Acta Pacis Westphalicae II A 3 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 3: 1645 - 1646 / Karsten Ruppert
91. Nassau und Volmar an Ferdinand III Münster 1646 Januar 11
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Münster 1646 Januar 11
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 52a fol. 21–24, praes. 1646 Januar 22 = Druckvorlage –
Konzept: Ebenda Fasz. 92 VII fol. 189–192 – Kopie: Giessen 206 nr. 233 S.
1324–1332; KHA , A IV Bd. 1628/39 unfol.; Öst. Akten , Tirol , Fasz. 20d S. 85–90.
– Druck: Gärtner VII nr. 74 S. 435–441.
Auseinandersetzungen um die Ausgabe der französischen Replik. Ankunft der niederlän-
dischen Gesandten.
Auf unser mehrmaliges Drängen hin wurde uns die französische Replik
für heute versprochen. Während des Wartens hören wir vom kurmain-
zischen Direktorium, daß Longueville zu inen geschickht, welches dann
ebenmässig auch zu anderen churfürstlichen gesandten geschechen) und
instantissime begeren lassen, sie wolten crafft obhabenden reichsdirectorii
daran sein, das aus denn churfürsten- auch der fürsten und ständen
collegiis etliche deputierte von beeden religionen zu ime noch heu-
tigen tages und wen nicht alspaldt, doch wenigist den nochmittag in
sein hof kommen wolten, dann er und seine collegae weren bedacht, denn-
selben ire replicas über die Kayserlichen responsiones vorzehalten und de
publicis mit inen zu conferieren. Wir haben darauf nit underlassen,
ermeltem Churmainzischem directorio die ungebür dises zuemuettens
umbstendtlich vor augen ze stellen und sie zu ersuchen, sie wolten an irem
ortt möglichist fürkommen, das ein solche Eur Kayserliche Mayestät auch
zumaln churfürsten und ständten zum höhsten verkleinerliche abordnung
nit bewilligt, sondern gleichwol die sachen in den schrancken dess anno
1636 zu Regenspurg gemachten collegialschluss
Auf dem Regensburger Kurfürstentag von 1636/37 war beschlossen worden, dem K. zu
den Verhandlungen mit Frankreich Kurbrandenburg und Kurköln, zu den Verhandlun-
gen mit Schweden Kurmainz und Kurbrandenburg als Delegierte des Kurkollegs an die
Seite zu stellen; daneben war es jedem Kf. freigestellt eine eigene Gesandtschaft abzu-
ordnen , deren Kompetenzen nicht eindeutig festgelegt waren. Vgl. H. Haan S. 144ff.
weil sie, Churmainzischen, albereit dessentwegen zum rath allen ständen an-
sagen lassen, uns also die zeit zimblich kurz worden, so haben wir uns in-
continenti zu denn herrn Churcöllnischen abgesandten verfüegt und
dennselben gleichmässiges erynnern vorgetragen, sonderlich aber ir fürst-
liche gnaden, herrn bischoff von Oßnabrugg, noch weiter diss remonstriert,
wie es ein sehr selzsamb und weitaufsechendes nachgedencken mit sich
füehren wolt, das die Franzosen sich solcher auctoritet, die stände vor sich
zu erforderen, anmaassen und ire replicas, ehe dann uns davon einige
formbliche communication beschechen, dennselben vorhalten sollten, da
doch unsers wissens dergleichen noch niemaln von denn Schweedischen zu
Oßnabrugg were understanden worden. Zuedeme raichte es in specie dem
churfürstlichen collegio zue nit geringer verkleinerung irer bißher contra
die herrschafft Venedig behaubteten praecedenz und wurde es der
Venethianische pottschaffter pro argumento in contrarium zu allegieren nit
vergessen, als welcher nimmer sich verstanden hete, dem duca di Longavilla
auf erfordern nachzegehen, sondern in solchem fahl die bestendige
antwortt zu erthailen, wann der was bey ime anzubringen, das er zu ime
kommen müest. Dises unser ein und andern ortts beschechen erynneren hat
nun sovil gefruchtet, das die sambtliche ständt sich entschlossen, solcher
angemaasten deputation nit statt zu thuen, sondern dem herzogen von
Longavilla anzeigen ze lassen, es könten der chur-, fürsten und ständt räthe
aus dess heiligen Römischen Reiches herkommen nit schreitten, sondern, weil
braüchlich wer, so yemandt bey inen was anbringen wolt, das der zu ine zu
kommen het, gestalten es Eur Kayserliche Mayestät selbst also halten
liessend, so stehen sie zu sein, herzogs, und seiner mitgesandten belieben, ob
sie begerten, das die ständt morndrigen tags sich in pleno beysamen finden
solten und zu dennselben abordnen wolten, so solten sie guetwillig angehört
werden. Dises conclusum ist durch denn Churmainzischen dem Franzößi-
schen secretario Stengl angezeigt worden, welcher es dem herzogen zu refe-
rieren benommen. Als er aber ungefahr ein viertlstundt zurugg verbliben,
hat er dem Mainzischen secretario zur antwort gebracht, alle drey Fran-
zösischen plenipotentiarii weren in einer ernstlichen consultation begriffen
und könte dißmals niemandt zu inen kommen. Morgen wolt er sechen, ob
er dem herzogen die beschaffenheit referiern köndt und die Churmainzi-
schen die erfolgende resolution schon wissen lassen. Es ist aber wol zu
mercken gewesen, das sie, Franzosen, sich diser antwortt nit versechen und
also selbst angestanden, was inen darauf ze thuen sein möchte. Undterdes-
sen schickhte herr nuncius zum grafen von Nassau, das er und der Vene-
thianische ambassador noch disen abendt zu uns kommen und die Franzö-
sische replic communicieren wolten. Als aber dess nuncii abgeordneten
kaum hinwegkh, schickht der Venethianische pottschäffter und last anzei-
gen , gleich iezund heten die Franzosen iren secretarium Boulengier
gehabt und begehren lassen, das sie ire replic nit außlifern solten und wüste
er, ambassador, auch nit, wann es geschechen würde. Wie dann baldt
hernach dess herrn nuncii maggiordomo widerumb kommen und sich
entschuldiget, das sie, mediatores, zwar dess willens gewesen, aber eben iezt
ime von denn Franzosen inhibiert worden seye. Was nun hindter dieser
tergiversation stecken thue, mögen wir nit wissen, halten iedoch darfür,
wann man die exorbitantias irer postulatorum und das sie aniezt erst neüe
praeliminarquaestiones mit erforderung der passporten vor die Portugesen,
auch andern einwürffen, herfürsuechen thuend, erwegen will, das sie ein-
mal mit gedancken umbgehen, disen congressum zu dissolvieren. Wir
wöllen aber nit ermanglen, uns diser hinderhaltigkeit halber bei denn
herren mediatoren aigens zu beschwären.
Heütigen abendts seint der Vereinigten Generalstaaden gesandte
Die niederländischen Gesandten waren von ihrem Sammelpunkt Deventer aus am
5. Januar nach Münster aufgebrochen. Es waren dies für Holland und Westfriesland
Adriaan Pauw, Herr van Hemstede, und Johan van Mathenesse; Johan de Knuyt für
Seeland; Barthold van Gent, Herr van Meynerswijck, für Geldern; Godert van Reede,
Herr van Nederhorst, für Utrecht; Franz van Donia für Friesland; Willem Ripperda
für Overyssel und Adriaan Clant van Stedum für Groningen. Vgl. J. J. Poelhekke
S. 1–3.
kommen , von der Franzosen, Portugesen und Hessen Casßelischen waagen
einbeglaittet worden. Wir haben die niederländischen Gesandten nicht mit
eingeholt. Im übrigen verstehen wir, das die Spanischen gesandten dise
Hollendische deputatos (doch allein privato consilio und ohne habenden
oder erholten bevelch) mit denn curialibus andern gecrönten haübtern
gleich zu tractiern vorhabens sein sollen. Und diß zwar aus ursachen, weil
die Franzosen solches tractament allein zu erweckhung mehrern unglimpfs
gegen denn Spanischen versprochen und zuegesagt hetten. Wir unsers theils
werden uns nach dem guetachten Eur Kayserlicher Mayestät obristenhof-
meisters , herrn grafen zu Trautmanßdorf, richten
Vgl. [ nr. 98 Anm. 1 ] .
nichts vernemmen lassen.