Acta Pacis Westphalicae III A 4,1 : Die Beratungen der katholischen Stände, 1. Teil: 1645 - 1647 / Fritz Wolff unter Mitwirkung von Hildburg Schmidt-von Essen
Kurmainz. Proponirte, es würden die anwesende gesandte ab dem zu
Oßnabruck ubergebenen Heßen Caßelischen memorial vernohmmen haben,
was vor unverhoffte unbillige postulate von der fraw landtgravin beschehen
In der am 25. April 1646 ausgelieferten Erklärung forderte Hessen-Kassel von Kurköln die
Grafschaft Arnsberg und Teile des Herzogtums Westfalen, von Kurmainz einige Gebietsteile
im Hessischen (Fritzlar, Naumburg, Neustadt, Amöneburg), das Stift Paderborn und Teile
der Stifter Münster und Fulda, ferner das Erbe der 1640 ausgestorbenen Linie des Schaumburger
Grafenhauses. Text der Erklärung bei Meiern II S. 978 . Zur hessischen Satisfaktion vgl.
ferner oben S. 202 Anm. 2.
Wie nun denselben zu begegnen und abzuwehren, davon hetten sie mit den
anwesenden eine praeliminarberathschlagung anitzo auffnehmen wollen.
Kurköln (Ihre Fürstliche Gnaden zu Oßnabruck in persona). Die hessischen
Satisfaktionsforderungen sind abzuweisen; und wurden nachfolgende motiven
eingefuhret, das ihnen absolute keine satisfactio gebeure: Seye in allen 3
reichscollegiis concludirt worden
Vgl. die Korrelation des Fürstenrats vom 7. April 1646 ( Meiern II S. 897 ).
tenentz bestehe.
2. Die amnistia müste vermög berürter schlueß reciproca sein.
3. Iniquitas et enormitas postulatorum were notoria und die praetendirende
länder großer alß daß Niederheßische fürstenthumb.
Uber dieses sey bekandt, das bey uffrichtung des Prager friedens und sonsten
allerseits darvorgehalten worden, es könten die stiffter den uncatholischen
in perpetuum nicht ubergeben noch deren wesen und standt verändert
werden.
Die Begründung der Satisfaktionsforderungen mit dem Hinweis auf die Schäden,
die Niederhessen durch die Liga erlitten habe, ist nicht stichhaltig; die Hessen haben
im Erzstift Köln noch viel schlimmer gehaust . 2. were ein große disparitet inter
satisfactiones coronarum und eines standtes gegen den anderen, seye inauditi
et in hystoriis nunquam inveniendi exempli, bevorab weilen sie pro causa
et fine belli assecurationem propriae et imperii libertatis iederzeit gefuhret,
anietzo aber statum imperii intervertiren und so ansehentlich chur-, fürsten
und ständt theils ihrer landten verlüstiget machen wolten, welchem allem
nach die Heßische vermeinte motiven der reichsräth conclusa keineswegs
invalidiren oder ändern mögten.
In der letzten Instruktion hat sich der Kurfürst wie folgt geäußert: „Das aber
Caßel einen theil von meinen landen gedencke zu behalten, kombt mir sehr
beschwerlich, es scheinet, ich müße allezeit der staffel sein, darauff man tritt,
ich werde mich in ewigkeit darzu nit verstehen, hat die landtgravin den
cronen dienst geleistet, mögen dieselbe sie recompensiren, das gewißen ist
allerseits zuviel interessirt.“
Im gleichen Sinne ist an Trauttmansdorff geschrieben worden. Dieser hat Buschmann
gefragt, ob das bei früheren Verhandlungen gemachte Angebot, die Landgräfin mit
50 000 rth. zu entschädigen , wiederholt werden soll. Darüber liegt jedoch noch keine
Instruktion aus Bonn vor.
Es scheinet fast, daß der gegentheil entweder gar kein lust zum frieden oder
wunderseltzame dissengnen habe, allermaßen dan der Paderbornische cantz-
lar ihro geschrieben, herr graff von Trautmansdorff besorge sich, die cronen
werden annoch mit solchen postulatis ratione satisfactionis militiae uffge-
zogen kommen, daß sie iederzeit die tractaten uffstoßen mogen.
Im Amt Reckenberg werden die bischöflichen Untertanen von den Hessen mit über
mäßigen Kontributionen beschwert; auch maßt sich Hessen dort die Jurisdiktion an.
Solchem allem nach entstunde die frag, quid faciendum. Hielten darfur,
das die Maintzischen zu ersuchen, alle catholischen zusammenzufordern,
dero assistentz zu begeren, zuvorderst aber hetten sich die bey dieser satis-
faction interessirte zu vereinigen, allerdings vor einen man zu stehen und
bey der negativa zu beharren, wie dan propter commune interesse religionis
status et statuum imperii catholicorum in dergleichen hochnachtheiliges
praeiudicium keineswegs einzuwilligen.
2. Die herren mediatores wern per deputatos catholicorum zu ersuchen
und denselben generalia et specialia bey diesem werck zu remonstriren, alß
1. interesse religionis, 2. dieser postulatorum höchste unbilligkeit, 3. damna
ab Hassis illata et ab interessatis statibus perpessa; 4. das solches der ge
schloßener amnistiae, imo 5 to conscientiae catholicorum zuwiderlauffe, und
sintemalen von den Frantzösischen herren abgesandten in discursu gedacht
worden, es könte die satisfactio Hasso Casseliensis dahin gerichtet werden,
das ihnen etliche ämbter von den interessirten eingeraumet werden, davon
sie iahrlich 20 000 reichsthlr. einkombsten erheben mögten, und daß capital
könten die interessirte uff künfftig beßer gelegene zeit wider ablößen, damit
auch die catholische religion loco antichreseon cedirten örten verbleibe,
könne ebenmeßig vorsehung gethan werden, welcher vorschlag oder obiec-
tion aber auch leichtlich zu diluiren, das nemblich den geistlichen nicht
gebeure, dergleichen entziehung dero kirchengueter sine ulla iusta fundata
causa nachzugeben oder zu verstatten. Uber dieses seye auch die ablosung
unmöglich, wie dan des ertzstiffts Cöllen fast alle ämbter wegen bey dem
Truchseßischen vorgewesenen krieg gemachten uberauß großen schulden-
last verpfendet und versetzet und deß ertzstiffts gefäll also ernidriget worden,
das einem regirenden churfürsten unmöglich falle, außer mit hilff anderer
zugleich inhabender furstenthumb und landen den underhalt zu entheben.
Der Vorschlag des venezianischen Gesandten, man solle das silberne Kirchengerät
einschmelzen, um damit die Satisfaktionskosten aufzubringen
lichen, da längst nichts mehr vorhanden ist.
Er und der Nuntius sollen ersucht werden, sich bei den Schweden und Franzosen zur
Abwendung der hessischen Forderungen einzusetzen; auch soll den Hessen untersagt
werden, in den von ihnen besetzten Gebieten den Calvinismus einzuführen. Im gleichen
Sinne sollen die Mediatoren an den Nuntius in Paris schreiben. Auch an den Kaiser
sei ein entsprechendes Ersuchen zu richten.
Vor allen dingen were ein expreßer nacher Oßnabruck abzuordtnen und
durch denselben dem herrn graven von Trautmansdorff die negativa zu
intimiren und zu begeren, die Heßen Caßelischen vor sich zu erforderen
und ihnen dero praetension unbefugnuß, zumalen aber, das sie auch orth
begerten, welche sie nicht in besitz, sondern darinnen Kayserliche guarni-
sonen weren, alß Ameneburg
stattung dergleichen unbilligkeiten status imperii intervertirt, ia gar dem
reich entzogen wurden, mit angeheffter ferneren bitt, den Schwedischen
plenipotentiariis gleichergestalt die unbefugnuß zu gemuth zu fuhren.
Paderborn, Münster. Hat sich allerdings mit dem Churcölnischen voto
vergleichen und im ubrigen sich auff die in puncto satisfactionis Hassiacae
im fürstenrhat abgelegte vota bezogen.
Fulda. Dankt dem Bischof von Osnabrück für die Information in puncto satis-
factionis Hasso-Casselanae, desgleichen für die versprochene Unterstützung. Da
die hessischen Forderungen im einzelnen erst jetzt bekannt geworden sind, liegt ihm
dazu noch keine Instruktion vor.
Die kurkölnischen Vorschläge werden gebilligt, und hielte man dißeits kürtzlich
darfur, das per dominos mediatores Galli zu ersuchen und denselben zu
remonstriren, das nicht allein die Heßen Caßelischen postulata aller billig-
keit entgegen- und zuwiderlieffen, sonderen auch interesse religionis, nicht
wenigers coronae Galliae, indeme dieienige stiffter, von welchen so ansehent-
liche ämbter und pertinentien praetendiret werden, mehrerentheilß durch
den könig in Franckreich und zugleich Römischen kayser Carolum Magnum
oder deßen ex linea directa descendentibus fundirt und dotirt worden. Uber
dieses werde es denen mit der cron Franckreich uffgerichten confoede-
rationibus, benäntlich zu Pariß, Hailbron und letzlich zu Hamburg
Art. VI des Heilbronner Vertrages zwischen Frankreich und Schweden ( 1633 April 19;
Text: Londorp IV S. 313; DuMont VI 1 S. 48ff.; Sverges Traktater V 2 Nr. 4)
und Art. VII des Pariser Vertrages zwischen Frankreich und den Heilbronner Bundesverwandten
( 1634 November 1; Text: Londorp IV S. 445; Lünig VII 4 S. 299; DuMont VI 1
S. 79f.) garantierten den katholischen Besitz und das exercitium religionis nach dem Stande
von 1618. Zum Hamburger Vertrag vgl. oben S. 89 Anm. 1.
den conte d’Avaux und den Schwedischen legatum herren Salvium deren
beschehner erinnerung zuwiderlauffen, in deme a parte der cron Franckreich
darinnen außtrucklich vorbedingt worden, das die catholischen in Teutsch-
landt in dem standt und besitz ihrer gueter, in welchen sie anno 1618 gewe-
sen, verbleiben und gelaßen werden solten. Mehrere rationes und motiven
weren in dem Churcöllnischen vortrefflichen voto bereits angeführt, dahin
man sich dißeits beliebter kürtz halben beziehen thäte.
Ferner sind die kaiserlichen Gesandten zu ersuchen, in ihrer Duplik die hessischen
Forderungen rundweg abzulehnen. Auch die 50 000 rth. sollen nicht wieder angebo-
ten werden, da man in den Reichskollegien schon anders, nämlich negativ, entschie-
den hat. Dies könnte den Kaiserlichen durch die kurmainzischen Gesandten in Osna
brück mitgeteilt werden. Und sintemal bey deliberirung des puncti satisfactio-
nis Hassiacae nit allein die catholische, sonderen auch fast alle uncatholi-
sche in negativam votiret, so were dahin zu sehen, damit man in terminis
causae communis mit den Augsburgischen confessionsverwandten verbleibe.
Es soll versucht werden, das frühere Conlusum noch einmal in den Reichskollegien
bestätigen zu lassen.
Auch die Kaiserlichen sollen zur Festigkeit gegenüber den hessischen Forderungen
ermahnt werden, dan solten sich dieselbe in duplicis zu einer satisfaction, es
seye nun solche gering oder groß, verstehen, so würden die uncatholischen
sich auß dieser sachen wickelen und, allermaßen in puncto satisfactionis
Gallicae geschehen, vorschutzen können, das die Kayserlichen von der
ständt gefaster negativa gewichen
Sowohl die Stände zu Münster als die zu Osnabrück hatten die Satisfaktionsforderungen grund
sätzlich abgelehnt (vgl. Protokoll und Conclusum der Fürstenratssitzung in Osnabrück am
3. März 1646: Meiern II S. 444 ff.; für die Abstimmung in Münster vgl. auch H. Egloff -
stein S. 75 Anm. 2 und F. Dickmann S. 258).
Auff das aber zeit gewonnen und in tempore dem werck remediret werde,
könte die deputation per interessatos ad dominos mediatores, plenipoten-
tiarios Gallicos und anderer örtten unverlängt werckstellig gemacht wer-
den.
Kurmainz. Hette auß den abgelegten votis vernohmmen, insonderheit
dem Churcölnischen, das vor allen dingen nit allein die gesambte inter-
essati, sonderen alle catholischen zu abwendung der Heßen Caßelischen
unbilliger postulatorum vor einen man stehen und auff der negativa behar-
ren solten, wie auch an die herren Kayserlichen und herrn mediatores zu
deputiren, zu dem endt negsten tagen den gesambten catholischen ständen
plenum zu halten und dero gedancken hieruber zu vernehmen weren, wollen
solches künfftigen montag werckstellig machen. Conformiren sich solchem
nach dem Churcollnischen voto. Allerdings im fürstlich Füldischen voto
seye auch erwehnet worden, das mit den uncatholischen hievon zu delibe-
riren und causa communis hierauß zu machen, auch die deputation ad
Gallos nomine omnium statuum zu thun were, weilen aber die uncatholi-
sche anitzo alle außer Pommern zu Oßnabruck begriffen, in dieser sachen
auch allerhandt rationes darunderlieffen, in welchen die protestirende nicht
ubereinstimmig sein würden, so hette man es vielleicht hernegst, under
deßen aber die handtlung nit allein nomine interessatorum, sonderen sambt-
licher catholischer ständt zu thun, damit es keine separation nach sich
fuhre und es das ansehen gewinnen möge, ob wolten sich andere catholi-
sche auß diesem werck ziehen.