können und bleibt leider zu der kauffleute
höchstem nachtheil daselbst für und für; die Spanische aber, welche mit
höchster unbilligkeit daselbst auch stabilirt werden wollen, angesehen die-
selbe auf dießeit Rheins in diesem craiß keine eintzige guarnisoun mehr
haben, ob sie zwar auf anhalten der herrn Staaten vermittelß Ihrer Chur-
fürstlichen Durchlaucht zu Cölln befelchs vor einem halben jahr von dannen
abgewiesen worden, so wil doch dieselbe, weiln sie zu Dorsten nicht mehr
geduldet wird, zu Gelderen annoch opiniatrirt werden, gestalt die Spanische
den Weselschen in diesem stifft und mit der statt Münster negotiirenden
kauffleuten keine pässe mehr ertheilen wollen, sondern durch ihre partheyen
underm praetext der visitation der licenten allenthalben auf den dienst
warten, die wahren preiß machen und diejenigen, welche ihnen zutheil
werden, zur ruin und bettelstab bringen.
Welches dan den kauffleuten so sehr zu gemüht gehet, daß sie billich über
die maßen in ansehung dieser extremitet, wohin es zuletzt hinauß wil, sich
zu betrüben haben, in mehrer erwegung, daferner die commercia dergestalt
behemmet werden und die arme leute, welche die ankommende waaren auß
noht so theur an sich bringen müssen, es endlich einen progres in infinitum
geben und notwendig interitus totalis commerciorum und folgents aller
bürgerlicher nahrung darauß entstehen muß.
Solches auch uf dem letztgehaltenem reichstag zu Regenspurg gar wol beob-
achtet und von denen dazumaln gegenwertigen reichsständen vernünfftig-
lich providirt worden, daß es nit außbleiben könne, es müsse dan uf die
vielfältige licenten die steigerung der waaren erfolgen und darumb under
anderen außtrücklich verabschiedet, wanehe es zu einer generalzusammen-
kunfft der vornembisten potentaten gantzer christenheit oder deren legaten,
umb die lengist gewündschte friedenstractaten in der statt Münster vor-
zunehmen , gelangen würde, daß alsdann alle newe licenten cessiren und
alle zufuhr frey und unbehemmet sein sollen, damit die nottürfftige hand-
lungen und lebensmittele und insonderheit alle victualien für allerhöchst-
und höchstgemelte herrn bottschafften und deren folgere desto besser
einzukauffen sein mögten, zu geschweigen, daß Ihre Kayserliche Mayestät
zuvorderist und dan Ihre Churfürstliche Durchlaucht zu Cölln in einem
besondern an den magistrat zu Münster allergnedigst und gnedigst auß-
gefertigtem schreiben erinnerung gethan, die zu nottürfftigem underhalt
dienende und andere waaren zu einem billichen preiß und tax zu bringen,
damit wegen deren steigerung kein verdruß sich erheben mögte.
Vernünfftiglich aber zu ermessen, eine unmögligkeit zu sein, solchen
Kayserlichen und churfürstlichen schreiben ein folge zu geben, wan nicht
die licenten nicht allein bei der statt und im stifft Münster, sondern auch
zwischen Cölln, Wesel, Dortmundt und anderen benachbarten stätten gar
abgeschaffet werden.
Und wan die kauffleute nach ihrer einfalt bey diesen sachen zurück ge-
dencken , können sie nicht anders bey sich finden, dan daß in dem stifft
Münster der licenten des orts der erster anfang gemacht, daruf die Hessi-
sche obristen consequenter, Paderborn und andere umbher gefolgt, und end-
lich es nun mit dem licentwesen zu einer solchen confusion gerathen, daß
ein handtierender über felt reisender man kaum das eine licentcanthor vor-
beygefahren , er müsse dan alsovort vor augen haben, daß über ein geringes
stück weges ein ander erfolge, wie denen leider bewust, die selbst sich des
reisens über felt ihrer handtierung nach gebrauchen müssen. Nunmehr
aber es zu solcher offenkündigkeit gerathen, daß reich und arm, er sey,
wer er wolle, darüber claget und rewet, indeme auch dabey vermerckt und
durch unterschiedtliche geclagt und befunden wird, wie das etliche der
licentmeistere, so vorhin von schlechten mittelen gewesen, sich auch selbst
der kauffmanschafft underwinden und ihre sachen so weit vorgesetzet, daß
sie es auch anderen vorthun, mit erb und güttern sich nicht ohne des gemei-
nen mans verdacht bereichern, indeme sie die waaren besseren kauffs auf-
bringen können, anderen underschleiffs, bedrug und schinderey zu geschwei-
gen .
Bey dem licht aber alles zu besehen, hat niemand mehr und höher sich hier-
über zu beclagen dan der armer bürgersman in den stätten, und sonderlich
kauff- und handelßleute, reich und arme bürgerspersohnen in der statt
Münster an andere benachbarte stätte handtierend, dan, wie nunmehr
offenkündig, seind alle geistliche, sonderlich die vornembisten praelaten
und vom adel, sambt fürstlichen bedienten uf allen canthoren des stiffts
Münster befreiet zu allem deme, was sie zu ihrer notturfft verbrauchen, die
bürger und bawren aber, und sonderlich die bürgere in der statt Münster
und die, so ihrer handtierung nachgehen, müssen es allein tragen; welches
discrimen aber, dafern es bey anfenglicher anstellung hette clärlich uf
gemeinem landtag proponirt werden wollen, zweifelsohne die allerstarckste
contradictiones gegeben haben würde
Bis hierher sind die Formulierungen fast wörtlich [ Nr. 50 ] entnommen worden.
Weiln dan auß obigen leider gnugsamb zu ersehen, was große unheil, landt-
schade , rauberey, plünderungen und verfehligungen der gemeinen straßen
von den new angestelten licenten entstehen, dadurch die commercia ge-
hemmet , menniglich umb das seine kommet, die waaren verteuret und alles
in confusion gebracht wird, als wünschen die interessirte kauffleute zum
höchsten, daß die gegen den jüngsten reichsabschied zu Regenspurg sowol
als die alte, in specie dan zu zeiten kaysers Maximiliani zu Regenspurg in
anno 1576 et sequentes, de facto eingeführte licenten würcklich und alsbalt
ohne lengeren verzug abgeschaffet, bevorab aber bey diesen gegenwertigen
universalfriedenstractaten auf Münster und Oßnabrück freye zu- und abfuhr
ohne einige licenten oder andere insolentien der soldaten zwischen dem
Rhein und Weser verschaffet und erhalten werden möge, auf das die hoch-
ansehnliche herrn abgesanten mit allen waaren und victualien, keine davon
außbescheiden, desto besser versehen und accomodirt und in notwendigen
lebensmittelen bey diesem auß sonderbahren vorsichtigkeit und gnade
Gottes angesteltem friedenstag, da der gantzen lieben und werthen christen-
heit dermalneins bestendige ruhe und friedsame einigkeit gestifftet werden
solte, kein mangel erscheinen möge.