Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
2. Wartenberg, Kurköln und Bayern
Eine der markantesten Gestalten unter den hohen Reichsprälaten des 17. Jahrhunderts, war Franz Wilhelm von Wartenberg eine Person, an der sich schon zu Lebzeiten die Geister schieden. Den einen der in seinen Grundsät-zen unerschütterliche, feste und konsequente Vorkämpfer und Verteidiger der katholischen Lehre, war er den anderen, gerade auch unter seinen Glaubensgenossen, ein lästiger und unbequemer Eiferer, der in starrsinnigem Festhalten an Maximalpositionen das Erreichen des praktisch Möglichen gefährdete. Die Protestanten aber sahen in ihm die Verkörperung all dessen, was ihnen feindlich war, den harten und unerbittlichen Verfolger ihres Glaubens, der auch vor schlimmster Gewaltanwendung nicht zurückschrec-ke
Positive Würdigung besonders in den 1653 verfaßten, 1698 zuerst gedruckten ‚Arcana Pacis Westphalicae‘ Adamis. Vgl. hierzu
F.
Israel, besonders S. 182f. – Ablehnend besonders im Schlußstadium der Verhandlungen die Äußerungen Bayerns und Volmars. – Zur Beurteilung durch die Protestanten vgl.
T.
Pfanner, Historia Pacis, besonders S. 479, 554.
. So fehlt sein Name auch in kaum einer Darstellung der deutschen Verhältnisse in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Mehrfach sind seiner Person und seinem Wirken Darstellungen gewidmet worden
Erste biographische Darstellung bei J. L.
Walther
S. 33–37 mit Auszug aus G. J.
Eggs,
purpurea docta 6 S. 456ff. Zusammenfassende Übersicht über die Gesamtliteratur bei A.
Knoch
S. 15ff.
. Der eine Höhepunkt seiner politischen Tätigkeit, der Kampf um die katholische Restauration in Zusammenhang mit dem Restitutionsedikt, ist auch quellen-mäßig seit längerem gut erschlossen
Für 1621–1631 durch H.
Forst.
. Für seine Politik auf dem westfäli-schen Friedenskongreß, über die das Diarium näheren Aufschluß geben soll, liegt eine hauptsächlich dieses auswertende Darstellung vor
. Ebenfalls eingehend gewürdigt ist bereits der letzte Abschnitt seines Lebens als Bischof von Regensburg
. Statt einer ausführlicheren Darstellung seiner äußeren Lebensverhältnisse kann daher hier eine kurze Charakteristik seiner persön-lichen und politischen Stellung genügen.
Entscheidend für Franz Wilhelms kirchliche und politische Karriere war die Beziehung zum Hause Bayern, dem sein Vater Herzog Ferdinand (1550–1608) selbst angehört hatte. Durch ihn stand er in engsten verwandt-schaftlichen Beziehungen zu den wichtigsten regierenden Familien Europas.
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Seine direkten Vettern waren die Kurfürsten von Bayern und Köln, aber auch Kaiser Ferdinand II. Nur um einen Grad weiter verwandt war er mit den Königen von Spanien, Frankreich und Polen, den zahlreichen Nach-kommen des Hauses Jülich-Kleve und den wichtigsten italienischen Fürsten-familien. Indessen war der blutsmäßige Zusammenhang mit der habsbur-gisch-bayerischen Familie und ihren Verzweigungen, auf den Franz Wil-helm sehr stolz war und den er oft und gern hervorhob, in seiner Bedeutung doch sehr eingeschränkt durch die unebenbürtige Herkunft der Mutter Maria Pettenbeck aus einer bayerischen Beamtenfamilie. Zwar hatte Her-zog Wilhelm V. (1548–1626) das Sukzessionsrecht der Nachkommen seines Bruders Ferdinand 1588 anerkannt, aber das war lediglich eine Vorsichts-maßregel, um einen eventuellen Übergang Bayerns an die protestantischen Pfälzer zu verhüten; ausdrücklich war festgesetzt, daß die Grafen von Wartenberg, solange die Wilhelminische Linie bestand, nicht zum Hause Bayern gehörten
Vertrag 1588 IX 23 (Druck:
J. J.
Moser 12 S. 431f, 14 S. 7, 19 S. 19–23). Zu seiner Bedeutung für die bayerische Sukzessionsordnung zuletzt
H.
Rall S. 24f.
. Auf diese Abgrenzung hielt insbesondere Kurfürst Maxi-milian mit aller Konsequenz
Vgl. J.
Foerster
S. 8, 42 mit Anm. 121.
, während Franz Wilhelm neben mangelnder Unterstützung vom Hause Bayern auch darüber klagte, daß er und seine aus rechtmäßiger Ehe stammenden Geschwister schlechter gestellt seien als die illegitimen Nachkommen eines anderen Bruders seines Vaters, des Kölner Kurfürsten Ernst
. Ein gewisses Gefühl der Benachteiligung seiner Familie und fehlender Anerkennung seiner Verdienste seitens des Hauses Bayern war bei Franz Wilhelm tief verwurzelt und brach immer wieder durch. Um so empfindlicher war, nachdem er selbst Reichsfürst geworden war, das Gefühl für seine Stellung. Es äußerte sich in einem ausgeprägten Hang zu fürstlicher Repräsentation, den schon Zeitgenossen als übertrieben verspotteten
, zumal er oft nicht mit Wartenbergs wirklichem politischen Gewicht in Einklang stand. Auch seine Vorliebe für die Behandlung von Zeremonialfragen, die sich gerade auf dem Westfälischen Friedenskongreß zeigte, mag damit in Zusammenhang stehen. Jedenfalls scheint ihn das Thema weit über seine zugegebenermaßen große politische Bedeutung hinaus angezogen zu haben. Für Maximilian jedoch blieb Wartenberg ein Diener, nicht ein Mitglied des Hauses Bayern, und je mehr der Bischof seinen Rang zur Schau stellte, um so kühler wurde das persönliche Verhältnis des Kurfürsten zu ihm.
Geboren am 1. März 1593 und schon früh zum geistlichen Stand bestimmt, erhielt Franz Wilhelm seine erste Ausbildung in Ingolstadt und München. Nach weiteren Studien am Collegium Germanicum in Rom seit 1608 trat er 1614 in die Dienste Maximilians und konnte in München – seit 1617 als Präsident des Geistlichen Rates – seine unstreitige administrative und organisatorische Begabung unter Beweis stellen und weiterentwickeln. Die
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Möglichkeit auch zu politischer Tätigkeit eröffnete sich ihm 1621, als durch die Beförderung des kurkölnischen Obersthofmeisters Eitel Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen (1582–1625) zum Kardinal dessen bisherige Stellung frei wurde und Kurfürst Ferdinand ihn nach Bonn rief. Damit trat er in einen Wirkungskreis ein, der bis 1650 bestimmend für ihn geblieben ist: die Vertretung der bayerischen Bistumspolitik am Niederrhein und in Westfalen.
Die ‚Geistliche Sekundogenitur‘ des Hauses Bayern bestand hier schon in der zweiten Generation: 1612 war auf Kurfürst Ernst von Bayern (1554–1612) im Erzstift Köln, in Münster, Lüttich, Hildesheim und Stablo-Malmedy sein Neffe Ferdinand (1577–1650) gefolgt, der jüngere Bruder Maximilians, der 1618 auch noch das Stift Paderborn erhielt. Als einer der bedeutendsten Kölner Kurfürsten der Neuzeit sah Ferdinand innenpolitisch sein Programm vor allem in der Durchsetzung seiner landesfürstlichen Autorität gegenüber den Ständen, einer sehr schwierigen Frage, da deren Stellung gerade in den Stiftern sehr selbständig war, sowie in der Neuord-nung der geistlichen Verwaltung und ernstlichen Durchführung der Triden-tiner Reformbeschlüsse. In der Reichs- und Außenpolitik war er von Anfang an ein eifriger Vertreter der unter bayerischer Führung stehenden katholi-schen Liga, mußte aber Rücksichten nehmen wegen der exponierten Lage seiner Länder, die dem zum guten Teil auf benachbartem Reichsgebiet geführten spanisch-niederländischen Krieg ausgesetzt waren. Das gemeinsa-me kirchliche Interesse führte ihn dabei auf die Seite Spaniens, doch gerade mit dieser Macht gab es auch ständig Mißhelligkeiten, nicht nur in Lüttich, wo Fragen der Landeshoheit hineinspielten, und wegen der Belästigung durch spanische Besatzungstruppen, sondern auch aus grundsätzlichen Bedenken gegen eine habsburgische Hegemonie, wie sie in der Krise um die bayerische oder österreichische Orientierung der Liga auch gegenüber dem Kaiser zum Ausdruck gekommen waren
Zur bayerischen Bistumspolitik in Nordwestdeutschland vgl. zusammenfassend zuletzt M.
Weitlauff
S. 53ff mit weiteren Literaturangaben, D.
Albrecht
S. 201f. Charakterbild Ferdinands in E.
Ennen,
Kurfürst Ferdinand; zur Situation seiner Stifter gegenüber Spanien und den Niederlanden vgl. J.
Kessel;
zu seiner Politik seit 1634 vgl. J.
Foerster.
.
Es scheint, daß sich zwischen dem Kurfürsten und Wartenberg, der jetzt als Obersthofmeister auch sein leitender Minister und engster Mitarbeiter wurde, schon bald ein festes Vertrauensverhältnis ergab. Beide waren sich in vielem ähnlich, so im deutlichen Überwiegen der administrativen über die politische Begabung und vor allem im Verständnis der kriegerischen Ausein-andersetzungen vom vorwiegend religiösen Standpunkt aus, was ein Einge-hen auf politisch notwendige Kompromisse sehr erschwerte. War Warten-berg dabei dem Kurfürsten durch seine gründliche Ausbildung wohl an fundierten theologischen und juristischen Kenntnissen überlegen, die wir bei Ferdinand, der bereits mit 18 Jahren die Verwaltung des Erzstiftes über-
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nommen hatte, kaum in diesem Maße voraussetzen dürfen, so lieferte sich dieser doch nicht völlig dem Einfluß seines Ministers aus. Er war durchaus willens und fähig, die grundsätzlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und wo er auf fremden Rat hörte, wurde die Rolle Wartenbergs eingegrenzt durch die Vorstellungen seines Bruders Maximilian. Diese liefen bei allem energischen Festhalten an den katholischen Interessen doch mehr auf ein vorsichtiges Abwägen der Chancen und Gefahren für Haus und Staat hinaus, wo Wartenberg in unbeirrbarer Konsequenz den streng kirchlichen Standpunkt vertrat. Und wenn es zur Entscheidung kam, beugte Ferdinand sich letzten Endes meist doch der Autorität seines Bruders, dessen überlegene Fähigkeiten er anerkannte. So hat Wartenberg, ohne daß es zu einem förmlichen Bruch kam, in der Schlußphase des Westfälischen Friedenskon-gresses jeden tatsächlichen Einfluß auf die Kölner Politik verloren.
In den Jahren des Erfolges der katholischen Restauration nach 1621 traten diese Gegensätze naturgemäß weniger hervor. Vielmehr war Wartenberg geradezu der Kandidat der bayerischen Partei, als es im Wettstreit mit dem Kaiserhause um die Verteilung der errungenen Gewinne ging
Vgl. D.
Albrecht
S. 201f.
. Unter diesem Gesichtspunkt läßt sich bereits die am 25. Oktober 1625 erfolgte Postulation Franz Wilhelms zum Bischof von Osnabrück sehen, wo er in der Person des Kardinals Hohenzollern
Zu ihm zuletzt
NDB
IV S. 424 mit weiterer Literatur.
seit 1623 schon einen katholischen Vorgänger gehabt hatte. Bei den Bemühungen um das Erzstift Bremen trug allerdings der habsburgische Kandidat den Sieg davon. In scharfem Wettbe-werb mit diesem gewann Franz Wilhelm aber 1629/30 Minden und Verden, nicht auf dem normaleren Weg der Postulation, sondern durch päpstliche Provision. Damit war er jedoch jetzt selbst zum Rang eines Reichsfürsten emporgestiegen, auch wenn er die Regierung in Osnabrück erst 1628, in den beiden anderen Stiftern 1630/32 in die Hand bekam und schon 1633 wieder verlor. In diese kurze Zeitspanne fällt der Höhepunkt von Wartenbergs selbständiger politischer Tätigkeit als Landesherr und kaiserlicher Kommis-sar zur Durchführung des Restitutionsediktes im niedersächsischen Kreis (seit 1629). Vornehmlich in diesen Jahren hat er sich den Ruf erbarmungsloser Härte und unnachsichtiger Konsequenz gegenüber den Protestanten erwor-ben, der ihm seither anhaftete und ihm bei den Friedensverhandlungen nicht unerheblich geschadet hat
. Ob er in allem gerechtfertigt war, mag dahinge-stellt bleiben. Wartenberg selbst hat sich im Laufe der Verhandlungen mehrfach – und wie es scheint, nicht ganz zu Unrecht – gegen den Vorwurf unnötiger Härte bei der Regierung seiner Stifter verwahrt
. Vieles mag bei der ohnehin zu unterschiedlichen Interessenlage auf Polemik beruhen. Jedenfalls war es Wartenberg aber nicht gegeben, mit von ihm für nötig erkannten unangenehmen Eingriffen durch entgegenkommende Milde bei
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der Ausführung einigermaßen zu versöhnen. Seine Neigung, die eigene Person in den Vordergrund zu spielen, das schroffe Hervorkehren seiner herrscherlichen Stellung und seine ganze Wesensart haben bei seinen nord-deutschen Untertanen wenig Verständnis gefunden.
Nach dem Zusammenbruch der katholischen Stellung in Nordwestdeutsch-land infolge der Schlacht bei Hessisch-Oldendorf 1633 mußte auch Warten-berg seine Stifter verlassen und vermehrte zunächst den Kreis der in die Reichsstadt Köln geflohenen Ligafürsten. Im folgenden Jahrzehnt hat er wieder hauptsächlich seine Funktion als Obersthofmeister in Bonn wahrge-nommen. 1634/35 führte er die in Zusammenhang mit den Prager Friedens-verhandlungen stehende kurkölnische Delegation nach München und Wien, im Winter 1636/37 begleitete er den Kurfürsten zum Regensburger Kurfür-stentag und vertrat diesen 1639/40 in der Erledigung der laufenden Geschäfte bei dessen zweimaligem längeren Aufenthalt in Lüttich. Auch seine Reise nach Rom 1641 stand in Zusammenhang mit den Bemühungen um die Wahl des bayerischen Prinzen Max Heinrich zum Koadjutor in Köln. Dennoch war seine Stellung dabei anders als vorher. Als vom Kaiser anerkannter Bischof von Osnabrück, Minden und Verden konnte er nicht nur auf Reichs- und Kreistagen selbständig Position beziehen, es bildete sich auch, je mehr der Wechsel des Kriegsglücks eine Lösung der Konflikte durch einen Kompromißfrieden nahelegte, ein durch die jeweils eigene Interessen-lage bestimmter Unterschied zwischen Bayern, Köln und Wartenberg heraus.
Kurfürst Maximilian verfügte mit Bayern über ein im Grunde politisch wie kirchlich konsolidiertes Staatswesen, das auch bei einem rechtzeitig geschlos-senen Kompromiß wenig zu befürchten hatte und mit der Pfälzer Kur und der Oberpfalz gleichzeitig die wichtigsten eigenen Kriegsziele zu behaupten hoffen konnte. Etwas schwieriger war die Lage für die gegen Ende des vorigen Jahrhunderts erworbenen geistlichen Außenpositionen des Hauses Bayern in Nordwestdeutschland. Hier bedeuteten protestantische Bewerber zeitweise eine ernstliche Gefahr, vor allem wo sie sich, wie die Hessen, zum Teil in den militärischen Besitz des Landes gesetzt hatten. Sie hieraus wieder zu vertreiben, zumindest den Rest zu behaupten, war daher für Kurfürst Ferdinand ein Hauptanliegen seiner Politik, dem er in den letzten Kriegs-jahren vor allem mit einer ursprünglich offensiv gedachten Kreisdefensions-verfassung zu dienen suchte. Immerhin waren bei einem einigermaßen erträglichen Kompromiß auch seine Stifter, in denen die katholische Restau-ration schon länger gewirkt hatte und deren katholischer Grundcharakter nie verlorengegangen war, nicht allzu sehr gefährdet, wenn auch im einzelnen vielleicht mit schmerzlichen Opfern zu rechnen war. So konnte Ferdinand, obschon zögernd und mit Vorbehalten, sich schließlich doch mit einem Kompromiß abfinden. Und in der Tat sind den Katholiken beim endgültigen Friedensschluß keine Gebiete entzogen worden, in denen sie eine alte konsolidierte Position innehatten.
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Ganz anders die Lage Wartenbergs: Die ihm auf dem Höhepunkt der katholischen Erfolge zugefallenen Stifter Osnabrück, Minden und Verden – gewissermaßen ein Außenposten der bayerischen Position in Nordwest-deutschland, die Kurfürst Ferdinand, der bereits über fünf Stifter verfügte, nicht mehr gut selbst in Anspruch nehmen konnte – bezeichneten mit den Erwerbungen Erzherzog Leopold Wilhelms die äußerste Grenze des katholi-schen Vordringens; sie waren nur zu halten, wenn sich die im Restitutions-edikt ausgedrückte katholische Rechtsauffassung in vollem Umfang behaup-ten ließ. Am günstigsten war die Situation noch in Osnabrück. Hier war Wartenberg vor Erlaß des Restitutionsediktes gewählt worden, er hatte in Kardinal Hohenzollern bereits einen katholischen Vorgänger gehabt und die inneren Verhältnisse des Stiftes hatten auch vorher einen konfessionell gemischten Zustand gehabt. Die wirkliche Landeshoheit über das ganze Stift haben allerdings Franz Wilhelm und sein Vorgänger auch hier nur für kurze Zeit behaupten können. Lediglich kleinere Teile, vor allem das von münsterischem Gebiet umgebene Amt Wiedenbrück, standen seit der Kata-strophe von 1633 je nach Kriegsverlauf zeitweise wieder unter der Kontrolle des Bischofs. So war Wartenberg in bezug auf seine eigenen Stifter eigentlich ein Prätendent, der kaum etwas zu verlieren und zu gewinnen nur dann hatte, wenn der katholische Standpunkt sich voll durchsetzen ließ. Das machte es ihm wesentlich leichter, unter strikter Wahrung des kirchlichen Rechtsstandpunktes bei einer grundsatztreuen Haltung zu verharren, als etwa dem Kurfürsten von Bayern. Unter Wartenbergs Einfluß hatte Ende 1634 auch Kurköln sich für eine völlige Ablehnung der dem Prager Frieden vorausgehenden Pirnaer Notuln entschieden. Während aber Wartenberg, der diesen Standpunkt in München und Wien vertreten sollte, von Maximi-lian geschickt beiseite geschoben wurde, erreichte dieser in direkter Einfluß-nahme auf seinen Bruder, daß Kurköln den im Prager Frieden ausgehandel-ten Kompromiß zwar nicht billigte, aber hinnahm
Vgl.
J.
Foerster S. 18ff, zur Haltung Wartenbergs
K.
Repgen, Kurie 1,1 S. 366–376. Bemerkenswert ist, daß dabei Kurköln zunächst die Rechtsgültigkeit des Passauer Vertrages und des Augsburger Religionsfriedens verneinte. Diese Auffassung wird auf Wartenberg zurückgehen, der ähnliche Auffassungen auch 1645 vertrat. Vgl.
K.
Repgen, Wartenberg S. 231ff.
. Immerhin waren damals Wartenbergs persönliche Interessen hinsichtlich seiner drei Stifter noch durch einen Nebenrezeß gewahrt geblieben
. Als aber 1643 die Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück begannen, hatte sich das Kräfteverhältnis völlig verschoben.
Bereits auf dem Regensburger Kurfürstentag 1636 waren Köln und Bran-denburg deputiert worden, um im Namen des Kurkollegs den Kaiser bei den in Aussicht genommenen Friedensverhandlungen mit Frankreich zu unter-stützen (wie Mainz und Brandenburg bei den Verhandlungen mit Schwe-
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[scan. 35]
den)
Zur Frage der Beteiligung des Kurkollegs an den Friedensverhandlungen und seiner Stellung auf dem Kongreß vgl. insgesamt
W.
Becker.
. Der Reichstag von Regensburg hatte diese Maßnahme bestätigt. Ein Alleinvertretungsanspruch der Deputierten lag darin nicht. Auch Kurfürst Ferdinand bekannte, daß auf diese Weise lediglich die Präsenz des Kurkol-legs überhaupt sichergestellt sein solle und es anderen Kurfürsten unbenom-men bleibe, einzeln den Kongreß zu beschicken
Vgl. Kurköln an Kurbayern 1644 XI 13, XII 25 (
München II K. schw. 983) zur Abwehr weitergehender brandenburgischer Ansprüche.
. Daß zumindest Bayern von dieser Möglichkeit Gebrauch machen würde, stand schon frühzeitig fest. Auf einer anderen Ebene lag es, wenn auch Franz Wilhelm beabsichtigte, die Interessen seiner Stifter auf dem Friedenskongreß persönlich zu vertreten. Kraft eigenen Rechtes war er nicht Verhandlungsteilnehmer, wenn es ihm natürlich auch freistand, sich mit seinen Anliegen an die Vertreter des Kaisers und der übrigen Mächte zu wenden. So war es ihm sicher nicht unlieb, daß Kurfürst Ferdinand ihn bereits im Mai 1643 ersuchte, als Prinzipalgesandter die Führung der kurkölnischen Delegation zu überneh-men, und ihm damit von vornherein zu einer eindeutigen Position verhalf. Für die Gesandtschaft vorgesehen waren ferner der Kölner Domscholaster und Geheime Rat Graf Berthold von Königsegg, der auch das Kapitel repräsentierte, sowie die in Reichssachen besonders erfahrenen Geheimen Räte Dietrich Adolf von der Reck und Dr. Peter Buschmann, Dompropst bzw. Kanzler von Paderborn
Kurköln an Wartenberg 1643 V 6, 8 (
OSN 97), Wartenberg an Kurköln 1643 V, 4, 7
(OSN 96).
. Indessen dauerte es noch geraume Zeit, ehe der Kongreß wirklich eröffnet werden konnte. Als aber im März/April 1644 die lange erwarteten französischen Gesandten und schließlich auch der päpstliche Nuntius Fabio Chigi als Vermittler eingetroffen waren, brach auch Wartenberg nach Westfalen auf
Abreise von Bonn 1644 IV 2, vgl. Kurköln an Kurbayern 1644 V 3 (
München II K. schw. 982). In der vom Tag der Abreise datierten kurkölnischen Vollmacht sind außer den oben Genannten auch noch der Geheime Rat Arnold von Landsberg und der münsterische Kanzler Dietrich Hermann von Merfeldt aufgeführt. Diese Vollmacht wurde 1645 IX 20 dem Mainzer Reichsdirektorium eingereicht, obwohl Königsegg nie nach Münster gekommen ist. Bis dahin hatte Wartenberg eine den kaiserlichen Gesandten eingereichte, nachträglich auf 1644 IV 2 rückdatierte Vollmacht gedient, die nur auf ihn lautete. Vgl. S. 221,
APW III A 1,1 S. 147f,
W.
Becker S. 178.
. Da mit der Ankunft anderer kurfürstlicher Delegationen – auch der brandenburgischen – noch nicht so schnell zu rechnen war, konnte der Bischof von Osnabrück sich vorerst mit einigem Recht als den Vertreter des gesamten Kurkollegs betrachten.
Als Vorkämpfer gesamtkurfürstlicher Interessen jedenfalls trat er faktisch auf, als sich sofort bei seiner Ankunft ein Rangstreit mit Contarini entspann
, dem Vertreter Venedigs und Friedensvermittler. Der Kaiser hatte der Republik die Gleichrangigkeit mit den Kronen, insbesondere
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[scan. 36]
hinsichtlich des Entgegenschickens beim Einzug und des Vortritts bei Besuchen, zugestanden. Da das Kurkolleg in keinem Falle hinter Venedig zurückstehen, der Kaiser durch Gewährung gleicher Ehren den Kurfürsten nicht den Rang souveräner Mächte zubilligen wollte, verliefen die Sondie-rungen, zu denen Wartenberg am 14. und 16. April den Paderborner Dompropst und den münsterischen Kanzler Merfeldt vorausgeschickt hatte, ergebnislos
. Den ihm zur Vermeidung langer Verwicklungen nahegelegten Einzug ‚all’incognito‘ lehnte Wartenberg ab. Er begab sich auf sein Osna-brücker Amtshaus Reckenberg bei Wiedenbrück. Die notwendigsten Kon-takte vermittelte in den nächsten Monaten von der Reck. Als im Juli 1644 Wartenberg einmal zwecks privater Besprechung mit dem päpstlichen Nuntius Chigi inkognito die Stadt Münster betrat, erntete er sofort einen scharfen Verweis Kurfürst Maximilians, der dadurch die von ihm besonders eifrig verteidigten Vorrechte des Kurkollegs gefährdet sah
. Im August erkrankte Wartenberg ernstlich und ging anschließend zur Erholung nach Paderborn. Da gleichzeitig auch Reck abwesend war, wurde zeitweilig der Kontakt zum Kongreßgeschehen ganz unterbrochen
Vgl. Kurköln an Kurbayern 1644 IX 17, 25 (
München II K. schw. 983).
. Erst nachdem die Kurfürsten dem Kaiser mit völligem Fernbleiben vom Kongreß gedroht hatten, gab dieser nach. Am 8. November langte in Münster ein Schreiben ein, durch das die kaiserlichen Gesandten angewiesen wurden, die Kurfürst-lichen mit Venedig gleich zu behandeln. Daraufhin konnte endlich am 25. November 1644 Franz Wilhelm als Vertreter des Kurfürsten von Köln und des Kurkollegs mit großem Gefolge seinen Einzug in Münster halten. Zur Dokumentation der gebührenden Behandlung durch die Kaiserlichen und die Vertreter der fremden Mächte wurden alle protokollarischen Einzelheiten des Einzuges und der nachfolgenden Visiten in einem ausführli-chen ‚Ceremonial‘ sorgfältig festgehalten
.