Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Kurmainz . Nehmen Bezug auf das Kurfürstenratsconclusum über die reichsstän-
dische Intervention zugunsten Kurbrandenburgs vom 24. Oktober 1646. Dieweiln
dann vom fürstenrath davorgehalten worden, daß vor allen dingen mit
den Kayßerlichen herrn gesanden hierauß zu communiciren und zu ver-
nehmen, wie weit dieselbe mit der cron Schweden in der handlung vortge-
schritten und solchem nach in genere mit der intervention zu verfahren,
20–22 so – ergreiffen] Zusätzlich in Kurtrier zA, spA und sinngemäß in Kurbayern
K III, Kursachsen Rs I: undt ob man schon vermeint gehabt, es würden sich die
herren fürstliche anders erclerth haben, so haben sie doch dem herkomben gemeß
lieber sehen wollen, daß die herren churfürstliche die sache nachmahls in delibera-
tion ziehen thetten.
seye, ob man bey dem vorigen schlueß zu verpleiben oder des fürstenraths
conclusum zu ergreiffen.
legat Salvius hier angelangt, zweivelten nit, derselbe die königlich Schwe-
dische resolution mitpracht haben und selbe eröffnen werde
Salvius kam am 2. November, Oxenstierna am 15. November nach Münster; verhandelt wurde
dort bis Ende November. Vgl. APW [II C 2 nr. 192 S. 470] , Dickmann S. 309f.
2º. Hetten sie neben den herrn Churbayerischen alß ordinari deputirten der
herrn Chursachßischen begehren nach den Kayßerlichen herrn plenipoten-
tiarien die Marburgische successionsstrittigkeiden und damit selbe keines-
wegs vor die frembde cronen gezogen werden mögen, bestermaßen recom-
mendirt, auch waß dieselbe wegen freystellung des exercitii religionis in den
erblanden begehrt, denselben anpracht.
Nach Auskunft der ksl. Gesandten hat quoad 1 mum punctum Lgf. Georg
von Hessen-Darmstadt ihnen selbst geschrieben, und sie haben sich der Sache auch
schon ahn gehörigen orthen bestens angenommen; es wehren aber die fürstlich
Heßen Cassellische von ihrer meinung nit zu pringen geweßen, sondern
bestünden noch dabey, daß dieße sach vor die außwertige cronen gezogen
werden müste; yedoch wolten ihnen solche noch ferner recommendirt
sein laßen.
Den zweyten puncten hetten sie mit etwas befrembden vernohmmen, weiln
die Schleßische ständ anno 1635 sich mit Kayßerlicher Mayestät der religion
halber allerdings verglichen
Im Dresdener Akkord von 1621 hatte Kf. Johann Georg von Sachsen den schlesischen Protestanten
Konfessionsfreiheit aufgrund des Religionsfriedens zugesichert ( Häberlin 25 S. 9, Brockhaus
S. 117–119, Hitzigrath S. 39, Jaeckel VI S. 80ff.). Aufgrund der ksl. Zusicherung im
Prager Frieden, die Fürstentümer Brieg, Liegnitz, Öls, Münsterberg und Stadt Breslau im
Stand der evangelischen Konfession zu lassen, zogen die kursächsischen Truppen aus Schlesien ab.
Die Fürstentümer erhielten jedoch nur gegen vorbehaltlose Unterwerfung die ksl. Gnadenerklärung
und wurden nach Scheitern eines polnischen Vermittlungsversuchs rekatholisiert; bis 1644 dauerten
die Kämpfe in Schlesien fort ( Jaeckel V S. 71–75, 80–86, Londorp IV S. 471f.).
interessirt seye noch deroselben von den protestirenden einiger unfueg
beygemeßen werden könde. Und zweivelten sie nit, waß den ständen zuge-
laßen und freystünde, solches auch Ihrer Kayßerlichen Mayestät zu gönnen
sein werde.
Kurtrier .
15–18 Hielten – könde] Laut Kurtrier zA, spA, sinngemäß auch laut Kurköln
zA I, spA II sowie Kurbayern K III, Kursachsen Rs I betrachtet der Volant dies
ausdrücklich als Kompromißvorschlag zwischen dem kurfürstlichen Conclusum, den schwe-
dischen Bescheid abzuwarten, und dem fürstlichen, nach communication mit den ksl.
Gesandten zu intervenieren, da man ja bei den ksl. Gesandten Salvius’ Resolution erfragen
kann.
zu communiciren, weiln der Schwedische legat Salvius dießorths ankom-
men, die vertröstete königliche resolution in puncto satisfactionis zu eröff-
nen; dießem nach man mit der intervention verfahren könde. Nach Mittei-
lung des kurbrandenburgischen Gesandten Dr. Portmann wird der Kurfürst von
Brandenburg, ehe man wüste, waß Schweden uberlaßen werden solte, kein
special aequivalent begehren, […] auch solches von niemanden anders alß
dennen, die viel oder wenig von den Churbrandenburgischen landen
begehren würden, fordern. Hielten also davor, man hefte den herrn Chur-
brandenburgischen expresse zu bedeuten, daß man sich durch dieße inter-
vention zu keinem aequivalent obligiren wolte; und könde solche interven-
tion in genere gethan werden.
Kurköln . Weiln dem Römischen reich an dießem werck höchlich gelegen,
so hette man pillig, wann die sach mit bloßen intercessionibus gantz abzu-
pringen oder zu miltern, solche werckstellig zu machen.
3–6 Sie – verschieben] Abweichend und im Sinne des folgenden kurbayerischen Votums
in Kurbayern K III, Kursachsen Rs I, wo auch der Passus 7–9 Ein – erfahren]
fehlt, nur: Die schwedische resolution ist abzuwarten, ehe interveniert werden soll.
Laut Kurtrier zA, spA, das der Vorlage entspricht, wertet auch Kurköln diesen Vor-
schlag als conciliation der chur- und fürstlichen conclusa.
indifferent geweßen, ob damit, bis die königlich Schwedische resolution
eingelangt, zuzuwarten; weiln aber der Salvius nunmehr hier zur stelle
seye, so sehen sie nit, warumb solche intervention lenger zu verschieben.
Ein vorherige Unterredung mit den Kaiserlichen ist nit undienlich; und würden
dieselbe, solches werck durch die ständ zu secundiren, gern sehen. Von
ihnen kann man auch den Stand der Verhandlungen mit Schweden erfahren.
Sonsten widerholten nachmahls ihre vorige meinung, daß dieße interven-
tion nit allein uf Pommern, sondern alle ubrige praetendirte landen gericht
werde.
Kurbayern . Ihr Gnedigster Herr hette ihnen bevohlen, vorigem concluso
zu inhaeriren; und hielten darvor, weiln man noch nit weiß,
ßenstirn bey Churbrandenburg dießfals verricht noch waß die cron
Schweden sich resolviren mögte, man hette mit der intervention, bis man
die declaration dießer beyden puncten vernohmmen, zuzuwarten und zuvor-
hero mit den Kayßerlichen herrn gesanden zu communiciren.
men, wie weit sie sich mit der cron Schweden in hoc passu eingelaßen oder
noch einzulaßen gedencken.
Churbrandenburg von dießen landen werde cediren, und stünde alsdan
ferner zu deliberiren, wie es mit dem aequipollent zu halten. Underdeßen
wolte die notturfft erfordern, weiln res integra und mit der cron Schweden
noch kein gewißer vergleich gemacht seye, daß dieße intervention vortzu-
stellen, und zwar für Kurbrandenburg und zugleich alle andere interessirte
ständ des reichs.
Danken im Namen ihres Kurfürsten Kurmainz, daß uff ihr bey den chur-
fürstlichen gesandtschafften sambt und sonders gethanes anpringen es
Trauttmansdorff die Marburger und die Angelegenheit der Konfession in Schlesien
vorgebracht hat. Der Kurfürst von Sachsen wird gern hören, daß Trauttmansdorff
bemüehet geweßen, in besagter Marburgischen successionssach bey den
Heßen Cassellischen daß werck dahin zu richten, damit sie solche sach durch
die herrn erbvereinigte componiren laßen mögten, und weiln noch zur zeit
ahn selbigem orth nichts zu erhalten geweßen, deßwegen noch fernern
vleiß anzuwenden sich anerclärt.
Belangend den andern puncten, da hette Ihr Gnedigster Herr gleichwohl
verhofft, es würden des herrn gravens von Trautmanßdorfs Excellenz sich
gewürig resolvirt haben, daß nemblichen bey Ihrer Kayßerlichen Mayestät
daß liberum exercitium religionis Augustanae confessionis den Schleßi-
schen ständen insgesambt erhalten werden solle
Trauttmansdorff reklamierte in seiner Erklärung gegenüber den kursächsischen Gesandten vom
14. August 1646 für den Kaiser grundsätzlich das ius reformandi kraft Landesherrschaft über
Schlesien, zeigte aber Bereitschaft, das protestantische Bekenntnis in Liegnitz, Brieg, Öls,
Münsterberg und Stadt Breslau zu dulden ( Sindelár S. 227). Vgl. IPO Art. X § 38f.,
V § 40 ( Jaeckel VI S. 102f.).
liche Durchlaucht den Schleßischen ständen, daß sie nemblichen bey solchem
exercitio religionis unangefochten gelaßen werden sollen, ihr churfürstliches
wortt gegeben, welches auch hernachmahls die in Gott ruhende Kayßerliche
Mayestät Ferdinandus 2 us confirmirt, darwider der anno 1635 praetendirte
vertrag gantz nichts schaffen kan; derowegen höchstgedachte Ihre Chur-
fürstliche Durchlaucht uf andere mittel gedencken müsten, wie sie daßienige
bey Ihrer Kayßerlichen Mayestät erhalten, waß löblich und Kayßer-, auch
churfürstlich versprochen.
Kurmainz . Vernehmmen, daß Churcölln, -tryr und -sachßen der meinung,
daß man zwar mit den Kayßerlichen herrn gesanden vor allen dingen zu
communiciren und zu vernehmmen, wie weit in dießen und andern stücken
gegangen und noch gegangen werden mögte, und solchem nach die
intervention werckstellig zu machen, die herrn Churbayrische aber nach-
mahls bey ihrem vorigen voto beharren, daß nemblichen damit bis zu erör-
terung der religionsgravaminum zuzuwarten, da alßdann alles mit desto
beßerem nachtruck beschehen könde.
Wiederholen die drei Punkte des Conclusums vom 24. Oktober 1646 im Kurfürsten-
rat sowie den kurfürstlichen Beschluß vom 24. August, wonach zuerst die Gravamina
hätten erörtert werden sollen;
30 welcher – verplieben] Unter Bezug auf den seinerzeit mit Kurtrier und Kur-
bayern gefaßten Mehrheitsbeschluß, zuerst die Beilegung der Gravamina abzuwarten, wird
laut Kurtrier zA, spA und auch Kurbayern K III, Kursachsen Rs I deutlicher
gesagt: kahn er Mayntzische cantzler in absentia domini principalis davon nit auß-
setzen. In Kurbayern K III, Kursachsen Rs I ist das Conclusum dem kurbayerischen
Votum noch dadurch angenähert, daß Kurmainz die kurbayerischen Argumente als die seini-
gen wiederholt.
weiln anietzo per maiora vor guet angesehen worden, mit den Kayßerlichen
herrn gesanden hierauß zu communiciren und solchem nach die interven-
tion vortzustellen, so wolten sie solches nit hindern. Die ursachen, warumb
sie davorhalten, daß mit der intervention zurückzuhalten, seyen bey oban-
gezogenen deliberationen angeführt worden; und werde sich bey vortstel-
lung der intervention zeigen, waß des aequipollentis halber darwider ver-
borgen liege, dann nit zu zweiveln, daß dasselbe hiernechst von Kayßer-
licher Mayestät und den ständen, absonderlich den catholischen, praeten-
dirt werde; wie dann nit wenig zu besorgen, wann die ständ sich des wercks
bey der cron Schweden annehmmen solten, dieselbe von den ständen daß
aequipollent begehren und zum friedenschlueß ehender nit schreiten wür-
den, es seye dann dießes auch
11 verglichen] Laut Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA II, Kurbayern K III,
Kursachsen Rs I wehrt Kurmainz zum Schluß den Dank Kursachsens für die Vertretung
kursächsischer Belange mit Hinweis auf seine Direktorialpflichten höflich ab, offerendo
se ad plura. –
Die Re- und Correlation sonst nur noch in Kurtrier zA, spA.
Bey gehaltener re- und correlation haben des fürstenraths ordinari deputirte
bedeut, daß die fürstliche gesanden mit dem churfürstenrath allerdings
einig. Unterredung mit Trauttmansdorff durch die ordentlichen Deputierten der
drei Reichsräte erfolgt am Vormittag des 7. November 1646.