Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Nach dreyen seind Ihre Hochfürstliche Gnaden zu den Kayserlichen
gefahren, allda die herren Churbayerischen gefunden; und hat der her
Volmari folgendts proponirt. Mit Schreiben des Kaisers aus Wien vom 29. März
ist erstlich diejenige replic, welche den Franzosischen leztmaln ubergeben,
ratificirt, benebens aber erinnert worden, inskünfftig caute mit den schrifft-
wechßlungen umbzugehen und allein die substantialia zu papier zu pringen,
damit nit dadurch dem gegentheil gelegenheit geben werde zu disputiren
und die sachen noch mehrers zu verlengern.
2. Nachdem die Franzosen und Schweden noch immerhin auf erscheinung
der stende bestunden, so hetten Ihre Maiestätt allergnädigst resolvirt, daß
die reichsdeputation zue Franckfurt anhero transferirt werden möcht
In dem erwähnten Schreiben vom 29. März 1645 erklärte Ferdinand III. jedoch nur, er habe
seinen Gesandten Ernst Gf. von Öttingen mit Schreiben vom 22. März 1645 angewiesen, im
Falle eines entsprechenden Beschlusses der Reichsstände der Verlegung des Frankfurter Depu-
tationstages zuzustimmen ( Gärtner IV S. 652).
cessire dieser punct nunmehr auch; underdeßen hette man sich mit den
craißdeputirten, alß wadurch die sachen nur schwerer gemacht wurden, in
nichts einzulaßen, sondern allein mit den
biß dato, die communicationes fortzusezen.
3. Hetten Ihre Maiestät gnädigst bewilliget und ihnen befohlen, daß sie die
churfurstlichen gesandten furterhin „Excellenz“ tractiren, auch diß
praedicatum hienwieder von ihnen empfangen solten;
nachgelebt und under dieser conferenz der titulus „Excellenz“ hinc inde
gegeben worden.
Den Savoyischen aber solten sie mit diesem pradicato nicht veneriren; seye
auch wol von ihnen geschehen, daß sie mit endgegenschicken und sonst
sich nit eingelaßen, deren ursachen, weilen weder der vorig herzog noch
des iezigen fraw mutter die gewohnliche reichsbelehnung von Ihrer
Maiestät nicht gesucht, weniger erhalten hetten
Nach dem Tod von Hg. Viktor Amadeus I. von Savoyen ( 1587–1637, regierend seit 1630)
führte Hgin. Christine ( 1606–1663), Tochter des Kg. Heinrich IV. von Frankreich, die Regie-
rung für ihre Söhne Franziskus Hyazinth ( f 4. Oktober 1638) und Karl Emanuel II. ( 1634–
1675) ( Bohner S. 121–128, Isenburg II 113, Theatr. Europ. III S. 984). Christine
suchte erst 1647 um die Reichsinvestitur ihres Sohnes nach ( Tabacco S. 126, Gärtner IV
nr. 122 S. 547).
4º. Nachdem Ihre Maiestät vernehmen und sehen, daß die tractatus alhier
und zu Oßnabruck dergestalt langsamb hergehen, so were ihro nit zu end-
gegen, daß die handlung ahn ein orth endweder hier oder nach Oßnabruck
oder auch ad locum tertium verlegt werden möchten, welcher mainung
auch Churbayern, und erachteten zum besten, daß zue deßen incaminirung
Ihre Hochfürstliche Gnaden mit den Franzosen gered und davon dextre auf
die bahn gebracht hetten.
Darauf haben die churfürstlichen einen abtritt genommen, und beym auf-
stehen weist Wartenberg auf die Ankunft der Kurmainzer und sein Zusammen-
treffen mit dem kurmainzischen Gesandten J. Adam Krebs hin
Von der an Münster vorbeireisenden kurmainzischen Gesandtschaft (Hugo Eberhard Cratz
Gf. von Scharffenstein, Heinrich Frhr. Brömser von Rüdesheim, über sie Becker S. 164)
wurde der Sekundargesandte Dr. Johann Adam Krebs am 11. April 1645 nach Münster
geschickt, um von den kurbayerischen und kurkölnischen Gesandten Informationen über das Einzugs-
zeremoniell zu erhalten. Am 14. April begab sich Wartenberg selbst zusammen mit Landsberg
zu der kurmainzischen Gesandtschaft, die sich in der Propstei St. Moritz aufhielt, gab über den
Verhandlungsstand und das Zeremoniell genauen Aufschluß und verlangte Auskunft über die
Instruktion der Kurmainzer (Kurmainzische Gesandte an Kf. Anselm Casimir, Warendorf 1645
IV 17, MEA FrA 7 [4] nr. 8 PS nr. 9/b).
Folgendts nach vorgangener underredung mit den herrn Churbayerischen,
alß man wieder zusammengetretten, haben Ihre Hochfürstliche Gnaden
in nahmen Churcollen der beschehenen communication des Kayserlichen
schreibens sich bedanckt und ad 1. et 2. geandworttet, daß yedesmal ihr
votum dahin gangen, auch das commune conclusum mit ihnen herrn Kay-
serlichen aufgemacht worden. Angesichts der Zustimmung des Kaisers hab man
desto mehrer ursach, demselben zu inhaeriren.
Wegen des dritten sagten gleichfalß fur die resolution ratione praedicati
„Excellenz“ gebuhrenden danck; wolten nicht underlaßen, Churcollen mit
negstem davon zu hinderpringen.
Hat nicht gewußt, daß Savoyen versäumt hat, um die Belehnung einzukommen.
Bey iüngst gegebener visita habe der abgesandter vermeld, die negst abge-
lebte Kayserliche Majestät Ferdinandus 2. habe ahn damalß regierenden
herzogen von Savoya mit eigenen handen geschrieben, weiln der konig
in Schweden und andere feindt im reich also uberhandnehmen, musten
die volcker auß Italia weggefuhrt, auch daß keine hulff weitter dorthin
konne geschickt werden, dahero sie ihme herzogen anheimbstelleten, seine
sachen mit dem feind bestergestalt zue beobachten oder mit denselben sich
zu vergleichen.
Worauß Ihre Hochfürstliche Gnaden die vermutthung schopffen, die Savoy-
ische vorgeben dorfften, daß nit mit fursaz die accomodation gegen Franck-
reich vorgangen.
Ad 4. Wisten Ihre Hochfürstliche Gnaden sich gar wol zu erinnern, was
fur wichtige considerationes anno 1636 zu Regenspurg das churfürstliche
collegium gehabt, daß zu den haubttractaten zwen verscheidene orth, alß
in specie Hamburg und Lubeck, von den interessirten coronen begert,
benendt und bewilliget worden
Als Kongreßorte waren zunächst die Städte Köln (für die Verhandlungen mit Frankreich) und
Hamburg bzw. Lübeck (für die Verhandlungen mit Schweden) im Gespräch; gegen Verhand-
lungen in Lübeck bestanden 1636 von seiten Kursachsens Vorbehalte ( Dickmann S. 83,
Repgen, Kurie I, 1 S. 295, 393–399, Haan S. 84–86, 142–144, 151f., 265, 81f., 157,
Odhner S. 58).
1641 nachmalen bestettiget
Dies trifft nur bedingt zu. Auf Anregung Braunschweig-Lüneburgs beschloß der Reichstag am
28. September 1640 zunächst, Schweden „zwischen Hamburg, Lübeck, Nürnberg oder ein e[r]
in der Nähe“ Regensburgs „gelegenen Stadt“ wählen zu lassen; ein in Süddeutschland gelegener
Kongreßort hätte den Reichsständen insgesamt die Teilnahme an den Friedensgesprächen eröffnet
oder den Protestanten zumindest Rückhalt am Reichstag gegeben. Erst am 3. Juni 1641 empfahlen
die Reichsstände, den fremden Mächten in der Wahl der Kongreßorte weit entgegenzukommen und
eventuell Münster und Osnabrück zu akzeptieren ( Bierther S. 232–235, 245–248, 321f.).
Vgl. auch Ferdinand III. an Lützow, Regensburg 1641 VI 19 (Kopie in MEA FrA 5 fol.
52–55’).
senten angenommen und placidirt worden. Dahero sie sehr anstünden, wie
man darauß aniezo werde schreitten konnen, zumalen es bey Ihrer Maiestät
und dem reich allein nit stehe. Und ob man wol nit gesichert, daß solches
von den außwerttigen, auch andern uncatholischen interessenten werde
angenommen, so sey doch gewiß, daß ieziger zeit dadurch zu der tractaten
verlengerung und, die propositiones zu verschieben, grose occasion und
anlaß würde gegeben und genommen werden, ohnedaß auch die Schweden
den Franzosen nicht weichen, also schwerlich hieher sich begeben und den
Franzosen gleichsamb vorwerffen wollen; und dan benebenst zu consi-
deriren, wan die handlung an einem orth iezt gefuhrt wurde, ob nit mehrer
gelegenheit, daß die Franzosen die Schwedische ahn vorhabender propo-
sition wurden abhalten und hindern, alß auf diese weiß geschehen konne.
Inmaßen dan auch zu befahren, wofern hiervon disseits was iezo solte
movirt werden, daß solches die Schweden nur irr machen und das werck
wiederumb in stecken pringen dorfft. Vermeinten also unmaßgeblich
dienlicher, noch eine vierzehen tag mit dießem proposito zuruckzuhalten,
endzwischen in retro actis sich zu ersehen, alles wol zu ponderiren, der
Schwedischen proposition vorhero zu erwartten und alßdan, wans nach-
maln allerseiz auch von den mediatoribus nottig und thuenlich erachtet,
zu sehen, ob und wie beym gegentheyl glimpflich andeuttung davon
geschehen mocht.
Nach diesem votirten die herrn Churbayerische und conformirten sich mit
der Churcolnischen mainung in allen
24 puncten] Zum 2. Punkt führen die kurbayerischen Gesandten laut DKurbayern K I,
spA I noch aus: hette der Bambergische deputirte alhier, Dr. Gobelius, sich selbsten
gegen unß verlauthen laßen, das bei Verlegung des Deputationstags die craißabordtnun-
gen unvonnöthen oder, da ie dergleichen hier ahnkhommen undt verpleiben, khönd-
ten selbige mit den deputatis ordinariis die negotia allzeit ein tagh darvor deliberiren,
sich eines voti vergleichen undt hernacher durch die deputirte fürsten undt ständt
in senatu imperii vorgebracht werden, wie uff den reichstägen der praelaten, stadt,
auch graven undt herren, deren ieder corpus nur ein votum im fürstenraht führe,
pfleget zu practiciren.
Ad 3tium bedanken sich für das Exzellenzprädikat undt gleichwie Kayserlicher Mayestet
hochheit undt splendor in chur- undt fürsten alß den hohen proceribus imperii be-
stehe, alßo werde durch dergleichen concessiones undt attribuiredte digniteten dero
Kayserliche würde undt hochheit selbsten desto mehr augmentirt.
hinzu, daß Churbayern dabey beharre, zu des wercks beschleunigung die
tractatens ahn ein orth zu verlegen, gestalt dadurch die communicationes
zwischen den Kayserlichen hier und da, den Franzosen und Schweden und
den churfürstlichen undereinander mercklich befurdert werden
Weilen yedoch die im Churcolnischen voto wegen der Schweden movirte
consideration nit außer acht zu laßen, so wolten sie sich gern damit ver-
gleichen, daß noch eine
Ihrem Gnedigsten Herrn darunter gebuhrend referiren.
Hierauf haben die hern Kayserliche nach vorgangener underredung und
verrichteten curialien sich erklehrt.
Was die drey erste puncten anlangen thette, darin seye mans allerseiz einig,
und habe es damit seine richt[ig]keit.
Der viertte aber komme ihnen schwer vor, zumalen die im Churcolnischen
voto vorkommene rationes sehr pregnant und wol zu beobachten seyen.
Maßen sie sich dan wol zu erinnern, daß man biß dato der contrari mainung,
die tractatus nemblich ahn zwey underschiedlichen orthen zu fuhren, alle-
zeit geweßen. Im vorigen jahr in Julio habe der Venetianische alhier diesen
punctum expreßlich und eiffrig proponirt, in mainung, dadurch die inter-
position in loco Dani ahn sich zu ziehen. Alß aber sie daruber mit den
Oßnabruckischen Kayserlichen, auch in specie mit dem hern nuncio
communicirt, seye es allerseiz fur ganz nit dienlich befunden worden.
1636 seyen wichtige rationes vorkommen, ein collegialconclusum daruber
gemacht, dahero schwer, es schlage auch aus, wie es wolle, den Kayserlich-
und anwesenden churfürstlichen bedencklich fallen solle, under sich allein
contra tam sollenne conclusum etwas zu thun; und sonderlich wurde es die
uncatholische hoch befrembden, auch man dergestalt probabiliter et
rationabiliter quoad gravamina mit den uncatholischen mehrers sich zu
befahren haben wurde.
Und weilen dan nun iungstmalen dem Venetianischen a parte der hern Kayser-
lichen die erklehrung gegeben, daß mans bey vorigem concluso verbleiben zu
laßen, hette der auch solches den Schwedischen angedeuttet und es darauf aller-
seits biß dato beruhet und die coronen und interessenten sich darnach gerich-
tet, so seye leicht zu erachten, was fur confusion und ubel nachreden auß dieser
der Kayserlichen resolution erfolgen werde; und sonderlich würde es ein sel-
zames ansehen gewinnen, da der erste anwurffvon den Kayserlichen geschehen
soll, falß aber von der andern seitthen movirt und alßdan allerseiz guttbefun-
den, hette mans fortzusehen. Consideratis circumstantiis temporis aber einmal,
weil man versichert, daß die Franzosen darauf pro maiori dilatione der friedens-
tractaten fallen, der Venetus auch, obbesagter ursachen willen, pro affirmativa
sententiiren, Schweden aber wegen ihrer mit den Franzosen competirender
gleichheit und indem sie sich ohnedas beklagen, daß die Franzosen sie under-
trucken wollen, sich opponiren und alßdan nur disputat undereinander
geben, alles aber allein zu der sachen verlengerung gereichen wirdt, hielten
sie es mit dem Churcolnischen voto, daß noch zur zeit von dießem puncto
nichts zu moviren, sondern noch etwas zuezuwartten und alles fleisig zu
uberlegen, underdeßen aber davon sowol Ihrer Kayserlichen Maiestät alß
Churcollen und Churbayern zu
11 uberschreiben] Danach in DKurbayern K I, spA I zusätzlich: Nachdem man aufge-
standen ist, führt Gf. Nassau Wartenberg und Haslang uff ein seitthen und teilt ihnen mit:
Trauttmansdorff hat ihn brieflich gebeten, den kurfürstlichen Gesandten mitzuteilen, daß an
dem von Servien ausgestreuten Gerücht, Trauttmansdorff habe für die Behandlung Venedigs
als gekröntes Haupt von der Republik 100 000 Kronen erhalten, nichts Wahres sei. Warten-
berg antwortet, daß er dies von Servien nicht, wohl aber gehört hat, daß viel geld an den ksl.
Hof geflossen sei, als Venedig diese Ehre erlangt habe. Haslang hat nach eigener Auskunft
solches von Servien selbst nicht gehört, noch das er dergleichen röden gegen andern gethan
haben solle.