Acta Pacis Westphlicae II B 1 : Die französischen Korrespondenzen, Band 1: 1644 / Ursula Irsigler unter Benutzung der Vorarbeiten von Kriemhild Goronzy
[p. XXV]
[scan. 25]
EINLEITUNG
1. Die innenpolitischen, militärischen und außenpolitischen Ausgangsbedingungen der französischen Kongreßpolitik
Die innenpolitische Situation Frankreichs um die Jahreswende 1643/44 war äußerst labil. Der seit Frankreichs Kriegseintritt 1635 rasch angestiegene Staatshaushalt hatte die Steuereinnahmen auf etwa vier Jahre im Voraus bereits verbraucht
J.
de
Bourbon-
Busset,
in: G.
Mongrédien
(Hg.), Mazarin S. 54.
, nach schlechten Ernten in den Jahren 1642 und 1643 waren die Getreidepreise in die Höhe geschnellt, nicht nur auf staatlicher, auch auf privater Seite wuchs die Verschuldung
Y.-M.
Bercé,
Aspects S. 39f.
. Vom Juli 1643 an flammten, ausgelöst durch Steuererhebungen, im Westen, Süden und in Zentralfrankreich Bauernunruhen auf, die von den adeligen Grundherren gelegentlich unterstützt, zum Teil sogar provoziert wurden
R.
Mousnier,
Recherches S. 95.
und im Januar/Februar 1644 nur durch den Einsatz einer Armee beendet werden konnten
Vgl. die Darstellung bei A.
Chéruel
I S. 204–220.
. Wegen einer neu eingeführten Steuer auf bebauten Grundbesitz, der sogenannten Toisé, brachen im März 1644 in Paris selbst Unruhen aus, es kam in diesem Zusammenhang sogar zu Auseinandersetzungen zwischen Krone und Parlament. Erst im August 1644 kehrte – allerdings nur vorläufig – wieder Ruhe ein
Ausführliche Darstellung bei E.
Glasson,
Le Parlement I S. 185–191; A.
Bazin
III S. 290f.; A.
Chéruel
II S. 89–93.
.
Zwischen Regierung und Hochadel herrschte gespannte Ruhe. Die Königin, gestützt von Mazarin, hatte die ihr im Testament Ludwigs XIII. auferlegte Beschränkung durch einen Regentschaftsrat abgeschüttelt und das Testament selbst vom Parlament kassieren lassen, enttäuschte aber alle Hoffnungen, die die von dem verstorbenen König Verbannten daran knüpfen mochten, ebenso wie alle Spekulationen auf eine Änderung der Außenpolitik, die sich auf ihre spanische Abkunft gründeten. Im September 1643 hatte Mazarin den ersten Angriff des Hochadels gegen seine Person mit der Niederschlagung der sogenannten Cabale des Importants und der Inhaftierung des Herzogs von Beaufort, eines Enkels Heinrichs IV., zwar erfolgreich abgewehrt, er mußte aber weiterhin auf der Hut sein und sich um die Sicherung seiner Position bemühen
Lionne an Servien in der Beilage zu
[nr. 131 S. 250] erwähnt
la caballe des Importans, dont je vous puis dire la semence n’est pas estaincte.
Vgl. auch die Beurteilung der innenpolitischen Lage durch Contarini und Grimani, außerordentliche venezianische Gesandte bei der Thron-besteigung Ludwigs XIV., in: N.
Barozzi – G.
Berchet,
Relazioni II, 2 S. 413; ferner F.
Dickmann
S. 117–119.
.
Den Zustand der französischen Armee am Ende der Regierungszeit Ludwigs XIII. bezeichnet
L. André
Das Folgende nach L.
André,
Michel Le Tellier S. 24–33.
als miserabel: Der an sich hohe Militäretat war nicht effektiv, weil ein großer Teil davon in den Säckeln der Anführer hängen blieb. Nach Schätzung des venezianischen Gesandten in Paris wurden nur 40% des gesamten Etats ihrem
[p. XXVI]
[scan. 26]
eigentlichen Zweck zugeführt. Zur Korruption kamen massenhafte Desertionen und Disziplinlosigkeit bis in die höchsten Chargen.
Ob die schwere Niederlage der französischen Armee bei Tuttlingen Ende November 1643 mit diesem Zustand in Verbindung zu bringen ist, sei dahingestellt. Jedenfalls wurde dadurch die militärische Ausgangsposition Frankreichs für die Friedens-verhandlungen zunächst spürbar geschwächt. Bei Tuttlingen war die gesamte beteiligte französische Generalität gefangen genommen worden. Daraufhin wurde Turenne aus Italien abberufen und mit der Reorganisation des Heeres beauftragt. Insgesamt aber stellt sich die militärische Situation Frankreichs Ende 1643 noch recht günstig dar. Kein fremder Soldat stand auf französischem Boden. Anfang September war die spanische Flotte im Mittelmeer vor Cartagena so entscheidend geschlagen worden, daß Frankreich zwei Jahre lang keinen Flottenangriff mehr zu fürchten brauchte. An der Pyrenäengrenze war die Grafschaft Roussillon für Frankreich erobert, Katalonien wurde besetzt gehalten. Im Südosten standen die französischen zusammen mit den savoyischen Truppen nach dem Abgang Turennes unter dem Oberbefehl des Prinzen Thomas von Savoyen. Teile der Freigrafschaft und ganz Lothringen dienten der Armee Turennes als Winterquartiere. Das Elsaß war besetzt, rechtsrheinisch befanden sich Freiburg und Breisach, am Bodensee Überlingen fest in französischer Hand. Die Nordgrenze von Sedan bis Calais war nach dem glänzenden Sieg des Herzogs von Enghien bei Rocroy über die Spanier im Mai 1643 nicht mehr ernstlich bedroht worden.
Mazarin war der Ansicht, der Feldzug des Jahres 1644 werde die Entscheidung bringen, und er traf gründliche Vorbereitungen, vor allem ließ er zahlreiche Aus-hebungen vornehmen
Memorandum Mazarins an d’Avaux und Servien, Paris 1644 Januar 15, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 29 fol. 86–91’ und Mazarin an dieselben, Paris 1644 Januar 16, Ausfertigung:
ebenda fol. 92–97.
. Entscheidende Erfolge traten erst in der zweiten Jahreshälfte ein: Ende Juli kapitulierte Gravelines vor dem Herzog von Orléans. Im Westen eroberten Enghien und Turenne im Laufe der Monate August und September Landau, Speyer, Worms, Oppenheim, Mainz und Bingen, rechtsrheinisch einige Orte in Baden, vor allem aber am 9. September die Festung Philippsburg. Mit Ausnahme von Frankenthal hatte Frankreich damit Ende 1644 die ganze linke Rheinseite vom Baseler Knie bis zur Linie Bingen-Mainz unter Kontrolle – mit Speyer den Sitz des Reichskammergerichts – und konnte diese Eroberung durch rechtsrheinische Brückenköpfe wie Breisach, Philippsburg und Mannheim absichern.
Auf dem italienischen Kriegsschauplatz blieb die militärische Lage 1644 weitgehend unverändert bis auf die Eroberung der Festung Santhià im Nordosten des Fürstentums Piemont durch Prinz Thomas Anfang September. Katastrophal für die französischen Waffen verlief aber das Jahr 1644 in Katalonien, wo die Armee unter La Mothe im Mai bei Lerida vernichtend geschlagen wurde und Ende Juli sogar die Stadt Lerida selbst aufgeben mußte. Die Belagerung von Tarragona im August und September mußte ergebnislos abgebrochen werden, danach fielen noch einige kleinere Orte in die Hände der Spanier.
[p. XXVII]
[scan. 27]
Das Jahr 1644 brachte trotz der insgesamt erfolgreichen französischen Kriegsführung doch nicht die erhoffte Entscheidung. Dies lag unter anderem daran, daß Schweden, der wichtigste Verbündete Frankreichs, sich vom deutschen Kriegsschauplatz nahezu vollständig zurückzog und gegen Dänemark Krieg führte. Diese Entwicklung traf die Franzosen völlig überraschend und unvorbereitet. Obwohl Torstenson schon am 22. Dezember 1643 in Holstein eingefallen war, konnte die französische Königin noch am 9. Januar 1644 ihren Gesandten nur mitteilen, soeben sei die Nachricht eingetroffen, daß Torstenson sich auf dem Weg nach Holstein befinde
Ausfertigung:
ebenda
fol. 76–85.
. Mazarin bedauerte zwar, daß die Schweden ihren Bündnispartner Frankreich nicht vorher konsultiert hatten, hoffte aber, sie könnten diesen neuen Krieg im Verlauf des Winters beenden und sich im Frühjahr wieder mit ganzer Kraft nach Deutschland wenden
. Im übrigen war man in Paris in Verlegenheit, wie man sich offiziell dazu äußern sollte. Wenn man eingestand, von der Absicht der Schweden nichts gewußt zu haben, erhielten die Gegner Gelegenheit, an der Festigkeit des Bündnisses zu zweifeln. Andererseits wäre die Glaubwürdigkeit der französischen Friedensabsichten ins Zwielicht geraten, hätte man behauptet, die schwedischen Pläne gekannt zu haben. Aus diesen Gründen fielen die ersten Stellungnahmen in Paris „un peu obscurément“ aus
So Brienne an d’Avaux, Servien und La Thuillerie, Paris 1644 Februar 13, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 29 fol. 131–135.
, was natürlich nicht verhindern konnte, daß Frankreich der Mitwisserschaft bezichtigt wurde
Saavedra berichtete am 5. März 1644 an König Philipp IV. von Spanien, Wartenberg behaupte von Salvius erfahren zu haben, Schweden habe diesen Krieg im Einverständnis mit Frankreich begonnen; Druck:
Corr.
dipl. I S. 14.
.
Daß der schwedische Angriff auf Dänemark eine dänische Vermittlung bei den Osnabrücker Friedensverhandlungen ausschließen würde, ergab sich von selbst. D’Avaux und Servien befürchteten darüber hinaus ernstlich, auch der kaiserliche Gesandte Auersperg werde sich zurückziehen. Sie wiesen Saint Romain, den franzö-sischen Residenten in Münster, an, Auerspergs Abreise auf jeden Fall zu verhindern. Sie hätte dem ganzen Kongreß ein vorzeitiges Ende gesetzt; denn Frankreich war vertraglich verpflichtet, nicht ohne seine Verbündeten über den Frieden zu verhandeln und mußte daher alles tun, um den Verhandlungspartner der Schweden in Osnabrück zu halten
D’Avaux und Servien an Saint Romain, Den Haag 1644 Januar 31, Kopie:
AE
,
CP
All. 21 fol. 296–298.
.
Es gelang den Franzosen bis kurz vor Ende 1644 nicht, die schwedischen Waffen wieder auf den deutschen Kriegsschauplatz zurückzubringen. Vorhaltungen des Inhalts, eine lange Dauer des schwedisch-dänischen Krieges werde nur dem Hause Österreich nützen, wurden kühl zurückgewiesen, unter anderem von Salvius mit der Bemerkung, das Hemd sei ihnen näher als der Rock, und die deutschen Fürsten ver-dienten nicht, daß man sich so für sie abmühe
Rorté an d’Avaux und Servien, Osnabrück 1644 Februar 20, Kopie:
AE
,
CP
All.
26 fol. 82–87, hier fol. 84: ... ledict Sieur Salvius ... une fois m’a bien sceu dire ... que la chemise estoit plus proche que le pourpoint et que les Princes d’Allemagne estoient telz qu’ilz ne méritoient point qu’on prist tant de peine pour eux.
.
[p. XXVIII]
[scan. 28]
Um diesen den französischen Interessen zuwiderlaufenden Konflikt zu beenden, erhiel-ten d’Avaux und Servien am 13. Februar 1644 die Weisung, auf eine eventuelle schwedische oder dänische Bitte um Vermittlung ohne Rückfrage einzugehen
Brienne an d’Avaux, Servien und La Thuillerie, Paris 1644 Februar 13, Ausferigung:
AE
,
CP
Holl. 29 fol. 118–119.
. Am 27. Februar war bereits entschieden, daß La Thuillerie diese Aufgabe übernehmen sollte; zu diesem Zeitpunkt wurde ein Memorandum als Vorlage für die Aus-arbeitung seiner Instruktion an die Gesandten geschickt
Königliches Memorandum an d’Avaux, Servien und La Thuillerie, Paris 1644 Februar 27, Kopie:
ebenda fol. 11–15.
, die sich zu der Zeit noch in Den Haag aufhielten. Mazarin bringt darin die Hoffnung zum Ausdruck, Dänemark werde nach Beendigung dieses Konflikts bei den allgemeinen Friedens-verhandlungen die französischen Interessen fördern, zumal der Kaiser und Spanien offensichtlich Dänemark gegen Schweden nicht militärisch unterstützten. La Thuillerie solle aufbrechen, sobald er sicher sein könne, daß die französische Vermittlung er-wünscht sei. Eile sei geboten, damit die schwedische Armee im Mai wieder in Deutsch-land stehe.
Mai wurde es allein schon, bis La Thuillerie von Münster aus aufbrechen konnte, seine Instruktion datiert vom 3. Mai 1644
Ausfertigung:
AE
,
CP
Dan.
6 fol. 81–102.
. Ende April erst erhielten die französi-schen Gesandten die endgültige Sicherheit, daß dem König von Dänemark die Ver-mittlung Frankreichs willkommen sei. Der dänische Resident in Den Haag ließ sie gleichzeitig bitten, La Thuillerie möge sich bemühen, den Gesandten der General-staaten zuvorzukommen
Brasset an d’Avaux und Servien, Den Haag 1644 April 22, Kopie:
AE
,
CP
Holl.
30 fol. 548–549.
, die ihre Vermittlung mehr aufgezwungen als angeboten hatten. Auch die Schweden zögerten die endgültige Annahme der französischen Vermittlung bis Ende April hinaus
, eine schwere Erkrankung La Thuilleries und die Weigerung des kaiserlichen Gesandten Auersperg, ihm einen Paß auszustellen
, verschoben seine Abreise bis zum 16. Mai
La Thuillerie an d’Avaux und Servien, Osnabrück 1644 Mai 16, Kopie:
AE
,
CP
All. 26 fol. 277–277’.
.
Alles Drängen der französischen Gesandten auf eine schnelle Rückkehr Torstensons nach Deutschland fruchtete nichts, bis ihnen die fällige Subsidienzahlung ein Druck-mittel in die Hand gab
Frankreich zahlte – in je zwei Raten – ab 1638 jährlich 400 000
RT
Subsidien an Schweden, ab 1641 jährlich 480 000
RT
; vgl.
K.-R.
Böhme, Geld für die schwedischen Armeen S. 58.
. Mit Schreiben vom 3. Juni an Brienne
schlug Servien vor, die Subsidien entweder erst auszuzahlen, wenn die Armee Torstensons wieder in Deutschland kämpfe, oder wenigstens die Auszahlung von der Zusage abhängig zu machen, daß das Geld nur für die in Deutschland (Pommern) stehenden schwedischen Truppen verwendet werde. Selbst wenn die Schweden diese Bedingung später nicht
[p. XXIX]
[scan. 29]
einhalten würden, was nach Serviens Meinung zu erwarten war, könne man damit dem ebenfalls zu erwartenden Vorwurf entgegentreten, Frankreich finanziere den Krieg gegen Dänemark. Mazarin griff den zweiten Vorschlag Serviens auf und erteilte seinen Gesandten am 18. Juni eine entsprechende Weisung
. Bei der ersten französisch-schwedischen Konferenz des Kongresses zwischen dem 29. Juni und 3. Juli 1644 – Salvius war nach Münster gekommen – machten die Franzosen ihm so eindringliche Vorhaltungen über die Kosten, die der für Frankreich nur schädliche Krieg gegen Dänemark der französischen Staatskasse verursache, daß Salvius verärgert die Frage stellte, ob Frankreich die Allianz brechen wolle
Vgl. d’Avaux und Servien an Mazarin, Münster 1644 Juli 2,
[nr. 157 S. 311] , auch für das Folgende.
. Nach erneuten Beschwerden über Torstensons Ausbleiben bot er schließlich an, mit der Hälfte der fälligen Summe die finanziellen Verpflichtungen Schwedens gegenüber Siebenbürgen
einzulösen und die andere Hälfte für den Unterhalt und die Besoldung der schwedischen Truppen in Pommern bereitzustellen. Bei einer weiteren Konferenz modifizierte er sein Angebot dahingehend, ein Teil des Geldes könne in Hamburg stehen bleiben, bis Torstenson wieder auf deutschem Boden sei. Die französischen Gesandten willigten ein, verlangten aber eine schriftliche Bestätigung dieser Bedingungen durch Torstenson. Als diese ausblieb, boten die Franzosen die Auszahlung der Subsidien gegen Quittung an, wenn Salvius ihnen die Einhaltung der vereinbarten Bedingungen garantiere
, was die Schweden aber verweigerten
. Schließlich drängten die Schweden aber mit dem Hinweis, sie hätten einen Hamburger Bankier bereits angewiesen, die Gelder an Torsten-son auszuzahlen, die Rückzahlung des Kredits sei innerhalb von acht Tagen fällig
Malpierre an d’Avaux und Servien, Osnabrück 1644 September 1,
[nr. 226, S. 480] . Für den Kredit hatte sich
die alte Dame Adler Salvius
verbürgt, die eigens in dieser Angelegenheit nach Hamburg gereist war; vgl. H.
Kellenbenz,
Hamburg S. 97; zur französisch-schwedischen Zusammenarbeit passim.
. Zwar hatte Meulles, der französische Resident in Hamburg, am 26. August bereits eine Teilsumme ausgezahlt; doch mußten sich die schwedischen Gesandten – vermut-lich wegen des drängenden Kreditgebers – zwischen dem 1. und 3. September zu der Erklärung bereit finden, man werde die französischen Subsidiengelder nicht für die Kriegsführung gegen Dänemark verwenden
: Am 9. September bereits hatte dann Meulles in Hamburg die Restsumme ausbezahlt
H.
Kellenbenz,
Hamburg S. 98.
. Wenige Tage später schließlich erfuhren die Franzosen, daß Torstenson wieder in Deutschland sei, und verzichteten nun auf die Garantie
. Bis zum Ende des Jahres 1644 erreichte die schwedische Armee noch das mittlere Elbegebiet, wo Königsmarck im November die kaiserliche Armee bei Jüterbog besiegte
.
[p. XXX]
[scan. 30]
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Plan, im Jahr 1644 die militärische Entscheidung zu suchen, war somit nicht erfüllt worden: Die schwedische Armee hatte sich nicht, wie erwartet, in den österreichischen Erblanden mit den Truppen des Fürsten von Siebenbürgen verbunden, um den Kaiser im Zentrum seiner Macht anzu-greifen und möglichst große Teile der kaiserlichen Armee am Einsatz im westlichen Reichsgebiet zu hindern. In einem am 16. November 1643 zu Weißenburg geschlosse-nen Vertrag
, über dessen Vorverhandlungen Frankreich zwar laufend informiert worden war, dessen Endfassung von französischer Seite aber nicht akzeptiert wurde, hatten die schwedischen Unterhändler Schweden und Frankreich verpflichtet, bis zum Friedensschluß gemeinsam mit Siebenbürgen Krieg zu führen. Georg Rákóczy, der Fürst von Siebenbürgen, sollte nicht ohne die Einwilligung der anderen Verbündeten
(non nisi praesciis et praeconsentientibus dominis confoederatis) Frieden mit dem Kaiser schließen. Torstenson werde sich mit Rákóczy in Ungarn verbinden, mindestens aber 3000 Mann Infanterie stellen und unterhalten. Rákóczy werde in Ungarn Krieg führen und
Deo benedicente in die Erblande einfallen. Sobald die schwedische Armee die Theiß überschritten habe, werde Rákóczy ihr 3000 Mann leichte Kavallerie zur Verfügung stellen. Erfolge nach dem Frieden ein neuer [i. e. kaiserlicher] Angriff, solle dieses Bündnis wieder in Kraft treten. In einer Zusatz-erklärung
Mon.
Hung.
Hist.,
Dipl.
XXI S. 110.
verpflichtete sich Schweden, Siebenbürgen 100 000
RT
Subsidien zu zahlen, die Hälfte davon im ersten Halbjahr [1644] und weitere 36 000
RT
, sobald Rákóczy in Konstantinopel die Erlaubnis zur Kriegführung erwirkt habe. Für den Fall, daß die versprochenen 3 000 Mann Infanterie nicht sofort abkömmlich seien, sollte die Gesamtsumme von 136 000
RT
schon innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Kriegshandlungen zur Verfügung gestellt werden. Frankreich verweigerte zwar die Ratifizierung des Vertrages, war aber um des militärischen Vorteils willen zur anteiligen Übernahme der darin enthaltenen finan-ziellen Verpflichtungen bereit
Im Juli 1644 wurde zu diesem Zweck ein Wechsel über 100 000
RT
an den französischen Gesandten in Venedig geschickt; Brienne an d’Avaux und Servien, Paris 1644 Juli 16,
[nr. 170 S. 349.]
. Vor der Auszahlung sollte sich Rákóczy allerdings verpflichten, nicht ohne Frankreichs Einwilligung Frieden oder Waffenstillstand zu schließen
; ihrerseits war die französische Krone aber nicht bereit, eine solche Ver-pflichtung dem Siebenbürger gegenüber einzugehen
. Daran konnte auch der Hinweis der französischen Gesandten in Münster nichts ändern, dies werde Mißtrauen erwec-ken, und man solle es ihm lieber zugestehen als mit ihm zu brechen und ihn zu Partikularverhandlungen mit dem Kaiser zu treiben
. Die abschließende Weisung Briennes Ende November besagte, man solle Siebenbürgen die Aufnahme in den allgemeinen Frieden versprechen, Rákóczy über den Gang der Verhandlungen infor-mieren, sich aber nicht verpflichten, ohne sein Einverständnis keinen Frieden zu
[p. XXXI]
[scan. 31]
schließen:
... et l’on juge qu’il y doibt avoir quelque privilège à celuy qui donne de l’argent plus qu’à celuy qui le reçoit
.
Inzwischen war fast das ganze Jahr 1644 vergangen, ohne daß Rákóczy die ver-sprochene militärische und finanzielle Unterstützung erhalten hatte. Auch Schweden ratifizierte den Vertrag nicht formell, er wurde lediglich im April 1644 durch einen Brief der Königin von Schweden an den Fürsten von Siebenbürgen gutgeheißen
Königin Christine von Schweden an Georg Rákóczy, Stockholm 1644 April 12 (st. vet.?), Kopie als Beilage zu
[nr. 266 S. 544.]
. Rákóczy verzeichnete zwar in Oberungarn militärische Erfolge, konnte die Eroberun-gen aber aus eigener Kraft nicht halten. Ab Mitte September ließ er in Tyrnau mit der kaiserlichen Seite über einen Friedensschluß verhandeln, nachdem erste Kontakte im Sommer ergebnislos geblieben waren
Vgl. dazu I.
Hudita,
Histoire S. 77–82; M.
Depner
S. 154–163.
.
Von den militärisch wichtigeren Verbündeten Frankreichs erfüllte auch Hessen-Kassel im Jahre 1644 nicht die französischen Hoffnungen. Die Landgräfin erhielt in diesem Jahr höhere französische Subsidienzahlungen als je zuvor, nämlich 70 000
RT
Mazarin an d’Avaux, Paris 1644 März 12, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl.
29 fol. 155–158’.
über die vertraglich fixierte Summe von 200 000
RT
hinaus
Mazarin an d’Avaux uud Servien, Paris 1644 März 5, Ausfertigung:
ebenda
fol. 146–149: ... il ne faut pas que dans la conjoncture présente dix mille escus plus ou moins empeschent qu’elle ne soit contente;
Druck des Schreibens:
Mazarin,
Lettres I S. XCIX–CIII. Die Höhe der Subsidien war geregelt durch den Vertrag von Dorsten 1639 August 12/22, Druck: J.
Du
Mont
VI, 1 S. 178–180.
. Von der Mitte des Jahres an zog sie aber einen Großteil ihrer Truppen nach Ostfriesland, wo sie nahezu den ganzen Feldzug verbrachten. In Ostfriesland erhob Hessen-Kassel seit 1637 Kontributionen und benutzte die Grafschaft als Stand- und Winterquartier
Ausführliche Darstellung des Gesamtzusammenhangs bei L. V.
Tongerloo
S. 232–264.
. Als im Juni 1644 der Graf selbst Truppen anwarb, befürchtete die Landgräfin den Verlust dieses für ihre Kriegsführung so wichtigen Rückhalts. Die französischen Gesandten in Münster delegierten im Juli Rorté, den französischen Residenten in Osnabrück, nach Emden mit dem Auftrag, zwischen beiden Parteien zu vermitteln. Er erreichte im August einen Waffenstillstand, der nie ganz eingehalten wurde. Erst Vertreter der Generalstaaten brachten im Oktober eine Interimsvereinbarung zustande, die im April 1645 noch einmal verlängert wurde. Die Aktivität der hessischen Truppen auf dem deutschen Kriegsschauplatz war somit 1644 auf die ersten Frühjahrsmonate beschränkt
In diesem Zusammenhang tauchte auch das Gerücht auf, Hessen-Kassel bemühe sich um Partikular-verbandlungen mit dem Kaiser; vgl. d’Avaux und Servien an Mazarin, Münster 1644 Juli 30,
[nr. 187 S. 405.]
.
Das Verhältnis Frankreichs zu den Generalstaaten war unmittelbar vor Kongreß-beginn durch einen Allianzvertrag neu geordnet worden
. Als militärische Verbündete Frankreichs eroberten die Niederländer im September 1644 Sas van Gent, eine Festung nördlich von Gent an einem Seitenarm der Schelde. Ferner unterstützte die niederländische Flotte vom Meer aus den Herzog von Orléans bei der Belagerung von
[p. XXXII]
[scan. 32]
Gravelines. Mit diesen Unternehmungen erfüllten die Generalstaaten kaum die Erwartungen, die Frankreich auf den Feldzug gesetzt hatte; sie blieben aber auch nicht unter der Minimalforderung des am 29. Februar 1644 unterzeichneten Subsidien-vertrags mit Frankreich, der sie lediglich verpflichtete, dem Feind einen beträchtlichen Schaden zuzufügen.
2. Die Verhandlungen der französischen Gesandten in Den Haag vom November 1643 bis zum März 1644.
Die Allianz zwischen Frankreich und den Generalstaaten beruhte auf einem am 8. Februar 1635 geschlossenen Bündnis
Druck des Vertrages vom 8. Februar 1635: J.
Du
Mont
VI, 1 S. 80–85.
. Es handelte sich dabei um ein Offensiv- und Defensivbündnis gegen Spanien und eine Defensivallianz gegen Kaiser und Reich. Die Präambel des Vertrags bezeichnet als dessen Ziel die Wiederherstellung des Friedens in der Christenheit und die Befreiung der südlichen Niederlande aus der spanischen „Knechtschaft“
ebenda
S. 81: ... establir les choses en sorte que l’on puisse parvenir à une bonne et seure Paix dans la Chrestienté, et particulièrement aider les peuples des Pays-Bas à se délivrer de la dure servitude où ils sont soûmis par les Espagnols, ...
. Zu diesem Zweck werde Frankreich unmittelbar nach Ratifizierung des Vertrages Spanien den Krieg erklären. Die Generalstaaten verpflichteten sich, den Krieg mit ganzer Kraft fortzusetzen. Beide Vertragspartner wollten gemeinsam die Spanischen Niederlande angreifen.
Da in den Verhandlungen 1643/44 immer wieder auf diesen Vertrag zurückgegriffen wird, sei hier dessen Inhalt kurz referiert: Artikel 1 schreibt den Bündnispartnern die Stärke der Heere und die einvernehmliche Abstimmung aller militärischen Unter-nehmungen vor, verbietet die gegenseitige Abwerbung von Soldaten und regelt organisa-torische Einzelfragen. Artikel 2 sieht vor, daß die spanischen Provinzen nach ihrer Befreiung einen souveränen Staat bilden und die katholische Religion beibehalten sollen. Nach Artikel 3 sollen alle spanisch-niederländischen Provinzen, Städte, Fürsten oder Herren kirchlichen oder weltlichen Standes, die sich schon vorher der Allianz anschließen, in den Vertrag und in jeden künftigen Friedensschluß einbezogen werden. Für den Fall, daß die Provinzen sich nach ihrer Befreiung nicht aus eigener Kraft gegen Spanien erhalten können, okkupieren nach Artikel 4 Frankreich und die Generalstaaten genau bezeichnete Grenzgebiete und Küstenplätze. Artikel 5 teilt die Spanischen Niederlande zwischen den Vertragspartnern für den Fall auf, daß die Bevölkerung nach der Befreiung weiterhin auf spanischer Seite bleibt. Artikel 6 bindet die Vertragspartner auf unabsehbare Zeit aneinander. Er bestimmt, daß die französische Armee bis zur Vertreibung der Spanier in den südlichen Niederlanden bleiben soll und daß Frankreich und die Generalstaaten nur gemeinsam und in gegen-seitigem Einverständnis über Waffenstillstand bzw. Waffenruhe verhandeln dürfen. Wenn nach einem Friedensschluß der König von Spanien, der Kaiser oder ein Mitglied bzw. Anhänger seines Hauses offen oder indirekt Frankreich oder die Generalstaaten in ihren gegenwärtigen oder bis dahin erworbenen Besitzungen angreift, erklären beide Staaten gemeinsam dem Aggressor den Krieg und schließen dann auch nur gemeinsam
[p. XXXIII]
[scan. 33]
und in gegenseitigem Einverständnis Waffenruhe, Waffenstillstand oder Frieden. Das werden sie auch in Zukunft jedesmal tun, wenn Spanien einen der beiden Vertrags-partner angreift. Artikel 7 regelt die Abfolge der beiderseitigen Offensivunternehmen. Nach Artikel 8 müssen die Generalstaaten eine Flotte vor der flandrischen Küste in Bereitschaft halten. Artikel 9 verpflichtet die beiden Vertragspartner noch einmal zu gemeinsamen Verhandlungen über Frieden oder Waffenstillstand, zu gegenseitiger Garantie des Friedens gegen die Spanier und ihre Adhärenten und zu offenem Krieg gegen jeden, der den Frieden brechen sollte. Falls der Kaiser oder ein Mitglied seines Hauses einen Vertragspartner in seinen gegenwärtigen Besitzungen angreift, erklärt ihm nach Artikel 10 der andere den Krieg, und wiederum sollen beide nur gemeinsam und in gegenseitigem Einverständnis Frieden bzw. Waffenstillstand schließen. Artikel 11 sieht vor, den König von England aufzufordern, dem Bündnis beizutreten. Artikel 12 setzt die Stärke der französischen und der niederländischen Flotte fest und regelt ihre Zusammenarbeit, Artikel 13 die Versorgung der Flotten und der Landheere. Die Artikel 14 und 15 greifen auf den Subsidienvertrag des Jahres 1634
Der Vertrag vom 15. April 1634 war im wesentlichen ein auf 7 Jahre befristeter Subsidien-vertrag; Druck:
ebenda S. 68–72.
zurück und bekräftigen seine Gültigkeit, soweit er nicht in einzelnen Bestimmungen durch den neuen Vertrag überholt ist.
Nach dem Tode Ludwigs XIII. am 14. Mai 1643 versuchte eine starke Partei in den Generalstaaten, voran die Vertreter der Provinzen Holland, Geldern und Utrecht, sich den aus dem Vertrag von 1635 resultierenden Verpflichtungen zu entziehen mit dem Argument, das Bündnis sei mit der Person des Königs geschlossen worden – was formal nicht anzuzweifeln ist – und daher nun hinfällig
Vgl. L. V.
Aitzema
V S. 580f., auch für das Folgende.
. Diese drei Provinzen, die zu diesem Zeitpunkt einen günstigen Vertrag mit Spanien abschließen zu können glaubten, befürchteten, von Frankreich und Schweden immer tiefer in den Krieg hinein-gezogen zu werden, und sie vermuteten, daß ihre Verbündeten weniger an einem Friedensschluß als an der Fortsetzung des Krieges interessiert seien. Der Deputierten-versammlung der Generalstaaten rieten sie daher, den alten Vertrag einfach auf sich beruhen zu lassen und keine neuen Verpflichtungen zu übernehmen
... sonder het hooft weder op een nieu te strecken in dat helfter.
ebenda
S. 581.
. Erst im August des Jahres 1643 setzte sich Prinz Friedrich Heinrich von Oranien, der Statthalter der Generalstaaten, zusammen mit den übrigen Provinzen durch und erreichte die Zustimmung der Versammlung zu neuen Bündnisverhandlungen mit Frankreich
Den am 30. März 1643 abgeschlossenen Subsidienvertrag, der in Art. 6 die Bestimmungen aller vorhergehenden Verträge bekräftigte, ratifizierten die Generalstaaten erst Ende August; vgl.
A.
Waddington, La république II S. 37–41. Druck des Vertragstextes:
J.
Du
Mont VI, 1 S. 270f.
.
Das Interesse Frankreichs an der Erneuerung des Bündnisses war außerordentlich groß. Die militärischen Unternehmungen der Generalstaaten in den südlichen Nieder-landen banden spanische Truppen und hielten sie von der französischen Grenze sowie von einem Einsatz im Reichsgebiet ab. Vor allem aber stärkte ein niederländisch-französisches Bündnis die französische Position bei den bevorstehenden allgemeinen
[p. XXXIV]
[scan. 34]
Friedensverhandlungen, zumal wenn es darüber hinaus gelang, die Generalstaaten vorher auf die Unterstützung der französischen Interessen zu verpflichten. Zu diesem Zweck wurden d’Avaux und Servien, zwei der für die Friedensverhandlungen bestimmten Gesandten, im September 1643 angewiesen, zunächst in Den Haag zusammen mit La Thuillerie, dem ständigen französischen Gesandten bei den Generalstaaten, den Allianzvertrag in diesem Sinne zu erneuern und erst anschließend nach Münster weiterzureisen. Hauptpunkte der Verhandlungen sollten nach der am 30. September 1643 ausgefertigten Instruktion
die gegenseitige Offenlegung der Interessen bzw. Friedensbedingungen sein, sowie eine Absprache über die Art der Friedenssicherung
ebenda
[S. 144] . Vgl. dazu auch die Hauptinstruktion für Münster vom gleichen Datum, Sektion VI,
ebenda
[ S. 70–72] .
. In dem Vertrag von 1635 hatten sich die Generalstaaten zur Garantie des damaligen französischen Besitzstandes verpflichtet; nun sollte diese Garantie auch auf die inzwischen eroberten Gebiete ausgedehnt werden
. Ferner schrieb die Instruktion den Gesandten vor, das französisch-niederländische Verhältnis für den Fall zu regeln, daß Frankreich Frieden, die Generalstaaten nur einen Waffenstillstand mit Spanien schließen würden
, ein Problem, das Mazarin mit Subsidienzahlungen und wohl-wollender Neutralität lösen zu können glaubte. Dafür sollten sich die Generalstaaten verpflichten, jeglichen weiteren Waffenstillstand oder Frieden mit Spanien nur durch französische Vermittlung zu schließen und in jedem zukünftigen spanisch-französi-schen Krieg wieder zu den Waffen zu greifen.
D’Avaux und Servien, die getrennt von Paris aufgebrochen waren, trafen Ende Oktober vor der Grenze zu den Spanischen Niederlanden in Charleville zusammen
D’Avaux an Brienne, Charleville 1643 Oktober 29, Ausfertigung:
AE
,
CP
All.
21 fol. 58. Nach F.
Ogier
S. 10 am 26. Oktober.
. Sie reisten per Schiff die Maas hinunter
Zu Verlauf und einzelnen Daten der Reise vgl. F.
Ogier
S. 10–29.
, erreichten am 14. November das Gebiet der Generalstaaten und trafen am 23. November 1643 in Den Haag ein
D’Avaux und Servien an Brienne, Den Haag 1643 November 23, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 21 fol. 81–82.
. Bereits bei ihrer Ankunft in Dordrecht mußten sie erfahren, daß die Generalstaaten sich nicht mehr als der dankbare oder gar hilfsbedürftige Protégé Frankreichs verstanden. Die Stadt Dordrecht weigerte sich, ihnen die für außerordentliche Gesandtschaften vorgesehenen Ehrenerweise zu bezeigen. Zum ersten Mal mußten d’Avaux und Servien ein Anzeichen des Selbstbewußtseins der Generalstaaten gekränkt, aber mit Rücksicht auf die Bedeutung des bevorstehenden Vertragsabschlusses schweigend zur Kenntnis nehmen
D’Avaux und Servien an Königin Anne, Dordrecht 1643 November 16, Ausfertigung:
ebenda fol. 71–74’. D’Avaux und Servien an Brienne (wie Anm. 7). Servien an Brienne, Den Haag 1643 November 30, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 21 fol. 95–97’. Brienne wies die Gesandten später noch einmal eigens an, darüber schweigend hinwegzusehen; Brienne an d’Avaux und Servien, Paris 1643 Dezember 12, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 29 fol. 67–71. Vgl. dazu
L. V.
Aitze-ma V S. 497f.
. Nicht nur als persönlichen Affront, sondern ebenfalls als Angriff auf die
[p. XXXV]
[scan. 35]
Ehre der Gesandtschaft verstand Servien die Weigerung der Prinzessin von Oranien, seine Frau als gleichrangig zu behandeln
Er ließ sie deshalb zunächst in Delft zurück. Vgl. Servien an Brienne, Den Haag 1643 Novem-ber 30 (wie S.
[XXXIV Anm. 8] ); Servien an Lionne, Den Haag 1644 Januar 26, Ausfer-tigung:
AE
,
CP
Holl. 30 fol. 120–122. Vgl. auch unten S. LXX.
.
Zwar hatten sowohl die französische Regierung als auch die beiden Gesandten fest damit gerechnet, daß die Verhandlungen in Den Haag in kürzester Zeit abgeschlossen werden könnten; doch schien im Hinblick auf die Situation beim Friedenskongreß besondere Eile nicht geboten
Königin Anne an d’Avaux und Servien, Paris 1643 November 7, Ausfertigung: BN
Coll.
Baluze
172 fol. 106–107’.
. Eine Meldung Saint Romains aus Münster vom September 1643, man beginne über das Ausbleiben der französischen Gesandtschaft zu murren
Saint Romain an Chavigny, Münster 1643 September 25, eigenhändige Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 17 fol. 268–269.
, blieb vorerst ohne Wirkung. Als die Gesandten in Den Haag ankamen, mußten sie zunächst eine ganze Woche abwarten, bis sie zur Antrittsaudienz in der Deputiertenversammlung der Generalstaaten empfangen wurden. Allerdings hatten allein die Empfangsfeierlichkeiten drei Tage in Anspruch genommen
Servien an Brienne, Den Haag 1643 November 25, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 21 fol. 83–83’. D’Avaux nahm daran nicht teil und entschuldigte sich mit Krankheit; d’Avaux an Brienne, Den Haag 1643 November 30, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 21 fol. 93. In Den Haag vermutete man allerdings, er sei gekränkt, weil der Empfang in den Generalstaaten nicht so ehrenvoll ausgefallen sei, wie er erwartet hatte; vgl.
L. V.
Aitzema V S. 498.
. Am 1. Dezem-ber 1643 mittags 12 Uhr übergaben d’Avaux und Servien schließlich in einer öffent-lichen Audienz ihre Verhandlungsvollmachten. D’Avaux erläuterte in seiner Begrüßungsansprache den Zweck ihres Besuchs und bat um die Ernennung und Bevollmächtigung von Unterhändlern für die Verhandlungen
Bericht über die Audienz in d’Avaux und Servien an Brienne, Den Haag 1643 Dezember 7, Ausfertigung:
AE
,
CP
All.
21 fol. 109–112 und in einem [von Godefroy?] bis 10. Dezember 1643 geführten Journal, überschrieben: Commencement du journal de ce qui s’est passé à la Conférence pour la paix entre les Ambassadeurs de Louis XIV Roy de France et ceux de l’Empereur Ferdinand III et Philippe IV Roy d’Espagne à Munster en West-phalie,
Kopie:
AE
,
CP
All.
24 fol. 361–364. Beide Stücke auch für das Folgende. Vgl. dazu L. V.
Aitzema
V S. 498f. und A.
Waddington,
La république II S. 52f.
. Am gleichen Nach-mittag empfing der Prinz von Oranien die beiden Gesandten. Er gab ihnen die ersten Aufschlüsse über die niederländischen Pläne für die allgemeinen Friedensverhandlungen. Danach waren die Generalstaaten bereit, zum Zweck der Friedenssicherung eine engere Bindung mit Frankreich einzugehen, wollten aber von ihren Eroberungen nichts restituieren. Der Prinz selbst äußerte die Erwartung, daß Frankreich sich bezüglich seiner spanischen Eroberungen ebenso verhalten werde, aber kaum alle anderweitigen Neuerwerbungen einbehalten könne, – bereits ein Hinweis darauf, daß die General-staaten nicht gesonnen waren, eine Besitzgarantie für die französischen Eroberungen in Deutschland zu übernehmen. Ferner ließ er erkennen, daß die Generalstaaten den Abschluß eines Waffenstillstandes einem Friedensschluß vorzögen.
Nach dieser Eröffnung, die der verfassungsmäßigen Stellung des Prinzen entsprechend nur privaten Charakter haben konnte, mußten d’Avaux und Servien noch einmal mehr
[p. XXXVI]
[scan. 36]
als eine Woche tatenlos abwarten. Inzwischen trafen mit der Nachricht
Königin Anne an d’Avaux und Servien, Paris 1643 Dezember 4, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 29 fol. 51–53’, Eingang in Den Haag am 8. Dezember nach d’Avaux, Servien und La Thuille-rie an Brienne, Den Haag 1643 Dezember 14, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 21 fol. 137–139’. Auch Brienne an d’Avaux und Servien, Paris 1643 Dezember 4, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 29 fol. 62–62’.
über die schwere Niederlage der französischen Armee bei Tuttlingen
zwei Schreiben Briennes vom 3. Dezember ein, die auf Abschluß der – noch nicht einmal begonnenen – Ver-handlungen in Den Haag und auf Abreise der beiden Gesandten nach Münster drängten. Es stehe zu befürchten, daß sich die Ausgangsposition Frankreichs für die Friedensverhandlungen wesentlich verschlechtern würde, wenn seine Gesandten nicht schnellstens beim Kongreß erschienen
Brienne an d’Avaux, Paris 1643 Dezember 3, Ausfertigung: BN
Coll.
Baluze
172 fol. 127–127’; Brienne an Servien, vom gleichen Tag, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl.
27 fol. 48–48’.
. Um die Verbündeten zu beruhigen und vor allem Auswirkungen der Tuttlinger Niederlage auf die Politik der Landgräfin von Hessen-Kassel
Diese Befürchtung äußerte La Thuillerie bereits am 7. Dezember 1643 in einem Brief an Brienne, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 28 fol. 142–143’.
zu verhindern, ließen d’Avaux und Servien bei den schwedischen Gesandten Rorté, Saint Romain bei der Landgräfin vorstellig werden
D’Avaux, Servien und La Thuillerie an Brienne, Den Haag 1643 Dezember 14, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 21 fol. 137–139’. Vgl. auch d’Avaux und Servien an Oxenstierna und Salvius, Den Haag 1643 Dezember 10, Kopie:
ebenda fol. 131–133. D’Avaux und Servien regten darin u. a. an, auch die schwedischen Gesandten möchten in Kassel vorstellig werden, und gaben den Schweden die Mitschuld an der augenblicklichen Stärke des Feindes – d. h. an der französischen Niederlage –, da Schweden keine Unterstützung nach Deutschland gesandt habe. Kopien der von d’Avaux und Servien für Saint Romain ausgestellten Instruktion, Den Haag 1643 Dezember 12, in
AE
,
CP
All. 21 fol. 125–130 und
AE
,
CP
All. 17 fol. 346–349’.
. Sie selbst erhielten von diesem Zeitpunkt an kaum ein Schreiben aus Paris, das nicht zur Abreise drängte, und das in immer eindringlicherer Form
So etwa Brienne an d’Avaux und Servien, Paris 1643 Dezember 12, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 29 fol. 67–71; Mazarin an d’Avaux, Paris 1643 Dezember 12, Ausfertigung:
ebenda fol. 66.
. Am 19. Dezember 1643, noch bevor Brienne den ersten Verhandlungsbericht aus Den Haag
Vom 14. Dezember 1643 (wie Anm. 5).
in Händen hielt, befahl er den Gesandten, die Verhandlungen mit den Generalstaaten in Münster zu Ende zu führen und unverzüglich aufzubrechen. Er erlaubte ihnen nur unter der Bedingung den Aufenthalt in Den Haag um ein paar Tage zu verlängern, daß in dieser Zeit ein Abschluß zu erreichen sei
Brienne an d’Avaux und Servien, Paris 1643 Dezember 19, Kopie:
AE
,
CP
Holl.
27 fol. 66–70’.
.
Am 9. Dezember 1643 begannen schließlich die Verhandlungen
D’Avaux und Servien in ihrem Bericht vom 14. Dezember (wie Anm. 5) nennen als Verhand-lungsbeginn den vorhergehenden Mittwoch, i. e. 9. Dezember 1643. Das
[S. XXXV Anm. 5] zitierte Journal, dem auch
A.
Waddington, La république II S. 54f. folgt, datiert die erste Konferenz auf 10. Dezember.
. Den drei französi-schen Gesandten standen sieben sogenannte Kommissare der Generalstaaten gegenüber, und zwar die Herren van Gent, van Mathenesse, Pauw, de Knuyt, van der Holck,
[p. XXXVII]
[scan. 37]
Ripperda und Aldringa, die nach einem Beschluß der Generalstaaten vom 20. Oktober 1643
Vgl. L. V.
Aitzema
V S. 495f.
auch alle zu der niederländischen Gesandtschaft bei den allgemeinen Friedens-verhandlungen gehören sollten. Sie gingen auf die Begrüßungsrede d’Avaux’ vom 1. Dezember ein und erklärten sich zwar bereit, ihrerseits die Interessen Frankreichs beim Kongreß zu unterstützen, allerdings nicht ausnahmslos, da Frankreich offenbar alle Eroberungen einzubehalten beabsichtige. Sie mißbilligten dies zwar nicht aus-drücklich, wollten sich aber nicht verpflichten, Frankreich zu einem solchen Abschluß zu verhelfen. Sie selbst seien ihrer Armut wegen gezwungen, alle Eroberungen zu behalten, auch handle es sich dabei eher um Reunionen, während Frankreich keinen Schaden nähme, wenn es den einen oder anderen Platz oder gar eine ganze Provinz restituiere. Die französischen Gesandten beeilten sich, dieses Ansinnen zurückzuwei-sen, kamen aber in dieser ersten Konferenz nicht weiter, da die niederländischen Deputierten erst Bericht erstatten und neue Weisungen einholen mußten. Unmiß-verständlich, wenn auch nicht expressis verbis war damit ein grundsätzlicher Stand-punkt der Generalstaaten deutlich geworden, von dem sie auch in der Folge trotz aller Bemühungen der französischen Gesandten nicht abrückten: Sie führten Krieg nur gegen Spanien, nicht gegen Kaiser und Reich. Ferner hatten sie 1635 nur die Integrität des französischen Besitzes zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses garantiert; das Risiko eines Krieges gegen Kaiser und Reich wollten sie jetzt nicht dadurch herauf-beschwören, daß sie sich zur Übernahme einer unbeschränkten Garantie auch für alle inzwischen erfolgten französischen Eroberungen verpflichteten. Andererseits konnte sich Frankreich natürlich nicht vor Beginn der eigentlichen Friedensverhandlungen zur Rückgabe seiner Eroberungen im Reich bereit erklären; und wenn man schon jetzt die Generalstaaten nicht zur Besitzgarantie für die Neuerwerbungen, von denen einige in das geplante Sicherheitssystem einbezogen waren, bewegen konnte, würde es schwer fallen, die Schweden oder gar Hessen-Kassel später dazu zu verpflichten.
Am 21. Dezember 1643 folgte die nächste Konferenz
Für das Folgende vgl. den Bericht der Gesandten d’Avaux, Servien und La Thuillerie an Königin Anne, Den Haag 1643 Dezember 23, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 21 fol. 141–149’, nach einem Dorsalvermerk fol. 150’ am 3. Januar 1644 in Paris eingegangen.
. Die Deputierten der General-staaten gingen zuerst auf die Form der Zusammenarbeit in Münster ein und schlugen vor, man solle nur im gegenseitigen Einverständnis vorgehen. Im übrigen solle jeder seine eigenen Interessen verfolgen, aber nicht abschließen, bevor der andere eben-falls seine Angelegenheiten abschlußreif bereinigt habe. Den Einwand der franzö-sischen Gesandten, es sei besser, Schritt für Schritt miteinander vorzugehen, wiesen sie zurück und machten darauf aufmerksam, daß ihr eigener Vorschlag sie im Grunde selbst benachteilige, da die Generalstaaten nur einen Waffenstillstand schließen wollten, der schon vorbereitet sei. Ferner erklärten sie sich bereit, die jeweiligen Ergebnisse der Verhandlungen mit Spanien gegenseitig zu garantieren. Die Frage der Garantie für die neueroberten französischen Besitzungen erwähnten sie in dieser Sitzung überhaupt nicht, was in den Franzosen die Hoffnung aufkommen ließ, die Generalstaaten doch noch dazu bewegen zu können. Allerdings äußerte Friedrich
[p. XXXVIII]
[scan. 38]
Heinrich von Oranien am 23. Dezember
Das Datum ergibt sich aus einem Konzept Serviens zu dem
[S. XXVII Anm. 2] zitierten Bericht:
AE
,
CP
Holl. 27 fol. 73–86.
d’Avaux gegenüber
D’Avaux an Mazarin, [Den Haag 1643 Dezember 23], eigenhändige Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 24 fol. 310–311.
, es könne kaum ein Frieden zustande kommen, wenn Frankreich nicht Lothringen und die Pfalz resti-tuiere, womit er sicher nicht nur seine Privatmeinung zum Ausdruck brachte.
Nachdem die ersten beiden Punkte von den Franzosen zunächst hingenommen worden waren, kam es über die Frage, ob man beim Kongreß Frieden oder Waffenstillstand schließen solle, zu einer längeren Diskussion. Die Deputierten der Generalstaaten erklärten, für sie komme nur ein Waffenstillstand in Frage, und auch für Frankreich könne ein Waffenstillstand nur Vorteile bringen. Spanien sei nicht so schwach, daß es bei einem Friedensschluß alle von Frankreich eroberten Plätze und Gebiete abzu-treten gezwungen sei. Bei Abschluß eines Waffenstillstandes jedoch behalte jeder, was er gerade besitze, und nach dessen Ablauf könne man gemeinsam den Krieg gegen Spanien wieder aufnehmen. Wenn Frankreich aber einen Frieden und die General-staaten einen Waffenstillstand schlössen, hätten die Niederlande nach dessen Ablauf allein die ganze Last des Krieges zu tragen.
Die französischen Gesandten hielten dem entgegen, nicht nur Frankreich wolle Frieden schließen, sondern auch seine sonstigen Verbündeten wie Schweden und Hessen-Kassel sowie die deutschen und italienischen Fürsten. Sie beriefen sich außerdem darauf, nur für einen Friedensschluß instruiert zu sein. Auch sei der Kongreß für einen allgemeinen Frieden einberufen, seien die Pässe für Friedensgesandte ausgestellt worden. Es sei unbillig, Frankreich zum Abschluß eines Waffenstillstandes zu zwingen, und der König von Frankreich könne nicht gegen die Vertragstreue verstoßen und nach Ablauf eines spanisch-niederländischen Waffenstillstandes wieder Krieg gegen Spanien führen. Finanzielle und sonstige Unterstützung wolle man in diesem Fall aber gerne bereit-stellen. Auf Anfrage der niederländischen Deputierten nannten die französischen Gesandten eine Summe von 1 200 000 französischen Pfund jährlich, doch damit nicht zufrieden, baten sich die Niederländer Bedenkzeit aus.
Unstimmigkeiten zwischen den beiden Verbündeten ergaben sich auch aus einer Frage, die schon seit längerer Zeit diskutiert, von französischer Seite aber nicht als gravierend betrachtet worden war. Die Generalstaaten forderten, daß ihren Gesandten und nun speziell der Friedensgesandtschaft der gleiche Rang wie den Gesandten von Venedig zugestanden werden solle, und erhärteten diese Forderung durch ein entsprechendes Memorandum
Memorandum der Generalstaaten an d’Avaux, Servien und La Thuillerie, Den Haag 1643 Dezember 21, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 24 fol. 296–296’. Vgl. auch unten
[S. XLIX] und
[LII,]
. Sie beriefen sich dabei auf die Handhabung des Zeremoniells durch die französischen Gesandten unter Heinrich IV.
Vgl. zu den diesbezüglichen Bemühungen der Generalstaaten
J.
Heringa S. 270–327.
und drohten, in Münster nur durch einen Sekretär mit der französischen Gesandtschaft zu verkehren, wenn Frankreich ihnen hierin nicht entgegenkomme. Die Erfüllung dieser Forderung hätte die nieder-ländischen Gesandten mit denjenigen der Kronen gleichgestellt; sie hätten den Titel Exzellenz, den Platz zur Rechten und die erste Visite von Gleichgestellten erhalten.
[p. XXXIX]
[scan. 39]
D’Avaux und Servien zogen sich, nachdem ihre Gegenvorstellungen nicht akzeptiert wurden, darauf zurück, sie seien zu dieser Frage nicht instruiert. Noch erkannten sie nicht, welche Bedeutung die Generalstaaten dieser Forderung beimaßen, und bezeichne-ten die Angelegenheit in ihrem Bericht nach Paris als Bagatelle.
Die Forderung der Generalstaaten ging auf einen Beschluß ihrer Generalversammlung vom 26. November 1639 zurück
. Bereits im Januar 1640 hatte der niederländische Gesandte Oosterwijk Richelieu ein entsprechendes Memorandum übergeben, war aber abgewiesen worden
ebenda
S. 319f.; undatierte Kopie des Memorandums:
AE
,
CP
Holl.
25 fol. 31–31’.
. La Thuillerie, der ständige französische Gesandte in Den Haag, hatte Ende September 1643 von der erneuten Forderung der Generalstaaten berichtet und zu bedenken gegeben, daß eine Ablehnung mißliche Folgen haben und die Staaten zu Partikularverhandlungen verleiten könne
La Thuillerie an Königin Anne, Den Haag 1643 September 28, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 28 fol. 90–90’.
. In Paris wurde die Sache nicht ernst genommen, La Thuillerie erhielt sogar eine Zurechtweisung
Brienne an d’Avaux, Paris 1643 Oktober 13, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 29 fol. 19–20’. Vgl. auch d’Avaux an Brienne, Charleville 1643 Oktober 23, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 21 fol. 53–55: Er ist erstaunt, daß La Thuillerie zum Nachgeben rät.
. Am 19. Oktober machte er die Königin noch einmal darauf aufmerksam, daß die Generalstaaten die Angelegenheit unter allen Umständen zur Sprache bringen wollten
La Thuillerie an Königin Anne, Den Haag 1643 Oktober 19, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 28 fol. 108–111.
. Vermutlich auf seine Veranlassung hin verfaßte Godefroy, der sich zu dieser Zeit in Den Haag aufhielt, im Oktober oder Anfang November 1643 ein Memorandum, worin er das Für und Wider abwog
Undatiertes Memorandum Godefroys: De l’accommodement qui se peut faire pour les déférences d’honneur aux Ambassadeurs des Etats Généraux des Provinces Unies des Pays Bas par les Ambassadeurs de France;
Ausfertigung:
AE
,
CP
All.
17 fol. 296–297’. Eingang im November 1643 nach einer Notiz Lionnes am Kopf des Schriftstücks.
, und sandte es nach Paris. Er erinnerte daran, daß unter Heinrich IV. beim Empfang der niederländischen Gesandten die Gardekompanie antrat und daß ihnen der Platz zur Rechten zugestanden wurde, daß ferner ständig Beschwerden der Generalstaaten erfolgten, nachdem Ludwig XIII. diese Ehren-bezeigungen wieder gestrichen hatte. Godefroy wies zwar auf die Folgen hin, die sich aus der Gewährung der Forderung ergeben würden: Savoyen, Toskana, Genua und die Kurfürsten, die den Vorrang vor den Generalstaaten beanspruchten, würden unweiger-lich eine Anhebung ihres diplomatischen Ranges verlangen. Er gab aber zu bedenken, daß die Generalstaaten de facto souverän seien und die Provinzen Holland, Seeland und Friesland nicht zum Reichsverband gehörten, und wies auf den Reichtum des Landes und seinen großen Kolonialbesitz hin. Als Ergebnis seiner Überlegungen schlug er einen Kompromiß vor. Die französischen Gesandten sollten in ihrer eigenen Wohnung den Gesandten der Generalstaaten den Platz zur Rechten zugestehen.
Nach Eingang dieses Memorandums forderte Mazarin d’Avaux und Servien zu einer Stellungnahme auf
Mazarin an d’Avaux und Servien, Paris 1643 November 15, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 29 fol. 32–33.
, aber große Bedeutung maß man der Angelegenheit offen-
[p. XL]
[scan. 40]
sichtlich trotzdem noch nicht bei
Brienne schrieb an d’Avaux und Servien, Paris 1643 November 28, die Angelegenheit dürfe wohl zu klären sein. Je laisse cette affaire comme un léger accident qui ne peut estre con-sidéré ...;
Ausfertigung:
ebenda
fol. 40–50.
. Nach der Konferenz mit den Deputierten der Generalstaaten vom 21. Dezember schlugen d’Avaux und Servien ihrerseits eine – schon viel weiter als der Vorschlag Godefroys gehende – Kompromißlösung vor. Man solle den staatischen Gesandten die sogenannte rechte Hand und die erste Visite zugestehen, aber nur an nichtköniglichen Höfen und in Venedig und Konstantinopel, nicht dagegen in Münster und an Königshöfen
. Die beiden Gesandten sahen sich nun doch von der niederländischen Forderung allmählich in die Enge getrieben, ja regelrecht erpreßt. Die Generalstaaten, schrieben sie an Mazarin
D’Avaux und Servien an Mazarin, Den Haag 1643 Dezember 25, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 24 fol. 312–321.
, betrieben ihre Politik im gleichen Stil wie ihren Handel; aus allem wollten sie Gewinn herausschlagen. Wenn es Frankreich gut gehe, brächten sie ihre Schwäche vor, um Geld zu erhalten. Wenn Frankreich aber ein Unglück zustoße, glaubten sie, man sei auf sie angewiesen, und benutzten die Gelegenheit, um neue Forderungen durchzusetzen.
Nachdem die Frage der Restitutionen aufgeworfen worden war, bemerkten die franzö-sischen Gesandten in ihrer Instruktion eine Unklarheit und baten Brienne um Klärung
D’Avaux, Servien und La Thuillerie an Brienne, Den Haag 1643 Dezember 24, Ausferti-gung:
AE
,
CP
All. 21 fol. 161–162; Eingang in Paris am 3. Januar 1644 nach einem Dorsal-vermerk fol. 162’.
. Es handelt sich um den Passus
: Si lesdits S
rs Ambassadeurs trouvent M
rs les Estatz dans le dessein de ne rien restituer, ilz ne désapprouveront pas cette résolution et leur feront entendre que le sentiment de Leurs Majestéz est aussy de retenir toutes les conquestes, s’il se peut, ou la plus grande partie, et si l’on est obligé à se relascher que ce soit de concert et par consentement commun.
D’Avaux und Servien sahen zwei Möglichkeiten der Interpretation: Sollte dieser Artikel besagen, wenn Frankreich zu einer Restitu-tion gezwungen sei, müßten die Generalstaaten proportional gleich viel abtreten, so waren sich die Gesandten sicher, daß die Generalstaaten dem nie zustimmen würden. Sollte aber gemeint sein, daß keiner der Bündnispartner durch Verzicht auf eine Eroberung seine Verhandlungen weiter vorantreiben dürfe als der andere, erwarteten sie keine Schwierigkeiten.
Die auf diese Anfrage erteilte Weisung der Königin vom 9. Januar 1644
Königin Anne an d’Avaux, Servien und La Thuillerie, Paris 1644 Januar 9, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 29 fol. 76–85; Eingang in Den Haag am 18. Januar 1644.
räumte die angesprochene Unklarheit nicht völlig aus. Wenn die Generalstaaten nichts zu restituieren bereit seien, wolle auch Frankreich nach Möglichkeit alle Eroberungen einbehalten. Falls man aber zum Nachgeben gezwungen sei, so solle dies nur
de concert et par commun consentement geschehen. Mit gleicher Post teilte aller-dings Brienne den Gesandten mit
Brienne an d’Avaux, Servien und La Thuillerie, Paris 1644 Januar 9, Kopie:
AE
,
CP
Holl. 27 fol. 120–123.
, Frankreich wolle keineswegs die Generalstaaten
[p. XLI]
[scan. 41]
zu Restitutionen zwingen, falls es selbst Eroberungen abtrete, womit sich von den beiden Interpretationsmöglichkeiten die zweite als richtig herausstellte.
Die Bemühungen der Generalstaaten, Frankreich zum Abschluß eines Waffen-stillstandes zu bewegen, wurden auch in Paris zurückgewiesen
Königin Anne an d’Avaux, Servien und La Tbuillerie (wie
[S. XL Anm. 6] ), auch für das Folgende.
. Statt dessen erhielten die Gesandten die Erlaubnis, das den niederländischen Deputierten vorgeschlagene Subsidienangebot für die Zeit nach dem Ablauf eines spanisch-niederländischen Waffenstillstandes bis auf 2 Millionen französische Pfund zu erhöhen, unter der Bedingung allerdings, daß diese sich verpflichteten, die bisher abgeschlossenen Verträge zu erfüllen – d. h. daß sie den Besitz Frankreichs von 1635 garantierten – und daß sie wieder Krieg führten, wenn Frankreich Krieg zu führen gezwungen sei. Darüber hinaus sollten sie sich verpflichten, auch alle zukünftigen Eroberungen Frankreichs zu garantieren, sowie alles, was von alters her zu Frankreich gehöre
... ce qui en estoit d’ancienneté;
ebenda
fol. 82’.
, womit im Zweifelsfalle halb Europa gemeint sein konnte. Daß sich die Generalstaaten im Falle eines neuen Waffenganges zwischen Frankreich und dem Kaiser auch zur Kriegsführung gegen diesen verpflichten würden, hielt man in Paris zwar für unwahrscheinlich; aber die Gesandten sollten die Forderung trotzdem erheben, damit die Niederländer gezwungen seien, sich dazu zu äußern.
Bezüglich der Regelung des gemeinsamen Vorgehens in Münster wurden die Gesandten angewiesen, auf einer Abstimmung der einzelnen Schritte zu bestehen. Es stehe sonst zu befürchten, daß derjenige, dessen Bedingungen zuerst erfüllt wären, den andern zum Nachgeben drängen werde; Zwietracht und Mißtrauen seien die Folge. – Den Vor-schlag d’Avaux’ und Serviens, den Generalstaaten einen Teil des geforderten Zere-moniells an nichtköniglichen Höfen zuzugestehen
, billigte die Königin
. Sollten sich die Generalstaaten damit nicht zufrieden geben, sah sie als letzte Möglichkeit der Zusammenarbeit, daß die niederländischen Deputierten sich an einem dritten Ort wie Osnabrück oder Wesel aufhielten und durch einen in Münster einzusetzenden Residenten mit der französischen Gesandtschaft verkehrten. Die Verbindung lediglich durch einen Sekretär aufrechtzuerhalten, hielt Brienne für äußerst gefährlich.
Nicht nur das lange Ausbleiben der französischen Kongreßgesandten rückte die Friedensabsichten Frankreichs ins Zwielicht, sondern noch mehr der Angriff der mit Frankreich verbündeten Schweden auf Dänemark im Dezember 1643, der nach allgemeinem Dafürhalten nicht ohne Frankreichs Einverständnis erfolgt sein konnte. Daraufhin mahnte die Pariser Regierung d’Avaux und Servien immer eindringlicher, nun endlich nach Münster zu reisen. Bereits am 26. Dezember hatte Brienne vor-geschlagen, die Verhandlungen mit den niederländischen Deputierten in Münster zu Ende zu führen
Brienne an d’Avaux, Servien und La Tbuillerie, Paris 1643 Dezember 26, Kopie:
AE
,
CP
Holl. 27 fol. 104–107’. Auch mit seinem Schreiben vom 2. Januar 1644 drängte er die Gesandten, endlich nach Münster abzureisen; Kopie:
ebenda fol. 108–109.
. Am 9. Januar 1644 erteilte die Königin ihnen den förmlichen Befehl, die weiteren Verhandlungen La Thuillerie zu überlassen und abzu-
[p. XLII]
[scan. 42]
reisen
, was d’Avaux und Servien mit dem Eingang der Post am 18. Januar er-fuhren.
Sie hatten die Verhandlungen nach den Weihnachtsfeiertagen 1643 dadurch wieder in Ganggebracht, daß sie ihren Verhandlungspartnern Ende Dezember
D’Avaux, Servien und La Thuillerie an Brienne, Den Haag 1644 Januar 4, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 21 fol. 170–178’. Als Datum der Übergabe wird „vor fast acht Tagen“ angegeben. Kopie des Projekts als Beilage:
ebenda fol. 227–229.
einen Vertrags-entwurf übergaben. Die Generalstaaten wiesen die einzelnen Artikel zum großen Teil zurück bzw. änderten sie in einem vermutlich am 5. Januar 1644
Schriftliche Bitte der Generalstaaten an die französischen Gesandten um eine Stellungnahme, Den Haag 1644 Januar 5, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 30 fol. 29.
überreichten Gegenprojekt erheblich ab. Zwischen dem 4. und dem 11. Januar fanden insgesamt zwei nicht genau zu datierende Konferenzen der französischen und niederländischen Kommissare und eine Besprechung der Franzosen mit dem Prinzen von Oranien statt, eine weitere Konferenz mit den Deputierten folgte am 12. Januar. Verlauf und Ergebnisse dieser vier Sitzungen berichteten d’Avaux, Servien und La Thuillerie zusammenfassend am 12. Januar 1644 an Brienne
D’Avaux, Servien und La Thuillerie an Brienne, Den Haag 1644 Januar 12, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 21 fol. 191–202. Über die erste Reaktion der Generalstaaten auf das französische Projekt hatten die Gesandten bereits am 4. Januar (wie Anm. 2) berichtet. Alle die dort ange-führten Argumente sind auch in dem umfassenderen Bericht vom 12. Januar enthalten.
. Als Beilage übersandten sie ihr eigenes Vertragsprojekt in synoptischer Anordnung mit dem Gegenprojekt der Generalstaaten und ihrer eigenen Replik. Da in diesem Schriftsatz die beiderseitigen Positionen genau abgesteckt sind, erscheint ein Abdruck in vollem Wortlaut an dieser Stelle gerechtfertigt
Druckvorlage ist die Beilage zu dem Anm. 4 zitierten Brief in
AE
,
CP
All. 21 fol. 209–213.
.
Articles proposéz par Messieurs les Ambassadeurs à Messieurs les Estats.
Responses des commissaires députéz de la part de Messieurs les Estatz.
1
L’alliance et confédération qui a esté jusques icy entre les Roys Henry le Grand et Louis le Juste de glorieuze mémoire et Messieurs les Estatz Généraux des Provinces Unies du Pais Bas sera continuée et entretenue constamment entre Sa Majesté et ses successeurs Roys d’une part et les-dits Sieurs Estatz d’autre, avec obli-gation réciproque de la France et des Provinces Unies de satisfaire aux traittéz cy devant faictes, lesquelz demeureront tous en leur force et
Les Sieurs les Ambassadeurs au nom de Sa Majesté Très Chrestienne et les Sieurs Commissaires des Estatz Généraux renouvellent, confirment et entendent que les traittéz men-tionnéz en cet article demeureront en leur force et vertu pour estre fidellement et religieusement effec-tuéz par le Roy à présent [régnant] d’une part et les Seigneurs Estatz d’autre, tout ainsy qu’ilz l’eussent esté et deu estre du vivant des feuz Roys, excepté ce qui aura esté des-
[p. XLIII]
[scan. 43]
vertu et seront observéz ponctuelle-ment, sinon en ce qui aura esté des-rogé aux précédents par les posté-rieurs et nommément par le présent traitté.
rogé aux susdits traittéz par ce pré-sent.
|:Réplicques de Messieurs les Ambassadeurs aux réponces de Messieurs les Estatz. Sur le premier article.
L’on ne comprend pas bien la différence qu’il y a de l’un à l’autre, et l’on croit qu’en la forme qu’il a esté premièrement dressé il est plus avantageux à l’Estat des Provinces Unies:|.
2
Dans la négotiation généralle qui se doit faire à Munster le Roy maintien-dra et deffendra tous les intérestz de Messieurs les Estatz et donnera ordre à ses Plénipotentiaires de les maintenir et deffendre avec la mesme vigueur et affection que ceux de Sa Majesté, et lesditz Sieurs Estatz soustiendront pareillement tous les intérestz de la France comme les leurs propres et en donneront ordre exprès à leurs Plénipotentiaires.
Le Roy est supplié de la part des Seigneurs les Estatz qu’il luy plaise donner ordre exprès à ses Plénipo-tentiaires que la négotiation géné-ralle qui se doit faire à Munster avec l’Espagnol ennemy commun soit dirigée à une trêve de longues an-nées qui ne pourront pas estre moins que douze. Dans la négotiation sus-ditte le Roy desmeslera, maintiendra et deffendra ses intérestz |:et Mes-sieurs les Estatz desmesleront, main-tiendront pareillement leurs inté-restz avec vigueur de leur propre chef et immédiatement:|, et les Plénipotentiaires du Roy et ceux de Messieurs les Estatz s’entr’ayderont en estant requis respectivement.
|:Sur le second:|.
Dans la négotiation de paix ou de trêve qui se doit faire à Munster |:Mes-sieurs les Estatz démesleront et maintiendront leurs intérestz de leur propre chef et immédiatement et soustiendront ceux de la France comme les leurs propres:|.
3
L’un ne pourra conclure aucun traitté de paix ou de trêve ny mesme, s’il en est requis, avancer sa négo-tiation si l’autre n’est entièrement
L’on ne pourra conclure aucun traitté que conjoinctement et d’un commun consentement, et la France ny aussy l’Estat des Provinces Unies
[p. XLIV]
[scan. 44]
satisfaict ou s’il ne se relasche sur le point qui sera controversé.
pourra respectivement avancer leur négotiation avec les Espagnolz enne-mis communs l’un plustost que l’autre.
|:Sur le troisiesme:|.
L’on ne pourra conclure aucun traitté que conjoinctement et d’un commun consentement, et la France ny aussy l’Estat des Provinces Unies ne pourront avancer leur négotiation avec les Espagnolz l’un plustost que l’autre.
4
Et affin que les ennemis perdent l’es-pérance de séparer les intérestz des-dits Sieurs Estatz d’avec ceux de la France en facilitant le traitté des uns et reculant celuy des autres, lesdits Plénipotentiaires seront respective-ment obligéz toutes les fois qu’ilz en seront requis de déclarer aux ministres d’Espagne qu’il y a obliga-tion mutuelle de ne traitter que con-joinctement et mesme de n’avancer pas plus un traitté que l’autre.
Et affin que les ennemis perdent l’es-pérance de séparer la France d’avec l’Estat des Provinces Unies, facili-tant le traitté des uns et reculant ce-luy des autres, les Plénipotentiaires seront respectivement obligéz toutes les fois qu’ilz en seront requis de déclarer aux ministres d’Espagne qu’il y a obligation mutuelle de ne conclure que conjoinctement et d’un commun consentement.
|:Sur les quatriesme:|.
Et affin que les ennemis perdent l’espérance de séparer les intérestz de la France d’avec ceux des Provinces Unies en facilitant le traitté des uns et reculant celuy des autres, lesdits Plénipotentiaires seront respectivement obligéz toutes les fois qu’ilz en seront requis de déclarer aux ministres d’Espagne qu’il y a obligation mutuelle de ne conclure que conjoinctement et d’un commun consentement, et mesmes de n’avancer pas plus un traitté que l’autre.
5
Et d’autant qu’un des plus asseuréz moyens d’oster aux ennemis l’envie d’exciter de nouveaux troubles dans la Chrestienté avec le succèz qu’ilz l’ont faict jusques à présent et avec l’impunité qu’ilz s’en promettroyent à l’avenir, si après s’estre accreus des despouilles de plusieurs Princes dans les précédentes guerres ilz venoyent à recouvrer par des traittéz ce qui
Et d’autant qu’un des plus asseuréz moyens d’oster aux ennemis com-muns l’envie d’exciter de nouveaux troubles dans la Chrestienté avec le succèz qu’ilz l’ont faict jusques à présent et avec l’impunité qu’ilz s’en promettroyent à l’avenir, si après s’estre accreus des despouilles de plusieurs Princes dans les précéden-tes guerres ilz venoyent à recouvrer
[p. XLV]
[scan. 45]
a esté repris sur eux en celle-cy, le Roy et Messieurs les Estatz agiront de concert et avec la fermeté néces-saire pour conserver les avantages que Dieu leur a donnéz en cette guerre, et leurs Plénipotentiaires s’entr’ayderont à ce qu’il ne soit rien restitué de toutes les conquestes, soustenants également pour ce re-gard les intérestz de la France et ceux desdits Sieurs Estatz.
par un traitté ce qui a esté repris sur eux en celle-cy, le Roy et Messieurs les Estatz agiront de concert et avec la fermeté nécessaire pour conserver les avantages que Dieu leur a donnéz en cette guerre, et leurs Pléni-potentiaires maintiendront respectivement qu’il ne sera rien restitué ou cédé aux Espagnolz de toutes les conquestes.
|:Sur le cinquièsme.
Il demeurera comme il estoit:|.
6
Le Roy et Messieurs les Estatz ve-nantz à conclure une paix ou une trêve, soit que les uns ou les autres concluent la paix ou la trêve ou que l’une des parties face la paix et l’au-tre la trêve, si les ennemis contre-viennent par après aux conditions de la paix ou de la trêve, on exécutera ponctuellement de part et d’autre les articles 6 et 9 du traitté de l’année 1635. Et ce faisant si après la con-clusion d’une paix ou d’une trêve faitte comme dit est d’un commun consentement, le Roy d’Espagne, l’Empereur ou autre Prince de sa Maison dépendant d’icelle directe-ment ou indirectement attaque Sa Majesté ou lesdits Sieurs Estatz, tant en ce qu’ilz tiennent de leurs antiennes possessions que de leurs nouvelles conquestes, Sa Majesté et lesdits Sieurs Estatz seront obligéz de rompre et rentrer en guerre con-joinctement contre ceux qui atta-queront l’un d’eux, sans pouvoir diviser leurs intérestz ny pouvoir ensuitte faire aucun traitté de paix, trêve ou suspension d’armes que
Le Roy et Messieurs les Estatz ve-nantz à conclure |:une trêfve de lon-gues années comme il est dit cy dessus, et si lesdictz Espagnolz con-treviennent par après aux conditions de la trêfve:|, on exécutera ponctu-ellement de part et d’autre |:en leur esgard les articles sixiesme et neuf-viesme du traitté de l’an 1635:|. Et si le Roy d’Espagne directement ou indirectement attaque Sa Majesté en France ou aux frontières joignantz et touchantz contre icelle ou en ses conquestes au[x] Pays Bas, ou si ledit Roy d’Espagne attaque les Sieurs Estatz tant en ce qu’ilz tiennent de leurs anciennes possessions que de leurs nouvelles conquestes au[x] Pays Bas ou aux villes garnies de leur milice à sçavoir [
Lücke], Sa Ma-jesté et lesditz Seigneurs Estatz seront obligéz de rompre et rentrer en guerre conjoinctement |:contre ledit Roy d’Espagne:| qui attaquera l’un d’eux, sans pouvoir diviser leurs intérestz ny pouvoir ensuitte faire aucun traitté de paix, trêve ou sus-pension d’armes que conjoinctement
[p. XLVI]
[scan. 46]
conjoinctement et d’un commun consentement, à condition que s’il vient encores à estre violé, Sa Ma-jesté et lesdits Sieurs Estatz entre-ront conjoinctement en guerre ou-verte contre ceux qui en seront les infracteurs.
et d’un commun consentement, à condition que s’il vient encores à estre violé, Sa Majesté et lesditz Seigneurs Estatz entreront con-joinctement en guerre ouverte con-tre |:ledit Roy d’Espagne. Et quant à l’Empereur et autre Prince de sa Maison [ou] deppendant d’icelle, l’Estat des Provinces Unies se règ-lera envers eux ainsy et comme il a fait jusques à présant:|.
|:Sur les sixiesme.
Les articles 6, 9 et 10 du traitté de l’an 1635 ne peuvent estre restraincts à l’esgard des Espagnolz et doivent estre inséréz mot à mot comme ilz sont dans le susdit traitté de l’année 1635:|.
7
Si le Roy faict la paix et que Mes-sieurs les Estatz ne fassent qu’une trêve, le Roy ne sera point obligé de recommencer la guerre lorsque la-ditte trêve sera expirée. |:Mais le Roy assistera Messieurs les Estatz de la somme de [
Lücke] par chacun an tant qu’ilz seront en guerre avec les Espagnolz:| et leur départira toutes autres assistances qu’il luy sera possible sans contrevenir au traitté de paix, moyennant quoy ilz ne feront ny paix ny trêve avec les-dits Espagnolz sans l’intervention de Sadite Majesté.
Les Seigneurs Estatz |:prévoyans beaucoup de difficultéz qui en pour-ront naistre et résoudre:| si le Roy faict le paix et les Estatz ne fassent qu’une trêve, supplient encores une autre fois Sa Majesté qu’il plaise à icelle de voulloir résoudre à la négo-tiation d’une trêve.
8
Cette paix ou trêve estant faitte avec l’intervention de Sa Majesté, le Roy se rendra garend du traitté, en sorte que si au préjudice d’iceluy lesdits Sieurs Estatz sont attaquéz par les Espagnolz, Sa Majesté rentrera en guerre contre eux avec lesdits Sieurs Estatz, sans que l’on puisse ensuitte
Cet article est dépendant du précé-dent.
[p. XLVII]
[scan. 47]
faire paix ou trêve que conjoincte-ment et d’un commun consentement.
9
Comme en cas pareil, si durant la-ditte paix ou trêve la France est atta-quée par les Espagnolz, soit en ses antiennes possessions soit dans ses conquestes, les Sieurs Estatz seront tenus de rentrer en guerre contre eux avec Sa Majesté, sans aussy que l’on puisse ensuitte faire paix ou trêve que conjoinctement et d’un commun consentement.
Cet article est aussy dépendant du précédent.
10
Si après que la trêve qui pourra estre faitte entre Messieurs les Estatz et les Espagnolz sera expirée, les Espa-gnolz donnent suject à Sa Majesté de rentrer en guerre contre eux, |:elle ne sera plus obligée à l’assistan-ce de la somme de [
Lücke] par an, et Messieurs les Estatz seront tenuz de continuer la guerre de leur part contre lesdictz Espagnolz:|. En sorte que l’on ne fera ensuitte ny paix ny trêve avec eux que conjoinc-tement et d’un commun consente-ment du Roy et desdits Sieurs Es-tatz, avec obligation de rompre aussy conjoinctement et entrer en guerre avec les Espagnolz et leurs adhérens toutes les fois qu’ilz vien-dront à violer ou enfraindre aucune des conditions accordées par le traitté de paix ou trêve qui en sera faict, sans que par après on puisse aussy jamais faire aucun nouveau traitté de paix ou trêve que con-joinctement et d’un commun con-sentement, à condition que s’il vient encores à estre violé, Sa Majesté et
Si après que la trêve qui pourra estre faitte entre |:le Roy et Mes-sieurs les Estatz d’une part et les Es-pagnolz d’autre:| sera expirée, les Espagnolz donnent suject |:à l’un ou à l’autre de rentrer en guerre, le Roy et Messieurs les Estats seront tenuz de faire la guerre contre les-dictz Espagnolz:|.
[p. XLVIII]
[scan. 48]
lesdits Sieurs Estatz entreront con-joinctement en guerre ouverte contre ceux qui en seront infracteurs.
11
Outre ce que dessus arresté et con-clu entre le Roy et lesdits Sieurs Estatz pour la seureté de la paix ou de la trêve, s’il est jugé expédient par les Plénipotentiaires de Sa Ma-jesté, ceux de la Couronne de Suède, desdits Sieurs Estatz et autres de con-férer ensemble soit à Munster ou Osnaburg ou en quelque lieu tiers, les Plénipotentiaires de Messieurs les Estatz s’y trouverront avec suf-fisant pouvoir de convenir avec les autres de tout ce qui sera estimé nécessaire pour asseurer le repos publique et de signer sur ce suject tous actes et articles.
Outre ce que dessus arresté et con-clu entre le Roy et lesdits Sieurs Estatz |:pour l’avancement de la trêfve:|, s’il est jugé respectivement expédient par les Plénipotentiaires de Sa Majesté et desdits Sieurs Es-tatz de conférer ensemble |:à Munster pour ouïr et donner de bons advis à l’avancement du bien public:|, les Plénipotentiaires des Seigneurs les Estatz en seront authoriséz.
Die französischen Gesandten akzeptierten die Artikel 1 und 3 in der Fassung der Generalstaaten
Bericht der Gesandten vom 12. Januar (wie S.
[XLII Anm. 4] ), auch für das Folgende.
. Bezüglich Artikel 4 einigte man sich auf die in der französischen Replik vorgeschlagene Formulierung, nachdem die Deputierten der Generalstaaten die von den Franzosen vorgeschlagene Fassung zunächst so verstanden hatten, als sollten sie nur im Beisein der französischen Gesandten beim Kongreß verhandeln dürfen. Über Artikel 2 und 5 wurde keine Einigung erzielt. Die Franzosen wollten sich nicht zum Abschluß eines Waffenstillstands verpflichten und waren dazu auch nicht bevollmächtigt. Artikel 5 in der Fassung der Generalstaaten hätte Frankreich nur die niederländische Unterstützung für die Einbehaltung der französischen Eroberungen in Flandern gesichert und entsprach ihrem Bemühen, keinen Konflikt-stoff mit Kaiser und Reich zu schaffen. Letzteres gilt auch für Artikel 6, der nach Bericht der französischen Gesandten an Brienne am schärfsten umstritten war. Der Vertrag von 1635, auf den sich die Franzosen beriefen, hatte neben dem König von Spanien auch den Kaiser als potentiellen Friedensbrecher genannt, gegen den man gemeinsam vorgehen werde
; die Generalstaaten hingegen wollten sich nun auf Spanien beschränken und am Schluß des Artikels ausdrücklich ihre Neutralität gegenüber Kaiser und Reich betonen. Die gleiche Differenz tauchte in den Fassungen des Arti-kels 10 wieder auf. D’Avaux und Servien resignierten schließlich und meinten, selbst
[p. XLIX]
[scan. 49]
wenn sich die Generalstaaten vertraglich zum Krieg gegen den Kaiser verpflichteten, würden sie sich nicht daran halten.
Lange Auseinandersetzungen führten die Gesandten auch um Artikel 7 und die damit zusammenhängenden Artikel 8 und
9. Sie lehnten es ab, von vornherein auf einen Waffenstillstand hinzuarbeiten; die französische Position würde dadurch unglaub-würdig, außerdem müsse man Rücksicht auf die übrigen Verbündeten Frankreichs nehmen, die einen Friedensschluß suchten. Auch die Hoffnung, durch Subsidien-zahlung die Zustimmung der Generalstaaten zu einem französisch-spanischen Frieden bei gleichzeitigem Abschluß eines niederländisch-spanischen Waffenstillstands erkau-fen zu können, envies sich als trügerisch. Die niederländischen Deputierten brachen auf die Frage, wie hoch für diesen Fall ihre Forderung sei, offen in Gelächter aus und bestanden darauf, nur gemeinsam Frieden oder Waffenstillstand zu schließen. Alle Bemühungen der französischen Gesandten blieben vergebens, so daß sie schließlich buchstäblich nicht mehr weiter wußten und in Paris um neue Weisung baten.
Die in Artikel 11 von den Franzosen geforderte umfassende Verhandlungs- und Abschlußvollmacht für die niederländischen Deputierten in Münster verweigerten die Generalstaaten unter Hinweis auf ihre Verfassung; sie erklärten sich aber bereit, von Fall zu Fall eine entsprechende Vollmacht auszustellen.
Am Schluß brachten die Deputierten der Generalstaaten wieder, diesmal eindring-licher als je zuvor und mit der Drohung, eventuell außerhalb des Kongresses ihre Angelegenheiten zu regeln, die Forderung vor, Frankreich solle ihren Gesandten den gleichen Rang wie den Venezianern zuerkennen. Die französischen Unterhändler verwiesen wieder darauf, daß sie hierzu keine Instruktionen hätten.
Eine Woche später, am 19. Januar 1644, konnten die französischen Gesandten immer noch keinerlei Fortschritt nach Paris melden
D’Avaux, Servien und La Thuillerie an Königin Anne, Den Haag 1644 Januar 19, Aus-fertigung:
AE
,
CP
All. 21 fol. 235–244’; Eingang in Paris nach einem Dorsalvermerk fol. 246’ am 27. Januar 1644.
, da die Generalstaaten darauf bestanden, daß Frankreich nur einen Waffenstillstand abschließen dürfe. D’Avaux und Servien hatten vorgeschlagen, darüber in Münster zu verhandeln, wenn die Sache tatsächlich akut werde, waren aber auch damit auf Ablehnung gestoßen. Außerdem wiederholten die Generalstaaten ihre Zeremoniellforderung und gaben zu erkennen, daß sie auf keinen Fall darauf verzichten würden.
Am 25. Januar schließlich hatten sich die beiderseitigen Deputierten auf einen gemeinsamen Vertragstext geeinigt, nicht jedoch über die Frage Frieden oder Waffen-stillstand
D’Avaux, Servien und La Thuillerie an Brienne, Den Haag 1644 Januar 26, Ausfertigung:
ebenda fol. 263–266’; Eingang in Paris nach einem Dorsalvermerk fol. 267’ am 4. Februar 1644.
. Inzwischen liefen bereits die Verhandlungen der französischen Gesandten mit dem Prinzen von Oranien über den Subsidien- und Kampagnevertrag für das Jahr 1644
, der nach einer Weisung Briennes
Brienne an d’Avaux, Servien und La Thuillerie, Paris 1644 Januar 16, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 29 fol. 120–130’.
die Generalstaaten lediglich verpflich-
[p. L]
[scan. 50]
ten sollte, zur Entlastung Frankreichs den Feldzug frühzeitig zu beginnen und mit Nachdruck zu führen.
In der für die Friedensverhandlungen ausgestellten Hauptinstruktion der französischen Gesandten war der Abschluß eines Waffenstillstandes an Stelle eines allgemeinen Friedens nicht vorgesehen. Aber die Möglichkeit war von Richelieu bereits erwogen worden, wie ein Schriftstück aus dem Jahre 1642 zeigt
Druck: APW
I, 1 S. 150–158.
. Es trägt die Überschrift:
Divers partis, selon lesquelz on peut accommoder les différens qui sont entre la France et la Maison d’Autriche. Darin werden fünf verschiedene Konzeptionen eines Gesamtfriedens und als sechste Möglichkeit der Abschluß eines zwanzigjährigen Waffenstillstandes aufgeführt. Die Einleitung schließt mit der Zweckbestimmung des Schriftstückes: Den französischen Unterhändlern sollten damit ungefähre Anhaltspunkte
(quelque idée générale) geliefert werden; sie sollten aber nichts ohne jeweilige besondere Anweisung abschließen
. Ob dieses Schriftstück den Gesandten als Anlage zur Instruktion mitgegeben wurde, bleibt ungewiß
Die Bearbeiter von APW
I, 1 nehmen es an; vgl.
ebenda
S. 150f.
. Wenn ja, dann wäre schwer verständlich, warum die Gesandten Ende Januar 1644 nochmals eigens über die Möglichkeit, in Münster einen Waffenstillstand zu schließen, instruiert wurden. Bereits am 15. Januar hatte Mazarin d’Avaux und Servien angewiesen
Memorandum Mazarins an d’Avaux und Servien, [Paris] 1644 Januar 15, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl 29 fol. 86–91’.
, die Ver-handlungen in Münster so zu führen, daß die Spanier am Ende zum Abschluß eines Waffenstillstandes gezwungen seien. Er ging dabei aber nicht von grundsätzlichen Überlegungen aus, sondern von der Hoffnung, Spanien isolieren zu können, weil ihm die Information zugegangen war, der Kaiser und ein Großteil seiner Anhänger fürchteten eine lange Verhandlungsdauer und neigten deshalb zu einem langjährigen Waffenstillstand, Spanien aber sei strikt dagegen.
Die grundsätzliche Bereitschaft Frankreichs zum Abschluß eines Waffenstillstandes wird erstmals in einem Schreiben der Königin an d’Avaux, Servien und La Thuillerie vom 23. Januar 1644 offengelegt
Druck unten Anlage 1 S. 844–846.
. Um trotzdem keinen Zweifel an der Ernsthaftig-keit des französischen Friedenswillens aufkommen zu lassen, sollten die Gesandten beim Kongreß stets auf Frieden drängen und einen Waffenstillstand als für Frankreich schädlich ablehnen, bis die Gegner – vor allem Spanien – nach dem Gesetz der Gegen-sätzlichkeit einen Waffenstillstand anstrebten im Glauben, damit Frankreich zu schaden. Wenn man dann von allen Seiten gebeten und gedrängt werde, könne man sich unter den üblichen Bedingungen zu einem zwölfjährigen Waffenstillstand bereitfinden, womit jeder für die Dauer des Waffenstillstandes die Eroberungen behalten würde, die er gerade in Händen habe. Noch deutlicher als in der königlichen Weisung bringt Brienne in seinem Begleitschreiben die französischen Interessen und Absichten zum Ausdruck
Brienne an d’Avaux, Servien und La Thuillerie, Paris 1644 Januar 23, Kopie:
AE
,
CP
Holl. 27 fol. 194–202; Druck eines Auszugs unten Anlage 2 S. 847.
: Die Regierung, so teilte er den Gesandten mit, halte es nicht für möglich,
[p. LI]
[scan. 51]
Frieden zu schließen. Sie wolle die Gegner zum Abschluß eines Waffenstillstandes zwingen, dessen Dauer den französischen Besitzstand festigen und bis zur Voll-jährigkeit des Königs die französische Vorherrschaft sichern werde. Für den Augen-blick wolle man nur das Königreich unversehrt bewahren und die bestehenden Bünd-nisse aufrechterhalten. – Innerhalb kurzer Zeit verbreitete sich diese Neuigkeit – als stets dementiertes Gerücht. D’Avaux hatte Ende März 1644 Mühe, Contarini vom Gegenteil zu überzeugen
, Anfang April sprach man in Paris davon, und auch den Spaniern war es zu Ohren gekommen
Vgl. Mazarin in nr. 32 S. 62f. und Saavedra an König Philipp IV. von Spanien, Münster 1644 Mai 21, Druck:
Corr.
dipl. I S. 57.
. Mazarin wies seine Gesandten mehrfach an, energisch zu dementieren
.
Am 23. Januar 1644 befahl Brienne in seinem Begleitschreiben zur Instruktion
den Gesandten, nun definitiv abzureisen
Auch die französischen Residenten in Münster und Osnabrück drängten d’Avaux und Servien wiederholt, endlich nach Münster zu kommen: Saint Romain an d’Avaux und Servien, Münster 1644 Januar 11, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 26 fol. 15–19. Er berichtete, die Kaiserlichen schlügen besonders beim Frankfurter Deputationstag Kapital aus dem langen Ausbleiben der französischen Gesandten. Rorté an d’Avaux und Servien, Osnabrück 1644 Januar 18, Aus-fertigung:
ebenda fol. 33–34’: Rorté meldete, in Osnabrück kursiere im Zusammenhang mit dem schwedisch-dänischen Krieg das Gerücht, Langermann wolle abreisen, danach aber auch Auersperg. Am 21. Januar berichtete er – Kopie:
ebenda fol. 46–47 –, die Schweden seien ungehalten über das Ausbleiben der französischen Kollegen.
; La Thuillerie solle die Verhandlungen zu Ende führen. Bezüglich des Abschlusses eines Friedensvertrages oder Waffenstill-standes sollten sie die Generalstaaten zu dem Zugeständnis bewegen, daß jeder Vertragspartner abschließen könne, was er wolle, aber keiner Partikularverhandlun-gen führen dürfe. Am 30. Januar schließlich wies Mazarin d’Avaux und Servien an, das Problem auszusetzen, bis es akut werde
Mazarin an d’Avaux und Servien, Paris 1644 Januar 30, Ausfertigung: BN
Coll.
Baluze
172 fol. 145–145’.
. In der Rangfrage wurde kein weiteres Nachgeben erlaubt
Brienne an d’Avaux, Servien und La Thuillerie, Paris 1644 Januar 30, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 29 fol. 112–113.
.
Am 1. Februar 1644 – die Zusatzinstruktion vom 23. Januar war bereits in Den Haag eingegangen – mußten die Gesandten nach Paris berichten, daß sie seit dem 25. Januar keinen Schritt weitergekommen waren
D’Avaux, Servien und La Thuillerie an Brienne, Den Haag 1644 Februar 1, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 21 fol. 251–259’.
. Die Vollversammlung der Generalstaaten hatte man inzwischen nicht einberufen können, weil anderweitige Beratungen der Stände der Provinz Holland stattfanden und ihre Vertreter nicht abkömmlich waren. D’Avaux und Servien trieben zwar die Beratungen über den Feldzugsplan mit dem Prinzen von Oranien voran, mußten aber ansonsten untätig abwarten. Immer wieder beriefen
Dieselben an denselben, Den Haag 1644 Februar 9, Ausfertigung:
ebenda fol. 319–324.
sich die Generalstaaten jetzt auf den Vertrag von 1635, der beide Partner verpflichtete, nur gemeinsam bzw. in gegenseitigem Ein-
[p. LII]
[scan. 52]
vernehmen Frieden oder Waffenstillstand zu schließen. Sie waren nur unter der Bedingung bereit, Frankreich einen Friedensschluß zu erlauben, wenn nach Ablauf des geplanten niederländisch-spanischen Waffenstillstands Frankreich bei Spanien die Verlängerung des Waffenstillstands zu den gleichen Bedingungen erwirke oder, sollte das nicht möglich sein, Spanien wieder den Krieg erkläre
. Sie weigerten sich schließlich, die Verhandlungen fortzusetzen, bevor dieser Punkt nicht geklärt sei, und drohten offen mit Separatverhandlungen
Bois-le-Duc, meinten sie, sei für sie ein bequemerer Verhandlungsort als Münster; Bericht der Gesandten vom 9. Februar (wie S.
[LI Anm. 9).]
.
Nachdem der Bericht der französischen Gesandten vom 26. Januar 1644
am 4. Februar in Paris eingegangen war, hoffte man dort, in Kürze die paraffierten Verträge zu erhalten
Brienne an d’Avaux, Servien und La Thuillerie, Paris 1644 Februar 6, Ausfertigung:
BN
Coll.
Baluze 172 fol. 153–156’.
. Aber auf die enttäuschenden Meldungen vom 1. und 9. Fe-bruar hin
befahl Brienne d’Avaux und Servien, nun endgültig abzureisen, selbst wenn die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen seien, und sich nicht von den General-staaten erpressen zu lassen
Brienne an d’Avaux, Servien und La Thuillerie, Paris 1644 Februar 13, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 29 fol. 131–135 und Paris 1644 Februar 20, Ausfertigung:
ebenda fol. 140–145’. Auch Mazarin an d’Avaux und Servien, Paris 1644 Februar 20, Ausfertigung:
ebenda fol. 138–139 und Lionne an Servien, Paris 1644 Februar 13, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 26 fol. 57–57’.
. Mazarin nahm die Drohung mit Partikularverhandlungen nicht ernst:
Je croy tout cecy hors de propos, schrieb er an d’Avaux und Servien
Am 20. Februar 1644 (wie Anm. 6).
. Die Generalstaaten seien mit französischer Hilfe entstanden und benötigten auch weiterhin die Allianz mit Frankreich, um ihren Bestand zu sichern und ihre vorteil-hafte Situation zu verbessern.
In Den Haag stockten indessen die Verhandlungen nach wie vor. Das Problem der niederländischen Rangforderungen konnte schließlich ausgeklammert werden, als die Generalstaaten am 13. Februar 1644
Vgl. J.
Heringa
S. 323 mit Anm. 3.
beschlossen, diesbezüglich in Paris vorstellig zu werden
D’Avaux, Servien und La Thuillerie, Den Haag 1644 Februar 16, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 21 fol. 331–336.
. Das ganze folgende Jahr hindurch ließen sie nicht locker und erreichten schließlich Anfang 1645 ihr Ziel. Die Entscheidung in Paris fiel in den ersten Januartagen
Ludwig XIV. an d’Avaux und Servien, Paris 1645 Januar 11, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 54 fol. 26–26’.
. Am 17. Februar 1645 erklärte der französische Resident d’Estrades in der Versammlung der Generalstaaten, daß der König den geforderten Rang zugestanden habe
Vgl. dazu J.
Heringa
S. 326f.
.
Über den Subsidien- und Kampagnevertrag einigten sich die Unterhändler am 29. Fe-bruar 1644, nachdem die französischen Gesandten es abgelehnt hatten, den Vertrag
[p. LIII]
[scan. 53]
auf mehrere Jahre zu befristen und die Subsidien zu erhöhen bzw. in Landeswährung auszuzahlen
D’Avaux, Servien und La Thuillerie an Brienne, Den Haag 1644 Februar 23, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 21 fol. 340–344’. Druck des Vertragstextes:
J.
Du
Mont VI, 1 S. 293f.
. Die Vertragsunterzeichnung erfolgte aber erst zusammen mit der Unterzeichnung des Allianzvertrages am 1. März 1644
D’Avaux, Servien und La Thuillerie an Brienne, Den Haag 1644 März 1, Ausfertigung:
AE
,
MD
All. 9 fol. 157–160; Eingang nach einem Dorsalvermerk fol. 161’ am 8. März 1644.
. Die Generalstaaten erhielten für das laufende Jahr 1 200 000 französische Pfund Subsidiengelder und verpflichteten sich ihrerseits, die französische Kriegsführung in den Spanischen Niederlanden durch starke Unternehmungen zu erleichtern. Tatsächlich eroberten sie im September 1644 Sas van Gent, eine Festung nördlich von Gent an einem Seitenarm der Schelde; ferner unterstützten sie mit ihrer Flotte den Herzog von Orléans bei der Belagerung von Gravelines.
Ebenfalls am 29. Februar 1644 übergaben die Deputierten der Generalstaaten den französischen Gesandten ein von allen Delegationsmitgliedern unterzeichnetes und gesiegeltes Projekt einer Garantie, die sie von Frankreich für den Fall verlangten, daß es in Münster einen Frieden, die Generalstaaten aber nur einen Waffenstillstand abschließen würden
Druck des Projekts in französischer Sprache: J.
Du
Mont
VI, 1 S. 295f., in Niederländisch: L. V.
Aitzema
V S. 671f.
. Die Franzosen verweigerten die Annahme des Schriftstücks, wußten sich aber eine Kopie davon zu verschaffen
D’Avaux, Servien und La Thuillerie an Brienne, Den Haag 1644 März 6, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 32 fol. 9–16; Eingang in Paris nach einem Dorsalvermerk fol. 17’ am 15. März 1644.
. Daraufhin legten die Deputierten der Generalstaaten den französischen Gesandten dar, daß sie mit Spanien lediglich einen Waffenstillstand erreichen könnten; und wenn man sich jetzt nicht einige, was im Falle eines französischen Friedens und eines niederländischen Waffenstillstandes zu geschehen habe, würden sie in Münster einen Waffenstillstand schließen und Frank-reich ebenfalls dazu zwingen, indem sie die Zustimmung zu einem französischen Frieden, die laut Vertrag [von 1635] notwendig sei, verweigerten
D’Avaux, Servien und La Thuillerie an Brienne (wie Anm. 2).
. Als die nieder-ländischen Deputierten die französischen Gesandten verließen, blieb das Schriftstück zwischen anderen Papieren auf dem Tisch liegen. Die Franzosen sahen darin den Versuch eines vorsorglichen Protests gegen den abzuschließenden Allianzvertrag und sandten das Dokument durch einen Boten zurück an Barthold van Gent, den nieder-ländischen Delegationsleiter
. Dieser verweigerte nun seinerseits die Annahme, und der Bote ließ das Schreiben einfach liegen. Als d’Avaux und Servien daraufhin resigniert um eine Abschiedsaudienz ersuchten
D’Avaux und Servien an Mazarin, Den Haag 1644 März 1, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 30 fol. 362–365.
, erklärten sich die Generalstaaten überraschend zum Vertragsabschluß bereit
.
Zur Unterzeichnung des Vertrags am 1. März 1644
Druck: J.
Du
Mont
VI, 1 S. 294f.
brachten die niederländischen Gesandten das Schriftstück aber wieder mit und versuchten, es den Franzosen aus-
[p. LIV]
[scan. 54]
zuhändigen
. Kurz entschlossen warf einer der französischen Gesandten – es war nicht zu ermitteln, welcher von den dreien – das Dokument ins Feuer mit der Bemerkung qu’il n’estoit pas juste qu’un simple papier arrestast davantage un si bon œuvre, qu’ilz se devoient contenter que nous avions desjà veu et consi-déré leur proposition et que n’ayans pas le pouvoir de leur y donner une response décisive, nous ne manquerions pas de l’envoyer à la Reyne pour sçavoir sa vollonté, mais que de nous y obliger par des actes qui tenoyent plus du procès que de la manière de traitter les affaires d’Estat, nous ne le ferions jamais
.
Die Reaktion der Niederländer auf diese verblüffende Geste ist nicht überliefert. Offenbar wurde sie schweigend hingenommen.
Der neue Allianzvertrag umfaßte acht Artikel: Artikel 1 bekräftigte die früheren Verträge. Artikel 2 bestimmte, daß die Generalstaaten in dem mit Spanien zu schließenden Frieden bzw. Waffenstillstand ihre eigenen Interessen unmittelbar
(de leur propre chef immédiatement) vertreten, die französischen und niederländischen Gesandten sich im übrigen nach Kräften gegenseitig unterstützen sollten. – Die französischen Gesandten sahen in der von den Generalstaaten durchgesetzten Be-schränkung auf Spanien den Vorteil, daß Frankreich nach eigenem Gutdünken Frieden oder Waffenstillstand mit dem Kaiser schließen könne, ohne die Einwilligung der niederländischen Verbündeten einholen zu müssen
Als Beilage zu dem
ebenda zitierten Bericht übersandten sie den Vertragstext mit margina-lem Kommentar:
AE
,
CP
All. 32 fol. 20–24’, auch für das Folgende.
. Ferner berichteten sie hierzu, die Generalstaaten wollten ohne Vermittler verhandeln, weil sie der Republik Venedig mißtrauten; ein venezianisches Sprichwort besage: Der Krieg in Flandern sichert den Frieden in Italien.
Artikel 3 verpflichtete die beiden Partner, jeglichen Vertrag mit Spanien nur gemein-sam abzuschließen und die vorangehenden Verhandlungen nie weiter voranzutreiben als der andere. Diese gegenseitige Verpflichtung sollte den Spaniern nach Artikel 4 zur Kenntnis gebracht werden, so oft sie Partikularverhandlungen in die Wege zu leiten suchten
ebenda
: Die französischen Gesandten stimmten der Einschränkung auf Spanien in Artikel 3 und 4 aus dem schon bei Artikel 2 genannten Grund zu.
.
Artikel 5 verpflichtete die beiden Vertragspartner zur gegenseitigen Unterstützung mit dem Ziel der Einbehaltung aller Eroberungen, ein großer Erfolg für die franzö-sischen Unterhändler, von dem aus ihren Berichten nicht hervorgeht, wie er zustande kam.
Nach Artikel 6 sollten die Artikel 6, 9 und 10 des Allianzvertrages von 1635 uneingeschränkt wirksam werden, wenn nach einem Vertragsabschluß der König von Spanien, der Kaiser oder ein Fürst des Hauses Österreich einen der Vertragspartner angreife. – Den Zusatz Bien entendu qu’il n’est rien dérogé au surplus du contenu èsdits articles
interpretierten die Franzosen in ihrem Kommentar dahin-gehend
, daß dadurch die Generalstaaten auch bei einem eventuellen Angriff vor Vertragsabschluß zum Eingreifen verpflichtet seien.
[p. LV]
[scan. 55]
Beim Abschluß eines Waffenstillstandes durch beide Partner, der nach Ablauf nicht verlängert werde, sollten nach Artikel 7 beide wieder in offenen Krieg eintreten und diesen auch wieder gemeinsam beenden. Nach Artikel 8 sollten die Friedensunter-händler beider Seiten nach Kräften zur Sicherung des in Münster abzuschließenden Vertrags beitragen und über dieses Problem gemeinsam beraten. – Eine präzisere Fassung dieses Artikels konnten die französischen Gesandten nicht erreichen, da die Generalstaaten nicht bereit waren, in Münster an den Kaiser und Reich betreffenden Beratungen fernzubleiben.
Mit diesem Vertrag hatte Frankreich zunächst einen Erfolg errungen. Im Hinblick auf die Gesamtheit der in Münster zu führenden Verhandlungen waren die Franzosen nur minimal eingeengt, während die Generalstaaten, die nur mit Spanien zu verhandeln hatten, sich dem Wortlaut des Vertrags gemäß Schritt für Schritt mit den Franzosen abstimmen mußten. Theoretisch brauchte Frankreich nur die Verhandlungen mit Spanien zu verschleppen, um die Generalstaaten völlig zu blockieren.
Der Aufenthalt der französischen Gesandten in Den Haag endete mit einem Miß-klang. Am 3. März 1644 erschienen sie zur feierlichen Abschiedsaudienz in der Deputiertenversammlung der Generalstaaten. D’Avaux dankte den Versammelten im Namen der französischen Gesandtschaft in einer Rede, der er am Ende die Bitte anfügte, die Generalstaaten möchten ihre katholischen Bürger gerechter und milder behandeln, wobei er sich nicht scheute, in aller Öffentlichkeit die niederländische Katholikenpolitik mit den Methoden der spanischen Inquisition zu vergleichen
Druck des diesbezüglichen Teils der Rede:
Nég.
secr. I S. 193, irrtümlich datiert auf 5. März.
, und das, obwohl den französischen Gesandten auf entsprechende Anfrage von den nieder-ländischen Deputierten bereits während der Verhandlungen bedeutet worden war, daß eine solche Bitte nicht genehm sei
Wie S. LIII Anm. 4; vgl. dazu A.
Waddington,
La république II S. 62–64, L. V.
Aitzema
V S. 675f. und P. J.
Blök,
Geschichte der Niederlande IV S. 510f.
. Unmittelbar nach dem Abgang der französi-schen Gesandten faßten die Stände eine Protestresolution, die sie den Franzosen am 4. März zu überbringen beschlossen
Text der Resolution:
L. V.
Aitzema V S. 677f. Zu den daran anschließenden Auseinander-setzungen zwischen d’Avaux und Servien vgl. unten
[S. LXXff.]
. Die Pariser Regierung ihrerseits mißbilligte verärgert die Erklärung d’Avaux’ als unnötige Komplikation
.
D’Avaux muß gewußt haben, was er mit diesem Schritt riskierte. Als er und seine Kollegen mit dem Prinzen von Oranien vereinbarten, daß in den französischen Regimentern der Generalstaaten katholische Seelsorger bestellt werden sollten, hatte der Prinz bereits die Bedingung gestellt, dies müsse in aller Stille geschehen, da sonst ein Eklat zu befürchten sei
. D’ Avaux rechtfertigte sich mit dem Hinweis auf das Wohl der katholischen Religion und die Ehre Frankreichs
D’Avaux an Brienne, Den Haag 1644 März 8, eigenhändige Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 32 fol. 26.
und reiste am 8. März 1644 von Den Haag ab, ohne den Generalstaaten die Möglichkeit zu lassen, ihm die
[p. LVI]
[scan. 56]
gebührenden Ehren zum Auszug zu erweisen
La Thuillerie an Brienne, Den Haag 1644 März 15, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl.
28 fol. 182–184.
. Servien blieb einer Krankheit wegen noch bis zum 23. März in Den Haag
. In Münster traf d’Avaux am 18. März ein, Servien folgte am 5. April 1644.
3. Der Verlauf der Verhandlungen des Jahres 1644 in Münster – Überblick
Erst Ende des Jahres 1644, am 4. Dezember, wurden beim Friedenskongreß die ersten Propositionen zwischen den kriegführenden Parteien ausgetauscht. Die fran-zösische Proposition
gab aber noch keinen Aufschluß über die materiellen Friedens-bedingungen Frankreichs, sondern stellte Vorbedingungen für den eigentlichen Ver-handlungsbeginn, und zwar die Admission und die vollzählige Teilnahme der Reichs-stände am Kongreß und die Freilassung und Restitution des Kurfürsten von Trier
. Die Forderung nach Zulassung aller Reichsstände, wie sie jetzt mit Frankreich auch Schweden erhob, hatte ursprünglich nicht in der Absicht der beiden Mächte gelegen; im Hamburger Präliminarvertrag
war lediglich die Hinzuziehung der beiderseitigen Verbündeten verabredet worden. Zur Ausweitung dieser Forderung führten erst die Bemühungen der Landgräfin von Hessen-Kassel, zumal diese dem französischen Interesse an einem möglichst breiten System der Friedenssicherung entgegenkamen
Wohl am präzisesten formulierten d’Avaux und Servien dieses Interesse in nr. 67 – vgl. S. 131: Die Hinzuziehung der Reichsstände sei notwendig, non seulement pour rendre légitimes les traictéz qui pourront estre faictz présentement, mais pour en rendre l’exécution plus asseurée pour l’avenir, affin qu’il ne dépende pas cy après de la seule volonté de l’Empereur ou plustost du caprice des Espagnolz qui disposent de son nom comme il leur plaist, de porter la guerre en France, en Italie ou ailleurs sans consulter les Princes de l’Empire et avoir leur consentement.
Weitere Belege im Register s. v. Reichsverfassung. Zum französischen Verständnis der Reichsverfassung vgl. F. H.
Schubert,
Französische Staatstheorie; zum Bündnisrecht und zur Admission der Reichsstände G.
Stöckert,
Die Admission; F.
Dickmann
S. 142–163; E.-W.
Böckenförde; R. V.
Kietzell
S. 107–119; W.
Becker
S. 133–213.
. Die Admission der Stände wurde zum wichtigsten und am härtesten umkämpften Streitpunkt des Jahres 1644, formell eine Präliminarforderung, de facto der Versuch, sich durch die eigene Interpretation der Reichsverfassung die Stände zu verpflichten, sich so eine bessere Plattform für die materiellen Forderungen zu schaffen und das Übergewicht der kaiserlichen Position im Reich abzubauen, ein Angelpunkt des erstrebten Sicherheitssystems
Vgl. Servien in
[nr. 343 S. 827] , wo er mit unmißverständlicher Offenheit schreibt, die Reichsstände dürften nicht merken, daß Frankreich seine Interessen auf Kosten der ihren verfolge.
. Um ihr Ziel zu erreichen, wandten sich die französischen Gesandten 1644 dreimal unmittelbar an die Stände selbst, wie es im April und November 1643 bereits die schwedischen Gesandten und im Oktober 1643 die Landgräfin von Hessen-Kassel getan hatten.
[p. LVII]
[scan. 57]
Das erste Invitationsschreiben arbeitete d’Avaux Ende März in Münster aus; am 6. April, einen Tag nach der Ankunft Serviens, wurde es abgesandt
Vgl. die Beilage zu nr.
[51 S. 99.] Druck:
Nég.
secr.
I S. 247–250;
Gärtner
II S. 632–638;
Meiern
I S. 219–222
. Zusammen mit einem Begleitschreiben – Druck:
Nég.
secr.
I S. 246,
Gärtner
II S. 631f. – wurde es auch dem Frankfurter Deputationstag übersandt.
. Mazarin billigte es ausdrücklich in Form und Inhalt
und ließ es trotz der wegen der darin enthaltenen Angriffe auf den Kaiser weitgehend negativen Reaktionen im Reich
Vgl. F.
Dickmann
S. 167f.
durch ein königliches Rundschreiben an die Stände bestätigen, das von Münster aus versandt und auf 20. August datiert wurde
. Gleichzeitig erhielten die beiden Gesandten die Anweisung, in einem Begleitschreiben die Stände noch einmal zur Beschickung des Kongresses aufzufordern, diesmal aber in äußerst respektvollem Ton vom Kaiser und dem spanischen König zu sprechen
Vgl. das Memorandum vom 6. August 1644, nr. 192 S. 418–426.
. Am 26. August ging diese Weisung in Münster ein. Die Ausarbeitung des Schreibens und die Verviel-fältigung durch die Kopisten benötigten Zeit und waren noch nicht abgeschlossen, als am 11. September Schweden und Kaiserliche in Osnabrück die Vollmachten austauschten. Aber gerade die bisherige Weigerung der Kaiserlichen, dies zu tun, lieferte eines der wichtigsten Argumente, die die Franzosen in ihrem Schreiben anführten, um dem Kaiser die Verzögerung des Verhandlungsbeginns anzulasten. Sie datierten daher ihr Schreiben zurück auf 4. September
. – Einen weiteren Versuch, die Stände zur Beschickung des Kongresses zu bewegen, unternahm nach dem Austausch der ersten Propositionen Servien mit einem Schreiben an den Frank-furter Deputationstag vom 18. Dezember 1644
. Er rechtfertigte seinen Allein-gang damit, daß er sich mit d’Avaux nicht über die lateinische Form der Bezeichnung des Königs habe einigen können
, und die Sache selbst dulde keinen Aufschub. Daß er damit den französischen Interessen besonders aber dem Ansehen der französischen Friedensgesandtschaft mehr geschadet als genutzt hatte, mußte er bald einschen; auch erfuhr er aus Paris nur scharfe Kritik
Lionne an Servien, Paris 1645 Januar 5, Ausfertigung:
AE
,
CP
All.
50 fol. 38–39; Brienne an d’Avaux und Servien, Paris 1645 Januar 6, Ausfertigung:
AE
,
CP
All.
54 fol. 20–22’; Brienne an Servien, Paris 1645 Januar 6, Ausfertigung:
AE
,
CP
All.
50 fol. 42–43.
.
Nicht allein die Anwesenheit der Reichsstände am Kongreß, sondern auch deren Teilnahme als selbständige Verhandlungspartner versuchten die französischen Ge-sandten zu erreichen. In diesem Sinne interpretierten sie ihre Vollmacht, die sie anwies, nur gemeinsam mit den Verbündeten und Adhärenten
(coniunctim cum con-foederatis et adhaerentibus) die Verhandlungen aufzunehmen. Folgerichtig ver-langten die Kaiserlichen nach dem am 16. April in Münster vorgenommenen Aus-tausch der Vollmachten vor allem die Streichung des Wortes
coniunctim. Im übrigen wiesen sie die Rechtfertigung des Krieges in der Einleitung der französischen
[p. LVIII]
[scan. 58]
Vollmacht als beleidigend zurück und forderten die Unterschrift der Regentin als Stellvertreterin des minderjährigen Königs
. Doch kamen kontinuierliche Verhand-lungen über die Erneuerung der Vollmachten lange Zeit nicht zustande, weil sich die Kaiserlichen in Osnabrück weigerten, ihrerseits mit den Schweden die Vollmachten auszutauschen
und die Franzosen nicht ohne ihre Verbündeten beginnen konnten und wollten
. Nachdem der Austausch in Osnabrück schließlich am 11. September voll-zogen worden war, endeten die Verhandlungen über die Erneuerung der Vollmachten mit einem Kompromiß
: Die Kaiserlichen erklärten sich bereit, auch mit den franzö-sischen Verbündeten im Reich zu verhandeln und verzichteten auf die Unterschrift der Regentin; die Franzosen gestanden die Streichung des
coniunctim zu. Die Erlaubnis dazu war aus Paris schon Mitte Mai erteilt worden, sollte aber nur in extremis und mit dem Einverständnis aller Verbündeten in Anspruch genommen werden. Im übrigen wurden die Gesandten angewiesen, die Formel nicht allzu wörtlich zu interpretieren, was ihre Verhandlungsführung im Einzelnen betreffe; sie sollten sich aber daran gebunden wissen, wenn es zum Abschluß komme
. Das Ende dieser Verhandlungen bildete eine am 20. November 1644 unterzeichnete Erklärung, mit der sich alle Beteiligten verpflichteten, innerhalb von zwei Monaten die neuen Voll-machten in der ausgehandelten Form vorzulegen. Die bis zu deren Eintreffen geführten Verhandlungen sollten kraft der alten Vollmachten für alle Seiten bindend sein
. Die eigentlichen Friedensverhandlungen konnten beginnen.
Einen der Gründe für die Verzögerung hatten auch die verschiedenen Standpunkte in Rangfragen geliefert, und das nicht nur zwischen Verhandlungsgegnern, sondern auch zwischen Freunden und Verbündeten. Die bestehenden diplomatischen Formen wurden an den einzelnen Höfen unterschiedlich gehandhabt
Vgl. dazu die Ausführungen bei F.
Dickmann
S. 206–212.
. Zwar richteten sich die katholischen Staaten meist nach dem Gebrauch der römischen Kurie, aber für den Friedenskongreß, an dem Großmächte, Fürsten und kleine Stände beider Konfessionen vertreten waren, boten die römischen Vorschriften nur noch vage Anhaltspunkte. Einziges brauchbares Ordnungsprinzip war nach Serviens Meinung
la raison, les exemples et la pocession
; aber auch damit waren Differenzen natürlich nicht zu vermeiden.
Unerwartet für d’Avaux kam es unmittelbar nach seiner Ankunft in Münster zu Schwierigkeiten, als der venezianische Vermittler Contarini das gleiche Zeremoniell für sich in Anspruch nahm, das den Gesandten der Kronen zustand. D’Avaux und Servien waren davon ausgegangen, daß das Zeremoniell am Kongreß so zu handhaben sei wie in Rom, wo die venezianischen Gesandten vom Papst zwar in der Sala regia
[p. LIX]
[scan. 59]
empfangen wurden, den königlichen Gesandten aber sonst, wie d’Avaux glaubte, nachgeordnet waren
Vgl. d’Avaux in nr. 18 S. 33f.; dazu auch Servien in
[nr. 37 S. 68f.] und
[38 S. 71ff.] Vgl. auch
O.
Krauske, Die Entwickelung S. 205–217, betreffend Venedig S. 211.
. Der Streit war allerdings schnell beendet; die politische Not-wendigkeit gab den Ausschlag, und am 9. April schon wies die Königin ihre Gesandten an, den Forderungen Contarinis zu entsprechen
.
Auseinandersetzungen um die Präeminenz zwischen den französischen und spanischen Gesandten waren zu erwarten gewesen. Bei gegenseitigen Visiten spielten sie keine Rolle; denn der Gast erhielt dann selbstverständlich den vornehmeren Platz zur Rechten des Gastgebers. Kritisch wurde es, wenn beide Parteien an einem dritten Ort aufeinanderstießen, wie etwa bei der Einholung Chigis oder den kirchlichen Feierlich-keiten zur Eröffnung des Kongresses. Die Spanier gingen dabei regelmäßig einer Konfrontation aus dem Wege, indem sie nicht erschienen, und das vermutlich schon allein deshalb, weil sie mangels Gefolge bei möglichen Handgreiflichkeiten mit Sicherheit den Kürzeren gezogen hätten
Vgl. d’Avaux in nr. 12 S. 22f.; Saavedra an König Philipp IV. von Spanien, Münster 1644 Juni 2, Druck:
Corr.
dipl. I S. 60f.
.
Präzedenzstreitigkeiten behinderten auch drei Monate lang die Zusammenarbeit der französischen mit den schwedischen Gesandten. Schon wenige Tage nach seiner Ankunft (18. März 1644) in Münster bemühte sich d’Avaux um eine Zusammenkunft
, aber Oxenstierna bestand darauf, von den Franzosen die erste Visite zu erhalten und wollte lieber schriftlich oder durch Beauftragte mit den Franzosen verkehren als ihnen die Präzedenz zugestehen
. Nicht einmal über den Ort der Beratungen konnte man sich einigen. Mit den verschiedensten Begründungen schoben die Schweden das Treffen immer wieder hinaus, so daß Mazarin, der im März Gerüchte über ein schwedisches Verhandlungsangebot an die Kaiserlichen noch als Manöver zu verstehen versucht hatte
Mazarin an d’Avaux und Servien, Paris 1644 März 5, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl.
29 fol. 146–149; Druck:
Mazarin,
Lettres I S. XCIX–CIII.
, das den Kaiser von der Unterstützung Dänemarks abhalten sollte, nun schon weit ernstere Befürchtungen hegte
In nr. 142 S. 271f. Vgl. dazu Servien in
[nr. 272 S. 565] ; er rät Mitte Oktober, einen Residenten oder Gesandten nach Schweden zu schicken, der, falls Schweden Partikularverhandlungen ange-boten werden sollten, diesen „tödlichen Coup“ abfangen sollte.
. Schließlich setzten die Schweden dem Tauziehen selbst ein Ende; Salvius, der zweite Gesandte also, kam zu ersten Be-sprechungen nach Münster
Vgl. d’Avaux und Servien an Mazarin, Münster 1644 Juli 2, nr. 157
[S. 309–312.]
, allerdings weniger aus Entgegenkommen als aus Not-wendigkeit: er sollte die Franzosen zur Auszahlung der Subsidien bewegen
.
Die nach Überwindung aller dieser Hindernisse am 4. Dezember 1644 von den französischen Gesandten überreichte Proposition stieß nicht nur bei ihren Verhand-lungsgegnern, sondern auch in Paris auf Ablehnung. Schon darüber, daß sie schriftlich ausgehändigt worden war, zeigte sich Mazarin verärgert
So Lionne an Servien in nr. 334; vgl.
[S. 800] .
, aber auch der Inhalt wurde
[p. LX]
[scan. 60]
scharf kritisiert
: Am ungeschicktesten sei es gewesen, schrieb Brienne nach Münster, die Restitution des Kurfürsten von Trier als Vorleistung zu verlangen
Die Hauptinstruktion schrieb den Gesandten nur vor, die Freilassung des Kurfürsten von Trier zu verlangen, ohne aber davon den Gang der Verhandlungen abhängig zu machen; vgl.
APW
[ I, 1 S. 72f.] Der entsprechende Passus der Proposition geht auf d’Avaux zurück, Servien hatte ihn nicht vorgesehen; vgl. dazu d’Avaux in
[ nr. 320 S. 736f] . und Servien in
[nr. 321 S. 745.]
, diese Forde-rung sei erst beim Abschluß des Friedens in die Waagschale zu werfen. Ferner warf er den Gesandten mangelnde Abstimmung mit den Schweden vor, die diesen Punkt nicht in ihre Proposition aufgenommen hatten. Was die Reichsstände betreffe, so genüge es, daß man ihnen die Möglichkeit verschafft habe, am Kongreß teilzunehmen. Wenn Frankreich auf dem Erscheinen aller Stände bestehe, könne der Vertrag durch das Fernbleiben eines einzigen zunichte gemacht werden. – Schon bevor Brienne diese Kritik formuliert hatte, begann Mazarin mit der Ausarbeitung einer neuen Proposition, welche die Gesandten dann im Februar 1645 nachreichen mußten
.
Neben den Informationen über den Kongreßverlauf liefern die Berichte der französi-schen Gesandten aus Münster und die Weisungen aus Paris auch einzelne Nachrichten zu Punkten, die im Jahre 1644 als Verhandlungsthemen noch gar nicht zur Debatte standen. Anlaß boten meist den Kongreß betreffende Anfragen und Sondierungen auswärtiger Fürsten in Paris oder ihrer Gesandten in Münster. So ließ Bayern durch den Nuntius Grimaldi sondieren, ob man in Münster die Verhandlungen mit der Behandlung der deutschen Interessen beginnen wolle
. Brandenburg suchte Unter-stützung für seine Ansprüche auf Jülich
Vgl. nr. 61 S. 119 mit Anm. 1.
, der Herzog von Lothringen verhandelte über einen Friedensvertrag
. Stellvertretend für die lange Reihe solcher vorbereitenden Kontakte seien hier nur zwei Beispiele näher vorgestellt, die die französische Taktik der Abwägung fremder Interessen mit den eigenen charakterisieren.
Die Frage der Restitution von Kurpfalz war in der Hauptinstruktion vom 30. Sep-tember 1643 grundsätzlich offengehalten; je nach Lage der Dinge sollte eine voll-ständige oder teilweise Restitution vorgenommen werden
. Im Frühjahr 1644 bot Karl I. Ludwig von der Pfalz an, in der französischen Armee zu dienen und forderte gleichzeitig, Frankreich möge ihn zukünftig als Kurfürsten titulieren. Beides lehnte Mazarin ab, um sich die Hände frei zu halten und den Kurfürsten von Bayern nicht zu brüskieren, dem er die Hoffnungen auf die pfälzische Kur nicht nehmen konnte, solange er als Gegenleistung die Unterstützung französischer Besitzansprüche erwartete
. Im September verlangte der Pfälzer die Wiedereinsetzung seiner Beamten und Rechtsprechung in seinem Namen in den von Frankreich im Laufe des Jahres eroberten pfälzischen Gebieten und wurde wiederum abgewiesen,
pour ne rien faire que très à propos et prenant advantage de ceux que la fortune nous met en
[p. LXI]
[scan. 61]
main, wie Brienne schrieb
. Die Gesandten rieten daraufhin gar, die Restitution der Pfalz mit Versprechungen hinauszuzögern, den Pfälzer dann aber nicht als Souverän einzusetzen, sondern als Lehnsmann des Königs von Frankreich; denn die Pfalz sei eine französische Eroberung und gehöre nach dem Kriegsrecht nun der Krone
. Gegen Ende des Jahres wurde Karl Ludwig noch einmal abgewiesen, als er nun die voll-ständige Restitution der von Frankreich besetzten Plätze forderte. Wenn man ihm jetzt die Unterpfalz abtrete, argumentierte Brienne
, habe man später kein Mittel in der Hand, ihn zur Aufgabe der Oberpfalz zu bewegen. – Frankreich wollte die Einbehaltung der Oberpfalz durch Bayern unterstützen, wenn der Kurfürst seiner-seits Frankreich zur Einbehaltung seiner Eroberungen verhelfen würde
. Solange die Entscheidung Bayerns nicht gefallen war, blieb die französische Politik nach beiden Seiten hin offen; sollte sie aber im französischen Sinne negativ ausfallen, war man auch bereit, die Interessen des Pfälzers zu den eigenen zu machen
.
Die gleiche Taktik des Offenhaltens, des Jonglierens mit außerfranzösischen Inter-essen zur Wahrung der eigenen, verfolgte Frankreich gegenüber Portugal und Kata-lonien. Eine endgültige Lostrennung der rebellierenden Portugiesen und Katalanen von Spanien wurde schon in der Hauptinstruktion für unwahrscheinlich gehalten; die Gesandten wurden angewiesen, diese beiden Punkte möglichst bis zum Ende der Verhandlungen zurückzustellen
. Im Januar 1644 übergab der portugiesische Gesandte in Paris ein Memorandum mit der Forderung, die französischen Gesandten möchten sich nach ihrer Ankunft in Münster für die Zulassung Portugals zum Kongreß verwenden und die notwendigen Pässe besorgen. Brienne, der d’Avaux und Servien davon unterrichtete, verwies die Gesandten ohne weiteren Kommentar auf die Instruktion
Brienne an d’Avaux, Servien und La Thuillerie, Paris 1644 Januar 23, Kopie:
AE
,
CP
Holl. 27 fol. 194–202.
. Auch als die Portugiesen weiter drängten, wies Mazarin die Gesandten lediglich an, dafür zu sorgen, daß die Portugiesen fest von der französischen Unter-stützung überzeugt würden; schließlich könne Portugal militärische Kräfte Spaniens binden
Mazarin an d’Avaux und Servien, Paris 1644 März 12, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 29 fol. 146–149.
. Um den zu erwartenden Schwierigkeiten wenigstens zu Beginn des Kongresses zu entgehen, weigerten sich d’Avaux und Servien so lange wie möglich, die portugiesi-schen Gesandten von Den Haag mit nach Münster zu nehmen. Servien schlug ihnen vor, in Den Haag zu bleiben, man werde sich dann in Münster um ihre Zulassung bemühen, – die allerdings von spanischer Seite nicht einmal zu erhoffen war. Er glaubte, wie er an Mazarin schrieb, so in eine weniger peinliche Situation zu geraten, falls Frankreich sich einmal gezwungen sehe, Portugal fallen zu lassen
Servien an Mazarin, Den Haag 1644 März 15, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl.
30 fol. 451–453’: ... et si la nécessité des affaires publicques nous force de traicter sans eulx, nous en recevrions moins de blasme et de honte que si nous les abandonnons après les avoir conduictz à nostre suite.
. Selbst wenn
[p. LXII]
[scan. 62]
die portugiesischen Gesandten ihren Titel ablegten und pro forma als Privatpersonen mitreisten, sei zu befürchten, daß sie dann die französischen Gesandten aus Rache in Schwierigkeiten mit den Vertretern der Gegenseite bringen würden. Trotzdem konnte Servien nicht umhin, wenigstens einen Gesandten Portugals nach Münster mitzuneh-men. Den Gesandten Andrada, der auf seinem Titel bestand, ließ er aber in Den Haag zurück
. Alles weitere Drängen der Portugiesen auf offizielle Anerkennung am Kongreß blieb ergebnislos und war den Franzosen recht lästig
. Sie konnten die Forderung der Portugiesen nicht offen unterstützen, ohne mit großer Wahrscheinlich-keit den Kongreß platzen zu lassen. Sie konnten sie aber auch nicht rundweg abweisen, ohne das Mißtrauen all derer zu wecken, die auf eine Unterstützung durch Frankreich hofften, und ohne die französische Politik moralisch zu diskreditieren. So wurde auch die Forderung der Portugiesen, in der erneuerten französischen Vollmacht namentlich als Verbündeter angeführt zu werden, abgewiesen. Wieder erinnerte Brienne seine Gesandten an die Instruktion und verbot es ihnen, in die Vollmacht überhaupt Namen von Verbündeten aufzunehmen
.
4. Die Lebensbedingungen der französischen Gesandtschaft in Münster
Die ersten Vorbereitungen für den Aufenthalt der französischen Gesandtschaft in Münster trafen der neuernannte Resident in Hamburg, Meulles, und ein Kurier namens Saladin
Zu Meulles vgl. S. 9 Anm. 6. Saladin wird während der Verhandlungen häufig als Sonder-kurier erwähnt.
. Nachdem sie vergeblich versucht hatten, in Amsterdam Wechsel auf Münster zu erhalten und so eine große Menge Bargeld den Gefahren der Reise aussetzen mußten
Meulles an [Chavigny], Amsterdam 1643 Juli 19, eigenhändige Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 17 fol. 126–126’.
, trafen sie am 22. Juli 1643 in Münster ein und begannen sofort mit der Quartiersuche
Meulles an Chavigny, Münster 1643 Juli 24, eigenhändige Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 17 fol. 127–128, auch für das Folgende.
. Enttäuscht berichtet Meulles bereits am zweiten Tag, von 150 besichtigten Häusern sei keines recht geeignet:
Les maisons ont icy un assez bel extérieur, mais au dedans ce n’est rien qui vaille. Man werde auf jeden Fall noch investieren müssen, auch sei eine Anzahlung auf die Miete zu leisten, da die Münsterer Bürger die Häuser sonst weitervermieteten. Preise nennt er nicht, betont aber, die Lebensmittel seien außerordentlich teuer. Er habe das für die Spanier reservierte Quartier und das für den päpstlichen Legaten bestimmte Kloster gesehen und hoffe nur, die französische Gesandtschaft werde besser unterkommen. Von den weiteren Bemühungen der beiden Quartiermacher hören wir nichts mehr bis zur Abreise Saladins am 11. Oktober 1643, nachdem er d’Avaux’ Leute in das Haus
[p. LXIII]
[scan. 63]
eingewiesen hatte, das ursprünglich für Chavigny bestimmt gewesen war
St. Romain an [Chavigny], Münster 1643 Oktober 12, Ausfertigung:
ebenda fol. 273–274. Ursprünglich sollten Chavigny und d’Avaux Frankreich beim Kongreß vertreten; an Chavignys Stelle wurde dann Servien entsandt. Vgl. S. LXVII. Zu den Wohnungen der Gesandten in Münster vgl.
E.
Hövel, Quartier und Gastlichkeit.
. Es handelt sich um die Kettlersche Kurie, für die d’Avaux 20 Reichstaler (
RT
) monatliche Miete zahlte
M.
Schmidt,
Das Wohnungswesen S. 16f.; E.
Hövel,
Quartier und Gastlichkeit S. 162.
, während Servien für das sogenannte Hohe Haus in der Neubrücken-straße 24
RT
aufbringen mußte
APW
III D 1 nr. 190 S. 193f., S. 265; E.
Hövel,
Quartier und Gastlichkeit S. 174.
. Zum Vergleich einige Preise: 100 Gulden, das sind 67
RT
Kurs nach U.
Vierkotten,
Apothekenwesen S. 119.
, war
der größister Gaul uffm Stall des Münsterer Rates im Februar 1644 wert
H.
Lahrkamp,
Der Friedenskongreß S. 221.
. Der Baseler Bürgermeister Wettstein kaufte 1647 in Osnabrück zwei Pferde für 44½ und 54½
RT
Diarium
Wettstein
S. 91 und 106.
. 1645 wurden für ein Pferd im Schnitt 36–55
RT
gezahlt, für einen Ochsen 14–18
RT
, eine Kuh 12
RT
und ein Schwein 7
RT
H.
Lahrkamp,
Münsters wirtschaftliche Führungsschichten S. 40.
. Ein
guter feister Ochß konnte aber auch 36
RT
kosten
APW
III D 1 S. 111 Anm. 1.
.
Die Besoldung der beiden französischen Gesandten, um deren Auszahlung sie oft genug bitten mußten, betrug jährlich 100 000 französische Pfund
Lionne an Servien, Paris 1644 Dezember 19, nr. 332 S. 792.
, das sind rund 33 300
RT
. Davon hatten sie außer ihrem eigenen Unterhalt auch den ihres gesamten Gesindes einschließlich der Sekretäre zu bestreiten. Offensichtlich mußten sie dabei noch aus der eigenen Tasche zuzahlen, denn Lionne verschaffte Servien noch einen zusätzlichen
aiuto de costa, den Mazarin ihm unter der Hand und ohne Wissen der Finanzverwaltung zukommen lassen wollte, und zwar als Ausgleich für die Bezüge, die d’Avaux als Surintendant des finances und als Minister erhielt
ebenda.
Beide Gesandten hatten im Juli um versprochene außerordentliche Zuwendungen gebe-ten; vgl.
[ nr. 165 S. 344] . D’Avaux schrieb mit nr. 82 am 30. April 1644 an Brienne:
Vous avés bon temps, vous autres Messieurs, qui estes à la source des biens, de vous rire d’un homme qui quitte les finances pour venir se ruiner en Westphalie où il n’y a en-cores aucune apparence de paix;
vgl. S. 161.
. Als ordentliches Ratsmitglied bezog Servien außerdem 6000 Pfund jährlich
Brienne an Servien, Paris 1644 Januar 23, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl.
27 fol. 192–192’.
.
Über die Löhne der Sekretäre und Diener wurde nichts ermittelt. Für seinen Sekretär Préfontaine, der durch eine Absprache zwischen den beiden Gesandten den Titel eines Gesandtschaftssekretärs erhalten hatte, versuchte d’Avaux aus der königlichen Kasse 1000 Ecus (etwa 1000
RT
) Gehalt für das Jahr 1644 zu erhalten
Servien an Mazarin, Münster 1644 November 25, Kopie:
AE
,
CP
All. 34 fol. 195–204 und d’Avaux an Brienne, Münster 1644 November 24, eigenhändige Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 34 fol. 164.
. Diese Summe hätte dem Jahresgehalt des Obristen Reumont entsprochen, des Stadtkommandanten von Münster
APW III D 1 nr. 46 S. 58f. Die in
APW III D 1 publizierten Ratsprotokolle nennen allerdings zusätzlich mehrfach reiche Geschenke der Stadt Münster an Reumont.
. Brasset, der im Dezember 1644 zum Gesandtschaftssekretär ernannt
[p. LXIV]
[scan. 64]
wurde, erhielt aus der königlichen Kasse 1000 französische Pfund, etwa 330
RT
monatlich, also rund 4000
RT
im Jahr
Ludwig XIV. an Brasset, Paris 1644 Dezember 3, Kopie:
AE
,
CP
All.
34 fol. 321–321’.
. Die Jahreslöhne der übrigen Sekretäre dürften weit niedriger gewesen sein. Servien beschäftigte nach eigener Aussage vier Schreiber
, doch weisen die in seiner Kanzlei angefallenen Akten zum Kongreß außer seiner eigenen nur zwei Handschriften auf. Danach fiel dem ersten Sekretär, Alard, die Hauptlast der Arbeit zu; er konzipierte gelegentlich sogar die Privatkorrespon-denz Serviens mit Lionne. Der zweite, namentlich nicht gesicherte Sekretär wurde fast nur zur Anfertigung von Kopien eingesetzt. D’Avaux beschäftigte neben Préfontaine noch vier Sekretäre namens Akakia, Budic, des Fisches und Langes
Die Namen finden sich in einer vermutlich 1644/45 erstellten Liste in italienischer Sprache, die die Mitglieder der französischen Gesandtschaft im Einzelnen, zum Teil mit Namen und/oder Stellung bzw. Beruf aufführt;
Sta
Osnabrück,
Rep. 100/1 Nr. 116 fol. 296–297’.
, setzte für die amtliche Korrespondenz des Jahres 1644 aber dem Handschriftenbefund nach nur Préfontaine und Akakia ein, von denen wiederum Préfontaine den Großteil der Schreibarbeiten ausführte.
Daß die an sich hohen Jahresbezüge der beiden Gesandten zum größten Teil buchstäb-lich aufgegessen wurden, wird deutlich anhand einer vermutlich vor Mitte 1645 erstellten Liste, die das gesamte Personal der Gesandtschaft, adeliges Gefolge, Spezialisten und Handwerker aller Art und Dienerschaft, aufzählt
. Danach umfaßte allein der Haushalt d’Avaux’ 200
Dabei ist der Resident St. Romain mit seinen drei Dienern, der im Hause d’Avaux’ wohnte, mitgerechnet. Die Liste führt auch Rorté, den Residenten in Osnabrück, mit 12 Dienern auf; er wurde hier bei der Addition nicht berücksichtigt. Im März 1644 beziffert d’Avaux selbst sein Gefolge auf 145–150 Leute; d’Avaux an Brienne, Deventer 1644 März 13, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 32 fol. 33–33’.
, das Gefolge Serviens und seiner Frau 119 Personen. Obwohl diese Liste allem Anschein nach nicht vollständig ist – für den Haushalt Serviens z. B. wird kein Koch genannt –, liefert sie doch eine Vor-stellung davon, mit welchen Größenordnungen man rechnen muß. D’Avaux führte 18 Edelleute mit, Servien vier, dazu sechs adelige Damen als Gefolge seiner Frau. D’Avaux beschäftigte, wie schon erwähnt, insgesamt fünf Sekretäre. In der Auf-stellung über den Haushalt Serviens ist bei keinem Namen die Bezeichnung Sekretär hinzugefügt; in Frage kommen vier: Gedo(i)n, Coiffier, Nairot, Themon
In dieser Reibe wird auch M. Théophile aufgeführt, der nicht als Sekretär, wohl aber als Kurier mehrfach belegt ist.
. Der oben erwähnte und vielfach belegte Hauptsekretär Alard fehlt in der Liste. Zu beiden Gesandtschaften gehörten je 12 Pagen, ein Priester, ein Almosenier, ein Chirurg, vier Kammerdiener, zwei Trompeter, ein Majordomus, zwei Schneider und sechs Waschfrauen. Ferner hielt d’Avaux 24 sogenannte
staffieri, livrierte Begleitpersonen niederen Ranges (Servien 18)
Im Folgenden werden die vergleichbaren Zahlen für das Gefolge Serviens jeweils in Klammern angeführt.
, 8 Kutscher (6), 16 Pferdeknechte (8), 6 Postillons (3), zwei Marschälle (1), zwei Sattler (1). Darüberhinaus standen ihm 12 Köche
[p. LXV]
[scan. 65]
zur Verfügung, ein Mundschenk, 8 Bäcker, ein Quartiermeister und ein Arzt, Dr. Bilotte. Servien führte einen eigenen Apotheker mit, einen Kuchen- und zwei Pastetenbäcker, einen Ballettmeister und drei Kammerzofen für seine Frau. Weiter-hin gehörten zum Gefolge d’Avaux’ 65, zu demjenigen Serviens 27 Diener.
Ein solcher Aufwand war selbst den Zeitgenossen nicht selbstverständlich und wurde viel bestaunt. Allerdings entsprang er weniger persönlicher Prunksucht, sondern sollte auch die Macht und Größe des Königs demonstrieren. So erschien d’Avaux zu einem Gottesdienst mit 140 nègres
St. Romain an Rorté, Münster 1644 März 26, Kopie:
Joh.
Ox.
Slg.
B II.
,
uni sich den vornehmsten Platz im Chor der Kirche und damit die Präzedenz vor den Spaniern zu sichern. Saint Romain, der französische Resident in Münster, bezeugt, daß das Gefolge d’Avaux’ gleich groß oder gar größer war, als das der fünf Habsburger zusammen
ebenda: Monsieur d’Avaux a autant et plus de train seul que les cinq Austrichiens ensemble.
. Servien benötigte – und hier wäre auch noch auf die Ausgaben für Empfänge und Geschenke hinzuweisen – soviel Wein, den er über die Niederlande einführen ließ, daß die Generalstaaten glaubten, er wolle damit Handel treiben, und entsprechenden Zoll verlangten. Darauf-hin erbot er sich, den niederländischen Gesandten bei ihrer Ankunft am Kongreßort seinen Weinkeller vorzuführen
Servien an Brasset, Münster 1644 Mai 17, Ausfertigung:
AE
,
CP
All.
27 fol. 78–79.
. Neben den Ausgaben für sein eigenes Haus belasteten d’Avaux’ Kasse seine großzügigen und regelmäßigen Zuwendungen an das Minoriten-kloster. Während der vier Jahre seines Aufenthaltes in Münster schenkte er ihm wöchentlich 40 Pfund Fleisch im Wert von 2
RT
und Weißbrot für 1½
RT
R.
Schulze,
Das Minoritenkloster S. 276.
. Vermutlich wurden auch andere Kirchen und Klöster von ihm bedacht. Das allgemeine Niveau der Lebensführung der beiden Gesandten mag abschließend ein Zitat aus einem privaten Brief
D’Avaux an Voiture, Münster 1646 August 29, Druck:
A.
Roux, Lettres du comte d’Avaux S. 13–16, Zitat S. 15.
d’Avaux’ umreißen: Avec cela, je fais assez bonne chère, j’ay un excellent vin de Moselle; j’ay un cheval turc; je marchande depuis quelque jours un tableau d’Albert Durer, per multas elegantium dominorum successiones Germaniae notum. Il y a toûjours beaucoup de gens devant ma porte; mais mes laquais ne sont point doréz: voilà qui me gaste tout.
5. Die Auseinandersetzungen zwischen d’Avaux und Servien
Während der gesamten viereinhalb Jahre, in denen d’Avaux und Servien gemeinsam die französischen Interessen am Friedenskongreß vertraten, führten sie gegeneinander einen kaum unterbrochenen Kleinkrieg, den weder königliche Befehle noch private Vermittlungsversuche zu beenden vermochten. Als Grund für die Auseinander-setzungen wird in der Literatur einhellig ausgeführt, Mazarin habe Longueville
Der Herzog von Longueville kam erst Ende Juni 1645 nach Münster. Zur Person s.
[ S. 91 Anm. 2.]
und d’Avaux mißtraut und allein Servien die wahren Geheimnisse seiner Politik
[p. LXVI]
[scan. 66]
mitgeteilt
G. H.
Bougeant,
in der französischen Ausgabe von 1767 Band II S. 107–114 (Erstausgabe 1744); A.
Bazin
III S. 241f. (1846); A.
Rochas
II S. 414 (1860); A.
Chéruel
I S. 269 (1879).
. Ähnlich formulierte es schon Brienne in seinen Memoiren
Brienne,
Mémoires S. 92:... car il paroissoit clairement qu’on n’avoit nulle confiance ni au duc de Longueville ni à M. d’Avaux, mais tout entière à M. Servien.
, und es dürfte schwerfallen, an der Aussage des Staatssekretärs zu zweifeln, der die Verhältnisse aus eigener Anschauung so genau kannte. A. Helly, der eine tiefere Begründung für das Mißverhältnis der beiden Gesandten suchte, kam zu dem Ergebnis, d’Avaux sei nicht mehr
dans le mouvement gewesen; von seinem politischen Grundverständnis her habe er nicht eine Politik billigen können, die protestantische Verbündete suchte mit dem Ziel, die Macht des Hauses Österreich zu zerstören und die Uneinigkeit der Länder in Deutschland zu konservieren
. Alle diese Argumente finden sich auch bei Dickmann
und sollen hier nicht in Frage gestellt werden. Aber es ist doch festzu-halten, daß das so unterschiedliche Verhältnis Mazarins zu seinen beiden Gesandten eine Entwicklung voraussetzte, die im Jahre 1644 noch nicht abgeschlossen war.
Herkunft, Laufbahn und Charakter der beiden Kontrahenten sind oft geschildert worden, zuletzt sehr prägnant von Dickmann
ebenda
. Neuere biographische Untersuchungen fehlen bislang. Eine in der Pariser Ecole des Chartes von
Anne
-
Marie
Enaux
-
Moret 1962 eingereichte Thèse über Abel Servien als Unterhändler beim Friedenskongreß soll zwar publiziert werden, war mir aber noch nicht zugäng-lich.
. Nur das zur Klärung der Ausgangs-situation Notwendige soll daher hier erneut zusammengefaßt werden: Von den zu dieser Zeit im Ausland tätigen französischen Gesandten waren d’Avaux und Servien ohne Zweifel die erfahrensten und fähigsten
. Beide hatten die französische Politik schon in mehreren Gesandtschaften erfolgreich vertreten und wichtige Vertrags-verhandlungen zum Abschluß geführt, Servien die Verträge von Cherasco 1631, d’Avaux den Hamburger Präliminarvertrag von 1641.
D’Avaux’ Erfahrungen aus den Hamburger Verhandlungen prädestinierten ihn natürlich für deren Fortsetzung beim allgemeinen Friedenskongreß. Außerdem sprach er fließend Deutsch und Latein, war gewandt, zuvorkommend und stets ver-bindlich, auch nichtkatholischen Verhandlungspartnern gegenüber, die er aus seiner oft als devot bezeichneten Religiosität heraus eigentlich ablehnen mußte. Seine seit 1627 ununterbrochene Verwendung im königlichen Dienst, die damit verbundene wiederholte Bestätigung seiner Fähigkeiten und schließlich seine Ernennung zum
Surintendant des finances
D’Avaux wurde zusammen mit Bailleul zum Surintendant ernannt; Bailleul übernahm das Amt dann allein, während d’Avaux immerhin die Bezüge blieben.
im Juni 1643, die ihm den Titel
Ministre einbrachte, müssen sein Selbstbewußtsein ebenso gesteigert haben wie das Ansehen, das er als Gesandter und Stellvertreter des Königs genoß. Hätte er sein Amt an der Spitze der Finanzverwaltung tatsächlich ausgeübt, wäre seiner Familie noch größerer Ein-fluß zugewachsen; denn d’Avaux’ Bruder Henri de Mesmes
war Parlaments-
[p. LXVII]
[scan. 67]
präsident und maßgeblich an der Steuerbewilligung beteiligt. Damit gehörte die Familie gleichzeitig potentiell zur Opposition, die sich in dieser Zeit an dem nicht zu befriedigenden Geldbedürfnis der Staatskasse immer wieder neu entzündete. Mazarin konnte einer solchen Entwicklung zwar entgegenarbeiten, indem er d’Avaux sozusagen weglobte; auf jeden Fall konnte er von ihm eine reibungslosere Zusammenarbeit erhoffen, wenn er ihn fern von Paris mit der ehrenvollen Aufgabe des Friedens-schlusses beschäftigte, als er sie erwarten durfte, wenn er ihm im Zentrum der Ent-scheidungen die Möglichkeit unmittelbarer Einflußnahme verschaffte, indem er ihm die Verwaltung der Staatsfinanzen anvertraute
Am 23. Juli 1644 schreibt Lionne an Servien – vgl. die Beilage zu nr. 181 –, nach seiner Meinung treibe d’Avaux die Auseinandersetzungen auf die Spitze, weil er lieber sein Amt [als Surinten-dant] ausüben würde. Cependant comme il y a grande apparence que on ne se soucie pas de l’y avoir, vostre condition n’est pas si bonne que la sienne pour les raisons que vous jugerez.
Zu dieser Zeit glaubte also Lionne, Mazarin würde gegebenenfalls eher Servien abberufen.
. Trotzdem erscheint es wenig glaub-haft, daß Mazarin die definitive Entsendung d’Avaux’ zugelassen hätte, wenn er ihm von vornherein absolut mißtraut und mit Widerstand gegen seine eigene Außenpolitik gerechnet hätte, und daß er aus innenpolitischen Erwägungen heraus wissentlich die Gefährdung seines in diesem Augenblick wichtigsten außenpolitischen Unternehmens riskiert hätte. Mazarins Stellung war 1644 schon so gefestigt, daß er ohne Schwierig-keiten Chavignys Ernennung zum Friedensgesandten rückgängig machte und Servien an seine Stelle setzte
; mit d’Avaux hätte er genau so verfahren können
Vgl. dazu die Beilage zu nr.
[209 S. 456] ; Mazarin zu Henri de Mesme, d’Avaux möge beden-ken,
qu’il luy avoit faict une abbaye de vingt quatre mil livres de rente du temps du feu Roy, qu’après sa mort il l’avoit faict Surintendant des finances en un temps où quoy qu’il en creust il luy estoit aussy aisé de l’envoyer à la bastille que de luy faire donner une charge et qu’il l’avoit faict ensuite nommer Plénipotentiaire.
. Es findet sich auch für das Jahr 1644 noch kein Beleg für grundsätzliches Mißtrauen seinerseits und ebensowenig dafür, daß d’Avaux andere politische Ziele verfolgt hätte als sein Auftraggeber, selbst wenn Servien 1644 bereits die Loyalität seines Kollegen in Frage stellte
.
Die Ausgangsposition Serviens unterschied sich wesentlich von der d’Avaux’. Zwar war er unter Richelieu Ende 1630 mit 37 Jahren zum Staatssekretär für das Kriegs-wesen
(Secrétaire d’Etat de la Guerre) aufgestiegen, doch wurde seine Karriere jäh und für lange Zeit unterbrochen, als er im Februar 1636 aus nicht ganz geklärten Gründen in Ungnade fiel und sich vom Hof entfernen mußte
Servien selbst begründet seine Entlassung in
[nr. 238] – vgl. S. 496 – damit, daß Richelieu ihn, Servien, in den Ratssitzungen immer vorgeschoben habe, wenn es galt, Ausgabenvorschläge zu machen, die dem König verhaßt waren. Richelieu sei dann zwischen ihm und Bullion, dem damaligen Surintendant des finances, als Schiedsrichter aufgetreten und habe ihn schließlich fallen lassen.
. Erst nach dem Tode Ludwigs XIII. berief Mazarin ihn wieder nach Paris und beabsichtigte zunächst, ihn als Gesandten nach Rom zu schicken
Königin Anne an La Thuillerie, Paris 1643 September 12, Kopie:
AE
,
CP
Holl.
26 fol. 131–135.
. Zwischen dem 6. und 12. September 1643 wurde er dann zum Bevollmächtigten für den Friedenskongreß ernannt
Brienne an La Thuillerie, Paris 1643 September 6, Kopie:
ebenda fol. 126–128’: Chavigny wird am Montag abreisen. Königin Anne an La Thuillerie (wie
[S. LXVI Anm. 6] ): An Cbavignys Stelle geht Servien nach Münster.
.
[p. LXVIII]
[scan. 68]
Mazarin kannte Servien persönlich seit den Vertragsverhandlungen in Cherasco 1630/31. Doch verdankte Servien seine Rückberufung vermutlich auch seinem Neffen Lionne, der Mazarin als Sekretär diente. Der 1611 geborene Lionne war im Hause Serviens aufgewachsen und von ihm erzogen worden, nachdem seine Mutter bereits 1612 verstorben und sein Vater in den geistlichen Stand getreten war. Daß so ein engeres Verhältnis erwachsen konnte als im allgemeinen zwischen Onkel und Neffe, braucht nicht eigens betont zu werden. Lionne diente Servien als Sekretär, verließ mit ihm 1636 den Hof und lernte in Rom, wohin er anschließend reiste, Mazarin kennen. Dieser betraute ihn 1642 mit einer Mission nach Parma, von der er im Oktober 1643 zurückkehrte
Datum bei J.
Valfrey,
La diplomatie française S. XX.
, also erst einige Wochen nach der Ernennung Serviens. Trotzdem ist anzunehmen, daß Lionne sich nach dem Tode Ludwigs XIII. schon zur Stärkung seiner eigenen Position bemühte, seinem Onkel wieder zur königlichen Gnade und zu einem Amt zu verhelfen. Anders als d’Avaux besaßen beide nicht den Rückhalt einer in Paris etablierten Familie. Während d’Avaux nach dem Amts-antritt Mazarins unangefochten blieb und sich lediglich umorientieren mußte, bot sich Servien nur in der Gunst Mazarins die Grundlage für eine neue Karriere; und wenn er sein Ziel erreichen wollte, blieb ihm gar nichts anderes übrig, als durch bedingungs-lose Ergebenheit Stein auf Stein zu setzen
Servien schreibt in
[nr. 85] an Lionne:
Pour mon particulier, je vivray tousjours comme vouldra Son Eminence, n’estant revenu à la Cour que pour m’attacher à ses intérestz et suivre ses volontéz, vous protestant que sans l’amitié dont Son Eminence m’a honoré, je ne me serois jamais rembarqué en cette mer après le rude nauffrage que j’y avois faict sans qu’on m’ayt jamais peu reprocher aulcune chose;
vgl. S. 166.
. Lionne leistete ihm darin wertvolle Hilfestellung, indem er ihn laufend und genau über Vorhaben, Reaktionen und Wünsche Mazarins informierte
. Die Absichten Mazarins sind dabei nicht zu ver-kennen: Während er mit Chavigny und d’Avaux zwei längst vor ihm etablierte Männer entsandt hätte, war Servien von ihm allein abhängig, er war seine
créature
Dieses Wort hatte im 17. Jahrhundert keinen pejorativen Sinn!
. Von Servien konnte er eine ganz persönlich ausgerichtete Loyalität erwarten, die weit über das hinausging, wozu d’Avaux durch königlichen Auftrag als Gesandter ver-pflichtet war.
Dickmann charakterisiert Servien als härter und energischer als d’Avaux, „weniger geschmeidig, rücksichtslos in seinen Formen“
. Rücksichtslos war er auch in der Wahl seiner Mittel, wenn es galt, sich selbst ins Recht und d’Avaux ins Unrecht zu setzen, darüberhinaus jähzornig und höchst empfindlich, wenn er sich als gleich-berechtigter Kollege d’Avaux’ nicht mit gleicher Höflichkeit behandelt glaubte, und voller Verachtung blickte er auf alle hinab, die nicht seines Standes waren, auch auf die bürgerlichen
docteurs bei den kaiserlichen und spanischen Gesandtschaften, die ihm im Rang als Gesandte und in ihrer Qualifikation doch keineswegs nachstanden
Servien in
[nr. 272:]
... parce que l’Empereur et le Roy Catholique ayans honte d’honorer de la qualité d’Ambassadeur des personnes de sy peu d’importance que celles des doc-teurs ... qui sont icy ...;
vgl. S. 566. In Beilage 2 zu nr. 311 – vgl: S. 706 – spricht er von Nassau und Saavedra, qui ont chacun un docteur auprèz d’eux qui sont leurs suivans et leur servent de conseil ...
.
[p. LXIX]
[scan. 69]
Ein unbequemer Mann also, als Verhandlungspartner wie auch als Kollege. Daß und wie er von Anfang an gegen seinen Kollegen intrigierte, geht aus seiner Korrespon-denz mit Lionne hervor, die uns zum großen Teil überliefert ist. D’Avaux’ Privat-korrespondenz zu diesem Thema kennen wir nicht. Nur gelegentlich wird deutlich, daß er den Einfluß seines Bruders einsetzte, aber Einzelheiten darüber erfahren wir nicht.
Aus der Korrespondenz La Thuilleries, des französischen Gesandten in den Ver-einigten Niederlanden, mit dem Hofe ergibt sich, daß die Ernennung Serviens erst erfolgte, nachdem Chavigny mehrmals erfolglos aufgefordert worden war, nun doch endlich aufzubrechen. Möglicherweise gab diese ärgerliche Verzögerung Mazarin erst die Gelegenheit, Chavigny durch Servien zu ersetzen. Am 27. Juni 1643 teilte der König La Thuillerie mit, Chavginy habe als Sekretär des Äußeren demissioniert und den Befehl erhalten, mit d’Avaux nach Münster zu reisen; Longueville werde bald folgen
Ludwig XIV. an La Thuillerie, Paris 1643 Juni 27, Kopie:
AE
,
CP
Holl.
26 fol. 49–49’.
. Am 4. Juli äußerte Chavigny die Absicht, Ende Juli abzureisen und Mitte August in Den Haag zu sein
Chavigny an La Thuillerie, Paris 1643 Juli 4, Kopie:
ebenda fol. 58’-59.
. Am 11. Juli schrieb Brienne, d’Avaux und Chavigny sollten
sans faute vor dem 20. des Monats aufbrechen
Brienne an La Thuillerie, Paris 1643 Juli 11, Kopie:
ebenda fol. 64–64’.
, am 26. Juli
Ders. an dens., Paris 1643 Juli 26, Kopie:
ebenda fol. 76’-79’.
und 1. August
Ders. an dens., Paris 1643 August 1, Kopie:
ebenda fol. 85–85’.
zeigte er jeweils ihre unmittelbar bevorstehende Abreise an, am 8. August, die Königin dränge zum Aufbruch
Ders. an dens., Paris 1643 August 8, Kopie:
ebenda fol. 93’-95’.
. Am 15. August berichtete er, die beiden Gesandten seien unentschlossen bezüglich der Reiseroute, man müsse sie ständig drängen
Ders. an dens., Paris 1643 August 15, Kopie:
ebenda fol. 101–103’.
, am 29. Au-gust, sie hätten sich entschlossen, [von Charleville aus] zu Schiff die Maas hinunter-zufahren
Ders. an dens., Paris 1643 August 29, Kopie:
ebenda fol. 117–120.
, und am 6. September schließlich, Chavigny werde am folgenden Montag [7. September] aufbrechen
. Am 12. September aber teilte die Königin La Thuillerie mit, sie ziehe es vor, Chavigny weiterhin zu ihren Diensten in Paris zu verwenden und an seiner Stelle Servien nach Münster zu entsenden
. Damit stand Servien vor einer Aufgabe, auf die er nicht vorbereitet war. D’Avaux hatte ihm Detailkenntnisse voraus und verfügte über zahlreiche persönliche Kontakte, die er während seiner Tätigkeit in Deutschland hatte knüpfen können. So verständlich es erscheint, daß er sich seinem Kollegen dadurch überlegen fühlte, so sicher ist es, daß Servien, als er Anfang April 1644 in Münster eintraf, über die notwendigen Grundlagen verfügte. Daß d’Avaux trotzdem häufig seine Überlegenheit betonte, dürfte zu den wichtigsten Gründen dafür zu zählen sein, daß zwischen den beiden Gesandten kein kollegiales Verhältnis zustande kam.
[p. LXX]
[scan. 70]
D’Avaux und Servien reisten zunächst nach Den Haag, wo sie die Allianz mit den Generalstaaten erneuern und sich mit den niederländischen Verbündeten über ein gemeinsames Konzept für die Friedensverhandlungen einigen sollten
. Servien fühlte sich von Anfang an gegenüber seinem Kollegen benachteiligt, der als Primus der Gesandtschaft das Wort und die Feder führte
D’Avaux an Mazarin, Den Haag 1643 Dezember 26, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 24 fol. 322–327, auch für das Folgende.
. Er verlangte daher von d’Avaux, dieser möge ihm die Abfassung der Berichte an den Hof überlassen, was d’Avaux aber ebenso ablehnte wie den Vorschlag, sich wöchentlich darin abzuwechseln. Als d’Avaux Servien seinerseits anbot, er könne die anderweitige Korrespondenz erledi-gen, lehnte Servien ab. Um Weihnachten 1643 aber trat d’Avaux seinem Kollegen die Federführung ab
In dem Anm. 2 zitierten Brief schreibt er, Servien habe sich am 25. Dezember für die Über-lassung der Federführung bedankt.
, um des lieben Friedens willen, wie er schreibt. Wie es im Einzelnen dazu kam, bleibt ungeklärt.
Als Affront wertete Servien auch die Tatsache, daß die französischen Residenten in Deutschland – fast ausnahmslos Protégés d’Avaux’ – ihre Berichte allein an letzteren richteten
Servien an Brienne, [Den Haag] 1644 Februar 16, eigenhändiges Konzept:
AE
,
CP
Holl. 27 fol. 272–277’.
. Seine diesbezügliche Beschwerde wies d’Avaux scharf zurück
. Einen weiteren Anlaß zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gesandten lieferte Madame Servien, die als
Madame l’Ambassadrice den gleichen gesellschaftlichen Rang für sich forderte, wie ihn ihr Mann besaß. So erwartete sie, daß die Prinzessin von Oranien sie als gleichrangig behandeln und ihr nach der Ankunft in Den Haag die erste Visite abstatten werde, was jene aber strikt ablehnte
Wie Anm. 4, auch für das Folgende.
. Um Komplikationen zu vermeiden, gab der Prinz von Oranien zum Empfang der Gesandtschaft ein Gastmahl ohne Damen. D’Avaux richtete seine Gegeneinladung jedoch auch an die niederländischen Damen, was zur Folge hatte, daß Madame Servien als einzige davon ausgeschlossen blieb. Servien beklagte sich bitter bei Brienne und bat ihn in einem sieben Punkte umfassenden Memorandum
Undatiertes Memorandum Serviens an Brienne als Beilage zu dem Anm. 4 zitierten Brief, eigen-händiges Konzept:
AE
,
CP
Holl.
27 fol. 278–278’. Lemma: Articles sur lesquelz le Sieur Servien suplie très humblement Monsieur le Comte de Brienne de faire régler Mon-sieur d’Avaux et luy pour éviter les contestations qui pourroient arriver entre eux.
um bindende Vorschriften, die solche Alleingänge d’Avaux’ in Zukunft verhindern sollten.
Die erste Auseinandersetzung politischer Art entzündete sich an dem Einsatz d’Avaux’ für die niederländischen Katholiken, für die er in seiner Abschiedsrede vor der Versammlung der Generalstaaten um mildere und gerechtere Behandlung bat
. Servien selbst nannte diesen Vorfall
l’origine de mes maux
, und zwar insofern mit Recht, als die in diesem Zusammenhang zum Ausbruch gekommene Feindseligkeit, das gegenseitige Mißtrauen und das ständige Bemühen, dem jeweils
[p. LXXI]
[scan. 71]
anderen einen Fehler nachzuweisen, fortan den Bodensatz bildeten, der die Beziehungen zwischen beiden nachhaltig vergiftete und keinerlei Kollegialität aufkommen ließ. Verfolgt man in der Korrespondenz des Jahres 1644 die Auseinandersetzungen bis ins Einzelne, so muß man Brienne zustimmen, der in seinen Memoiren schrieb, allein die Tatsache, daß d’Avaux eine bestimmte Meinung vertreten habe, sei für Servien Grund genug gewesen, die Gegenposition zu vertreten
.
Wie die zunächst mündlich geführte Auseinandersetzung in Den Haag verlief, bleibt unbekannt. Erst am 15. März 1644 – d’Avaux war am 9. März nach Münster abgereist – berichtete Servien an Brienne, es sei bedauerlich, daß d’Avaux seinen Einsatz für die Katholiken nicht vorher abgesprochen habe, man hätte sonst vielleicht einen Modus finden können, der weniger Aufsehen erregt und damit weniger Schaden angerichtet hätte
Servien an Brienne, Den Haag 1644 März 15, Ausfertigung:
AE
,
CP
All.
32 fol. 35–38’, hier fol. 35’-36: ... cet article ne nous estant point précisément ordonné par noz in-structions, Monsieur d’Avaux pouvoit bien nous
[i. e. Servien und La Thuillerie] faire la faveur de nous en communicquer auparavant comme je pourrois dire que c’estoit le debvoir et la raison, nous eussions peult estre treuvé une voye qui eust faict moins d’esclat et par conséquent moins de préjudice.
. Brienne versuchte offensichtlich zunächst, eine Verschärfung zu vermeiden; zwar bedauerte er das unkluge Vorgehen d’Avaux’, wollte ihn aber nicht ausdrücklich tadeln mit der Begründung, für einen Mann wie d’Avaux genüge es bereits, wenn man nicht lobe, was er getan habe
. Doch als Mazarin mit Schreiben vom 9. April
d’Avaux sein Mißfallen darüber aussprach, daß er sich nicht wenig-stens vorher mit Servien beraten habe, setzte sich d’Avaux dagegen zur Wehr mit der Behauptung, Servien und La Thuillerie hätten seinem Vorhaben formell zugestimmt
In
[nr. 60 S. 113:]
Monsieur Servien et Monsieur de La Thuillerie ont consenti formelle-ment à l’instance qui a esté faitte en Holande en faveur des Catholiques.
. Er brachte damit eine Lawine ins Rollen, in die alles, worüber man verschiedener Meinung sein konnte, mit hineingerissen wurde und die nur zögernd Ende August zum Stillstand kam, nachdem die beiden Gesandten mehrfach scharf zurechtgewiesen worden waren. Beide Kontrahenten blieben in immer neuen Schreiben nach Paris bei ihren Behauptungen. Servien verschärfte die Lage Ende Juni durch eine unmittelbar an d’Avaux gerichtete Anklageschrift
, auf die d’Avaux ebenso scharf antwortete
und damit wiederum eine harte Replik Serviens herausforderte
; eine Kopie der letzteren umfaßt nicht weniger als 198 Seiten
AE
,
CP
All.
30 fol. 42–140’.
!
Wer von den beiden nun die Wahrheit sagte, kann nicht mehr geklärt werden, zumal La Thuillerie sich in seinen Berichten nach Paris zu diesem Punkt nicht äußert. Auf jeden Fall werden in dieser Auseinandersetzung Differenzen in der politischen Grundhaltung der beiden Gesandten offenbar: D’Avaux, der doch in den gerade abgeschlossenen Verhandlungen ausreichend Gelegenheit gehabt hatte, das Selbst-
[p. LXXII]
[scan. 72]
bewußtsein der Niederländer kennenzulernen, hielt es angesichts der Not der nieder-ländischen Katholiken, die ihm mehrmals vorgetragen wurde
In
AE
,
CP
Holl. 30 finden sich Kopien zweier undatierter Memoranden nicht näher identifizierter niederländischer Katholiken: 1. fol. 170–171, an die Königin gerichtet, von anderer Hand am Kopf datiert auf Januar 1644; 2. fol. 502–502’, an Brienne gerichtet, von anderer Hand datiert auf 31. März 1644. In beiden Schriftsätzen bitten die Aussteller um Intervention bei den General-staaten und schildern die Verfolgungen, denen sie ausgesetzt sind. Vgl. dazu auch d’Avaux in nr. 77 S. 152f.
, trotzdem für seine selbstverständliche Pflicht, als Vertreter des Rex Christianissimus demonstrativ vorstellig zu werden. Servien beurteilte die Angelegenheit lediglich nach der politischen Zweckmäßigkeit und kam mit Recht zu dem Schluß, daß Frankreich sich in der gegenwärtigen Lage darauf beschränken müsse, im Stillen an der Verbesserung der Situation der Katholiken zu arbeiten
. Schließlich mißtrauten die Generalstaaten ihren katholischen Bürgern zutiefst, weil sie sie für Anhänger Spaniens hielten
F.
Ogier S. 33, schätzt den Anteil der Katholiken an der niederländischen Bevölkerung auf ⅓. Er berichtet, daß d’Avaux bereits während der Anreise nach Den Haag in Dordrecht von katho-lischen Geistlichen um Schutz vor Verfolgungen gebeten worden war;
ebenda S. 24f. Zur Si-tuation der Katholiken vgl.
W. P. C.
Knüttel, De Toestand I S. 151–159.
, und andererseits konnte Frankreich nicht daran gelegen sein, den Bündnispartner zu ver-ärgern, mit dem man ohnehin nur schwer zu einer Allianzerneuerung gekommen war und bisher noch keine endgültige Einigung über die Zusammenarbeit beim Friedens-kongreß erreicht hatte.
Die zwischen d’Avaux und Servien ausgetauschten Streitschriften handelten mit Anklagen und Bezichtigungen, Rechtfertigungen und Gegenanklagen auch alle anderen bis Juli/August 1644 aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten ab, die hier nur so weit referiert werden sollen, wie es zur Charakterisierung der eigentlichen Streitgründe notwendig erscheint. Die Monate April und Mai hindurch lieferte d’Avaux’ Rede vor den Generalstaaten den Stoff für wiederholte gegenseitige Anschuldigungen. Eine neue Gruppe von Streitpunkten taucht in den Berichten Serviens von Anfang Juni auf. Es handelt sich um Meinungsverschiedenheiten bezüglich diplomatischer Formen, und man erkennt gerade hierbei, wie wenig Bereitschaft zur Zusammenarbeit bei beiden vorhanden war, aber auch wie wenig eingespielt und selbstverständlich der diplomatische Umgang überhaupt zu dieser Zeit war. Servien führte vier umstrittene Punkte an
: 1. Die Titulatur des Königs in französischen und nur von den französischen Gesandten unterzeichneten Schriftstücken wie z. B. in Pässen. War der König darin
Roy Trèschrétien zu nennen oder
Roy schlechthin, wie Servien meinte? 2. Die Bezeich-nung des Königs in lateinischen und solchen Schriftstücken, die von anderen Gesandten mitunterzeichnet werden sollten. Sollte er dort als
Rex Christianissimus bezeichnet werden, ein Titel, den der französische König in allen an ihn gerichteten Schreiben erhielt, oder sollte er, was Servien wollte,
Sacra Regia Maiestas genannt werden, analog zur Benennung des Kaisers als
Sacra Caesaraea Maiestas
Servien begründete seinen diesbezüglichen Standpunkt noch einmal in einem Schreiben an Brienne, Münster 1644 Juli 23, Kopie:
AE
,
CP
All. 29 fol. 390–391’.
? 3. Man war
[p. LXXIII]
[scan. 73]
sich nicht einig über die dem schwedischen Residenten Rosenhane zu erweisenden Kurialien und 4. ebensowenig über die Form, in der bei Festlichkeiten Trinksprüche auszubringen seien. Bei kollegialem Arbeitsklima hätte man für diese Fragen in sachlicher Form die Weisungen des Hofes eingeholt. Serviens Bericht dagegen gleicht schon mehr einer Anklage, und durchgehend schwingt die Verdächtigung mit, d’Avaux achte nicht darauf, daß seinem königlichen Herrn die gebührende Ehre erwiesen werde, ja er beeinträchtige durch seine Nachgiebigkeit sogar das Ansehen des Königs. Daß unter diesen Umständen d’Avaux’ Argumentation zu Punkt 2, die Bezeichnung
Sacra Regia Maiestas sei in Deutschland nicht üblich und auch kein gutes Latein, nicht gerade auf fruchtbaren Boden fiel, erscheint einleuchtend, ebenso aber auch, daß d’Avaux gekränkt war, weil seine jahrelange Erfahrung und sein diplomatisches Geschick angezweifelt wurden. Durch königliche Order vom 14. August 1644
wurden die ersten drei Punkte entschieden, Punkt 1 und 2 im Sinne Serviens, der dritte nach der Auffassung d’Avaux’; der vierte wurde nicht wieder erwähnt.
Was Servien dazu bewog, die Auseinandersetzung schriftlich fortzusetzen und dadurch zu verschärfen, bleibt unausgesprochen. Zwar begründete er sein Vorgehen damit, er wolle eine eventuell im Ton schärfere mündliche Auseinandersetzung ver-meiden
... pour éviter la chaleur qui accompagne quelquefois le discours ...;
nr. 151 S. 298.
, doch drängt sich der Verdacht auf, daß er sich hier ein – auch anderweitig verwendbares – Dokument schaffen wollte, mit dem er d’Avaux’ Unzuverlässigkeit und Unfähigkeit beweisen konnte. Daß dieser Beweis – und letztlich die Abberufung d’Avaux’ – sein eigentliches Ziel war, geht aus Serviens Korrespondenz mit seinem Neffen Lionne eindeutig hervor
, und d’Avaux hat es auch so verstanden. In einem seiner Briefe
beschuldigte er seinen Kollegen, er habe wichtige und im Interesse des Königs notwendige Dinge trotz wiederholter Hinweise unterlassen oder unverant-wortlich verzögert. Alles, was er bisher zustande gebracht habe, wie seine Rede in Holland und das Invitationsschreiben an die Reichsstände
D’Avaux und Servien an die Fürsten und Stände des Reiches, Münster 1644 April 6, Kopie als Beilage zu
[nr. 51] ; vgl.
[S. 99.] Druck:
Nég.
secr. I S. 247–250;
Gärtner II S. 632–638,
Meiern I S. 219
–222. Servien behauptete in diesem Zusammenhang, die Reaktion der Kaiserlichen wäre nicht so scharf, wenn d’Avaux die von ihm vorgeschlagenen Änderungen der Formulierung akzeptiert hätte. Konzepte des Invitationsschreibens wurden nicht ermittelt.
, habe nur Unheil ange-richtet. Zur Regelung der weiteren Zusammenarbeit schlägt er vor, künftig alle anfallenden Entscheidungen sofort zu treffen, bei sachlichen Differenzen die Ent-scheidung dem Hof zu überlassen und im übrigen ein Journal zu führen, worin die jeweiligen Standpunkte zu wichtigen Fragen festzuhalten seien. Charakterisieren die von Servien höflich und scheinbar sachlich vorgetragenen Sach-verhalte d’Avaux als einen unfähigen und unkollegialen Mann, der seine Stellung als primus inter pares mißbraucht, um seinen ungeliebten Kollegen wie einen Untergebenen zu behandeln, so wird aus der im Ton schon wesentlich schärferen Replik d’Avaux’ vom 6. Juli
deutlich, daß zumindest einzelne Punkte nachträglich in den Konflikt
[p. LXXIV]
[scan. 74]
hineingezogen worden sind, daß es hier nicht in erster Linie um sachliche Differenzen ging, sondern aus persönlichen Gründen jede sich bietende Gelegenheit ergriffen wurde, den Kollegen ins Unrecht zu setzen. In einem Punkt der Auseinandersetzung werden aber auch politisch relevante Differenzen offenbar. D’Avaux lehnte es ab, in eine schriftliche Erklärung an die Mediatoren
zwei von Servien vorgeschlagene Forderun-gen aufzunehmen: 1. Die kaiserlichen und spanischen Gesandten sollten in den erneuer-ten Vollmachten nicht nur als
Plénipotentiaires, sondern auch als
Ambassadeurs bezeichnet werden; andernfalls müßten sie im Rang den französischen Gesandten, die beide Titel führten, den Vortritt lassen. 2. Kaiserliche und Spanier dürften in den neuen Vollmachten keine Staaten nennen, die ihnen nicht gehörten und die gegen-wärtig nicht in ihrer Hand seien. Servien hätte damit einen Kurs scharfer Konfronta-tion eingeschlagen zu einer Zeit, als man sich noch im Vorfeld der eigentlichen Friedensverhandlungen bewegte, und mit großer Wahrscheinlichkeit wären selbst die ersten Kontakte zum Erliegen gekommen. D’Avaux ließ es sich nicht nehmen, seinem Kollegen nun auch schriftlich die Unklugheit dieser Forderungen vor Augen zu führen
In
[nr. 158 S. 325f.] Mit nr. 166 sandte d’Avaux eine Kopie der umstrittenen Erklärung an Brienne, ebenso den Entwurf Serviens.
, und sandte Kopien beider Streitschriften nach Paris
. Gleichzeitig bat er eindringlich, man möge ihn von Servien trennen, mit dem gemeinsam er dem König nicht nutzbringend dienen könne:
Ce n’est pas un collègue que j’ay, c’est un maistre, un espion, un accusateur
.
Serviens Replik vom 6. August 1644
fiel ungleich schärfer – und länger – aus. Innerhalb von zehn Tagen hatte er ein je nach Schriftgröße der verschiedenen Kopisten bis zu 200 Seiten starkes Schriftstück verfaßt; seine Sekretäre waren bis
6. August nicht in der Lage, noch eine Kopie für Lionne anzufertigen
. Aus Furcht, d’Avaux könne die Annahme verweigern, schickte er ihm das Schreiben mit der Amsterdamer Post zu, so daß d’Avaux es erst am 10. August in Händen hatte
. Servien geht darin auf alle strittigen Themen nochmals ausführlich ein, begründet jeweils seinen Stand-punkt und weist die von d’Avaux erhobenen Vorwürfe scharf zurück. Mit Spott und Ironie überhäuft er seinen Kollegen und versucht, ihn lächerlich zu machen; insgesamt ein scharfzüngiges Pamphlet, wie man es sich beleidigender kaum vorstellen kann. D’Avaux, aufs Äußerste aufgebracht, bezeichnete es als
un gros cahier d’injures ou plustost un libelle diffamatoire
und bat die Königin, Mazarin und Brienne wiederum inständig in fünf Briefen innerhalb von zwei Wochen darum, ihn von Servien zu trennen, gleichgültig ob er oder sein Gegner abberufen werde
Vgl.
[nr. 204] ,
[ 215] und
[217] ; desgleichen d’Avaux an Mazarin, Münster 1644 August 13, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 38 fol. 74–75, und Münster 1644 August 19, Ausfertigung:
ebenda fol. 87–87’.
. Als Servien vor der
[p. LXXV]
[scan. 75]
nächsten gemeinsamen Beratung von d’Avaux die Versicherung verlangte, er werde sein
ressentiment nicht zum Ausdruck bringen, und d’Avaux ihm lediglich ant-worten ließ, er habe sich auch bisher stets höflich verhalten, brach Servien jeden Kon-takt ab
.
Scharfe Verweise aus Paris
, die am
27. August in Münster eintrafen, veranlaßten die beiden Kontrahenten, sich umgehend formell auszusöhnen
. Aber der Konflikt schwelte weiter, weil d’Avaux sich eine Rechtfertigung gegen das letzte Schreiben Serviens ausdrücklich vorbehielt und sie in einem Memorandum nach Paris sandte
. Um zukünftige Auseinandersetzungen über Federführung und Inhalt der Berichte zu verhindern, beschloß man in Paris die Ernennung eines unparteilichen und vom König zu entlohnenden Gesandtschaftssekretärs. D’Avaux und Servien einigten sich weder über die Person noch über die notwendige neue Geschäftsordnung, erklärten sich aber schließlich mit der Ernennung Brassets
Brasset war französischer Resident bei den Generalstaaten und versuchte ohne Erfolg, sich dieser Ernennung für Münster zu entziehen.
einverstanden, die Anfang Dezember erfolgte
Ludwig XIV. an d’Avaux und Servien, Paris 1644 Dezember 3, Kopie:
AE
,
CP
All. 34 fol. 321.
.
Lediglich in den Monaten September und Oktober des Jahres 1644 wickelten sich die Beziehungen zwischen den beiden französischen Gesandten wenigstens der Form nach in normalen Bahnen ab. Servien glaubte, auch in Zukunft werde man wohl miteinander auskommen, nachdem d’Avaux erkannt habe, daß sein Einfluß bei Hof doch nicht allzu groß sei
, ein deutlicher Hinweis auf den persönlichen Hintergrund der ständigen Konflikte. Bereits Mitte Oktober tauchte wieder die alte Streitfrage über die Titulatur des Königs in lateinischen Schriftstücken auf
, als ein weiteres Invitationsschreihen an die Reichsstände vorzubereiten war. Servien, der sich auf eine diesbezügliche Pariser Weisung berufen konnte
, ließ es schließlich zum Eklat kommen und schrieb selbstän-dig und ohne die Zustimmung d’Avaux’ am 18. Dezember an den Frankfurter Deputationstag
. Anfang November weigerte sich d’Avaux, in Zukunft von Servien konzipierte Berichte zu unterzeichnen, da er ihn verdächtigte, er wolle die Ernennung des Gesandtschaftssekretärs verzögern oder ganz verhindern
. Ende November distan-zierte er sich von einer bereits geleisteten Unterschrift wegen sachlicher Differenzen
: Er warf Servien vor, die Umstände beim Zustandekommen einer mit den Kaiserlichen und Spaniern am 20. November ausgetauschten Erklärung
nicht wahrheitsgetreu dar-gestellt zu haben. Zum andern kam das früher schon berührte Problem wieder zur
[p. LXXVI]
[scan. 76]
Sprache, daß die kaiserlichen und spanischen Gesandten mit ihrem Titel
Plenipoten-tiarii nach Serviens Meinung im Rang den französischen nachzuordnen seien. Schließ-lich war d’Avaux nicht mit Serviens Vorschlag einverstanden, ein Allianzgesuch des Königs von Dänemark rundweg abzuweisen, und stieß sich vor allem an den verächt-lichen Formulierungen, die Servien in diesem Zusammenhang gebrauchte
. Der aus-führlichen Darstellung der verschiedenen Standpunkte in der Korrespondenz
ist hier nichts weiter hinzuzufügen. Insgesamt ergibt sich, daß sich die Auseinandersetzung damit mehr auf politische Fragen verschob. Wie sehr das Persönliche, die durch Miß-trauen und Abneigung gestörte und komplizierte Zusammenarbeit, weiterhin den wich-tigsten Katalysator lieferte, wird aus folgendem Vorfall deutlich: Im Zusammenhang mit der Formulierung der oben erwähnten Erklärung sandte d’Avaux Servien am 19. November abends einen neuen Formulierungsvorschlag mit der Bitte um Bescheid vor 10 Uhr des nächsten Morgens. Diesen Termin hielt Servien aus ungeklärten Gründen nicht ein; später behauptete er, er sei ihm nicht mitgeteilt worden. Da die Vermittler an diesem Vormittag die Erklärung den Kaiserlichen und Spaniern über-bringen wollten und bis 10 Uhr keine Einwände von französischer Seite erhoben wurden, hielten sie den Vorschlag für akzeptiert und überbrachten ihn.
Den ganzen Dezember hindurch konnten sich d’Avaux und Servien nicht dazu ent-schließen, gemeinsam nach Paris zu berichten und reduzierten offensichtlich ihre Kontakte auf ein Minimum. Servien scheute sich nicht, sein schlechtes Verhältnis zu d’Avaux auch in der Öffentlichkeit zu demonstrieren, was immer neue Beschwerde-briefe beider Seiten nach Paris provozierte
. Selbst bei der Abfassung der ersten Proposition vom 4. Dezember 1644, die doch die eigentlichen Friedensverhandlungen eröffnen sollte, kam es nicht zu sinnvoller gegenseitiger Ergänzung: Den von d’Avaux gewünschten – und von Paris und den Verhandlungspartnern in der Folge gleicher-maßen verurteilten – Zusatz zur Proposition, man werde vor der Freilassung und Restitution des Kurfürsten von Trier nicht weiterverhandeln, fand Servien zwar bedenklich, nahm ihn aber dann doch in die Proposition auf, um die Sache nicht zu verzögern
. Bis zum Jahresende 1644 konnten sie sich nicht über die Formulierung der noch ausstehenden Invitationsschreiben einigen und setzten die Streitigkeiten auch im neuen Jahr unvermindert fort.
Die Auseinandersetzungen zwischen d’Avaux und Servien lieferten dem Pariser Hofklatsch laufend neue Nahrung. Kopien der Streitschriften kursierten im Kreis der jeweiligen Verwandten und Bekannten, „le tout Paris“ sprach darüber, Gerüchte breiteten sich aus und machten vor den persönlichsten Dingen nicht halt. Servien mußte z. B. energisch die Unterstellung dementieren, er habe von einer Krankheit d’Avaux’ behauptet,
qu’elle procède d’une autre plus dangereuse dont luy ny les siens ne se pourroient pas déffaire aisément
. Die Reaktion des Hofes und hier vor allem das maßgebliche Urteil Mazarins bestand vorwiegend aus gereizter Verärgerung
[p. LXXVII]
[scan. 77]
über die Gesandten in Münster; beide erhielten strenge Verweise, wobei diese je nach Sachlage einmal für diesen, bald für jenen schärfer ausfielen. Den Vorteil, den Servien durch den Einfluß Lionnes erhoffen konnte, versuchte Mazarin offensichtlich etwas zu neutralisieren, indem er nicht Lionne mit der Konzipierung der an d’Avaux gerichteten Verweise beauftragte, sondern Chavigny, der als Sekretär des Äußeren stets ein gutes Verhältnis zu d’Avaux gehabt hatte
Chavigny konzipierte
[nr. 32] ,
[ 89] ,
[ 107] , ferner Verweise Mazarins an d’Avaux vom 3. September 1644, Konzept:
AE
,
CP
All. 38 fol. 107; vom 10. September, Konzept:
ebenda fol. 123–123’, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 28 fol. 105–105’; vom 16. Dezember 1644, Konzept:
AE
,
CP
All. 38 fol. 326–327, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 28 fol. 239–240. Auch die an beide Gesandte gerichteten Verweise in nr. 199 und nr. 229 sind von Chavigny konzipiert.
. Was die Form der Aus-einandersetzungen betraf, verurteilte er beide gleichermaßen
, neigte aber im Herbst 1644 schon dazu, die größere Schuld bei d’Avaux zu suchen
Silhon, ein Sekretär Mazarins, teilte d’Avaux mit Schreiben vom 4. September 1644 im Auf-trag Mazarins mit, die an beide Gesandte gerichtete Zurechtweisung in nr. 229 beziehe sich hauptsächlich auf ihn, d’Avaux; Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 28 fol. 104–104’.
. Daß dies hauptsächlich Lionnes Strategie zuzuschreiben ist, kann nach Kenntnis seines Briefwechsels mit Servien nicht bezweifelt werden. Seine Vertrauensstellung ermöglichte es ihm, Briefe Serviens zurückzuhalten, wenn es ihm opportun erschien
Lionne an Servien, Paris 1644 Februar 13, Ausfertigung:
AE
,
CP
All.
26 fol. 57–57’.
, oder zu entschärfen, wie er es mit der Kopie der letzten Streitschrift Serviens gegen d’Avaux tat
. Über die an beide Gesandte gerichteten Schreiben hinaus erhielt Servien genaue Informationen über Äußerungen Mazarins
, detailliertere Angaben zu dessen Weisungen
und Ende September einmal auch eine gemeinsam auszuführende Weisung Mazarins, von der d’Avaux keine Kenntnis erhielt
Mazarin verlangte, daß die Gesandten im nächsten Bericht nach Paris zur Ablehnung jedes weiteren Verhandlungsangebots des Herzogs von Lothringen raten sollten;
[vgl. nr. 255 S. 522.]
. So sehr Servien aus seiner Verbindung über Lionne zu Mazarin Nutzen zu ziehen verstand, brachte ihn diese Anweisung doch in Verlegenheit; denn wie sollte er in diesem Fall vermeiden, daß d’Avaux den Gang der Dinge durchschaute
? So bat er denn Lionne, man möge ihm Weisungen, die er zusammen mit d’Avaux ausführen müsse, nicht in Privatbriefen mitteilen
. Die geforderte Stellungnahme erfolgte zwar in einem Schreiben an Mazarin
, nicht aber in dem Bericht an Brienne vom gleichen Tag
, und es ist nicht bekannt, ob sie im Conseil vorgetragen wurde, was wohl Mazarins Absicht gewesen war.
Lionne nahm darüber hinaus starken Anteil an dem Intrigenspiel Serviens gegen d’Avaux. Er riet ihm unter anderem, Brégy gegen Saint Romain aufzubringen, der
[p. LXXVIII]
[scan. 78]
eine Kreatur d’Avaux’ sei, und ihn so für sich zu gewinnen
. Im Juli gab er Saint Romain, der sich zu dieser Zeit in Paris aufhielt, zu verstehen, die Streitigkeiten zwischen d’Avaux und Servien müßten auf jeden Fall beigelegt werden; an eine Abberufung sei nicht zu denken, eher an die Entsendung eines dritten Gesandten. Dabei nannte er den Marschall d’Estrées, der sonst in diesem Zusammenhang nie erwähnt wurde, nach eigenem Bericht nur, um d’Avaux Angst einzujagen, der dem Marschall den Vortritt hätte lassen müssen und ihn allein schon deshalb zur Servien-Partei gerechnet hätte, weil der Vorschlag von Lionne kam
. Er verzögerte die Abreise Saint Romains aus Paris, der die Post mit den strengen Befehlen zur Aus-söhnung überbringen sollte, solange er irgend konnte, damit Servien Zeit zu einer Replik auf das Schreiben d’Avaux’ vom 6. Juli blieb, und er riet Servien, Guido del Palagio, einen gentil huomo Chigis, durch Geschenke für sich zu gewinnen, weil dieser in Schreiben an Mazarin sich günstig über d’Avaux geäußert hatte
. Lionne wies seinen Onkel auch auf Fehler hin und kritisierte z. B. an dessen Schreiben an d’Avaux vom 6. August einige Unvorsichtigkeiten
. Er hielt ihn dazu an, dem von Mazarin konzipierten Plan einer italienischen Liga unter französischer Führung zuzustimmen, obwohl er selbst ihn ablehnte, und d’Avaux in die Falle laufen zu lassen
. Bereits mit Schreiben vom 21. und 24. Dezember 1644 informierte er ihn von der Kritik, auf die die französische Proposition vom 4. Dezember in Paris gestoßen war
, früher als Brienne, dessen erste Kritik vom 27. Dezember datiert
.
Gegen so wertvolle Schützenhilfe konnte d’Avaux auf die Dauer kaum bestehen, obwohl Servien noch im November 1644 den offensichtlichen Rückhalt beklagte, den d’Avaux in Paris genieße – und dabei perfider Weise andeutete, es handle sich unter Umständen um Gegner Mazarins
. Lionne war sich seiner Sache weit sicherer, er mag abschließend zu Wort kommen. Schon im Juli schrieb er in diesem Zusammen-hang an Servien: L’advantage ne laissera pas d’estre tousjours plus de nostre costé, parce que je suis à la source et que j’ay la main à la plume et toutes les commoditéz de l’oreille du maistre
.
Im Dezember riet er Servien, künftig sich nicht mehr in Münster mit d’Avaux auseinanderzusetzen, sondern ihm, Lionne, ausführlich zu berichten und alles Weitere zu überlassen, und er versichert: ... je jouerois Monsieur d’Avaux comme j’ay faict en Hollande, et cela d’autant plus dangereusement pour luy qu’il ne paroistroit pas que vous eussiez pris garde à la pluspart de ses impertinences
.
[p. LXXIX]
[scan. 79]
6. Geschäftsgang und Postverbindungen
Zur Charakterisierung der Amtsführung Richelieus bemerkt
G.
Pagès, es handle sich um eine Zeit, in der die Institutionen sehr geringes Gewicht gehabt und in der de facto die Personen den Ausschlag gegeben hätten
G.
Pagès,
Les institutions S. 40: ... où les institutions comptent très peu, où en réalité, les personnes comptent seules.
. Daß dies in noch höherem Maße für die Amtsführung Mazarins gilt, deutet
Pagès ebenfalls an
, und die relativ spärlichen Informationen, die uns die Kongreßkorrespondenz zu dieser Frage liefert, bestätigen es in vollem Umfang. So wie das Maß der Kompetenzen aber weitgehend von der Person Mazarins gesetzt wurde, verwischten sich die Grenzen des an sich fixierten Geschäftsgangs, was dem heutigen Aktenbenutzer das Auffinden der ver-schiedenen Überlieferungsformen eines Schriftstücks oft erschwert. Aufgaben und Kompetenzen des für die Außenpolitik zuständigen Staatssekretärs
(Secrétaire d’Etat) legte ein sogenanntes
Règlement fest, das Ludwig XIII. am 11. März 1626 erlassen hatte
O. A.
Ranum,
Richelieu and the Councillors S. 53; zum Folgenden S. 52–58. Grundlegende Untersuchungen zu Geschichte und Funktion des Rates liefert R.
Mousnier,
Le Conseil;
ders.,
L’évolution;
ders.,
Le Conseil du Roi.
. Während vorher die außenpolitischen Kompetenzen unter vier Staatssekretären nach geographischen Gesichtspunkten aufgeteilt waren, erfolgte nun eine Aufgabenteilung nach Sachgebieten, wenigstens was das Sekretariat für Kriegswesen und das für Außenpolitik betraf. Das bedeutete, daß die gesamte an den Hof gerichtete Korrespondenz der im Ausland tätigen französischen Geschäfts-träger und der auswärtigen Fürsten im Büro des Außensekretärs zusammenlief, der sie weiterleitete bzw. darüber im sogenannten
Conseil d’en haut berichtete, die Ausgänge vorbereitete und nach der Beratung selbst ausfertigte sowie Schreiben des Königs oder der Königin gegenzeichnete. Der nach diesem
Règlement mögliche Grad der Einflußnahme des Sekretärs auf die Außenpolitik hing stets von der Position des Premierministers ab und von seiner Beziehung zum König. Chavigny gelang es unter Richelieu nicht, alle Berichte über seinen Schreibtisch laufen zu lassen
Vgl. O. A.
Ranum,
Richelieu and the Councillors S. 57f.
, und Brienne erscheint bereits zwei Jahre nach Mazarins Amtsantritt als reiner Befehlsempfänger. Er konzipierte zwar Weisungen an die Gesandten in Münster gemäß den Beschlüssen des
Conseil und unterzeichnete die Ausfertigungen; in seinem Büro wurden auch in der Regel die königlichen Schreiben entworfen und ausgefertigt. Doch bereits für die letzteren belegt der Aktenbefund
Das Konzept von nr. 105, Königin Anne an d’Avaux, Paris 1644 Mai 14, stammt von Lionne; ferner das Konzept von nr. 192, Memorandum des Königs für d’Avaux und Servien, Paris 1644 August 6, sowie die Konzepte zweier Memoranden zur französischen Proposition vom 4. De-zember: 1. Königliches Memorandum, Paris 1645 Januar 1; Stichworte Mazarins:
AE
,
CP
All. 43 fol. 25–26’; Konzept Lionnes:
AE
,
CP
All. 43 fol. 21–24 und 501–506; Rein-schrift mit Korrekturen Lionnes:
AE
,
CP
All. 43 fol. 13–20’; Druck:
Nég.
secr. II, 2 S. 3–8;
Gärtner IV S. 6–26. 2. Königliches Memorandum, Paris 1645 Januar 4. Konzept Lionnes:
AE
,
CP
All. 43 fol. 27–29’; Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 54 fol. 16–19’. Lionne konzipierte nach eigener Aussage auch nr. 30, Königin Anne an d’Avaux und Servien, Paris 1644 April 9; so Lionne an Servien, Paris 1644 April 2, nr. 26 S. 49, und nach nr. 131 – vgl. S. 249 – mit großer Wahrscheinlichkeit auch nr. 101, das königliche Memorandum vom 14. Mai 1644; vgl. S. 195–199.
, daß Lionne, der Sekretär Mazarins, die Konzepte
[p. LXXX]
[scan. 80]
besonders wichtiger Weisungen und Memoranden verfaßte, ein offener Verstoß gegen das königliche
Règlement und ein Affront gegen Brienne, der sich darauf beschränkt sah, diese Konzepte in seinem Büro ins Reine schreiben zu lassen und nach dem König bzw. der Regentin zu unterzeichnen.
Mazarin versuchte sogar, dieses Verfahren zu institutionalisieren: Im Büro des Kanzlers sollte ein Gremium, dem auch Brienne angehören würde, zur Beratung und Abfassung der nach Münster gehenden Schreiben zusammentreten, was jedoch an dem scharfen Protest Briennes scheiterte
. Offensichtlich hielt Mazarin Brienne für unfähig; Lionne berichtete Ende April 1644 an Servein, Mazarin scheine wegen der
foiblesse de M. de Brienne dazu zu neigen, Chavigny stärker zu seiner Entlastung heranzuziehen
, den Vorgänger Briennes also, der sein Amt zwar hatte abtreten müssen, aber zu dieser Zeit noch über den Verkaufspreis verhandelte
Vgl. O. A.
Ranum,
Léon Bouthillier, comte de Chavigny, und
[S. 14 Anm. 3] .
. Der Premier-minister korrespondierte auch je nach Notwendigkeit ungeachtet des königlichen
Règlements selbst mit den französischen Gesandten im Ausland und empfing von ihnen Berichte, wobei Brienne oft, aber offensichtlich nicht immer eine Kopie erhielt. Daß das Eingreifen Mazarins manchmal sogar zur Klärung der Anweisungen Briennes an die Gesandten nötig war, wird verständlich, wenn man seinen verklausu-lierten Stil, die zum Teil unklaren Formulierungen und den unübersichtlichen Aufbau seiner Schreiben betrachtet. Und wenn Mazarin schon mit ihm zusammenarbeiten mußte, so erwartete er doch, wie Lionne berichtet, von seinen Gesandten, daß sie wohl zu unterscheiden wüßten, wessen Weisungen die ausschlaggebenden seien
Vgl. die Beilage zu
[nr. 131, S. 249] ; Mazarin zu Lionne:
Vous sçavez quel soulagement je puis recevoir de Monsieur de Brienne. Je voudrois bien pour le moins qu’ilz [
i. e. d’Avaux und Servien] cogneussent quand les choses qui sont escriptes viennent de luy ou de moy.
. Wie selbst-verständlich persönlicher Einfluß die mit der Institution verbundene Kompetenz überspielen konnte, zeigt auch ein Versuch Emérys, durch eine Neuregelung des Geschäftsganges Brienne und Chavigny von allen Entscheidungen auszuschließen. Eméry war
Contrôleur général des finances und damit zweiter Mann an der Spitze der Finanzverwaltung nach dem
Surintendant des finances
. Von seinem Arbeitsgebiet her besaß er weder die Kompetenz noch ein sachlich begründbares Interesse, auf die Amtsführung Briennes irgendwelchen Einfluß zu nehmen. Außerdem brachten ihm die beginnenden Steuerunruhen, die ihn schließlich 1648 sein Amt kosteten, so viele Sorgen ins eigene Haus, daß man derartige Bemühungen mit Ver-wunderung registriert. Aber er suchte – übrigens vergebens – Anschluß an die im Entstehen begriffene Machtkonstellation Lionne-Servien, die auf der Vertrauens-stellung Lionnes und der bedingungslosen Ergebenheit Serviens gegenüber Mazarin
[p. LXXXI]
[scan. 81]
basierte. Eméry also schlug folgenden Geschäftsgang vor
Vgl. die Beilage zu nr. 81, Memorandum Lionnes für Servien, Paris 1644 April 30,
[ S. 159f.]
: Lionne solle die Mittwoch morgens ankommende Post sofort dechiffrieren lassen, abends Mazarin Bericht erstat-ten, seine Weisungen für die Beantwortung entgegennehmen und Donnerstag morgens die Antworten konzipieren. Nachmittags sollten dem
Conseil die eingegangenen Schreiben vorgelesen und über die – schon festliegende – Beantwortung beraten werden. Freitag früh sei Brienne dann ein Memorandum zu übergeben, das er unverändert zu chiffrieren, zu unterschreiben und mit der samstags abgehenden Post abzusenden habe. Darüberhinaus regte Eméry an, daß Servien mit den Berichten aus Münster jeweils Vorschläge für deren Beantwortung an Lionne richten solle.
So weit in den Hintergrund gedrängt erscheint Brienne 1644 noch nicht. Doch ergibt eine erste summarische Durchsicht der Kongreßkorrespondenz ab 1645, daß Brienne zunehmend darauf beschränkt wurde, mit kurzen und nichtssagenden Begleitschreiben königliche Memoranden nach Münster zu schicken, die nicht aus seiner Feder stamm-ten.
Auch die Funktion des Kronrates
(Conseil d’en haut) und sein Gewicht im Ablauf der Entscheidungen erscheint recht gering und schon dadurch reduziert, daß auch Mazarin neben Brienne mit den Gesandten korrespondierte; denn nach dem oben erwähnten
Règlement war nur Brienne gehalten, im Rat über die politische Korre-spondenz zu berichten. Mazarin konnte seine Informationen, auch zur Sicherung der Geheimhaltung, zurückhalten oder damit die Entscheidungen des Rates beeinflussen, so z. B. wenn er nach dem erneuten Scheitern der Verhandlungen mit dem Herzog von Lothringen Servien durch Lionne auffordern ließ, im nächsten Bericht von Verhand-lungen mit dem Lothringer auch für die Zukunft abzuraten
, oder wenn er von den Gesandten einen Bericht verlangte, der nötigenfalls geeignet sein sollte, der königlichen und damit seiner eigenen Politik die Unterstützung des Parlaments zu sichern
.
Der Geschäftsgang in der französischen Friedensgesandtschaft in Münster war durch keinerlei besondere Vorschriften fixiert. Alles, was die Hauptinstruktion vom 30. September 1643 den Unterhändlern hierin zur Pflicht machte, war:
... escri-ront souvent ce qu’ilz auront avancé, et recevront les résolutions de Leurs Majestéz ...
. In ordentlichen Gesandtschaften, die von einer einzigen Person geleitet wurden, ergab sich die Geschäftsordnung von selbst. Doch mußte es ohne feste Regelung zu Schwierigkeiten kommen, wenn in außerordentlichen Gesandtschaften, die meist aus mehreren Diplomaten bestanden, zwischen gleichrangigen Personen sachliche oder persönliche Differenzen auftraten. D’Avaux hatte Servien vom Rang her den Titel
Ministre voraus; er wird in der Instruktion nach Longueville, aber vor Servien genannt und in den an beide Gesandten gerichteten Schreiben stets als erster angesprochen. Er führte zunächst auch die Korrespondenz; in seiner Kanzlei ent-standen die Konzepte, die dann oft noch von beiden Gesandten bzw. ihren Schreibern überarbeitet wurden. Vom Januar 1644 an jedoch übernahm Servien schon in Den
[p. LXXXII]
[scan. 82]
Haag die Federführung und behielt sie bis zur Ankunft Brassets im Januar 1645
D’Avaux an Mazarin, Den Haag 1644 Januar 4, Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 30 fol. 11–14’; La Thuillerie an Brienne, Den Haag 1644 Januar 18, eigenhändige Ausfertigung:
AE
,
CP
Holl. 28 fol. 162–163.
. Er konzipierte von nun an – mit wenigen Ausnahmen – die gemeinsamen Berichte nach Paris. D’Avaux’ Sekretär Préfontaine bewahrte aber nach wie vor die Originale der eingehenden Post auf, und d’Avaux’ Schreiber blieben auch weiterhin an den Schreib-arbeiten für die Ausfertigungen beteiligt
Servien an Mazarin, Münster 1644 November 25, Kopie:
AE
,
CP
All.
34 fol. 195–204; fol. 201–201’: Nous estions demeuré d’accord que le Sieur de Préfontaines qui est son [
d’Avaux’] domestique porteroit par l’honneur la qualité de secrétaire de l’Ambassade. Néantmoins, n’ayant jamais rien fait que coppier les despesches, mémoires et instruc-tions que je luy ay envoyées toutes dressées et que quatre secrétaires que j’ay auprèz de moy ayans esté dans un continuel travail, tant pour mettre au net mes minuttes, que pour faire des coppies de toutes les despesches qui nous sont venues de la Cour et d’ailleurs, dont les originaux demeurent entre les mains dudit Sieur de Préfontaines ...
. Wie es dazu gekommen ist, läßt sich nicht eindeutig klären. Auf jeden Fall geschah es ohne Weisung aus Paris, auf Betreiben Serviens und gegen den Willen d’Avaux’, den dieses Vorgehen so sehr kränkte, daß er selbst bei Krankheit seines Kollegen nur selten und widerwillig die anfallende Korrespondenz erledigte
.
Die ausgehenden Stücke wurden – in Paris wie in Münster – zum Teil chiffriert, selten allerdings durchgehend. In den für die Edition benutzten Akten wird ein Schlüssel benutzt, der aus einer Kombination von Zahlen, Buchstaben und Zeichen besteht. Ein weiterer, nur aus zweistelligen Zahlen und Zeichen zusammengesetzter Schlüssel findet sich in der Korrespondenz zwischen Servien und Lionne. Da die Empfänger die Auflösung in die eingegangene Ausfertigung unmittelbar über der Chiffre eintrugen, ließen sich die Schlüsselschemata leicht rekonstruieren und konnten auch zur Korrektur einzelner fehlerhafter Dechiffrierungen und zur Lektüre – ganz selten vorkommender – undechiffrierter Stücke herangezogen werden. Am konsequen-testen und nahezu lückenlos chiffrierte Lionne seine Memoranden an Servien. Die Gesandten selbst handhabten die Chiffrierung recht nachlässig; gelegentlich ist nur ein Name oder ein einzelner Ausdruck verschlüsselt, was Mazarin wiederholt rügte
.
Montags und donnerstags trafen sich d’Avaux und Servien zur Beratung ihrer Be-richte
So d’Avaux in
[nr. 158 S. 326.] An Voiture schreibt er am 6. Dezember 1646, man könne sich in Münster ganz gut unterhalten,
... et qu’il n’y a point de jours en toute la semaine où l’on s’ennuye, si ce n’est un peu le lundy, qui est le jour qu’on écrit en France.
Druck: A. Roux,
Lettres du comte d’Avaux S. 22.
. Vermutlich zu diesem Zweck entstanden gelegentlich anzutreffende stichwort-artige Notizen in den Akten d’Avaux’
. Wieviel Arbeit bei diesen Beratungen anfallen konnte – und was die Sekretäre anschließend an Schreibarbeit zu leisten hatten –, geht aus Serviens Bericht an Brienne vom 3. Dezember 1644 hervor
, worin
[p. LXXXIII]
[scan. 83]
er die zwischen dem 27. November und 2. Dezember mit d’ Avaux geführten Ausein-andersetzungen schildert. Zur Erledigung standen an: 1. Die Schreiben an den Hof; Servien berichtete schließlich allein an Brienne und Mazarin
. 2. Schreiben an die schwedischen Gesandten in Osnabrück
und an Rorté, den dortigen französischen Residenten, 3. an Brasset, den französischen Residenten in Den Haag, und an den Prinzen von Oranien, 4. Beratung über das geplante Invitationsschreiben an die Fürsten und Stände des Reiches, 5. die – regelmäßig erstatteten – Berichte über den Verlauf der Verhandlungen an die französischen Gesandten und Residenten in Rom, Venedig, in der Schweiz, in Piemont, Genua, Hamburg und Kassel.
Über die hier aufgezählten Arbeiten hinaus wurden die beiden Gesandten mit Auf-gaben betraut, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Friedensverhandlun-gen standen: Sie fertigten in Anlehnung an ein Pariser Memorandum die Instruktion für La Thuillerie
Königliches Memorandum vom 27. Februar 1644, Kopie:
AE
,
CP
Holl. 29 fol. 11–15. In-struktion für La Tbuillerie vom 3. Mai 1644, Kopie als Beilage zu nr. 98; vgl. S. 182. Aus-fertigung:
AE
,
CP
Dan
. 6 fol. 81–102.
aus, der den Frieden zwischen Dänemark und Schweden vermitteln sollte. Ebenso instruierten sie Brégy, der eine Mission nach Polen übernahm, und Croissy, der zu Verhandlungen nach Siebenbürgen entsandt wurde
Die Instruktion für Brégy wurde nicht ermittelt; ein auf 5. August 1644 datierter Auszug ist gedruckt bei
K.
Waliszewski
[ S. 197f.] ohne Angabe des Fundorts. Die Grundlage der In-struktion bildet ein als Beilage 3 zu nr. 140 übersandtes Memorandum Mazarins; vgl.
[S. 269.] Die Instruktion für Croissy datiert vom 15. September 1644; Kopie als Beilage 2 zu nr. 266;
[ vgl. S. 544.] Brégy sollte auch von d’Avaux und Servien ins diplomatische Handwerk eingeführt werden; vgl.
[nr. 123 S. 235.]
. Zur Vermittlung zwischen dem Grafen von Ostfriesland und der Landgräfin von Hessen-Kassel ent-sandten sie Rorté nach Emden und Montigny zu den Generalstaaten und dem Prinzen von Oranien; beide waren mit entsprechenden Instruktionen versehen und erhielten brieflich weitere Weisungen von d’Avaux und Servien
. Alle französischen Residenten in Deutschland waren außerdem angewiesen, regelmäßig nach Münster zu berichten, da man in allen deutschen Angelegenheiten zunächst die Meinung der beiden Gesandten einholte
. Auch die Ausstellung von Pässen fiel in ihre Kompetenz, was sie unter anderem auch dazu benutzten, um rein private Reisen zu ermöglichen
Auf Bitten Contarinis stellte Servien einen Paß für George Ettenarde aus, der nach Spanien reisen wollte; Etternarde war vermutlich geschäftlich unterwegs. Vgl.
[S. 409 Anm. 2] . D’Avaux muß des öfteren Pässe für Geistliche ausgestellt haben; vgl.
[nr. 188 S. 409ff.]
.
Ein solch weiter Tätigkeitsbereich führte fast notwendigerweise zu größerer Selb-ständigkeit, als sie in Vollmacht und Instruktion vorgesehen war, und verleitete die Gesandten gelegentlich auch zu Eigenmächtigkeiten. So stellten d’Avaux und Servien die in der Instruktion vorgeschriebene Reihenfolge der Verhandlungsgegenstände mit guten Gründen in Frage
, sie erlaubten sich aber auch, ihr ohne vorherige Erlaubnis
[p. LXXXIV]
[scan. 84]
zuwiderzuhandeln, indem sie in der Proposition vom 4. Dezember 1644 die Frei-lassung und Restitution des Kurfürsten von Trier als Vorbedingung für jede weitere Verhandlung forderten
Französische Proposition vom 4. Dezember 1644, s. Beilage 1 zu nr. 321 S. 747. Die Instruk-tion räumte ausdrücklich ein, daß alle bezüglich des Trierers getroffenen Vereinbarungen erst nach Abschluß des allgemeinen Friedensvertrages in Kraft treten müßten;
APW
[I, 1 S. 72f.]
. Und Servien versuchte Ende Dezember 1644 hartnäckig, seinen Vorschlag einer öffentlichen Erklärung durchzusetzen, an der man in Paris keinerlei Interesse zeigte
Vgl. dazu den im Namen beider Gesandter gemachten Vorschlag Serviens in
[nr. 292 S. 627ff] . Brienne nahm ihn skeptisch auf – s.
[nr. 302 S. 671] – und lehnte ihn schließlich am 14. Dezember 1644 in
[nr. 323 S. 756f] . ab, ebenso Mazarin am 19. Dezember in
[nr. 331 S. 783f.] Servien be-gründete seine Idee mehrfach, und zwar in nr. 328 S. 775, nr. 329 S. 776ff. und nr. 345 S. 831ff.
. Soviel Selbstherrlichkeit hatte Mazarin schon im Juni Lionne gegenüber scharf gerügt
Nach dem Bericht Lionnes in der Beilage zu
[nr. 131 – s. S. 249] – beanstandete Mazarin besonders, daß
... ilz nous escrivent comme si nous estions déppendans d’eux et non pas eux de nous.
, wovon allerdings d’Avaux vermutlich nichts erfuhr. Und schließlich wies Lionne Servien in unmißverständlicher Weise darauf hin, es sei ratsam, die Weisungen Mazarins ohne Widerspruch auszuführen und seinen Vor-schlägen auch dann zuzustimmen, wenn er dessen Meinung nicht teile
Diesen Rat erteilte Lionne seinem Onkel im Zusammenhang mit dem von Mazarin ausgearbei-teten Plan einer italienischen Liga unter französischer Führung. Vgl. dazu
[nr. 333 S. 793ff.] und
[nr. 334 S. 799.]
.
Der Postaustausch zwischen Paris und Münster wurde 1644 noch zum größten Teil unter Deckadressen abgewickelt. Man benutzte dazu die Anschriften des in Paris und Amsterdam vertretenen Bankhauses Hoeufft
Vgl. d’Avaux an Brienne in nr. 11 S. 21 und
ebenda
[ Anm. 4.]
oder gab die Post zu den Sendungen des venezianischen Gesandten in Paris
und hoffte so, bei Postüberfällen durch spani-sche oder kaiserliche Soldaten die Staatsgeheimnisse der Neugier der gegnerischen Verhandlungspartner entziehen zu können. Auf diese Weise war die Korrespondenz zwischen den Gesandten und dem Hof zwar unauffindbar, wenn der Überfall nur mit dem Ziel geschah, von der französischen Post Kenntnis zu erhalten. Sie war aber unter der Adresse der Hoeufft nicht mehr sicher, wenn die ganze Postsendung ausgeraubt wurde; denn nur die offen an den König oder dessen Gesandte adressierte Post genoß den Schutz der diesbezüglichen Bestimmungen des Hamburger Präliminarvertrages
. Aber erst im Oktober 1644 konnte man sich in Paris zu solcher Offenheit ent-schließen
. Von diesem Zeitpunkt an wurden für die Überbringung wichtiger Mittei-lungen auch mehrfach Kuriere eingesetzt, von denen Saladin, Théophile und Héron namentlich genannt werden.
Die reguläre Postverbindung zwischen Paris und Münster lief über Köln–Paris
Einen Beleg für eine Postverbindung Paris–Köln liefert
[nr. 51 S. 93] :
... et [nous,
i. e. d’Avaux und Servien] prenons encores la voie de Coulogne, parce que les autres qui aboutissent toutes à Bruxelles, sont plus longues et aussy périlleuses que celle cy.
Zu den Postverbindungen am Kongreß überhaupt vgl. W.
Fleitmann,
Postverbindungen.
oder Köln–Brüssel–Paris. Von Münster ging der taxissche Postbote Freitag vor-
[p. LXXXV]
[scan. 85]
mittags um 11 Uhr ab und kam Samstag abends in Köln an, von wo aus die Post nach Frankreich über Brüssel dienstags abging
W.
Fleitmann,
Postverbindungen
[S. 9.]
, um am darauffolgenden Dienstag-abend oder gar Mittwochmorgen erst in Paris einzutreffen
. Zwischen Brüssel und Paris verkehrten sowohl französische als auch taxissche Postkuriere, die auch die Verbindung zwischen Brüssel und Spanien sicherten
Zur Postorganisation in Frankreich vgl. E.
Vaillée
III S. 38–55 und 297–340.
. Von Paris aus ging die Post in der Regel samstags
ab und erreichte am Dienstag oder Mittwoch der übernächsten Woche Münster
Servien an Brienne, Münster 1644 Dezember 3,
[ nr. 311 S. 703] : Wir erwarten für Dienstag die nächste Post aus Paris. Nach
W.
Fleitmann, Postverbindungen
[S. 9] ging die Kölner Post aber erst dienstags ab und erreichte Mittwochabend Münster.
. Meist war die Post also zwischen Münster und Paris elf Tage unterwegs, nach zahlreichen Pariser Eingangsvermerken auch nur zehn Tage. Durch direkte Sonderkuriere wurde die Laufzeit selten verkürzt, konnte aber unter günstigen Umständen auch auf sechs Tage reduziert werden
Ein Beleg dafür stammt allerdings aus dem Jahr 1645: Am 1. Juni abends gegen 6 Uhr verließ der Kurier Héron Paris; Brienne an Servien, Paris 1645 Juni 10, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 51 fol. 451–456, hier fol. 454. Er traf am 6. Juni abends in Münster ein; d’Avaux und Servien an Brienne, Münster 1645 Juni 10, Ausfertigung:
AE
,
CP
All. 55 fol. 17–18, hier fol. 17.
.
Im September und Oktober 1644 wurde die Postverbindung zwischen Köln und Brüssel mehrfach durch Überfälle gestört. Brienne ließ den Spaniern drohen, man werde ihren Postverkehr durch Frankreich unterbinden und die französische Post übers Meer nach Den Haag senden. Ferner schlug er die Errichtung eigener – fran-zösischer – Postbureaus in Antwerpen oder Köln vor
. Am 15. Oktober teilte er den Gesandten die königliche Entschließung mit, künftig die Post nach Amsterdam zu schicken und zwischen Münster und Amsterdam eine eigene Botenverbindung einzu-richten
. Letzteres wurde nicht verwirklicht, und die über Holland geleitete Post vom 29. Oktober benötigte zwei Tage mehr als die über Köln, was zur Folge hatte, daß die Antwortbriefe aus Münster erst eine Woche später als sonst abgefertigt werden konnten
. Auch die von d’Avaux und Servien vorgeschlagene regelmäßige Schiffsverbindung zwischen Calais oder Gravelines
und Den Haag wurde – u. a. wohl der hohen Kosten wegen – nicht eingerichtet. Schließlich griffen die Franzosen doch wieder auf die taxissche Post und die Landverbindung Brüssel–Paris zurück und leisteten durch Ausstellung von Schutzbriefen für die Boten und Kuriere und durch Mahnschreiben an ihre eigenen Heerführer ihren Beitrag zur Sicherung des Post-wesens, ohne die der Kongreß auf die Dauer nicht funktionsfähig gewesen wäre
Zu den vielfältigen Schwierigkeiten im Postverkehr und den Bemühungen aller Gesandten vgl.
W.
Fleitmann, Postverbindungen passim.
.
[p. LXXXVI]
[scan. 86]
7. Handschriftliche Überlieferung und ältere Korrespondenzpublikationen
Der weitaus größte Teil der in diesem Band zitierten und edierten Quellen stammt aus den Archives du Ministère des Affaires Etrangères
in Paris, und zwar aus der Serie Correspondance politique, Allemagne
Die benutzten Bestände sind im Einzelnen im Archivalienverzeichnis S. IXf. angeführt.
.
Dieser Bestand ist ohne Rücksicht auf früher vorhandene Registraturzusammenhänge im wesentlichen chrono-logisch geordnet und enthält neben den Originalakten auch 25 Bände einer Abschriften-sammlung aus der Kongreßkorrespondenz
Unter den Signaturen:
AE
,
CP
All. 22, 39, 40, 41, 42, 69, 70, 71, 73, 74, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 106, 113, 114, 115, 124, 128; ferner gehören dazu Teile der Bände
AE
,
CP
All. suppl. 2 und 3 und
AE
,
CP
Holl. 25. Weitere Kopiensammlungen zählt
F.
Dickmann S. 506 Anm. 23a auf. Da in diesen später angelegten Sammlungen kein für die
APW in Frage kommendes Stück ermittelt werden konnte, das nicht in den benutzten Originalakten enthalten wäre, konnte auf ihre Heranziehung verzichtet werden.
, die 1656 auf Veranlassung Colberts für Mazarin angefertigt wurde. In der Regel sind die Bände der Originalakten jeweils einer bestimmten Registratur zuzuordnen; in Frage kommen die früheren Registra-turen Mazarins, Briennes, d’Avaux’ und Serviens. Nur einzelne Bände enthalten Akten aus verschiedenen Registraturen
Einzelnachweis im Archivalienverzeichnis.
. Einige zur Kongreßkorrespondenz gehörende Stücke, meist Beilagen, finden sich auch in den dem jeweils betroffenen Land zugeord-neten Beständen der Serie Correspondance politique,
wenige Einzelstücke in der als Nachtrag angelegten Serie Mémoires et Documents.
Diese Anordnung der Archivalien des Außenministeriums stammt aus dem 18. Jahr-hundert, nachdem eine systematische Archivierung überhaupt erst während der Amts-zeit Lionnes als Außenminister (1661–1671) begonnen worden war
Einen Überblick über die Geschichte der Bestände des Außenministeriums liefern A.
Baschet
und die Einleitung zum
Inventaire
sommaire,
CP
I S. V–VIII.
. Vorher wurden amtliche Akten im Familienarchiv des jeweiligen Amtsträgers deponiert, und dabei blieb es trotz der Bemühungen Lionnes in vielen Fällen noch das ganze 17. Jahrhun-dert hindurch
Vgl. O. A.
Ranum,
Richelieu and the Councillors S. 51; F.
Dickmann
S. 514–516, auch für das Folgende.
. Daß die Korrespondenz Serviens nahezu vollständig vorliegt, ist sicher dem Umstand zu verdanken, daß er mit seinem Neffen Lionne auch später stets eng zusammenarbeitete. Vermutlich waren seine Akten von Anfang an im Archiv des Außenministeriums geblieben. Daß aus der Registratur d’Avaux’ weit weniger Akten ermittelt wurden, liegt wohl zum größten Teil daran, daß Servien – wir beschränken uns hier auf das Jahr 1644 – die Federführung hatte und in seiner Kanzlei die meiste Arbeit anfiel. Hinzu kommt, daß das Archiv der Familie de Mesmes, zu der d’Avaux gehörte, erst 1730 in den Besitz der königlichen Bibliothek – heute
Biblio-thèque Nationale – überging. Der die Außenpolitik betreffende Teil wurde 1731 dem Archiv des Außenministeriums einverleibt. Dieser ersten Auslese folgte eine weitere, als im 19. Jahrhundert aus den amtlichen Akten die
affaires particulières ausgesondert wurden
Vgl. dazu A.
Baschet
S. 209–218.
. Was dabei an Dokumenten verloren ging, ist schwer abzuschätzen
Bereits 1837 stellte
Boppe
große Lücken in den Akten d’Avaux’ fest; vgl. A.
Boppe
S. I.
.
[p. LXXXVII]
[scan. 87]
Ein wichtiger Teil der in der Kanzlei Briennes angefallenen Akten zum Friedens-kongreß geriet auf ungeklärte Weise in die Bibliothek der heutigen Assemblée Nationale,
deren Grundstock die Bibliothek des Comité de l’instruction publique
bildete, welche 1796 zur Bibliothek des Conseil des Anciens
und des Conseil des Cinq-Cents
wurde
Zur Geschichte dieser Bibliothek vgl. E.
Coyecque – H.
Debraye
S. II–VI.
. Für den ersten Band der französischen Korrespondenz kommen zwar davon nur wenige Stücke in Frage; doch für die folgenden Kongreßjahre enthält dieser Bestand eine Vielzahl von Ausfertigungen, von denen bisher nur Kopien oder Konzepte bekannt waren. Die übrigen Korrespondenzakten Briennes befinden sich im Archiv des Außenministeriums.
Ein einzelner Band aus den Akten d’Avaux’ fand sich in der Bibliothèque Nationale, Collection Baluze.
Die Serie Manuscrits
(oder Fonds) français
der gleichen Bibliothek enthält einen Band aus dem Nachlaß Rortés, des französischen Residenten in Osnabrück, sowie für die Zeit der Tätigkeit Brassets als Gesandt-schaftssekretär ab 1645 eine von ihm selbst angelegte Kopiensammlung aller durch seine Hände gegangenen Briefe
Für die Zeit seines Aufenthaltes in Münster kommen in Frage
BN
ms.
fr. 17896 und 17897.
.
Das Institut de France
besitzt mit der Collection Godefroy
einen großen Teil der Papiere des Rechtsberaters der französischen Gesandten, darunter auch einige Briefe
Die
Collection
Godefroy
liefert vorwiegend Material für die zur Publikation in APW
III B vorgesehenen Verhandlungsakten. Godefroy-Akten enthalten auch einzelne Faszikel der Serien K
und KK
der
Archives
Nationales,
Paris.
.
Von diesem Material wurde für die Edition ohne Rücksicht auf ältere Publikationen ausgewählt: 1. Die Korrespondenz zwischen den französischen Gesandten in Münster und dem Pariser Hof. Als Adressaten kommen dort in Frage die Königin, Brienne und Mazarin. 2. Die Korrespondenz zwischen den Gesandten und Rorté, dem fran-zösischen Residenten in Osnabrück, soweit sie die Friedensverhandlungen unmittelbar betrifft. Unberücksichtigt blieb der Briefwechsel zu Rortés Verhandlungen in Emden von Ende Juli bis Mitte September 1644. 3. Die Schreiben der französischen an die schwedischen Gesandten in Osnabrück. 4. Die Korrespondenz zwischen Servien und seinem Neffen Lionne, soweit sie das Kongreßgeschehen betrifft. Sie liefert Hinter-grundinformationen, und oft erfährt man die spontane Reaktion Mazarins oder die nicht durch den höfischen Tenor eines offiziellen Schreibens geglättete Form seines Standpunkts. 5. Die Korrespondenz zwischen d’Avaux und Servien, die sie im Rahmen ihrer Streitigkeiten führten, wurde zwar aufgenommen, meist aber nur in Regestform wiedergegeben. Da in den Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gesandten Sachliches und Persönliches ineinanderfließen, konnte nicht ganz darauf verzichtet werden. Doch übertrifft die Länge der Schreiben bei weitem ihre Bedeutung für das Kongreßgeschehen, weshalb der Benutzer in diesem Falle ausnahmsweise auf ältere Publikationen verwiesen wird.
Da d’Avaux und Servien verschiedene Adressaten am Hof zu informieren hatten und außerdem ihrer Streitigkeiten wegen häufig getrennt berichteten, kommt es zu zahlreichen inhaltlichen Überschneidungen. Je nach Kontext und Akzentuierung ließ es sich nicht in jedem Falle vermeiden, zwei Berichte gleichen Inhalts abzudrucken.
[p. LXXXVIII]
[scan. 88]
Bei reiner Doppelberichterstattung wurde jedoch der Zweitbericht bzw. der wörtlich entsprechende Teil eines Zweitberichts als Regest wiedergegeben oder aber im An-merkungsapparat auf seine Existenz aufmerksam gemacht. Privata und Militaria erscheinen grundsätzlich in Regestform.
Teile der Korrespondenz zwischen den französischen Gesandten in Münster und der Pariser Regierung sind bereits durch ältere Publikationen bekannt
Über Quellenpublikationen verschiedenster Art zum Westfälischen Frieden vgl.
F.
Dickmann S. 499–512, zu Quellen französischer Provenienz S. 504–508.
. Zunächst er-schienen 1650 die zwischen d’Avaux und Servien ausgetauschten Streitschriften im Druck
Lettres
de
Messieurs
d’
Avaux
et
Servien,
ambassadeurs
pour
le
Roy
de
France
en
Allemagne,
concernantes
leurs
différens
et
leurs
réponses
de
part
et
d’
autre
en
l’
année 1644,
o. O. 1650.
. Kopien davon waren von den Beteiligten selbst verbreitet worden
; wer die Drucklegung veranlaßte, bleibt unklar. Teile der amtlichen und geheimen Korrespon-denz wurden erstmals 1710 in Amsterdam veröffentlicht, auf dem Höhepunkt des Spanischen Erbfolgekrieges
Mémoires
et
négociations
secrètes
de
la
Cour
de
France,
touchant
la
paix
de
Munster ... [
hg. v. N. Clément und J. Aymond], 4 Bde., Amsterdam 1710. L.
André
V Nr. 3727 zitiert:
Actes
et
mémoires
de
la
négociation
de
la
paix
de
Munster,
4 Bde., Amsterdam 1680. Dieses Werk konnte nicht ermittelt werden. Nach Auskunft der Universitätsbibliothek Amsterdam handelt es sich vermutlich um einen Irrtum Andrés; denn es gibt ein vierbändiges, 1680 in Amsterdam erschienenes Werk mit dem gleichen Titel zum Frieden von Nijmegen.
. Die vier Bände enthalten Berichte der französischen Gesandten aus dem gesamten Jahr 1646 und Pariser Weisungen aus der Zeit vom Januar bis Juli 1646, ferner zwei 1647 von Servien an die Generalstaaten gerichtete Schreiben, eine anonyme Replik dazu, einen Brief Serviens an die Mediatoren vom 1. September 1648 sowie die schon 1650 gedruckten oben erwähnten Streitschriften aus dem Jahre 1644. Die Vorlagen für diesen Druck der Kongreßkorrespondenz gehen auf den Nachlaß Mazarins zurück, bzw. auf die unter Colbert angefertigten Kopien. Nach Amsterdam gelangten sie vermutlich durch Diebstahl
Vgl. F.
Dickmann
S. 505, auch zum Folgenden.
.
Dickmann weist darauf hin, daß damit „zum erstenmal die engen Beziehungen zwischen Frank-reich und Bayern während der Friedensverhandlungen“ bekannt geworden seien. Dies diskreditierte Frankreich nicht nur bei den deutschen Protestanten, sondern die französische Politik überhaupt. Es wurde offenbar, daß Frankreichs Einsatz für die „liberté germanique“ der Reichsstände nur als Handhabe für die Wahrnehmung der französischen Interessen gedient hatte, und darüberhinaus, daß Mazarin, entgegen allen den französischen Verbündeten gegenüber vertraglich fixierten Verpflichtungen, Sonderverhandlungen geführt hatte.
Alle in dieser Publikation enthaltenen Schriftstücke finden sich – mit einer Aus-nahme
Servien an die Mediatoren, Den Haag 1648 September 1.
– in der 1725–1726 erschienenen, weit umfangreicheren Sammlung der Négociations secrètes
Négociations
secrètes
touchant
la
paix
de
Munster
et
d’
Osnabrug
ou
Recueil
général ...,
4 Bde., Den Haag 1725–1726.
wieder. Wie in Mémoires et négociations
erscheinen die
[p. LXXXIX]
[scan. 89]
zwischen d’Avaux und Servien ausgetauschten Streitschriften als geschlossener Be-stand
, ebenso eine 1665 erstmals publizierte Sammlung von Rechtsgutachten Gode-froys
Mémoires
et
instructions
pour
servir
dans
les
négociations
et
affaires
con-cernant
la
France,
Paris 1665, 2. Auflage Paris 1689; entspricht
Nég.
secr.
I S. 1–72. Vgl. dazu
Godefroy-
Menilglaise
S. 137f. Irrtümliche Titelangabe bei F.
Dickmann
S. 506.
. Mit wenigen Ausnahmen ist die in den Négociations secrètes
abgedruckte französische Korrespondenz auch in
Gärtners
1731–1738 erschienenen Sammlung Westphälische Friedens-Cantzley
enthalten
C. W.
Gärtner,
Westphälische Friedens-Cantzley ..., 9 Bde., Leipzig 1731–1738.
. Der Textvergleich ergibt, daß
Gärtner
die Négociations secrètes
zwar nicht als Druckvorlage benutzte, aber doch auf eine nahezu identische Überlieferung zurückgreifen konnte. Nach stichproben-artigen Untersuchungen stellte
Dickmann
fest
Vgl. F.
Dickmann
S. 505f.
, daß diese Überlieferung auf die Papiere Godefroys zurückzuführen ist, die heute zum größten Teil im Archiv des Institut de France aufbewahrt werden. Er konnte sich dabei auch auf Godefroy-Menilglaise
stützen, der in seiner Biographie der Gelehrten aus dem Hause Godefroy berichtet, die in den Négociations secrètes
veröffentlichten Akten stammten aus dem Nachlaß Godefroys, und Jean Le Clerc, der Verfasser der Einleitung, habe zusam-men mit den Enkeln Godefroys die Veröffentlichung geleitet
Godefroy-
Menilglaise
S. 137f.
.
Die Stellung Godefroys als Rechtsberater der französischen Gesandtschaft verschaffte ihm natürlich die Möglichkeit, Einblick in die Korrespondenz der Gesandten zu erhalten. Er selbst hatte um Weisung an die Gesandten gebeten, ihm die Akten zu Verfügung zu stellen, damit er als
secrétaire de la paix über die wichtigsten Kon-greßereignisse Buch führen könne
[Godefroy] an Chavigny, Charonne 1643 April 23, eigenhändige Kopie:
AE
,
CP
All. 17 fol. 396–396’: Godefroy bittet, seinen Auftrag für den Kongreß zu spezifizieren. Ferner möchte er folgende Punkte geklärt sehen: 1. Weisung an die Gesandten, ihm Akteneinsicht zu gewähren, 2. Schriftliche Mitteilung an dieselben über die Funktion Godefroys, 3. Ausstellung eines Passes.
F.
Dickmann S. 506 Anm. 23 datiert dieses Schriftstück irrtümlich auf 1634.
. Wenn aber die in den
Négociations secrètes und bei
Gärtner publizierte Korrespondenz den Bestand der Godefroy-Akten spiegelt, wie
Dickmanns Nachprüfungen ergaben, so ist ihm die Akteneinsicht sicher nicht prinzipiell gewährt worden. Angesichts der großen Lücken in beiden Publikationen für die Jahre 1644 und 1645 – Godefroy kam erst Ende 1645 nach Münster – sowie für 1648, als er schwer erkrankte, und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sich keine Auswahlkriterien für die in beiden Drucken enthaltene Korrespondenz erkennen lassen, drängt sich die Vermutung auf, daß er zwar kopierte, was er eben erreichte, aber durchaus nicht alles kennen lernte. Übrigens hätten sich die beiden Gesandten über eine regelmäßige Bereitstellung ihrer Akten kaum einigen können.
Hinweise auf die Herkunft der beiden Druckvorlagen waren ferner von der Auf-stellung eines Stemmas zu erwarten. Von einzelnen Briefen
wurden alle zur Edition herangezogenen Überlieferungsformen mit den Drucken in
Négociations secrètes
[p. XC]
[scan. 90]
und bei
Gärtner verglichen, was folgendes Ergebnis erbrachte: 1. Beide Drucke gehen auf Akten zurück, die in Münster angefallen sind, also auf Ausfertigungen der an d’Avaux und Servien gerichteten und auf Reinschriften bzw. Konzepte der von Münster abgegangenen Schreiben. Dem Aktenbestand eines bestimmten Gesandten sind sie nicht zuzuordnen. 2. Wie oben erwähnt, greift
Gärtner nicht auf die
Négociations secrètes zurück, aber auf eine nahezu identische Vorlage. 3. Bereits der gemeinsame Vorgänger der beiden Druckvorlagen muß eine vom Schreiber nach seinem eigenen Sprach- und Stilempfinden bearbeitete Kopie gewesen sein. Dies beweisen die überaus zahlreichen, nur in den
Négociations secrètes und bei
Gärtner auf-tretenden Varianten wie Veränderung der Wortfolge, die – nicht immer sinngemäß korrekte – Aufteilung längerer Sätze in kleinere Einheiten, vermeintliche Verdeutli-chung durch Hinzufügung von Konjunktionen, Verwendung anderer Präpositionen, Substantive, Adjektive, Verben und Wendungen. Diese ganze Mühe erscheint nur dann sinnvoll, wenn der Schreiber seinen Lesern den Zugang zum Inhalt des von ihm Dargebotenen erleichtern wollte, bzw. wenn Stil und Ausdruck der ihm vorliegenden Texte ihm selbst nicht mehr geläufig von der Feder gingen. Die Änderungen erweisen sich fast ausnahmslos als Modernisierungen, die es nach Auskunft der einschlägigen Sprachlexika ermöglichen, die Entstehung dieser bearbeiteten Kopien Ende des 17./Anfang des 18. Jahrhunderts anzusetzen. Das bedeutet aber, daß auch die
Négocia-tions secrètes nicht unmittelbar aus dem Nachlaß Godefroys schöpfen, wenn auch nichts dagegen spricht, daß sie mittelbar darauf zurückzuführen sind. Druckvorlagen beider Publikationen sind also um 1700 entstandene Kopien; der Weg der Überlieferung und Bearbeitung und die Anzahl der Zwischenstationen waren nicht festzustellen.
Die 1872 begonnene Publikation
Lettres du cardinal Mazarin
Lettres
du
cardinal
Mazarin
pendant
son
ministère,
hier Bd. 1–3 (= Collection des documents inédits sur l’histoire de France, Première série: Histoire politique), Paris 1872–1873.
enthält nur wenige Einzelstücke der Korrespondenz Mazarins mit den Gesandten in Münster. Als Druckvorlagen dienten hier vorwiegend die von Colbert angelegten Kopiensammlungen aus der Bibliothèque Mazarine und dem Archiv des Außenministeriums. – Spanische Übersetzungen französischer Kongreßkorrespondenz, die 1647 von den Spaniern abgefangen worden war, erschienen 1885 im Rahmen der Publikation der Korrespon-denz der spanischen Friedensgesandten
Correspondencia
diplomatica
de
los
plenipotenciarios
españoles
en
el
con-greso
de
Munster,
hier Bd. 2 (= Colleccion de documentos inéditos para la historia de España, Bd. 83), Madrid 1885, unv. Nachdruck Vaduz 1966.
.