Acta Pacis Westphalicae III C 3,2 : Diarium Wartenberg, 2. Teil: 1647 - 1648 / Joachim Foerster
1647 VI 9

12
1647 VI 9
Sonntag W bei den Ksl. (auch Lamberg/Krane). Belage-
13
rung
Fürstenaus. Franzosen und Mediatoren haben ihre Bemühungen ange-
14
boten
, die Ksl. haben zu entsprechenden Schritten um so mehr Anlaß, als
15
Königsmarck vorhaben soll, die 350 Mann starke Besatzung in seinen Dienst
16
zu bringen und W zu Waffenstillstand und Abdankung der Reiterei zu zwin-
17
gen
. Hat Fürstenau, so gut es ging, befestigt und hofft auf den noch jüngst
18
vom Kaiser angebotenen Sukkurs. Es möchten zwarn etliche daroben und bey
19
der armada der meinung sein, wan nur dieserends attacquirte plätze etwas
20
hielten und die zeitt dadurch gewönnen würde, daß dem haubtwerck ein
21
großes zuwachße, es hette aber des vorigen jahrs auch mehrmalß die er-
22
fahrenheit geben, daß durch dergleichen principia die sachen alhie zue
23
einem großen übellstandt gerahten und das haubtwerck gleichwol nit allein
24
nit fortgesetzet, sondern in viele weeg laedirt worden. Widerlegung der
25
Vorwürfe Königsmarcks gemäß den Anmerkungen zu dessen Schreiben;
26
auch die Franzosen bekennen, daß es mit der Leiche des portugiesischen
27
Vertreters und dem Überfall auf den katalanischen Residenten eine andere
28
Beschaffenheit hatte. Die gestrige Anregung d’Avaux’, daß bei Abschluß
29
eines Stillstandes Königsmarck abziehen werde, hat er zurückgewiesen.
30
Wenn die Schweden Königsmarck nicht zum Abzug bewegen können, weil
31
er aus Prestigegründen nicht nachgeben will, so zeigt die Tatsache, daß sie
32
über die eigenen Offiziere keine Autorität mehr haben, was über die
33
Militärsatisfaktion Verläßliches geschlossen werden kann. Bitte an die Ksl.,
34
den Schweden deshalb zuzureden. Trauttmansdorff: Will sich wegen
35
Fürstenau weiter bemühen. Zuversichtlich in Bezug auf ksl. Sukkurs,
36
worüber Blumenthal in Brüssel verhandelt. [...] W: Hilfe aus den
37
Niederlanden unwahrscheinlich, Fürstenau wird sich nicht lange halten
38
können. Die Ksl. können, wie seinerzeit Franzosen und Schweden in der
39
katalanischen und portugiesischen Sache, mit Einstellung der Verhand-
40
lungen
bis zur Heilung des Verstoßes gegen die Präliminarien drohen.

41
Trauttmansdorff: Man kann die Sache in den Reichsräten proponieren

[p. 897] [scan. 237]


1
und dann den Schweden zusprechen. Da das zu zeitraubend erscheint,
2
schlägt Volmar vor, man solle über die Protestanten auf die Schweden ein-
3
zuwirken
suchen. [...] W: Eigene Absichten Königsmarcks auf
4
Vechta. Trauttmansdorff: Die Staaten sehen als Nachbarn ungern , daß
5
durch das Ulmische armistitium die Schwedische einen solchen vortheill
6
erlangtt und Ihre Churfürstliche Durchlaucht zue Cölln ihre volcker zue
7
dero eignen landen defension nit cooperiren ließen. Auf ein neues Schreiben
8
Kurkölns wegen Warendorf

42
D. h. Abtretung der Festung Warendorf an neutrale kurkölnische Truppen.
hat er geantwortet , daß Ihrer Churfürstlichen
9
Durchlaucht Plätze keine gefahr noch noht und des endsatzes woll
10
versichert, wan Ihre Churfürstliche Durchlaucht ihre völcker mitt den
11
Kayserlichen coniungiren woltten.

12
W bei Lamberg/Krane. [...] I. H. G.: Sie höreten zwarn eußerlich, alß
13
wan es mitt ihren stifftern nit am besten stehen soltte, weiln sie aber nichts
14
gewißes davon, so woltten sie in intentione bona Caesareanorum noch
15
trösten und ein beßers verhoffen. Ksl.: Die Protestanten haben wegen
16
Osnabrück mit Rücksicht auf das Normaljahr schließlich nachgegeben, da
17
aber Braunschweig von seinen Forderungen nicht abzubringen war, mußten
18
zunächst eine, dann zwei braunschweigische Sukzessionen nach Ws Tod
19
und schließlich die Alternation bewilligt werden. Jedoch ist ein schwedi-
20
sches
Sukzessionsrecht nach Erlöschen des Hauses Braunschweig vermieden
21
worden, so daß das Stift dann wieder ganz den Katholiken zufällt. Da alle
22
anderen Protestanten gegen Braunschweig stehen, läßt sich noch auf
23
Besseres bei der Behandlung in den Reichsräten hoffen. Die Schweden
24
hetzen die Stände gegeneinander, ändern ständig ihre Forderungen und
25
werden noch ganz Pommern verlangen, weil Brandenburg mehr erhalten
26
habe, als die bisherigen Abtretungen wert seien. W: Es seye zu betrau-
27
ren , daß man contra agnitam rationem et aequitatem etwas nachgebe und
28
einwillige, dan wan der gegentheill einen einmahl so weith gebracht, und
29
ihme under deßen seine macht nit benohmmen, so würde er einen zu noch
30
mehreren unbillichen sachen constringiren, und were darumb so viell mehr
31
nöhtiger, itzo ratione praeliminarium die Fürstenaw von der so unbillig
32
angefangener belägerung mitt einer rechtschaffenen bestendigen resolution
33
zue liberiren. Illi: Sie betawrten es selber, daß man so verscheidene
34
sachen nachgeben müeße, und würden Ihre Kayserliche Maiestet darin woll
35
nit willigen, wan sie nur mittell sahen, daß man die sachen mitt den
36
wapffen, indeme omnis aequitas et ratio verworffen, außführen köntte. Es
37
were aber bekand, welchergestaldt Ihre Kayserliche Maiestet ietzunder
38
bloß stunden und das werck allein nit erheben köntten. Die Fürstenawische
39
belägerung were ein unbilliches werck; schwedische Behauptungen, die
40
Besatzung habe Königsmarck zuerst angegriffen, sind widerlegt worden.
41
Erskein spricht von Militärsatisfaktionsforderungen von 14 Millionen.

[p. 898] [scan. 238]


1
Schwedische Forderung auf völlige Restitution der erbländischen Prote-
2
stanten
; weitere Schwierigkeiten wegen Einlösbarkeit der Oberpfalz, Über-
3
prüfung
der bayerischen Rechnung, Oberpfälzer Religionsfrage und Session
4
im Fürstenrat. Wegen der session und religionsache dörfften sie bey den
5
protestirenden woll beyfall finden. Es weren sonsten deren etliche mitt den
6
Schwedischen procedeuren nit woll zufrieden, wie etwa Mecklenburg.
7
Sorge der Hansestädte um ihren Handel; schwedischer Angriff auf die
8
Reichsstandschaft Bremens und Versuch, durch Änderungen im ksl.
9
Konzept beide Seiten der Oder zu erhalten. Es were gefährlich mitt ihnnen
10
umbzugehen und übell zu trawen. Daß der Königsmarck die Vechta für
11
sich behaltten wolle, davon were zwarn formaliter noch nichts proponirt,
12
man hörte aber, daß er das ambtt Vechta nebenst dem Artlande sich
13
zuaignen woltte, wozu W erläutert, daß man mit Artland das Amt Fürste-
14
nau
bezeichnet. Auch auf die Entschädigung von 60 000 Reichstalern für
15
Gustafsson haben die Schweden sich noch nicht festlegen wollen und be-
16
merkt
, es würde noch beßer glegenheit geben zu tractiren. W: Man sahe
17
leyder gnugsamb, wie daß sie gar keinen frieden begerten, und were der
18
übler zustand des reichs, und daß man sich nicht bey zeitten, eher es auch
19
gar zu späht sein möchte, einer rechtschaffener ordentlicher zusammen-
20
setzung vergleichen köntte, höchlich zu betauren und endtlich dissolutio
21
totius status zu befahren, wabey dan das klägligste, daß die Teutsche selb-
22
sten darzue dergestaldt propter privata sua, die ihnnen doch auch endlich
23
sub dominio exterorum nicht so woll bekommen möchten, behülfflich
24
weren; darauff fragend, waß doch wegen des stiffts Hildesheimb eigentlich
25
zue Oßnabruck vorgangen. Illi: Quoad religionem hette mans anderst
26
nit erhaltten können, alß daß es unangesehen des particular vergleichs mitt
27
unter die regul des 1624. jahrs gesetzet. Wegen der dem stifft restituirter
28
embtter

42
D. h. das 1643 restituierte ‚Große Stift‘. Vgl. oben [ S. 667 Anm. 6 ] .
hetten zwarn die Schwedische dieselbe ad dies vitae des admini-
29
stratoris von Brehmen für ihnen begehrt, sie hetten aber darinn nit gewil-
30
liget , würden es ihrestheilß auch gern weiters verhinderen und verhüeten
31
helffen. Eine rechtschaffene zusammensetzung were högst nötig, und würde
32
man ohne deroselben auß den sachen nit kommen noch die Teutsche frey-
33
heit und statum imperii erhaltten. Es weren einige von den protestirenden,
34
die das werck zue apprehendiren anfiengen und dabey improbirten, daß
35
man die geistliche ertz- und stiffter itzo dergestaldt saecularisiren woltte.
36
Der administrator von Magdeburg hette wegen der 4 Magdeburgischen
37
embtter

43
Vgl. oben [ S. 704 Anm. 7 ] .
gegen seines herrn vatteren haereditari praetension selbsten prote-
38
stirt , und were deßen abgeordneter, daß die ertz- und stiffter nit zue
39
saecularisiren, woll so eyfferig, alß einer von den catholischen sein
40
köntte. I. H. G.: Es were zu wunschen, daß etliche zur erkendtnuß
41
kehmen, es müsten aber bey dießen zeitten und mahlen nit bey den wortten

[p. 899] [scan. 239]


1
und klagtten bleiben, man müßte die hand anderst anschlagen und das
2
werck selbsten uno animo, consilio et opere angreiffen, sonsten trieben die
3
Schweden mitt den Teutschen nur den spott. Illi: Es wehre mehr alß zu
4
wahr, daß die Schwedische woll recht den spott mitt den Teutschen drie-
5
ben , Ihre Kayserliche Maiestet würden solches zue vindiciren, den
6
Teutschen stat und libertet zu erhaltten, all das ihrig gern anwenden und
7
ihrer eignen person nit verschonen. Alßlang sie aber verlaßen und ihro die
8
macht des reichs auff verscheidenerley weyße endzogen würde, so würde es
9
woll schlechte tractaten und ein bedaurliches end geben.

10
Mitteilung Contarinis auf Anfrage Ws: Die Schweden sind einer Bespre-
11
chung mit Hinweis auf den katholischen Feiertag ausgewichen. – [...]

Documents