Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann
Euer Kayserlicher Majestät sollen wir hiemit allerunderthänigst berichten,
daß im namem der statt Basel, auch gemeiner 13 ortten der Aidtgnoschafft
Rudolff Wetzstein
nechsthin bei unß zu Münster angemeldt und vorgebracht, obwol ermeldte
Aidtgnoschafft, insgemein und -sonderheit, ihnen iederzeit hetten angelegen
sein lassen, mit meniglich, sonderlich aber dem Heyligen Römischen Reich,
in guetter, fridlicher verstendtnus zu leben und niemanden an rüewiger
possession seiner freyheit und gerechtigkheit anzefechten noch ze beküm-
mern, und derowegen verhofft, es wurde gegen deroselben ein gleicheit
gehalten werden, so hetten iedoch ettliche ortt derselben, und under denen
fürnemblich sein statt Basel, vor ettlich iaren her daß gerade widerspiel
erfahren müessen, indeme selbige auff nachfolgen gewisser unrüewiger
personen wider dero Kayser- und königliche privilegia und die mit gesambter
Aidtgnoschafft gemein habende, sovil iar rüewig besessene exemptionsfrey-
heit für daß Kayserliche cammergericht zu Speyr citirt und auff nichterschei-
nen mit arrestsprocessen beunglegnet [ worden]. Und obgleich wol solches
Euer Kayserlicher Majestät zu verschiedenen malen, vornemblich aber im
Julio anno 1643 und 1644
und geclagt worden, so hette sich iedoch ermeldtes camergericht dessen, so
Ewer Majestät verordnet haben möchte, nichts hindern, sondern im Augusto
nechstabgewichnen jahres ein uffm Rein nach Frankfurt gesendes kauffman-
schiff zu Speyer anhalten und nach starkher inquisition die darauff befundene
Baßelische guetter außladen, eröffnen und inventiren lassen. Und obwol Euer
Kayserliche Majestät auff unsern derentwegen hievor gehorsamst einge-
schikhten bericht allergnädigstes einsehen an vorberüertes camergericht
ergehen lassen
bedankhen thet –, so stüende iedoch zu fürsorgen, daß dergleichen eingriff
mit nechst anhandtgehenden glegenheiten widerumb vorgenommen werden
möchten. Dieweil dann die zu Münster und Oßnabrück obschwebende
zusamenkunfften vornemblich dahien zihlen sollen, auff daß in der werthen
christenheit ein allgemeiner friden gestifftet und alles, so deme kunfftigs
einen anstoß gebären köndt, auß dem mittel geraumbt werde, also were sein
fleissig ersuechen, wir wolten unß nit zuwider sein lassen, dieser von ime
angebrachter beschwehrung auß dem grundt abzehelffen und zu vermittlen,
damit doch offtermeldte Aidtgnoschafft sambt und sonders mit dergleichen
beschwerlichen zumuettungen verschont und sie bei ihrenn rüemblich erwor-
benen und so vil iahr rüewig besessenen freyheiten, rechten und gerechtig-
kheiten gelassen und darinnen von niemanden weiters turbirt und angefoch-
ten werden; alles mehrern innhalts seines unß dabei zugestellten memorials,
numero 1.
Nun haben wir nach gestaltsamen dises geschäffts für ein unumbgengliche
nothurfft befunden, bei dem Churmaintzischen reichsdirectorio erinnerung
ze thuen
Vgl. das Schreiben der ksl. Ges. an das kurmainzische Reichsdirektorium, Osnabrück 1647
Januar 2 (Kopie: RK FrA Fasz. 94 II nr. 337 p. 564–566; RK FrA Fasz. 96 I fol. 168–169;
StK FrA Ka. 3 (WF XXXVII) fol. 28–29; KHA A 4 nr. 1628/56 unfol. – Konzept:
GehStReg Rep. N Ka. 5 Fasz. 4 pars 8 nr. 1 – Druck: Londorp VI S. 138).
gezogen und Euer Kayserlicher Majestät die exemption deß abgeordneten
begehren gemäß dero Kayserlichem camergericht anzebevehlen durch ein
reichsbedenkhen eingerathen werden möchte. Es hatt sich aber solche
berathschlagung wegen unterdessen von dem cammergericht eingelangter
information
Vgl. den Bericht des RKG an den Ks. vom 30. Januar/9. Februar 1647 (vgl. nr. 344 Beilage
C), der mit einem Begleitschreiben (Kopie: RK FrA Fasz. 94 II nr. 352 fol. 642–643; RK
FrA Fasz. 98b fol. 865–865’; StK FrA Ka. 8/2 fol. 468–468’) versehen auch an die
reichsständischen Ges. auf dem WFK geschickt worden war.
absonderlichen nachwerbens zimblich lang verweilet
In Münster hatten KFR und FR am 21. und 31. Januar sowie am 16. Februar 1647 über die
Basler Exemtion beraten (Druck der Protokolle des KFR: APW III A 1 nr.n 107, 108, 109;
die Protokolle des FR sind [noch] nicht veröffentlicht). In Osnabrück war diese Angelegenheit
am 26. Januar/5. Februar und am 13./23. Februar 1647 im FR und SR proponiert worden
(Druck der Protokolle des FR: APW III A 3; des SR: APW III A 6 nr.n 87, 94) ( Viehl S.
68–137).
wegen eines von dem Baßlischen abgesandten unß, sub numero 2, zugestell-
ten, von weylandt kayser Sigismundo
Ks. Sigismund (Siegmund) (1361–1437); 1433 Ks. ( ADB XXXIV S. 267–282 ).
privilegii, dardurch er doch nichts anders, als daß selbige noch vor auffrich-
tung deß Kayserlichen cammergerichts in possessione exemptionis gewesen
und desto weniger an ihrem mit einverleibung in den Aidtgnossischen pundt
hergebrachten freyen standt ze turbiren sei, beweisen wollen, etwas ungleiche
meinungen under den ständen entstanden, daher wir verursacht worden, dem
Churmainzischen reichsdirectorio der sachen mehrere erleutterung in schriff-
ten anzefüegen, wie die beylag numero 3 außweiset. Hierauff ist unß heut
dato auß der Churmaintzischen cantzlei daß begehrte reichsbedenkhen,
numero 4, in originali beyligend, eingereicht worden. Warauß wir zwar
befinden, daß im churfürstenrath unanimiter, in beeden fursten- und stätträth
aber per maiora darvor gehalten und geschlossen worden, daß Euer Kayserli-
che Majestät allerunderthänigst anzerathen, der statt Basel die gesuechte
exemtion a camerali iurisdictione allergnädigst zu ertheilen und zu solchem
ende obberüerttes privilegium in eben derselben formb (iedoch zu verhüet-
tung etwa besorgender consequentz mit einrukhung diser formalien „auß
gewissen erheblichen ursachen“) ze confirmirn, dasselbe uff das Kayserliche
camergericht zu extendirn und deme zu bevehlen, crafft solcher Kayserlicher
verordnung und deß Heyligen Reichs gnembhaltung der statt Basel ietzt und
künfftig mit erkennung eines process allerdings zu verschonen, daneben aber
angehenkht würdet, solche newe exemptionsertheilung nit ehender hinauß-
folgen ze lassen, es habe sich dann vilgedachte statt Basel mit Florian
Wachtern
richtliche process ertheilt worden seind, vorderist seines erlittnen costen und
schadens verglichen.
Als nun der Baßlische abgesandter dises anhangs anderwerts verstendigt
worden, hatt er unß nit allein mundtlich entdekht, was es vor eine beschaf-
fenheit mit besagten Florian Wachters anforderung hette, nemblich als der-
selb vor ettlich iahren von Schletstatt außgewichen und seinen unterschluepff
zu Basel gesuecht, hette er folgendts eine anzahl weins auß Schletstatt
nach Basel bringen und selbige seinem belieben nach verhandlen lassen und
hernach ettlich innwohner und burger daselbst in seine gesellschafft gezogen,
auch so vil vermöcht, daß dieselbe mit ime und mit einer anzahl gespanter
fude[ r]wagen nach Schletstatt gefahren und selbige mit wein beladen, willens,
solche wein hernach zu Basel uff gmeinen gwin und verlust zu verhandlen.
Als sie aber von Schletstatt abgereißt, weren sie unterweegs von einer partei
Französischer reütter angesprengt und deß mehrern theils der eingespanten
zugrossen beraubt worden. Da nun die verlustige Baßlische bürger bestendig
angezeigt, ob sie zwar den angelegten gwalt der soldaten, weil deren gar
wenig gewesen, leichtlich hetten abtreiben könden, so hab es doch er, Florian
Wechter, nit zugeben wollen, sondern inen zugesprochen, sie solten den
soldaten die pferdt nur folgen lassen, er getrawete, bei dem commendanten in
Schletstatt wol so vil zuweg ze bringen, daß sie die pferdt alsbaldt restituiren
mueßten, gestalt er auch deme nachgefolgt und ettlich widerumb erhalten;
die übrige aber weren von den soldaten verpartiert worden und nit mehr zu
bekommen gewesen. Demnach hetten diejenige Baßler, so ihrer rossen im
mangel gestanden, den Wachter zu Basel vorm stattgericht mit recht vorge-
nommen, der richter aber, weil ieder theil auff seinem anzug verharret und
kein andere beweißthumb als der parteyen selbst widereinanderlauffende
anzüg vorhanden gewesen, hette keinen theil weder absolvirt noch condem-
nirt, sonder sie zu vergleichung der uncösten gewisen. Von dieser urtel wer
durch den Wechter an den Baßlischen magistrat und rath appellirt, von
demselben auch die urtel prioris instantiae, zwar mit der clausul ‘non liquet’,
in ihrem standt gelassen, die beederseits geclagte uncösten aber mit einhelli-
ger rathserkendtnus, auch uff eingeholten rath der rechtsgelehrten compen-
sirt worden. Auß wölchem verlauff dann clärlich erscheinte, daß der Florian
Wachter in zweyen instantiis gnugsamb gehördt worden und, wenn man
gleich in terminis deß Kayserlichen privilegii verbleiben solt, doch super
denegata iustitia an dem Kayserlichen cammergericht ebensowenig als per
viam appellationis zu clagen einigen fueg oder recht haben könde, derentwe-
gen auch die statt Basel sich in ewicheit zu einiger güetlichen abladung gegen
demselben nimmermehr verstehen, sondern vilmehr solche zumuettung vor
einen unleidenlichen eingriff ihres freyen standts halten wurden. So ist auch
uber dise mundtliche anzeig der abgesandte noch weiters mit zweyen
schrifftlichen memorialien, numeris 5, 6, bei unß einkommen, in wölchen er
zum theil die anderseits wider die statt Basel vermeintlich angezogne behelff
widerlegt, im übrigen aber seine petition nochmaln dahien erleüttert, daß er
weder bestettigung noch extension sonderbarer privilegien begehren noch
suechen (sintemalen solche allein zum bericht, wie es mit einer statt Basel vor
auffgerichtem Aidtgnossischem pundt gestanden, angezogen), sondern Euer
Kayserliche Majestät durch unß, dero plenipotentiarios, pitten sollte, die
Aidtgnoßschafft bei ihrem freyen, souverainen standt und herkommen für-
baß rüewig und unturbirt bleiben ze lassen und dem Kayserlichen cammerge-
richt zu Speyr auß Römisch Kayserlicher machtvolkommenheit zu gebietten
und anzebevehlen, so balden alle wider eine statt Basel gefüerte process
gentzlich ze cassirn und abzestellen, auch deme ernstlich auffzelegen, daß sie
weder iezt noch künfftigs, under waß schein und vorwandt daß auch immer
zugehen und beschehen möcht, wider sie noch übrige ortt der gesambten
Aidtgnoßschafft und deren anverwandte dergleichen vorzenemmen und zu
ersuechen nicht mehr underfangen solten.
Wir hetten zwar unserstheils nit underlassen, hierunter von denen reichsstän-
den mehrere erleütterung zu begehren. Alldieweil aber auß denen vorgang-
nen handlungen sovil erscheint, daß allerhandt ungleiche einbildungen bey
theils abgesandten, so den statum, warinn es nun uber menschengedenkhen
mit der Aidtgnoßschafft gegen dem Reich bestanden, nit recht begreiffen
wollen, emporgehen thuend, zumahlen die Französische und Schwedische
gesandten sich der sachen mit gantz eyfferiger recommendation ze unternem-
men angefangen, so haben wir für daß bessere erachtet, uff sothanes
generaleinrathen Euer Kaiserlicher Majestät von dem gantzen verlauff hiemit
allerunderthänigste relation zu erstatten und dabei zu unserm unmaßgebli-
chen guettachten gehorsamst anzefüegen, daß wir ja keine begründte ursach
finden, nachdem die gemeine 13 ortt der Aidtgnoßschafft nun so vil in langer
zeit und jar in possessione vel quasi eines freyen und außgezognen standts
gewesen, auch die wider die statt Basel angezogne actus possessorii nichts
anders dann für lauttere attentata, one daß darauff einige formbliche parition
beschehen wer, ze achten, warumben die deme entgegen angestelte camerge-
richtliche process gebillicht oder einige güettliche underhandlung darauff
begrindet werden solten oder köndten, sondern daß vil besser und räthlicher,
auch dem Heyligen Römischen Reich nutzlicher sein werde, die gebettene
declarationem exemptionis nechsthirob auß deß Baßlischen abgesandtens
anbringen gesetztermaassen zu ertheilen, wardurch auch Euer Kayserliche
Majestät gemeiner Aidtgnoschafft, als wölche sich diser sachen, innhalts
beiligendem originalschreibens, numero 7, gemeinlich annemmen thuet, ein
sonderbare gnad erweisen und sie hingegen zu desto bestendiger beobach-
tung deren mit dem hochloblichem hauß Österreich habender erbverein
geneigt und willfährig erhalten werden. Da in widrigem fahl und wann hiebei
zu einigem misstrawen anlaaß gegeben werden solt, wol zu fürsorgen
stuende, daß mit der zeit nit geringe ungelegenheiten hierauß entspringen
möchten, und dieweil der Baßlische abgesandter disem geschäfft allhier
schon zimblich lang nachgefolgt und überdaß bevelcht ze sein anzeigt, Euer
Kayserlicher Majestät allergnädigste und entliche resolution allhier zu
erwartten, als geruhen dieselbe, gnädigste verordnung ze thuen, daß nit allein
dem cammergericht vorbedeüttermaassen die abstellung diser und künfftiger
processen wider die statt Basel und andere der gemeinen Aidtgnoßschafft
einverleibte ständt anbevohlen werde, sondern auch dise ertheilende Kayserli-
che resolution dem abgesandten per decretum notificirn und die originalauß-
ferttigung des bevelchs und decreti unß ehist übersenden, in solchem decreto
aber auch daßjenig einrukhen lassen, waß zu ende deß reichsbedenkhens
angehenkht würdet, nemblich daß, gleichwie die statt Basel und gemeine
Aidtgnoschafft sich dato uff zutragende fähl bei Euer Kayserlicher Majestät
und deß Heyligen Reichs chur-, fürsten und stenden umb schleinige admini-
stration rechtens beworben, dasselbe auch iederzeit erlangt, also hinwider sie
deß Heyligen Reichs ständen und underthanen ebenmässig auff begebende
fähl schleinig recht widerfahren ze lassen, auch alle guette nachbarliche
verstandtnus zu erhalten sich befleissen sollen und wollen.
PS Weil bei außferttigung diß unß der Baßlische abgesandt eine speciem facti,
wie es mit deß Florian Wachters anforderung bewandt, mit etwas mehrern
umbständt außgefüert, als hieoben vermerkht, würdet, zugestellt, haben wir
selbige zu mehrer nachricht benebens sub numero 8 auch beylegen sollen.