Acta Pacis Westphalicae : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 7: 1647 - 1648 / Andreas Hausmann
IV. Die Verhandlungen mit Frankreich
Die substantiellen Verhandlungen mit den französischen Gesandten ruh-ten im Editionszeitraum des vorliegenden Bandes. Am Tag der Unter-zeichnung des kaiserlich-französischen Vorvertrags über die französische Satisfaktion durch die Gesandtschaftssekretäre
traf Volmar bereits zur Vorbereitung der neuen Verhandlungsrunde über den Friedensvertrag mit Schweden in Osnabrück ein. Die Zurückstellung der kaiserlich-franzö-sischen Verhandlungen hinter die Verhandlungen über dasIPO wurde in der Hauptinstruktion vom 6. Dezember 1647 von Ferdinand III. aus-drücklich angeordnet
und kam auch durch das Fehlen einer entspre-chenden Instruktion für Nassau und Volmar zum Ausdruck. Die in der Hauptinstruktion angekündigte Weisung zu den weiteren Verhandlungen mit Frankreich erging im Editionszeitraum nicht mehr. Nassau und Volmar baten daher am 7. Februar 1648 in der irrigen Erwartung eines
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bevorstehenden Abschlusses der Verhandlungen in Osnabrück am Kaiser-hof um die Erteilung der angekündigten Instruktion
.
Dennoch nahm der Friedensvertrag mit Frankreich auch nach dem Ab-schluß des Vorvertrags die Aufmerksamkeit des Kaiserhofs für gewisse Zeit in Anspruch. Die Gültigkeit des kaiserlich-französischen Vorvertrags war nämlich von den kaiserlichen Gesandten – im Gegensatz zu den Satisfaktionsartikeln vom September 1646
Text dort:
Repgen,
Satisfaktionsartikel, 212.
– nicht unter den ausdrück-lichen Vorbehalt einer Lösung der Lothringenfrage
Die sog. „Lothringenfrage“ umfaßte im einzelnen drei Themenkomplexe: 1. den Ein-schluß Hg. Karls IV. in den Friedensvertrag (dazu gehörte bspw. die Frage der Zulassung eines lothringischen
Ges.
zum Friedenskongreß); 2. die Restitution des Hg.s in die von Frk. annektierten Gebiete; 3. die frz. Forderung nach einem Assistenzverbot des Hauses Habsburg für den Lothringer. In den span.-frz. Verhandlungen des Editionszeitraums steht die Auseinandersetzung um die Restitution klar im Vordergrund. – Zu den Hinter-gründen der Lothringenfrage vgl.
Mohr, 284–393; kompakter Überblick:
Ruppert, 343ff.
sowie des gleich-zeitigen Friedensschlusses zwischen Spanien und Frankreich gestellt wor-den
Die ksl. und frz.
Ges.
hatten sich vor Abschluß des Vorvertrags darauf geeinigt, die gen. Streitfragen bis auf weiteres zurückzustellen. Hierüber hatten die
Ges.
dem Ks. auch am 12. November 1647 berichtet (Text:
APW II A 6 Nr. 273).
. Der Rechtfertigungsversuch Nassaus und Volmars, die die Aus-lassung als risikoloses verhandlungstaktisches Manöver darstellten, über-zeugte am Kaiserhof nicht
Vgl.
[Nr. 37] . In einigen Schreiben an Nassau sah Volmar den Abschluß des Vorvertrags grundsätzlich skeptisch und kritisierte die diesbezügliche Rolle Kurbayerns und der übri-gen
Französischen factionisten (vgl. vor allem
[Nr. 32] ; auch
[Nr. 35] ).
. Vielmehr ging es Ferdinand III. darum, den Anspruch auf Restitution Herzog Karls IV. und den Einschluß Spa-niens als Voraussetzung für einen Friedensschluß ausdrücklich aufrecht-zuerhalten. Demzufolge wurden die Gesandten wiederholt angewiesen, die entsprechenden Vorbehalte schnellstmöglich und schriftlich bei den Mediatoren zu hinterlegen, um jegliche Möglichkeit eines Mißbrauchs durch Frankreich auszuschließen
Vgl.
[Nr. 13] , eindringlich wiederholt in
[Nr. 52] ;
Dickmann, 448. Volmar vermutete intern, daß die Reaktion des Ks.s auf span. Einfluß zurückzuführen sei (vgl. Nr. 32; zur frz. Sicht auf die Rollenverteilung im Hause Österreich vgl.
APW II B 6, LXXXIX Anm. 181). – Die frz.
Ges.
nahmen die nachträgliche Hinterlegung der Vorbehalte bei den Mediatoren am 11. Dezember 1647 offenbar reaktionslos zur Kenntnis (vgl.
[ Nr. 50] ).
.
Eine Besonderheit der Auseinandersetzung über Lothringen bestand darin, daß sie gleichermaßen die Verhandlungen Frankreichs mit dem Kaiser und mit Spanien betraf. Da die Verhandlungen des Kaisers mit Frankreich im Editionszeitraum ruhten und die Kaiserlichen die Frage dementsprechend nicht mit den französischen Gesandten verhandelten, fanden Entwicklungen nur auf spanisch-französischer Ebene statt. Dabei kristallisierte sich mehr und mehr heraus, daß die jeweiligen Standpunkte
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in der Lothringenfrage in einem solchen Maße unvereinbar waren, daß sie bis zum schließlichen Scheitern der Verhandlungen von den Parteien nicht beigelegt werden konnte
.
Zwar stellten die französischen Gesandten Mitte Januar 1648 ein inoffi-zielles (und unter den französischen Gesandten umstrittenes) Angebot in den Raum, das die Restitution Altlothringens
Zur inhaltlichen Bedeutung des Begriffs vgl.
[Nr. 77 Anm. 4] ; vgl. außerdem
Rohr-schneider, Frieden, 417 Anm. 38. Karte: Der deutsch-französische Grenzraum im 16. und 17. Jahrhundert, in:
Babel, 8.
nach Schleifung der dorti-gen Festungen an Hg. Karl IV. zum Inhalt hatte. Die Zweifel Peñarandas an der Ernsthaftigkeit dieses Angebots erwiesen sich jedoch als wohl-begründet, denn anstelle seiner Zustimmung zu dem genannten Angebot übersandte Ludwig XIV. seiner Gesandtschaft ein klärendes Memoran-dum, das eine Restitution Herzog Karls endgültig ausschloß
.
Davon abgesehen stellte sich bereits die Einigung über das Restitutions-angebot der französischen Gesandtschaft als unmöglich dar, denn für Spa-nien kam die darin geforderte Schleifung der lothringischen Festungen in keiner Weise in Betracht
Die Auseinandersetzung konzentrierte sich schließlich auf die Festung Nancy (vgl.
[Nr. 90] ,
[ 101] ,
[ 106] ). – Die Festung wurde 1659/61 bei der im Rahmen des Pyrenäenfriedens erfolg-ten Teilrestitution Hg. Karls IV. geschleift (
Mohr, 381f).
. Da eine Lösung der Lothringenfrage in den spanisch-französischen Verhandlungen somit spätestens seit Februar 1648 ausgeschlossen war, mußte diese den kommenden Verhandlungen zwi-schen Frankreich und dem Kaiser vorbehalten bleiben
Zu der späteren friedensvertraglichen Regelung vgl. § 4IPM.
.
Auch im zweiten der zurückgestellten Verhandlungspunkte, denen Ferdi-nand III. im Zusammenhang mit dem kaiserlich-französischen Vorver-trag so große Bedeutung zumaß, blieben Fortschritte im weiteren Edi-tionszeitraum aus. Der Kaiser verfolgte konsequent seinen Standpunkt, daß er einen Frieden mit Frankreich und Schweden nur unter Einbezie-hung Spaniens, das heißt bei einem gleichzeitigen Friedensschluß zwischen Frankreich und Spanien, abschließen würde
.
Diese bei den Reichsständen sehr unpopuläre Position auf dem Kongreß zu vertreten, erwies sich für die kaiserlichen Gesandten indes als undank-bare Aufgabe. Das Festhalten an der Assistenz für die spanische Linie Habsburgs führte auf reichsständischer Seite zu dem Vorwurf, daß der Kaiser den Friedensschluß im Reich zugunsten Spaniens verzögere. Wäh-rend aus kaiserlicher Sicht von den Gegnern Habsburgs nichts anderes zu erwarten war, als daß sie die kaiserliche Bindung an Spanien für ihre In-teressen instrumentalisieren würden, rief der Umstand, daß auch das ver-bündete Kurbayern derartige Kritik unterstützte, massives Unverständnis
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bei den kaiserlichen Gesandten hervor
Vgl.
[Nr. 8] und
[ 11] . Grundsätzliche, z.T. massive Kritik an der Politik Kurbayerns, dessen Forderung nach schnellstmöglichem Friedensschluß die Forderung nach Separation des Ks.s von Spanien immanent war, in
[Nr. 17] ,
[ 19] und
[ 23] .
. Tatsächlich wurde dieser Vorwurf nämlich nicht nur von protestantischer und schwedischer Seite, sondern auch von denjenigen katholischen Reichsständen erhoben, die auf einen schnellen Friedensschluß auf der Grundlage des Trauttmans-dorffianums drängten. Namentlich Kurmainz und Kurbayern sandten Anfang 1648 die Abgesandten Waldenburg und Mändl an den kaiser-lichen Hof in Prag, um Ferdinand III. vor Ort zu einem Friedensschluß mit den Kronen ohne Einbeziehung Spaniens zu drängen
. Daß diese Initiativen beim Kaiser nicht gänzlich ohne Effekt blieben, zeigten die Weisungen vom 1. und 8. Februar 1648, in denen die Forderungen der kurfürstlichen Abgesandten als Hintergrund für die enthaltenen Instruk-tionen angeführt wurden
.
Die Problematik, daß das Reichsoberhaupt einen kaiserlich-französischen Friedensschluß mit dem Einschluß Spaniens in einen Gesamtfrieden ver-knüpfte, gewann im Editionszeitraum insofern an Bedeutung, als das Scheitern der spanisch-französischen Verhandlungen im Januar/Februar 1648 augenfällig wurde
Ausdrücklich in diesem Sinne die Relation Nassaus vom 8. Februar 1648 (Nr. 116).
Rohrschneider, Frieden, 424, datiert den faktischen Stillstand der Verhandlungen auf Mitte Januar 1648; vgl. auch
Tischer, Diplomatie, 408ff. – Die frz. Kongreßdiplomatie war von dem ursprünglichen Ziel einer
pax universalis in dem Maße abgerückt, in dem offensichtlich wurde, daß es in den zentralen Streitfragen mit Spanien zu keiner Einigung kommen würde, und sich damit verbunden die Überzeugung durchsetzte, daß Spanien keinen dauerhaften Frieden mit Frankreich anstrebe. Eine entsprechende Ansicht herrschte auch bei der Regierung in Madrid, die sich darüber hinaus, ausgehend von dem Friedensschluß mit den Vereinigten Niederlanden, seit 1648 zunehmend unberührt von den bislang erzielten Ergebnisse in den Verhandlungen mit Frk. zeigte (vgl.
Rohr-schneider, Frieden, 421f, 427f, 481).
. Dennoch ist am Kaiserhof keine weiterfüh-rende Beschäftigung mit dieser Thematik erkennbar. Die Korresponden-zen geben keine Hinweise darauf, daß der Kaiser in dieser Phase der Ver-handlungen eine weitergehende Konzeption zu der Frage des Einschlusses Spaniens in den Frieden entwickelte, die das Scheitern einer spanisch-fran-zösischen Einigung einkalkulierte und somit über die hergebrachte kaiser-liche Position hinausging
Vgl. auch
Ruppert,
350ff.
. Auch der Gegensatz, der daraus resultierte, daß der Kaiser einerseits einen schnellen Friedensschluß forcierte und gleichzeitig seine Friedensbereitschaft an den immer unwahrscheinlicher werdenden Einschluß Spaniens knüpfte, wurde nicht erkennbar themati-siert. Offenbar setzte Ferdinand III. seine gesamten Erwartungen in die angestrebte Einigung mit den Reichsständen über die sie betreffenden
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Fragen, um derart gestärkt eine Lösung der mit Frankreich verbliebenen Streitpunkte in seinem Sinne durchsetzen zu können.