Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann
227. Nassau an Ferdinand III Münster 1647 Januar 25
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Münster 1647 Januar 25
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 54a (Teil II) fol. 47, eigh. PS ebenda .
Konferenz mit den niederländischen Gesandten und Heiden sowie mit den Mediatoren:
Schwedische Satisfaktionsverhandlung in Osnabrück; drohende französisch-kurbayerische Son-
dervereinbarung ?; Servien in Den Haag; spanisch-französische Verhandlungen kurz vor
Abschluß?; Abneigung Reedes gegen die spanisch-niederländischen provisorischen Artikel; Frie-
denswille in den Generalstaaten.
Verweis auf die Beilagen.
[1] Protokoll, [Münster] 1647 Januar 24. Kopie: RK FrA Fasz. 54a (Teil II) fol. 52–53’ =
Druckvorlage; Giessen 208 nr. 125 p. 530–536 – Konzept: KHA A 4 nr. 1628/21
unfol.
Den 24. Januarii hab ich, graff zu Nassaw, denen sich hier befindenden Generalstaden
abgesandten die revisite geben. Nach verrichteter dancksag der vor wenig tagen mir
gegebenen visiten und newen-jahrs-glückwünschung und anderen complimenten ist
man zu reden kommen, daß ihre herrn collegae für ein paar stunden alhier von
Oßnabrück angelangt wehren. Ego: Horte es gern, hoffte, wurde ein gutt zeichen sein,
daß sie so paldt widerkämen. Ille: Hetten zwar ihre relation noch nitt vernohmen, aber
auß ihren discursen ahn der taffel soviel vermerckt, daß sie mitt der verhofften
satisfaction von den Schweden nitt allerdings zurückkämen. Die Schwedische hielten
sich gar fast und wolten von gantz Pommern nitt abweichen. Hette ein weites außsehen.
Ego: Ob dan die Frantzosen nichts bey den Schwedischen vermögt hetten, man
vernemme ia, daß ihre churfürstliche durchlauchtt zu Brandenburg nunmehr gegen ein
aequipollent Vorpommern sambt Stettin, Gartz und insul Wollin zurücklassen wolten.
Illi: Hetten nichts verspühren können. Liesse sich fast ansehen, daß es ein collusion
zwischen Franckreich und Schweden und sie vielleicht kein großes verlangen nach dem
frieden hetten. Sagten ferner, es gienge daß geschrey starck, ob solten ihre churfürstliche
durchlauchtt zu Bayern, im fahl der friedt nitt paldt geschlossen werden solt, von ihrer
Kayserlichen mayestät sich separiren und a parte tractiren oder zum wenigsten in
neutralitet sich setzen. Es wehre dabey geredt worden, ob solte schon von Franckreich
geldt in bereitschafft gebracht werden, wan obgedachte particularaccommodation
zwischen Franckreich und Bayern fürgangen, von den reichs-churbayerischen völckern
solten abgedanckt und in Frantzösischen dienst genommen werden. Vermeinten,
solches wurde den statum veränderen. Ego: Hette zwar auch auß dem gemeinen
geschrey waß davon vernohmen, von abdanckung und annehmung etlicher völcker von
Frantzosen hette aber niemahls daß wenigst gehöret. Könte keineswegs glauben noch
darfur halten, daß ihre churfürstliche durchlauchtt sich von ihrer Kayserlichen mayestät
wurden separiren wollen noch können. Sähe keine ursach, so ihre churfürstliche
durchlauchtt darzu bewegen noch ihr eigner status solches zugeben könte, dan von ihr
Kayserlicher majestät seithen (wie fur der gantzen welt bekandt) alles, waß mensch- und
möglich gewesen, zu beschleunigung deß friedens eingewilligt und contribuiret, auch
ihre churfürstliche durchlauchtt von ihr Kayserlicher majestätt allen schutz, assistentz
und freundtschafft gehabt, welches bey obgedachter Separation etwan nitt also wurde
erfolgen können.
Kamen darauff von ihrem frieden zu reden. Congratulirte ihnen, daß es damitt so weit
kommen, und wurden sie dardurch und da sie bestendig dabey pleiben, den hohen
ruhmb erhalten, daß fundament und nachfolge deß friedens gelegt und verursacht zu
haben. Illi: Ihr friede were zwar noch nitt gantz geschlossen, aber sehr wohl angefangen.
Hofften iedoch, Gott wurde gnadt verleyhen, daß alles vollnzogen werde. Könte
nunmehr leicht in eine formb und auff ein ander papier innebracht werden. Ego:
Wunschte es, und wurde zu ihrem eignen vorthl dienen. Es wurde aber von vielen darfur
gehalten, daß graff Servients abreiß in Hollandt dörffte newe obstacula verursachen. Illi:
Woltens nitt vermeinen, dan seine negotiation sein solte, den frieden zu befurderen, wan
nemblichen mitt den Spanischen sie, Frantzosen, auch sich vergleichen könten; im
gegenfahl aber dorffte er sich die continuation deß kriegs noch auff künfftige campagna
zu suchen und zu begehren understehen. Die tractaten zwischen Spanien und Franck-
reich stünden itzo still, wüsten nitt, worauff es hafftet, allein daß sie gesehen, daß in den
haubtpuncten sie albereit verglichen und die sach auff solchen fuß gesetzt, daß
vermeinten, in einem halben tag damitt zur richtigkeit zu kommen seie. Fünden
ihrestheils die ubrige differentien nitt der erheblichkeit, daß darumb der friede länger
verzogen werden solt. Könten ihrestheils wegen solchen auffenthalts den Spanischen
kein schuldt geben. Es hette graff d’Avaux fur seiner abreiß ihnen angezeigt, duca de
Longeville wurde ihnen alle der Frantzosen petita ahn Spanien zustellen, so den 22.
dießes hette geschehen sollen. Were aber nitt erfolgt; wehre ihnen zwar angezeigt, daß
[ er ] alß morgen, den 25. dießes, nachmittag, ihre puncta zeigen und mitt ihnen darauß
communciren wolte, were aber nitt darbey gedacht worden, daß der duca selbige ihnen
zustellen wolte. Erwarteten also, obs erfolgen werde. Ego: Sie wurden ein sehr löbliches
und gemeinnutziges werck verrichten, wan zwischen diesen beyden mächtigen cronen
den frieden befurderen wurden. Illi: Wunschten es höchlichen, und hetten auff begehren
ihr bestes und möglichstes gethan, woltens auch gern continuiren. Es bestünde aber
darauff, daß ihnen obgesetztermassen die Frantzösische puncta zugestelt wurden. Sie
dörfften selbige nitt abfordern lassen, sondern müstens erwartten, damitt es nitt daß
ansehen gewinne, alß wolten sie daß werck sollicitiren. Ego in fernerm discuriren sagte:
Hette vernommen, ob solte ihr collega, so von wegen Utrecht hier gewesen, nitt
allerdings mitt ihnen einig und deßwegen nitt underschreiben wollen, auch in Haag
verreist seie. Illi: Wehre nitt ohne. Er hette waß difficulteten gemacht, er wehre waß zu
weit und tieff sehendt. Sie könten gleichwohl seinem scrupuliren kein statt geben. Er
wehre zwar hinundergereiset; ob sich zu accusiren oder zu excusiren, wüsten sie nitt,
dan gemeinlich im excusiren man sich accusiret. Eß wehre iedoch ahn dieser sache so
viel nitt gelegen, alß man außen davon redete. Vermeindten nitt, daß solches ungelegen-
heit verursachen würde, dan (wahren die formalia) una hirundo non facit ver. Einer
under ihnen sagte: Ille est totus Gallus. Eß kan wohl kommen daß unsereiner drey oder
vier in kurtzem hinunderziehen, umb die provintien und Generalstaaden von allem
verlauff und zustandt unser sachen wohl gründtlichen zu informiren, so besser coram
alß durch schreiben zu thuen. Ego sagte: Hetten gehört, daß die ganze populace in den
provintzien groß verlangen zum frieden hetten. Hettens auch gewiß ursach, weiln, wie
ich hörte, sie einen erwunschten frieden erlangten. Illi: Daß wehre gewiß, alle in
Niderlandt wunschten und verlangten den frieden, dan sie solchen ihrem statui sehr
nutzlich finden und begehrten, der ruhe zu geniessen.
Von den Holländeren bin zu dem herrn von der Heyden, Churbrandenburgischen
gesandten, gefahren, ihme die revisite und glückwunschung zum newen jahr restituiret.
Dabey nichts fürgangen, alß daß er beklagte, daß die Schweden gantz Pommern
behalten und davon, wie er von Oßnabrück vernemme, nitt abstehen wolten. Er
befahrte sich, wan man vermeinen wurde, diesen hohen berg uberstigen zu haben,
wurden die Schwedische noch so viele hügeln setzen, so noch beschwerlichen zu steigen
sein wurden. Er sähe nitt, wie daß ein bestendiger friedt geben könte, hette immer
gemeindt, daß die Schweden sich dessen hetten understehen sollen.
[2] Protokoll, [Münster] 1647 Januar 25. Kopie: RK FrA Fasz. 54a (Teil II) fol. 48–50 =
Druckvorlage; KHA A 4 nr. 1628/21 unfol.
Nach heut einkommener Oßnabrückischer post hab ich, graff zu Nassaw, den herrn
nuncio und Venetianischen gesandten, die in deß nuncii losament beysamen gefunden,
parte geben, daß auß Oßnabruck geschrieben were, daß die Schwedische nachmahln
bey gantz Pommern zu pleiben sich erclehrten, ohnangesehen vom conte d’Avaux und
Holländischen gesandten ihnen starck zugesprochen und erinnert worden wehre, sich
mitt ihrer churfürstlichen durchlauchtt zu Brandenburg beschehener erclehrung, Vor-
derpommern neben Stettin, Gartz und insul Wollin gegen ein aequipollent ihnen zu
uberlassen, zu contentiren. Und liessen die Schwedische sich auch vernemmen, daß
gantzes Pommern inzubehalten mitt Churbrandenburgischem consens, dahegen aber
Brandenburg ein ferner aequipollent zu verschaffen. Eß were aber von den herren
Kayserlichen hergegen gnugsamb zu verstehen geben worden, da Churbrandenburg
schon auff gantz Pommern seinen consens geben wolte, daß dargegen jedoch Branden-
burg kein weiteres zue satisfaction, alß waß wegen Vorpommern albereit ihro ahnerbot-
ten were, von ihr Kayserlicher mayestät und dem Reich wurde gegeben werden. Die
gravamina betreffend, liessen sich die protestirende vernemmen, daß sie solche den
Schwedischen mitt den Kayserlichen zu vergleichen und zu tractiren heimbgeben
hetten. Die Schweden aber liessen sich verlautten, daß ihre satisfaction zuvor müste
richtig gemacht sein, ehe die gravamina furzunemmen wehren.
Die herren mediatores haben sich der communication bedanckt und begehrt, ihro
excellenz herrn obristhoffmeistern dero bereitwillige dienste zu vermelden, herr Venetus
auch mich ersuchet, ihre excellenz zu berichten (mitt angehangter und underschiedenen
mahlen widerholten pitt, daß alles in vertrawen und seiner ohnbenandt möchte gehalten
werden, dessen ich ihn auch versichert habe), daß gestern herrn duca de Longeville er
besucht habe, so ihme angezeigt, eß hette herr graff d’Avaux ihme geschrieben und
bezeiget, von den Schweden sehr ubel vergnugt zu sein, auch wider zuruck nacher
Munster zu kommen begehrt. Der duca aber hette ihn, d’Avaux, erinnert und animiret,
noch waß länger sich zu Oßnabrück auffzuhalten und den tractaten beyzuwohnen, mitt
anzeig, daß bey dieser post der Frantzösisch resident in Schweden
geschrieben, daß die königin daselbst sich zu befurderung deß friedens nochmahl gantz
geneigtwillig, ohne einige veränderung deß zuvor uberschickten friedensproiects (so er,
Venetus, auff die zuvor abgeredete alternativam verstehe), erzeigte und ihren abgesand-
ten ernstlichen ahnbefohlen hette, den friedenschluß einmahl zu befurderen. Hierbey
begehret er, Venetus, abermahls, daß auch hievon gegen niemandten, sonderlich aber
comte d’Avaux, meldung geschehen möge. Er, herr Venetus, berichtet ferner, es hette
obhochgedachter hertzog ihme weiter angezeigt, er, duca, seie mitt den auffgesetzten
puncten (so der Venetus instrumentum pacis nennete) zwischen Spanien und ihnen,
Frantzosen, fertig, wolte heut nachmittag mitt den Holländern drauß communciren,
hette darauff der Frantzösischen gesandtschafft secretario Boulangier
sich befunden, ahnbefohlen, von solchem instrumento pacis copiam zu machen und
ihne, Veneto, zuzustellen. Er, Venetus, aber hette auß deß Boulangiers darauff gemach-
ten minen wohl verspühret, daß ihm deß hertzogs befehl nitt gefallen hette. Er
vermeinte, daß hierbey wohl zu observiren, weiln der Holländer beschehene subscrip-
tion zu Pariß schon kundtbar gewesen, alß die ahn den duca ietz ankommende
Frantzösische post daselbst abgereiset und der duca gleichwohl mitt und durch die
Holländer zu tractiren continuiret, daß ahm Frantzösischen hove sie der Holländer
vorgangene subscription nitt so hoch empfinden noch improbiren müsten, alß von den
hiesigen Französischen gesandten alhier geschehen were. Der Venetus sagte, daß der
Venetianisch gesandter zu Pariß bey dieser post ihme geschrieben, eß hette der cardinal
Mazarini ahn ihn begehrt, ihnen, herrn Contarini, zu ermahnen, allen fleiß anzuwenden,
damitt zwischen den beyden cronen Franckreich und Spanien der friede förderlichst
mögte geschlossen werden; alßdan wurden sie Französischerseithen den Schwedischen
dergestaldt zusetzen und zusprechen, daß ahn der Schweden gutten accommodation
kein zweiffel sein solte; ehe aber mitt Spanien der friedt [ nicht ] geschlossen wehre,
könten sie gegen Schweden solchergestaldt nitt verfahren; hette aber dabey angehenckt,
daß man sich keine gedancken machen solte, ohne überlassung Porto de Longone und
Piombino, so Franckreich nitt zurücklassen wolte, den frieden zu machen. Herr Venetus
erbotte sich, mir in vertrawen deß graffen Servients im Hagen beschehene proposition
zu communiciren, so hiebeygelegt sub littera A. Erinnerte dabey, daß man allerseits mitt
eußersterm fleiß sich dahin zu bearbeiten hette, den frieden zwischen den beyden
cronen Spanien und Frankreich zu befurderen, alß daran itzo daß gantze friedenswerck
haffte, sönderlich weil selbige cronen in den haubtpunctis albereit verglichen und die
ubrige unverglichene weder er noch niemandts der importantz finden könten, daß
dardurch der christenheit so hochnötiger friedt solte langer fürenthalten werden. Wehre
also nöttig, daß die Holländer wohl animirt wurden, damitt sie allen fleiß anwendeten,
den frieden zwischen beeden cronen zu befurderen und jdem theil fleissig zuzusprechen.
Er besorgte sich darbey, die Frantzosen wurden durch alle manieren sich dahin eußerst
bearbeiten, noch viele einwurff und difficulteten in dem Niderländischen frieden zu
thuen, ia gar solchen ubern hauffen zu stossen. Es wehren in den Niderlanden
mancherley seltzame humores, und könte allen sorgen undt ungelegenheiten damitt
fürkommen werden, wan obgedachter friede zwischen beeden cronen befürdert würde.
Befahrtete sich, die Frantzosen dörfften die Holländer zu stringiren suchen und sich
erclehren, keinen frieden mitt Spanien zu machen, hergegen von den Holländern eine
klare categorische resolution begehren, ob dan sie, Holländer, gleichwohl ohne Frank-
reich frieden machen wolten, da es dan ahn Französischer seithen nitt ermanglen wurde,
den Holländern große offerta zu thuen, ja auch Dünkirchen zu überlassen.