Acta Pacis Westphalicae II A 3 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 3: 1645 - 1646 / Karsten Ruppert
Am 17. Januar die Spanier über den Stand der Verhandlungen informiert. Am gleichen
Tag Raigersperger und Krebs (Bayern) gebeten, die katholischen Reichsstände mögen
ihre Gravamina aufsetzen und dem protestantischen Wunsch gemäß diese in Osnabrück
verhandeln, der von den Franzosen gewünschten Deputation der Reichsstände sollen die
Katholiken nicht nachkommen. Darauf antworteten beide, daß die Katholiken ihre
Gravamina bereits aufgesetzt hätten, es bei ihnen aber noch wegen des Verhandlungs-
orts Osnabrück Bedenken gebe. Auf Intervention Wartenbergs hin hätten die
Franzosen von ihrer Forderung nach einer reichsständischen Deputation Abstand
genommen; sie wollen nun ihre Forderung den Reichsständen nach der Ausgabe der
Replik öffentlich vortragen.
Im Gespräch mit Wartenberg und von der Recke
puncto gravaminum aber gar einer anderen mainung gewesen, vermeint, daß man
billich die tractaten der gravaminum von diesem congress auff eine andere zeit zu ver-
schieben gleich zu Franckhfürth bewilligt worden, sich bearbeiten solte. Dan die
gravamina von sehr hoher importantz und deren vergleich mehrere difficultates und
ungelegenheiten nach sich ziehen würden, alß etwa die Kayserlichen sich einbilden
möchten und würde der zweckh, den die Kayserlichen dadurch zu erlangen verhoff-
ten, etwa nicht erreicht werden, man mueste nicht so liberal mit den geistlichen guete-
ren sein, noch die stifftere so leichtlich vergeben, wie im Prager frieden beschehen
were. Eß verwunderten sich die Frantzosen selbst, sodan viele andere, daß ihr Kayser-
liche mayestät die gravamina alhier zu tractiren eingewilligt hetten; sy, Frantzosen,
könten noch wolten darzu nicht rathen noch einwilligen; wolten ihr Kayserliche
mayestät ihr gewissen damit beschweren, liessen sy es dahin gestelt sein unnd wolten
sich bloß passive halten. Der herr bischoff continuirte, solche Kayserliche verwilligung
in der replic were auch also ohne vorhergangene communication der standen be-
schehen, und obschon ihr Kayserliche mayestät es auf mitbeliebung der ständen setz-
ten, so were doch auß solcher antwort zu sehen, daß Kayserliche mayestät ihres theilß
darzue geneigt weren, dardurch wan die catholische stände selbiges verwaigeren
würden, der unglimpff oder undanckh allein auff sy fallen müeste, dannenhero ein
oder ander standt seine meinung kühnlich darinnen nicht vorbringen köndte, welches
alles mit was commotion geredet worden ist. Ich habe geantwortet, daß die befurde-
rung deß vergleichs der gravaminum fur dasienige mittel, den von iederman so hoch
desiderirten frieden zu treffen und zu beschleunigen gehalten würde, ohne welches die
cron Schweden und protestirende zu keinem friden zu bringen sein würden. Dan
obschon die Frantzosen dagegen rathen und sprechen wolten, so were man doch ver-
sichert, daß sy weder ihro Kayserliche mayestät noch den catholischen standen die
geringste würckhliche hülff noch beystandt leisten würden, sondern vielmehr durch
diese verzögerung die continuation des kriegs, fernern ruin und endtliche gantze
dissipation des Reichs süchten. Man were ia uberflüssig versichert, daß die Frantzosen
weder in diesem noch einigem anderm puncto sich den Schwedischen widersetzen kön-
ten, würden, noch wolten. Ihro Kayserliche mayestät allergenedigste intention und mai-
nung, auch daß alles mit chur-, fursten und stände guetem wissen, einrathen und
belieben geschehen solte, were klärlichen auß ihrer Kayserlichen majestät gegebener
responsion zu sehen, in welcher sy sich allergnädigst auf selbiger guetbefinden bezogen.
Man wolte doch bedenckhen, wer nur ursach an allem verlust und nachtheil, so der
catholischen religion unnd catholischen im Reich zuegestanden; obß nicht die
Frantzosen, so sich mit den uncatholischen gegen ihre Kayserliche mayestät und die
catholische verbunden und in die wehr und waffen gegeben und selbige so grausamb-
lich verfolget, auch noch in waffen weren und sich coniungiret befinden, indeme sy
darmit nicht allein noch continuiren unnd also man gewiß versichert, von ihnen,
Frantzosen, kunfftig keine hülff zu haben.
Der herr bischoff wie auch herr domprobst zu Paderborn, der von Reckh, antworte-
ten, man mueste sich in bessere verfassung unnd also in die waffen stellen, damit man
dergleichen sachen manuteniren kondte. Ego, were wohl gueth und hette man bißhero
in der thatt verspüret, daß ihr Kayserliche mayestät an ihro das wenigste nit hetten
ermangeln lassen. Ihr Kayserliche mayestät allein aber wolte es in die harre unmöglich
fallen; mueste alßdan eine guete zusamensetzung der stände sein, so ihrer Kayser-
lichen majestät under die armb griffen unnd beystunden. Ihr fürstliche gnaden, der
herr bischoff, wurden sich wohl erinneren, daß ihr churfürstliche durchlaucht zu Bay-
ren kurtz verschienener zeit gegen ihr Kayserliche majestät sich ferners sowohl
schrifftlich alß mundlich erkleret, daß ihro die mittel, den krieg und waffen zu führen,
dermassen abgiengen, daß einmahl der fride gemacht sein mueste unnd sy nicht
mehrers köndten unnd dahero auch nit wolten mit führung der waffen fortfahren,
wan dan nun die mittel zu solchen, sonsten hochnötigen gegenverfassungen abgiengen,
so muste man dan ia auff die mittel der tractaten denckhen, dabey gleichwohl, und
den friden ia besser zu erhalten, eine guete verfassung der waffen nicht zu vergessen
sey. Der herr bischoff geantwortet, die Kaiserische wollen Elsas nicht lassen, Bayren
will die chur nit lassen; hette er also ferner den Bayrischen gesagt, wan sy die chur nit
lassen wolten, so musten sy dan auff mittel denckhen, solche selbsten zu handt haben,
dan endtlichen der kirchen und catholischen schwer fallen solte, das ihrige lenger
darzugeben. Ego, were wohl guet, wan es im werckh also geschehe, weil eß aber von
theilß vorgeben würde, daß es nicht geschehen köndte, mueste man ia die erträglichste
und thuenlichste mittel der tractaten zu beschleunigung des fridenß und vereinigung an
handt nehmen, welches allein der Kayserlichen mainung und intent, nicht aber der kir-
chen das ihrige zu begeben, die tractaten, so mit wissen, zu ziehen und rath der
catholischen stände geschehen werden, würden alßdan den weg weisen, wie alles zum
erträglichsten und nutzlichsten möchte verglichen werden. Verhandlungsort der Grava-
mina . Wartenberg meinte weiter, die Protestanten sollten sich vorerst mit dem katholi-
schen Gravamina-Aufsatz
Die den Protestanten am 8. Februar 1646 ausgelieferten Gegenbeschwerden. Druck:
G. v. Meiern II S. 539 ff.
schreiten , da die meisten katholischen Gesandten darüber noch nicht instruiert seien.
Der Frantzosen praetension wegen der reichsdeputation hetten ihr fürstliche gnaden
in unserm abwesen mit duc de Longueville, Aveaux unnd Servient an dem absonder-
lich gehandelt und ihnen zwey furschläge auß sich selbsten gethan; den ersten, daß,
wan sy zuforderst würden unß Kayserliche ihre replicam einlieferen haben lassen,
alßdan in publico den ständen sie ihr anbringen, wie herkommens, thuen lassen könten,
oder wan sy den Kayserlichen ihre replicam einlieferen lassen, die Kayserliche aber
ihnen, den ständen, selbige auch würden hernach communiciret haben, die stände aber
darinnen etwa einigen scrupel oder mißverstandt hetten, daß alßdan die stände
iemandt ultro und von sich selbst umb deren erleuterung zu ihnen, Frantzosen,
deputiren möchten. Warauff die Frantzosen gegen ihr fürstliche gnaden sich erklert
hetten, alß morgen, donnerstags , unß, Kayserliche, die replicam einliefern zu lassen.
Wartenberg hat darüber hinaus von den Franzosen die Versicherung erhalten, daß sie
nicht zulassen werden, daß die Schweden die Stifter Osnabrück, Minden und Verden,
noch das Stift Halberstadt behalten werden.
PS [1646 Januar 18] Wie Anethan berichtet, wird die katholische Antwort auf die
protestantischen Gravamina heute zur Diktatur gegeben, anschließend verglichen und
am 21. oder 22. Januar den Protestanten in Osnabrück zugestellt. Kurtrier unterstützt
die Absicht des Kaisers, die Gravamina auf dem Westfälischen Friedenskongreß
abzuhandeln.