Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
36. Nassau und Volmar an Ferdinand III Münster 1644 November 18
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Münster 1644 November 18
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 47a, Konv. B fol. 377–383’, praes. 1644 November 27 = Druck-
vorlage –Konzept: ebenda Fasz. 92 III nr. 453 fol. 537–541’–Kopie: Den Haag A IV
1628 nr. 15.
Unterschriftsform der Vollmachten. Erklärung des Salvius zu den Streitigkeiten wegen der Voll-
machtsform und zur Eröffnung der Verhandlungen.
Wir haben die Weisung vom 25. Oktober
Vgl. [ S. 39 Anm. 1 ] .
November
tags sind die Vermittlern zu uns und den spanischen Gesandten gekommen und haben
erzählt, wie starck sie denn Franzosen zuegesprochen und anderst nit ver-
meint , dann si solten sich, gleich wie von uns erbotten worden, ohne ferrer
verwaigeren zu beliebung der aufgesezten subscription bequembt haben.
So were aber solches von inen nit zu erhalten gewesen, sondern sie heten
sich wider die wortt „dell’imperatore e delle due corone“ zum höchsten
beschwärdt und vorgewendet, die füehrten eine neüerung mit sich und
möchten hernach in eine nachfolg gezogen werden, so aber zu der cron
Franckreich vercleinerung geraichen thet; hetten demnach begert, das für
dieselben dise andere „dell’una e dell’altra parte“ gesezt werden solten.
Wir haben uns diser neüen und unverhofften einwendung halber gegen
denn herren mediatoren gleichergestalt zum höchsten beschwerdt und zu
erkennen geben, das die gegentheil dessen gar keine ursach haben. Dise
formb were erstens von uns nit erdacht, sonderen vonn denn mediatoren
vorgeschlagen, von dem d’Avaux selbst vor annemblich gehalten, und de-
rentwegen sovil lieber von uns ohne einig bedencken eingewilligt worden.
Zum anderen were diser stylus in curia Romana und in allen Italianischen
handlungen, wo zwischen einiger partey und beeden cronen, Spanien und
Franckreich, was zu tractieren, zu reden und zu handlen vorfallen thet, in
kundtlicher üebung und eben darumb erfunden, damit weder eim noch an-
derm theil zu vorgreiff und nachteil was verstanden oder angezogen werden
möcht; wie es dann bei diser fridenshandlung unvermeidlich zum öffteren
erfolgen wurde, das man diser beeder cronen sambtlich müeste gedencken,
und alßdann Spania so wenig als Franckreich sich dem anderen nachzesezen
zugeben wellen. Dritens befinde sich im capitulato zu Chierasco
Vgl. [ S. 57 Anm. 2 ] .
Servien (als welcher unsers vernemmens der ainzige urheber diser neüen
irrung ist) mit und beygewest auch selbst aigener handen undterschriben,
das eben dergleichen art zu reden gebraucht worden. Die vorgeschuzte neü-
erung hete nichts zu bedeüten, dann dise ganze forma tractandi seye neü,
und müesten also vil sachen geredt, gehandlet und gethan werden, die
anvor solchergestalt nit beschechen. Wir verspürten wol, das die Franzosen
mit irer vermeinten undersezung der wörtter „dess ainen und andern theils“
ein fundament zu ires königs vorzug zu legen und gelegenheit, ire vorige
unbegründte einreden wider die Kayserlichen wohl widerumb auf die baan
zu bringen, ja mit einem wortt ursach und anlaass zur zertrennung diser
zuesamenkonfft suechten. Wir heten an unserm ortt bisher alles, was an
uns mit vernünfftiger ursach gelangt worden, im werkh erstattet, wann die
Franzosen irestheils der billicheit nit wolten stattthuen, so were ia clar am
tag, das sie den friden zu verhinderen begerten. Wir lassen es demnach
genzlich bey der aufgesezten subscriptionsformb bewenden, und seyen nit
gemeint, die angemelte Franzoßische correction anzenemmen.
Und obwol die herren mediatores über solch unsere antwort etwas wenigs
zu replicieren und, das wir uns so hoch nit verwaigeren solten, darzuthuen
vermeint, so seyend wir doch auf gefaster erclärung entlich bestanden, mit
angehengtem begeren, sie solten denn Franzößischen gwalthabern ir unfueg-
sambe besser für augen stellen, sie wurden sich wol entlich bequemmen
müessen.
Sambstag, den 12. hernach, hat herr nuncius zu uns geschickht und ver-
nemmen lassen, ob uns nit möchte beliebig sein, das zu denn wörtteren
„dell’imperatore e delle due corone“ noch das wortt „le maestà“ gesezt
wurde, also das in der subscription stehen solte: „Essendo ultimamente
aggiustate le plenipotenze trà le maestà dell’imperatore e delle due corone“
etc. Darauf haben wir nach gepflogner undterred mit denn Spanischen ant-
wortten lassen, ob wir zwar genuegsamb ursach heten, auch dessentwegen
bedenckens einzewenden, und simpliciter bey denn ersten wortten zu blei-
ben , so lassen wir iedoch dise beysezung uns nit entgegen sein, damit ieder-
meniglich verspüren mög, das wir dises werckh in keinerley weiß noch weeg
aufzuhalten begeren. Uns hat auch solche beysezung nit zu widersprechen
absonderlich bewegt, das im fall, wir solches außgeschlagen, man besorg-
lich in ein starckes disputat de titulo maiestatis regibus Franciae et Hispaniae
competente wurde erwahsen sein, hingegen aber dises praedicat allein in
terminis pure narrativis gesezt wirdt, und concludenter nit gesagt werden
kan, das selbiges disen beeden cronen in praeiudicium Eur Kayserlichen
Mayestät von uns nachgegeben worden seye.
Dise unsere weitere erclärung hat herr nuncius ganz wol aufgenommen und
sich wider der Franzosen aufhalt ganz übel zufriden erzeigt, mit vermelden,
er müeste bekennen, das er anfangs zwar auch mit denen beredungen were
eingenommen gewesen, alß hete man auf Kayserlicher seiten wenig lust
und liebe zum friden. Die zeit seines alhieweesens aber hete er das wider-
spil befunden und seche nunmehr, das es daselbst nit ermanglete. Die Fran-
zosen hingegen suechten nur allerhandt umbschwaiff und vermeinten, alles
mit den waaffen und kriegsgwalt hindurchzutruckhen. Er wolte sie alßbald
wider besuechen, und wo sie sich nit bequemmen theten, inen anzeigen,
das er bey solcher bewantnus auf sein abreiß wurde zu gedencken haben,
dann er ie die zeit nit vergebenlich verzeren wolte. Es ist aber weder disen,
noch denn folgenden sonn-, monn- und zinstag unsers wissens nichts mit
inen gehandlet worden, sondern am montag, den 14. huius, der Salvius von
Oßnabrugg alherkommen.
Und dieweil wir von Eur Kayserlichen Mayestät gesandten daselbst berich-
tet worden
Franzosen zu handlen, das sie sich im plenipotenzweesen dermalen eines entli-
chen bequemen und zur haubthandlung fürschreitten wolten, uns auch
dabey wol einbilden können, sie ime hingegen allerhandt ungleiche bericht
einzebilden undterstehen werden, also haben wir ine durch vertraute dritt-
und ime anvor bekandte personen
Der ehemalige kaiserliche Oberst Moritz Frbr. von Peschwitz und der münsterische Stadtarzt
und Ratsherr Dr. Bernhard Rottendorf ( 1594–1671 ); vgl. Volmar S. 100. Zu Peschwitz
vgl. APW III D 1, S. 218 Anm. 1 und APW II C 2 S. 156 Anm. 2; zu Rottendorf vgl.
H. Lahrkamp , Rottendorf und H. Lahrkamp , Ein Polyhistor.
underrichten und verstendigen lassen. Darauf dann auch von ime folgende
erclärungen und discurs vernommen worden: Es möchten sich die Kayser-
lichen gesandten allerseits versicheren, das die Schweedischen denn Fran-
zosen in einigem unbillichen gesuech nit beyfallen wurden; da sie auch ver-
mörcken solten, das die Franzosen den friden lenger wolten aufhalten,
wurde die cron Schweeden sich nit hinderen lassen, auf mitel und weeg zu
gedencken, wie sie, ungehindert irer mit Franckreich habender confoedera-
tion , zum friden gelangen möchten. Sie müesten aber allein im zweifel
stehen, ob auch der Kayserlichen parthey ebenmäsßig so ernst zum friden
seye, und ob die Kayserlichen gesandten zu Oßnabrugg hierzue mit noth-
wendiger instruction versechen, sonderlich weil herr graf von Lamberg
sich bis dato all’incognito gehalten, daher der auch von inen nit were visi-
tiert worden
Nassau und Volmar teilten ihren Kollegen in Osnabrück den Inhalt ihrer Relation am 18. Novem-
ber mit (Konzept: RK , FrA Fasz. 92 III nr. 452 fol. 531–533’ – Kopie: Den Haag A IV
1628 nr. 15), worauf diese am 21. November (vgl. S. 58 Anm. 3) antworteten, daß der Diskurs
des Salvius wohl auf Betrug angelegt sei, da nicht zu vermuten sei, daß sich Schweden von Frank-
reich separiere, viel weniger gegen Frankreich Krieg führen werde. Sie verwunderten sich, daß
Salvius ausgab, Lamberg sei noch incognito in Osnabrück, obwohl er doch seine Vollmacht vor-
gezeigt habe und diese auch von den Schweden akzeptiert worden sei.
Kayserlichen Mayestät aufrechter und redlicher intention und begirde zum
friden ganz nit zweiflen solten, auch dero gesandten allerseits nichts anders
verlangten, dann das man zur handlung möchte schreitten können, so hat
er darauf ferrer vermeldet, ime wer diss zu vernemmen sehr lieb und ange-
nemb , und suechte selbs nichts mehrers. Man solte doch nur einen anfang
machen, man wurde sechen, das die cron Schweeden nichts unbilliches
begeren thet. Sie begerten Eur Mayestät in dero erblanden nichts ze nem-
men noch auch einigen plaz im reich zu behalten. Wann sie billiche und an-
nembliche conditiones erhalten, und in specie ein standt dess Römischen reichs
gleich wie Dennemarkh werden und das herzogthumb Pommeren behaub-
ten köndten
Da nicht zu zweifeln war, daß die Schweden bei den Hauptverhandlungen diese Bedingungen
stellen würden, baten Lamberg und Krane um Instruktion wegen Pommern. Vgl. [ nr. 48 Anm. 1 ] .
modieren wolten, nit mehr aufhalten lassen, sondern im übrigen bald frid
gemacht haben, und alßdan inen anzeigen, das sie irentwegen den krieg
weiter nit füehren noch die pündtnus continuieren wolten. Sie sechen wol,
das die Franzosen das directorium und die oberhandt in allem ze haben ver-
meinen , das seiye aber die cron Schweeden nachzugeben nit gemeint. Es
könte noch wol die sach also außschlagen, das Schweeden Eur Kayserlichen
Mayestät und dem reich wider Franckreich sich beystendig machen thete.
Allein were inen umb die sicherheit und das, was mit Eur Mayestät gehand-
let auch könfftig vom reich möchte gehalten werden, zu thuen, und diss
wer ir vornembste ursach, warumb sie nit leichtlich, ohne der reichsständ-
ten beysein, tractieren köndten.
So hete die cron noch ein anligen, so volleicht zugleich ein conditionem
pacis abgeben köndt; derselben weren nach geenderter religion durch
bischoff Albertum
Hier liegt wohl eine Namensverwechslung vor, wahrscheinlich handelt es sich um den letzten kath.
Erzbischof von Uppsala Johannes Magnus Store, der am 22. März 1544 in Rom starb. Vgl.
auch APW [ II C 1 S. 409. ]
lichen stuel hinderlegt worden, das inen mit diser fridenshandlung solche
documenta widerumb möchten restituiert, oder wenigist copia authentica
davon verstattet werden.
Wir haben hierauf für ein notdurfft erachtet, angedeüte dritte personen zu
vermögen, das die sich wider zu ime, Salvio, verfüegen und die unbillicheit
der Franzößischen praetensionen in aufhaltung der plenipotenzsachen noch
ferrers fürhalten, zumalen inen vergwissen solte, wann diß allein richtig und
man zu Oßnabrugg werde ad tractandum kommen könden, das es an der
Kayserlichen instruction in genere et specie nit ermanglen werde. So derffte
er sich auch umb die assecuration dess könfftigen fridenschluss nit beküm-
meren , dann sonder zweifel darüber ein gemeiner reichsschluss mit der zeit
erfolgen werde.
Über solches weiter zusprechen hett er seine obberüerte reden nochmalen
bestettiget auch angezeigt, das er bereits mit dem d’Avaux darunter gehand-
let . Der zwar vermeinte, man solt anstatt „delle due“ die wortt „delle tre
Corone“ sezen. Als er ime aber entgegengehalten, das diss von unnöthen
und nur neüe ungelegenheit veruhrsachen wurde, wer der abschidt gewe-
sen , das dise wochen diser puncten seine richtigkeit allerdings erlangen
solte.
Was sonsten mehrberüerts Salvii handlung alhie seye, haben wir biß dato
nit erforschen können, halten aber unserstheils darfür, das es umb einen
succurs vor den Torstensohn zu thuen sey, dann die Franzosen mit denn
Hesßischen völckeren etwas zeit in handlung gestanden, das die zu ime,
Torstensohn, stossen und den weeg strackhs aus Frießlandt dorthin nem-
men solten.
Gestern nachmittag haben wir bey denn mediatoren abermalen ansuechen
lassen, worauf es mit der Franzößischen gwalthaberen entlicher erclärung
bewenden thet. Die haben uns aber nichts anders anzeigen lassen, dann das
sie mit beeden Franzößischen gwalthaberen weiters gehandlet und noch
vergangenen mittwoch abendts bei dem d’Avaux bis in die nacht gewesen,
aber nichts anders von ime damalen erhalten können, als das er entlich sich
verlauten lassen, das es wol diser weitern subscription nit bederffte, sondern
sie wolten nichtsdestoweniger ir neüe vollmacht zu gebürender zeit ein-
zebringen wissen. Waraus dann clärlich erscheint, das sie entzwischen zu
einigen haubttractaten zu schreiten nit gemeint seyen, sondern ir absechen
auf andere eventus gerichtet haben. Gleichwol hat der Venetianische am-
bassator vermelden lassen, es were noch nichts endtliches von inen geschlos-
sen , sondern sie wurden erst heut sich widerumb zuesamenthuen und inen,
mediatoren, ein entliche resolution geben.