Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker

15

32
525, 15–526 ,8 Kurmainz – eröffnen] Proposition kürzer in Kurköln zA I, zA Ex-
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trakt
, spA I, Ib. Im ursprünglichen Text von Kurmainz K sind die Punkte 1 und 2,
34
Anspruch auf Amnestie und ungestörte Ausübung der reformierten Religion, unter einem
35
Punkt zusammengefaßt und folglich nur 5 Punkte aufgeführt; dieser ursprünglichen Nume-
36
rierung
, die dann in Kurmainz K verbessert wurde, folgen Kurtrier zA, spA, Kur-
37
bayern
K II, spA II.
Kurmainz proponebat. Nachdem unlengsthin von dem puncto satisfactionis
16
pro coronis exteris deliberirt und derentwegen ein gewißes resolvirt worden,
17
so werde die notturfft erfordern, daß auch anietzo von der fürstlich Heßen
18
Casselischen praetendirten satisfaction (davon in den replicis meldung
19
beschehen) mit wenigem deliberirt werde. Sie zweivelten nit, die herrn
20
gesanden werden sich in deme dießfals gesterigs tags ad dictaturam
21
gegebenen memorial

39
Zugrunde liegt offenbar das Memorial Reinhard Schäffers ( Osnabrück 1645 XII 28/1646 I 7)
40
( Druck Meiern II S. 161–163). Vgl. ebd. S. 306.
ersehen haben. Sie befinden dasselbe außer dem
22
proaemio auff volgenden 6 puncten bestehend, 1º et 2º daß alle und yede
23
fürstliche persohnen dießes haußes und deßen angehörige räth, bediente,
24
geist- und weltliche der generalamnistiae genießen, auch des exercitii religio-
25
nis zu ewigen zeiten versichert pleiben mögen,

26
3º daß daß ius primogeniturae wie auch alle erbverbrüder- und-einigungen,
27
succession- und andere pacta confirmirt, yedoch darunder die newe pacta
28
und verträg mit des herrn landgraven zu Darmbstatt Fürstlicher Gnaden
29
nit verstanden werden.

30
4º. Begehrten restitution deren von landgraff Ludwigen dem Eltern her-
31
rührenden, dem hauß Cassel gewaltthatig entzogenen landen und iura

41
Nach dem Tod des Lgf. Ludwig von Hessen-Marburg (9. Oktober 1604) gerieten dessen Nach-
42
folger in Streit um das Erbe. Die drei Darmstädter Lgff. Ludwig, Philipp und Friedrich waren
43
nicht mit der Anordnung einverstanden, daß das Land zwischen Lgf. Moritz von Hessen-Kassel
22
und Lgf. Ludwig von Hessen-Darmstadt hälftig geteilt werden sollte, und forderten eine Teilung
23
nach Köpfen; Lgf. Moritz verstieß gegen die Testamentsbestimmung, daß der evangelische
24
Konfessionsstand in Hessen beibehalten werden solle, als er 1605 in seinem Gebiet den Calvinismus
25
einzuführen begann. Durch Entscheidung des Reichshofrats vom 1. April 1623 wurde das Mar-
26
burger Erbteil des Lgf. Moritz Hessen-Darmstadt zugesprochen; das Urteil wurde durch
27
ligistische Truppen vollstreckt. Im hessischen Hauptakkord vom 5. Oktober 1627 mußte Hessen-
28
Kassel von sich aus auf Oberhessen, die Grafschaft Katzenelnbogen und die Universität Marburg
29
verzichten, 1636 wurde Lgf. Georg II. von Hessen-Darmstadt sogar zum Administrator der
30
Lande Wilhelms V. von Hessen-Kassel ernannt ( H. H. Weber, Hessenkrieg S. 14f., 18ff.,
31
135f., Keim I S. 182ff., Demandt und Frohnweiler passim).
.

[p. 526] [scan. 650]


1
5. daß die von dem graven von Waldeck

32
Im November 1621 waren die Lg ff. Moritz und Wilhelm von Hessen-Kassel in die Grafschaft
33
Waldeck eingefallen. Die Klagen der Grafen von Waldeck beim Kaiser führten im Dezember 1630
34
zu dem ksl. Urteil, daß Lgf. Wilhelm V. den Waldecker Grafen 95 479 Reichstaler Schadens-
35
ersatz zu zahlen habe. Die Exekution des Urteils wurde durch Ausgleichsverhandlungen zwischen
36
Waldeck und Hessen-Kassel, die zum Hauptvergleich von 1635 führten, aber nicht rechtskräftig
37
wurden, verhindert ( Meiern IV S. 454 –456, Keim II S. 174, Varnhagen II S. 251f.).

38
In dem Zwist mit Kurköln, der sich seit Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges verstärkte, ver-
39
mochte sich Waldeck teilweise nur mit Unterstützung hessen-kasselscher Soldateska zu behaupten
40
(so im Streit um Besitz und Konfessionszugehörigkeit der Herrschaft Düdingbausen) ( Held-
41
mann
S. 297ff., 305f., Bockshammer S. 167f.). –Beschreibung der Reichsgrafschaft Waldeck,
42
Mitglied des Wetterauer Grafenvereins und umgeben von den westfälischen Stiftern Kurkölns,
43
von Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt, von Kurmainzer Gebiet und der Grafschaft Wittgen-
44
stein, bei Varnhagen I S. 7–101.
praetendirte kriegsschäden und
2
einquartierungscosten fallen und Heßen Cassel damit nichts zu thun haben
3
solle.

4
6. Und weil 6º dieße kriegsleufften uber hochgedachte Heßen Casselische
5
fraw wittib großen schaden erlitten, begehrten sie die inhabende land
6
so lang einzubehalten, bis man sich mit ihro vergleiche.

7
Stelten solchem nach zue der herrn gesanden belieben, hierüber ihre bey-
8
gehende gedancken der ordnung nach zu eröffnen.

9
Kurtrier .

21
9–11 Sie – können] und 14–16 und – dahero] fehlt in Kurköln zA I, spA I, Ib.
Sie hetten erst gestern empfangen, waß Heßen Cassel der prae-
10
tendirten satisfaction halber ubergeben, hetten dahero von Ihrem Gnedig-
11
sten Herrn bis noch darüber keinen bevelch einholen können. Sie wehren
12
gleichwohl in genere uber den punctum satisfactionis instruirt, wie die
13
herrn gesanden auß ihrem iüngsthin dießfals abgelegten voto vernohmmen
14
haben werden, und hielten, daß Ihrem Gnedigsten Herrn eben daßienige,
15
so sie beyder cronen begehrten satisfaction halber erwehnet, auch hierbey
16
zu gemüeth gangen, dahero sie sich mit wenigem vernehmmen laßen
17
wolten; und zwar ad 1 um et 2 um, daß Heßen wiederumb in den stand wie
18
anno 1618 zu restituiren und daß dero kriegs-, hoff-, land- und andere
19
bediente sambt underthanen und ständ sollen mit in die amnistie einge-
20
schloßen sein, da erinnerten sich, daß die fraw landgrävin hiebevorn sowohl

[p. 527] [scan. 651]


1
dero restitution alß amnistiae halber vermittelst deren mit Churmaintz
2
gepflogenen tractaten mit Kayßerlicher Mayestät eines gewißen verglichen

41
Siehe oben S. [341 Anm. 2] . Der Mainzer Akkord wurde nicht ratifiziert, weil Ks. Ferdinand III.
42
darin die Klausel, die auf Reichsfrieden für Reformierte Bezug nahm, ausgelassen wissen wollte
43
( Brockhaus S. 17–22).
.
3
Hielten dahero darfür, daß dieselbe sich ahn solchen vertrag oder demieni-
4
gen, so alhie sowohl vor sie alß andere ständ geschloßen werden mögte,
5
derentwegen zu halten. Stünde also dahin, welches sie hierin ergreiffen
6
wolte, in alle weg werde pillig sein, daß sie sambt ihren leuthen in die
7
amnistiae eingeschloßen werde.

8
Sonsten geschehe auch in ihrem memorial der confession anregung; nun
9
wehre zwar albereit in Ihrer Mayestät responsion hiervon meldung besche-
10
hen; dieweiln gleichwohl dießer punct in den gravaminibus mit den Augs-
11
purgischen confessionsverwanthen abzuhandlen, so hielten, solchen puncten
12
bis dahin außzustellen. Waß alßdann hierin geschloßen würd, dabey werde
13
Heßen auch wohl und wehe beschehen müßen.

14
Ratione termini in puncto amnistiae, derentwegen wehre im churfürstenrath
15
albereit ein schlueß gemacht worden, darbey sie es auch bewenden ließen.

16
Betreffend den 3. und 4 ten puncten, derentwegen hetten sie keine weitere
17
information, waß nemblichen vor verträg zwischen beyden heußern auffge-
18
richt worden, auch waß es des iuris primogeniturae halben vor eine bewand-
19
nus, außerhalb waß ihnen derentwegen

35
19 von – Darmstatt] Laut Kurköln zA I, spA I, Ib ist Kurtrier von den Hessen
36
Casselischen, laut Kurbayern K II, spA II allgemein durch Drucksachen informiert.
von Heßen Darmstatt communicirt
20
worden,

37
20–21 worauß – hetten] Nur in der Vorlage enthalten.
worauß sie dann vernehmmen, daß Heßen Darmbstatt rem iudica-
21
tam et transactam, die Heßen Casselische aber vim vor sich hetten. Weiln
22
gleichwohl dieße strittige sachen allein zwischen zween partheyen versirten,
23
so vermeinten sie, daß dießes die friedenshandlung nit auffhalten könne,
24
dann wann alle dergleichen strittigkeiden solten vorgenohmmen werden,
25
werde dardurch viel zeit verlohren gehen, stünde also dahin, daß beyde
26
theil vermittels gewißer interposition verglichen werden und

38
26–27 waß – mediatores] In Kurtrier zA, spA der Kaiser, in Kurbayern K II, spA II
39
der Kaiser oder etliche herrn cur- unnd furstliche genannt, in Kurköln zA I, spA I,
40
Ib überhaupt keine interposition erwähnt.
waß sie vor
27
mediatores hierzu erwöhlen wolten.

28
5º. Wegen der graven von Waldeck praetension ahn Heßen Cassel, der erlit-
29
tenen kriegsschäden halber, hetten sie auch keine wißenschafft, wehre
30
solches ein stück der amnistiae; und wann selbe verglichen und effectuirt
31
werde, würde dießer punct von selbsten auch fallen.

32
6º. Wolte Heßen Cassel den graven von Waldeck nichts geben und gleich-
33
wohl vor sich des erlittenen schadens halben satisfaction haben, welches
34
der amnisti directe zuwiderlauffe. Es wehre kein stand, der bey dießem

[p. 528] [scan. 652]


1
leidigen krieg nit großen schaden erlitten,

32
1–3 und – erlitten] Zusätzlich in Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA I, Ib,
33
Kurbayern K II, spA II: in abweßen des Kurfürsten von Trier; laut Kurbayern K II,
34
spA II spricht Kurtrier von der Brandschatzung etlich[er] hundert stätt, fleckhen,
35
dörffer unnd märckht.
und gebe der augenschein ahn
2
den Tryrischen landen, welche von den Heßen mit brand und anders
3
nit wenig schaden erlitten. Derowegen den Heßen Casselischen zu gemüet
4
zu führen, daß, wann man einen gleichmeßigen frieden haben wolte, einer
5
dem andern nachsehen und der erlittenen schäden halber nichts fordern,
6
sondern derselben vergeßen, weniger den ständen ihr land vorenthalten
7

36
7–9 müße – laßen] Fehlt in Kurköln zA I, spA I, Ib; laut Kurtrier zA, spA,
37
Kurbayern K II, spA II verweist Kurtrier noch einmal auf Instruktionsmangel in der
38
Sache.
müße; und müste die amnistia reciproca sein, und wehre pillig, wann die
8
fraw landgrävin bey dem ihrigen ruhig verpleiben wolte, daß sie auch
9
andere dabey zu laßen.

10
Kurköln . 1. Bei der Auseinandersetzung mit der Amnestieforderung der Land-
11
gräfin
von Hessen-Kassel hat man davon auszugehen, was bei der allgemeinen Bera-
12
tung
des Amnestiepunkts beschlossen worden ist. Und werden Ihre Churfürst-
13
liche Durchlaucht zu Cölln daßienige, so andern widerfahrt, auch der fraw
14
landgrävin gern gönnen, hetten auch ihro solches lengst gern gegönnet,
15
wann sie die friedliebende mittel, so ihro vorgeschlagen, nur nit außer acht
16
gelaßen hette.

17
Waß 2º des stiffts Hirschfeld und religion halber gedacht werde, weiln deß-
18
wegen mit den Augspurgischen confessionsverwanthen handlung vorseye

39
Über die Reichsabtei Hersfeld, die Hessen-Kassel stillschweigend beanspruchte und in seiner
40
Satisfaktion nicht besonders aufführte, wurde im Corpus Catbolicorum erstmals am 30. April
41
1646 beraten ( APW [III A 4, 1 S. 208] , [216] , [219] , [508] , [528] ); 1617 war der spätere Lgf.
42
Wilhelm V. dort Administrator gewesen ( Keim I S. 136, 159, Demandt S. 198, 347ff.).
,
19
wehre zu erwarten, waß hinc inde geschloßen werde, damit sich dann auch
20
Heßen Cassel werde befriedigen laßen.

21
3º die confirmation des iuris primogeniturae und erbverträg betreffend,
22
gleichwie die Römisch Kayßerliche Mayestät einigem stand sein recht in
23
zweivel zu ziehen nit gemeint, also habe es auch dabey sein verpleiben;
24
und geben die mit hochstgedachter Ihrer Churfürstlicher Gnaden zu Maintz
25
gepflogene handlungen genugsamb zu erkennen, daß Kayßerliche Mayestät
26
bey solcher confirmation derzeit kein bedencken […].

27
4º die differentien zwischen Heßen Darmbstatt und Cassel wehren ein
28
abgeurtheilte sach, darüber auch underschiedliche mahln güetliche handlung
29
gepflogen worden, und man also darfürgehalten, dießes wehre nunmehr ein
30
beygelegtes und gleichsamb vergrabenes werck. Weiln aber solches anietzo
31
wider movirt werden und gleichsamb zu offentlichem krieg außschlagen

[p. 529] [scan. 653]


1
wolte, so werde Heßen Darmstatt darüber zu vernehmmen stehen.

31
1–5 Sollte – werden] Zusatz Raigerspergers in Kurmainz K; fehlt in den anderen
32
Überlieferungen.
Sollte
2
sich Hessen-Darmstadt auf güetliche handlung einlassen, so werden zweifellos
3
Kaiser und Stände die Wiederaufnahme dieser Sache gestatten und möglichst fördern,
4
sofern allerdings durch solche particulardifferentien die allgemeinen Friedensver-
5
handlungen
nicht aufgehalten werden.

6
Und nachdemahln 5º der effectus amnistiae dieses nach sich führet, das
7
alles daßienige, waß einem oder andern under wehrendem krieg vor scha-
8
den zugezogen worden, bey verglichener amnistia in vergeß zu stellen,
9

33
9–11 wiewoll – wiße] Fehlt in den anderen Überlieferungen, in Kurmainz K Zusatz
34
Raigerspergers.
so werden verhoffentlich auch die graven von Waldeck (wiewoll, waß es mit
10
dero geführten clagen vor eine aigentliche bewandtnuß habe, der churfür-
11
stenrhat nit wiße) acquiesciren. Verweis auf das kurtrierische Votum.

12
Waß aber die begehrte satisfaction betreffend, wehre solche frembd zu
13
vernehmmen und lauffe dem 4 ten puncto gantz zuwider; und weiln Heßen
14
Cassel auff eine illimitirte amnistia tringe, so trage auch uf dem rücken und
15
seye pillig, daß sie andern solches gestatte; und werde noch die frag sein,
16
wann man derentwegen handlung anstellen solte, welchem theil die satis-
17
faction gepüre, weiln bekand, in waß schaden dieselbe der benachparten
18
ständ, sonderlich aber Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht zu Cölln angehö-
19
rige land gesetzt, dann sie darauß etliche millionen erprest, welches gleich-
20
wohl Seine Churfürstliche Durchlaucht amore pacis zu verschmertzen
21
geneigt. Daß der fraw landgrävin schaden geschehen, wehre durch ihr
22
eigen belieben verursacht worden, weiln sie anno 1639 durch die damahlige
23
handlung in solche sicherheit gesetzt worden, daß sie die waffen zu führen
24
ferner nit ursach gehabt hette,

35
24–25 wie – geschehen] Ausführlicher Kurtrier zA, spA: Schaden hat Hessen-Kassel
36
erlitten, alß damals die armeen umb Friedtbergh gestanden undt […] die Kayßer-
37
liche die Schwedische verfolget, welche sie ahn sich gelocket. In Kurköln zA I,
38
spA I, Ib, Kurbayern K II, spA II statt Friedberg Fritzlar

40
1640 wurde Friedberg in der Wetterau von ksl. Truppen erobert ( Dreher S. 2–4, Rock
41
S. 55f.), bei Fritzlar lagen sich 1641 die ksl. und schwedischen Hauptarmeen unter Ehg. Leopold
42
Wilhelm und Feldmarschall Banèr gegenüber ( Barthold II S. 269–273).
.
wie sie dann selbsten bekenneten, daß solches
25
erst seithero geschehen. Müsten also darfürhalten, es werden die fürstlich
26
Heßen Cassellische von dießem unpilligen petito gern abstehen und damit
27
daß friedenswerck lenger nit aufhalten;

39
27–30 und – werden] Fehlt in Kurbayern K II, spA II.
und könde solches bey occasion
28
nit allein den Heßischen gesanden, sondern auch den Kayßerlichen commis-
29
sarien, wann man guetachten ahn sie pringen werde, der notturfft nach
30
remonstrirt werden.

[p. 530] [scan. 654]


1

37
530, 1–531, 22 Kurbayern – nit] Das kurbayerische Votum in Kurköln zA I, spA I,
38
Ib wesentlich knapper, in Kurbayern K II ( ganz von J. Adolf Krebs nachgetragen),
39
spA II ausführlicher als in der Vorlage.
Kurbayern . Beziehen sich auf den Mehrheitsbeschluß des Kurfürstenrats, an der
2
Regensburger Regelung der Generalamnestie von 1641 festzuhalten, mit dem
3
anhang, daß, fals einer oder ander seither anno 1618 noch einige weiter
4
beschwerden zu haben vermeinen solte, selbige nach pilligkeid hingelegt
5
werden könden.

6
Besser hätte man die am Anfang des hessischen Memorials erwähnten Gravamina
7
dem Beschluß des Frankfurter Deputationstags entsprechend zu einer späteren
8
Zeit beraten; weiln aber selbiges nit zu erhalten geweßen, so hette man sich
9
in würckliche handlung albereit eingelaßen.

10
3º. Ob die reformirte der Augspurgischen confession zu genießen,

40
10–12 weiln – sein] Statt dessen in Kurtrier zA, spA und sinngemäß in Kurbayern
41
K II, spA II, dort allerdings zusätzlich: Die Duldung der Reformierten ist bereits in der
42
Kayßerlichen responsion approbirt. Laut Kurbayern K II, spA II ist das kurbayeri-
43
sche
Votum bis hierher nur als Auslassung zum Vorwort des hessen-kasselschen Memorials
44
zu betrachten, auf die die Stellungnahme zu den Punkten 1 und 2 der Proposition folgt.
weiln
11
man mit den Augspurgischen confessionsverwanthen derentwegen in
12
handlung begrieffen, so werde solches auch dahin zu verschieben sein.

13
Die begehrte assecuration vor daß fürstliche hauß Heßen, dero bedienten
14
und underthanen belangend, da werden, wann der fried erhebt werden
15
solte, sie deßen insgesambt auch genießen, darunder dann obbesagter 2 te
16
punct auch begrieffen.

17
Die confirmation des iuris primogeniturae und erbverträg belangend, davon
18
hetten sie zwar keine rechte information; die von früheren Kaisern erhaltene
19
confirmation wird, falls erfolgt, unschwer auch jetzt zu erlangen sein.

20
Daß 4º praetendirt werde, der Heßischen landschafft halber alles wider in
21
den stand zu setzen, wie es anno 1618 geweßen, da wehren sie zwar dießer
22
zwischen beyden fürstlichen heußern vorschwebenden differentien halber
23
nit informirt. Sie hetten die ihnen dießfals communicirte schrifften durch-
24
sehen, hielten, es werde die sach ahm Kayßerlichen hoff cum sufficientis-
25
sima causae cognitione durchgangen sein; und wüsten also nit, wie res
26
iudicatae zu cassiren seyen. Hielten, daß beste zu sein, daß beyde partheyen
27
selbsten undereinander sich verglichen. Hette aber ein oder ander theil
28
newe emergentia befunden, könden solche durch ordentliche weg rechtens
29
gesucht und darin den rechten sein lauff gelaßen werden.

30
5º. Ob der graven von Waldeck praetendirte satisfaction vor erlittene
31
kriegsschäden zu cassiren, darüber wehren sie nit instruirt. Wolten sich
32
gleichwohl hierin gern mit den churfürstlichen gesanden conformiren und
33
hielten, weiln alles durch die amnistia abolirt sein solle, solches auch darun-
34
der begrieffen sein werde.

35
Den letzten puncten betreffend, da wehre die amnistia zu dem end angestelt,
36
daß alles, waß einen oder andern stand bey dießem kriegsweßen schädlich

[p. 531] [scan. 655]


1
zugefügt worden, tod und ab sein solle. Hielten also, es werden Ihre Fürst-
2
liche Gnaden zu Heßen auch geneigt sein, in crafft dießer amnistia alles,
3
waß sie in handen, zu restituiren, gleichwie sie auch von andern desideriren
4
thete. Dann da solche praetensiones zugelaßen sein solten, werden alle
5
ständ, sonderlich aber Östereich, viel zu praetendiren haben; wehren auch
6
im Bayrischen craiß dergleichen schäden beschehen, daß sie nit sehen, wie
7
selbe wider zu ersetzen. Wann auch dießes argument, daß nemblichen ein
8
yeder halten solte, waß er habe, angehen solte, werden ingleichen die Kay-
9
ßerliche und reichsvölcker sich deßen bedienen, wordurch dann kein stand
10
deß seinigen wieder zu hoffen. Die Einbehaltung der besetzten Gebiete führt
11
nur zu neuem Krieg.

40
11–12 Die – erhoben] Dies in Kurköln zA I, spA I, Ib allein auf den Westfälischen
41
Kreis bezogen.
Die Heßen Cassellische hetten etliche millionen auß
12
frembden quartiern erhoben und wehren ohnedaß derentwegen melioris
13
conditionis als andere.

42
13–15 Hielten – geweßen] Fehlt in Kurköln zA I, spA I, Ib und auch in Kurbayern
43
K II, sp A II.
Hielten dahero, Kayßerliche Mayestät allerunder-
14
thenigst zu pitten, sie wolten hochgedachter fraw wittib nachmahls daß-
15
ienige einraumen, waß in dem Maintzischen accord beschloßen geweßen.

16
Die angezogene bezahlung der soldatesca belangend, da hetten sich die
17
soldaten durch brandschatzung und dergleichen pressuren selbsten be-
18
zahlt gemacht, wordurch dann die ständ in höchstes verderben gerathen,
19
daß sie einige geldmittel nit mehr hetten, maßen die Schweden solches
20
selbsten bezeugten. Wann die ständ dieße soldaten bezahlen solten, werden
21
auch die Kayßerliche und reichsvölcker dergleichen haben wollen; wer aber
22
solches thun werde, sehen sie nit.

23
Kurbrandenburg . Hinsichtlich der von Hessen-Kassel geforderten Amnestie
24
berufen sie sich auf ihr letztes Votum in dieser Sache, dafern die reichsberuhigung
25
solte einen effect haben, daß der terminus uff anno 1618 gezogen werden
26
müste. Es wehre zwar damahls ein conclusum per maiora gemacht worden,
27
welches sie aber nit zugeben könden; und hielten, die maiora könden hierin
28
kein statt haben.

29
Den movirten punctum religionis wegen der reformirten hielten sie zu
30
der pacification, nit aber denn gravaminibus zu ziehen, wie dann bey allen
31
reichsconventen yederzeit die reformirte ebensowohl alß evangelische des
32
rechtens vähig geweßen; und befinden sie ebensowenig ursach, die refor-
33
mirte under die gravamina zu ziehen alß catholische und lutherische, welches
34
postulatum dann in acht zu nehmmen.

35
2º suchten sie particularassecuration vor ihre verwanthen und bedienten.
36
Dießer punct wehre auch von denn cronen begehrt worden, hielten gleich-
37
wohl, wann alle ständ in sicherheit gesetzt werden, es werde ihnen auch der-
38
gleichen sicherheit widerfahren müßen, maßen die herrn vorstimmende
39
erinnert.

[p. 532] [scan. 656]


1
3. Die confirmation des iuris primogeniturae, erbverträg und anders be-
2
langend, da conformirten sich mit den herrn vorstimmenden, daß, waß vor
3
dießem breuchig geweßen, solches auch anietzo geschehen könde; und
4
werden Ihre Kayßerliche Mayestät dabey umb soviel weniger bedenckens
5
haben.

6
4. Daß der fraw landgrävin wider zu restituiten, waß ihro zugehöre, solches
7
beruehe in stritt zwischen ihro und Heßen Darmbstatt; wehre zu wünschen,
8
daß dieße sach nit zur extremität gerathen. Wie es eigentlich beschaffen,
9
wüsten sie nit, hetten auch von Ihrem Gnedigsten Herrn derentwegen
10
keinen bevelch. Wann es gleichwohl also beschaffen,

37
10–11 wie – theten] Laut Kurbayern K II, spA II hat Hessen-Kassel vor allem
38
kritisiert, daß die vorgeschlagene testes nit abgehört und daß vorschnell causa non
39
conclusa iudicirt und exequirt worden.
wie die Heßen Cassel-
11
lische vorwenden theten, sehen sie nit, wie ihnen ihr petitum abzuschlagen,
12
sondern daß sie auch der amnisti dießfals zu genießen.

13
5º. Wehre pillig, daß, soviel die gräfflich Waldeckische forderung belanget,
14
durch die amnestia alß vergeßen werde und also dieselbe mehrers nit alß
15
andere ständ zue praetendiren haben.

16
6º. Ob der fraw landgrävin satisfaction zu geben, da hetten die vorstimmende,
17
daß solches nit zu thun, underschiedliche rationes angezogen. Sie hetten
18
zwar dasselbe auch einzuwenden, daß man niemand einige satisfaction zu
19
geben schuldig, man hette gleichwohl bey deliberation der cronen replicen
20
darvorgehalten, umb friedliebens willen ein uberiges zu thun. Ob nun dießes
21
auch alhie zu consideriren, stünde dahin; und werde man, wann die cronen
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davon nit abstehen, die landgrävin sich auch ahn sie halten werde, zu deli-
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beriren haben, ob nit ein uberiges zu thun, bevorab weiln hochgedachte
24
fraw wittib noch in armis begrieffen, wie sie dann, wann solches zur con-
25
sultation kommen solte, sich weiter vernehmmen laßen wolten.

26

40
532, 26–534, 35 Kurmainz – werden] Das kurmainzische Votum in Kurköln zA I,
41
spA I, Ib wesentlich knapper.
Kurmainz . Befinden, daß die herrn Churbrandenburgische außer deß ersten
27
und letzten puncten ratione amnistiae und satisfactionis pro landgravia
28
Hassiae mit den herrn vorstimmenden einer meinung, dahero sie die Maint-
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zische sich nit aufhalten, sondern Ihres Gnedigsten Herrn meinung uber
30
ietzt gestelte sechs fragen eröffnen und zugleich concludiren wolten. Ihre
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Churfürstliche Gnaden hielten, soviel den ersten puncten der begehrten
32
general, illimitirten und ad annum 1618 gestelten amnisti betrifft, davor,
33
daß es bey dem iüngst dießfals in deliberatione 1 mae classis Suecicae replicae
34
gemachten concluso und dabey verglichenem termino ad annum 1627
35
in ecclesiasticis, in politicis vero ad annum 1630 allerdings zu laßen, die
36
reichsconstitutiones ahnversehrt zu erhalten und davon auß dennen hiebe-

[p. 533] [scan. 657]


1
vorn angeführten trifftigen motiven keineswegs zu weichen seye.

37
1–4 Ob – können] Fehlt im auch sonst wesentlich knapperen Kurköln zA I, spA I,
38
Ib und in Kurbayern K II, spA II.
Ob aber
2
die in dem Churbrandenburgischen voto derentwegen verspürte discre-
3
pantz und wie weit dieselbe zu attendiren und solchem concluso specialiter
4
einzurucken, davon werde hiernechst annoch geredet werden können.

5
Wegen auffnahm der reformirten religion und waß des stiffts Hirschfeld
6
halber gemeldet wird, sinthemahlen ihenes von der obhandenen communi-
7
cation mit den Augspurgischen confessionsverwanthen, dießes aber von
8
der handlung des puncti gravaminum dependirt, so habe man sich derent-
9
wegen nit auffzuhalten.

10
Die confirmation des iuris primogeniturae und erbverträg betreffend,
11
werden ihres erachtens Ihre Kayßerliche Mayestät kein sonderbahr bedenk-
12
ken haben, wann sich anderst die fürstliche fraw wittib dahingegen, und
13
zwar vorhero gleich einem gehorsamen stand des reichs gepüre, bezeigen
14
würde.

15
Daß aber die durch ergangene Kayßerliche urtheil und vergleich hingelegte
16
strittigkeiden zwischen beyden fürstlichen heußern Heßen Cassell und
17
Darmbstatt wiedererweckt und alles in den stand gesetzt werden wolle,
18
wie es sich anno 1618 befunden, davon wird dießorths haubtsachlich nit
19
zu reden sein. Sie die Maintzische hetten gleichergestalt einige sondere
20
nachricht oder wißenschafft der sachen nit, außer deme, waß des herrn
21
landgraff Georgens zu Heßen Darmbstatt Fürstliche Gnaden

40
Lgf. Georg II. von Hessen-Darmstadt (1605–1661), Lutheraner und Parteigänger des Kaisers
41
und Kursachsens, konnte das Übergewicht seiner Landgrafschaft gegen Hessen-Kassel nicht halten
42
und wurde schließlich zum Kasseler Vertrag vom 14. April 1648 genötigt (über ihn NDB
43
6 S. 217 , Frohnweiler passim).
derentwegen
22
ahn Ihre Churfürstliche Gnaden zu Maintz […] nach und nach gelangen
23
laßen, darauß sie dann soviel ersehen, daß ahm Kayßerlichen hoff alles
24
cum sufficientissima causae cognitione abgeurtheilt, auch derentwegen
25
zwischen hochgedachten fürstlichen heußern gewiße vergleich auffgerichtet
26
worden, bey deme es Ihrer Churfürstlichen Gnaden ermeßens pillig sein
27
verpleiben haben oder, da ihe die fürstliche fraw wittib einige rechtmeßige
28
spruch oder forderung ahn hochgedachte Ihre Fürstliche Gnaden oder
29
nova emergentia zu haben vermeinte, solches nechst anführung ihrer
30
motiven durch ordentlichen weg rechtens zu suchen und außzuüben
31
seye.

32
Die vom Kaiser den Grafen von Waldeck versprochene Erstattung der Kriegskosten
33
wird bei einem allgemeinen Friedensschluß wegfallen,

39
33–34 obwohl – ist] Nur in der Vorlage enthalten.
obwohl diese Verpflichtung
34
Hessen-Kassel zu Recht auferlegt worden ist.

35
Daß aber sie die fraw wittib sich understehe, einige satisfaction von dem
36
Römischen reich zu praetendiren und ihre erlittene schäden der amnistiae

[p. 534] [scan. 658]


1
directe zuwider ahn andere des heyligen reichs chur-, fürsten und stände
2
zu suchen, solches komme Ihrer Churfürstlichen Gnaden nit wenig frembd
3
zu vernehmmen vor. Sie ihrestheils hetten liebers nit sehen mögen, dann
4
daß die anno 1639 zwischen Ihrer Churfürstlichen Gnaden alß Kayßerlichem
5
commissario und der fraw landgrävin gepflogene, auch zue endlicher
6
richtigkeid geprachte tractaten gleichwie ahn Kayßerlicher, also auch ahn
7
Heßen Cassellischer seiten dem gethanen versprechen nach wehren gehalten
8
und die zeit hero vorgangene ungelegenheiten vermitten worden,

36
8–13 zumahln – erwunden] Laut Kurbayern K II, spA II sagt Kurmainz, daß 1639
37
auch die ksl. ratification noch erwartet wurde.
zumahln
9
bekand, daß derzeit alles in güete verglichen, von Ihrer Kayßerlichen Maye-
10
stät approbirt, hochstgedachter Ihrer Churfürstlicher Gnaden zu Maintz
11
darüber dero Kayßerliche confirmation in originali zugeschickt worden
12
und es eintzig und allein ahn außhändigung der fürstlich Heßen Casse-
13
lischen ratification erwunden. Auß waß ursachen dieselbe aber die extra-
14
dition von einer zeit zur andern verschoben, auch endlich gar zurück und
15
sie die fraw wittib dato dem feind anhengig plieben, solches würd den herrn
16
gesanden sonder zweivel ahnverborgen sein; und achten sie unnöthig, sol-
17
ches vor dießmahl weitleufftig anzuführen. Hielten derohalben mit den
18
herrn vorstimmenden davor und concludirten darauff, daß vielhochermelte
19
fraw wittib uf die amnistia zu verweißen, crafft deren sie auch ihrestheils
20
gleich andern ständen die praetendirte satisfaction fallen laßen und die
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occupirte orth wider abtretten werde, dann iha pillig, daß, gleichwie sie
22
die amnistia vor sich desiderirte, also dieselbe auch wider sich gelten laßen
23
müste. Und wehre sie ohnedieß bißhero beßerer condition alß einiger stand
24
des reichs geweßen, zumahln bekand, waß sie bis dahero vor große geld-
25
mittel auß den einhabenden quartiern erhoben, maßen solches Ihrer Chur-
26
fürstlichen Gnaden zu Maintz angehörige underthanen mit ihrer höchsten
27
ungelegenheit bis dahero, mehr als guet und verantworttlich ist, empfunden,
28
auch noch uf gegenwertige stund empfinden theten, da sie ietzo nit allein
29
die zuvor angesetzte, sondern eine doppelte contribution durch betrohung
30
der militarischen execution von den in grund ruinirten underthanen er-
31
zwingen theten. Die cronnen nehmmen sich derselben, allermaßen auß
32
beyden replicis zu ersehen, sonderlich nichts ahn, sondern beziehen sich
33
allein uf die Heßische praetendirte satisfaction und derentwegen ubergebenes
34
memorial; wehre also zu hoffen, die friedenstractaten hierdurch nit stecken,
35
sondern sie von dießer praetension wie pillig abstehen

38
35 werden] Laut Kurtrier zA, spA wird die Beratung über die Militärsatisfaktion, von
39
Kurbayern angeregt, aber von den anderen Votanten nicht aufgegriffen, biß auff andere zeit
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außgestellt; laut Kurbayern K II ( Zusatz von J. Adolf Krebs), spA II haben alle
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wegen der militiae mit Kurbayern sich verglichen, ohne daß über den Inhalt dieses Ver-
42
gleichs
nähere Angaben gemacht sind. Außerdem regt Kurmainz laut Kurbayern K II,
43
spA II an, zu der 3 ten classe zu schreiten.
werden.

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