Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
[68.] Sitzung des Kurfürstenrats mit Re- und Correlation Münster 1647 August 26

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[68.] Sitzung des Kurfürstenrats mit Re- und Correlation


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Münster 1647 August 26

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Kurköln spA II fol. 737–743 = Druckvorlage; damit identisch Kurköln zA I fol. 328–
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330’, Kurköln zA Extrakt fol. 37. Vgl. ferner Kurmainz Rs FrA Fasz. 17 ( Conclusum );
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Kurbayern Rp in K III fol. 486–488.

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Unterhalt des Reichskammergerichts: Erlegung der versprochenen drei Kammerzieler auf der
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Frankfurter Herbstmesse, Judencapitation, Erhöhung alter oder Erhebung neuer Zölle, Prozeß-
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gelder . Freies Geleit für Gerichtsboten.

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Einstellung des Kammergerichtsprozesses gegen Stadt Basel.

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Instrumentum pacis über Lothringen, Metz, Toul, Verdun und die 10 Reichsstädte im Elsaß.

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[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
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bayern .

[p. 832] [scan. 956]


1
Kurmainz. Proponirt des Speyerischen cammergerichts antwortt auf das
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sub 8. Julii abgelassenes , darinnen auf die versprochene 3 zihler weitters
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angetrungen,

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3–4 die – abgehen] Deutlicher in Kurbayern Rp: Die Kammerrichter wenden gegen
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die Judencapitation ein, daß diejenigen Reichsstände, so Juden under sich, ihre restanten
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[abschlügen], die andere aber darumb mit ihren zillen einhalten.
die Judencapitation eatenus, daß davon die quota eines
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anndern solle abgehen, auch sonst die ratione sportularum, poenarum
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temere litigantium et revisionem quaerentium etc. unpracticabel gehalten
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würd. Erpiethen sich gleichwohl, wegen der Judencapitation Ihrer Kayser-
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lichen Mayestät nachmahln gebührend zuzuschreiben, und schlagen vor,
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daß ein zohl möchte angericht oder ein gewißes auf die alte zu beybringung
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ihres salarii möchte geschlagen

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9 werden] Laut Kurbayern Rp bemerkt Kurmainz zusätzlich, daß das petit[um]
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haubtsachlich auf die 3 zill gehe, das ander sonst accidens und den st[enden] zu
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inform[ation].
werden. Dan so begehren, daß mit refusion
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oder angegriffenen depositorum

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10 noch] Aus Kurköln zA Extrakt eingesetzt für irrtümlich nach der Vorlage.
noch derzeit in sie nicht möchte getrungen
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werden; endlich in postscripto bitten umb mantenenz der cammeralpähs,
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welche den fortschickenden pothen werden aufgeben.

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2º. Proponirten das Baaßelische weesen dahin zihlend, daß die stände ans
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cammergericht, wie von Ihrer Kayserlichen Mayestät geschehen, pro sus-
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pendendo

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15 processu] In Kurköln zA Extrakt statt dessen arresto.
processu und der execution gegen die Eidtgenoßen Schwiezer
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(allermassen von herrn Kayserlichen begehrt würde) schreiben möchten

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Normalerweise hielt sich das Reichskammergericht mit Acht und Güterkonfiskation an den
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Bürgern der Stadt, deren es habhaft werden konnte, für die Mißachtung seiner Ladung und seiner
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Sprüche schadlos; der Kammerrichter, in diesem Fall der Kurfürst von Trier, führte die Sank-
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tionen durch ( P. Burckhardt , Geschichte S. 62). Bei Arretierung von Basler Schiffsgütern
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mußten Komplikationen innerhalb der Stadt entstehen, weil die Kaufleute die Rheinschiffer für
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den Verlust von Waren oder allzugroße Verzögerungen haftbar machten ( Koelner S. 65f.).
.

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Kurtrier. Ad 1. halten der cammerallen mainung vornemblich auf bey-
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bringung der versprochner 3 ziehler zu gehen. Churtryer sey dabey wegen
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ihres hinterstandts interessirt, werden kein bedenckens haben, ihr quotam
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zu erlegen, und wolten deßwegen zum yberfluß nachmahlig erinnerung zu
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thun nicht unterlaßen, daß kein mangl sein solt. Die anndere vorschläg
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betreffend, in specie die Judencapitation, wiederholten vorige erklehrung,
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daß Churtryer dieselbe nicht zulangend befünde

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Vgl. zur Lage der Juden im Kurstaat Trier ausgangs des 16. Jahrhunderts Conzemius S. 98–
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102. Die Kurfürsten von Trier waren wegen des Judenzinses (10 Goldgulden jährlich) gegen sie
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weniger intolerant als gegen die Protestanten.
.

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Was wegen der zoll gemelt, hab wie auch übrige vorschläg ihre difficulteten,
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zumahln der Rhein und anndere strömb mit dennselben genugsamb vorhin
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beschwehrdt, daß mehiers ia nicht dienlich.

[p. 833] [scan. 957]


1
Das Baßelische negotium betreffend, hätten das begehren Churtryer zuge-
2
schickht und daruf Seine Churfürstliche Gnaden den Speyerischen be-
3
ambten befohlen, sich keiner arresten mehr gegen die Baasler zu unter-
4
fangen . Ihrestheills stelleten dahin, ob mann dem cammergericht, der herrn
5
Kayserlichen begehren nach, wolle zuschreiben, und werde sich Churtryer
6
davon nicht absondern.

7
Kurköln. Aus der cammerallen antwortt schliessen soviell, daß von den-
8
selben vornemblich auf erlegung der 3 bewilligter ziehler gegen die in-
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stehende Franckfurter herbstmeß wolle geäuget werden.

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9–18 Nun – aufkommen ] In Kurbayern Rp knapper, dafür dort zusätzlich:
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wegen Münster ist yberfliessig bezahlt, der Kurfürst wird den andern Anweisung zu
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Erlegung einer quota nach Franckfurth geben.
Nun seye Ihrer
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Churfürstlichen Durchlaucht zu Cölln vermög dero befelchschreiben vom
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12. Junii gahr nicht lieb, daß ihrer erz- und stiffter quota restanten so hoch
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angeloffen und darunter die cammeralspersohnen leiden müsten; was die
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ursach und wie leyder Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht landt und unter-
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thanen bey disem kriegunweesen mitgenohmmen und in yblen zustandt
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gesezt worden, sey vor so bekandt, daß es weittern ausführens nicht be-
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dörffe , sondern der laidige augenschein yberflüssig an tag gebe. Dem unan-
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gesehen will der Kurfürst gegen bemelte herbstmeß mit einem erkleckhlichen
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aufkommen.

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19–22 Von – difficulteten] Abweichend in Kurbayern Rp: Zollerhöhung ist auf den
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Reichstag zu verschieben; sie billigen die Judencapitation, kh[önnen] den iezig[en] einwurff
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der cammer nit verstehen.
Von anrichtung eines neues zols oder erhöhung der alten sey bein depu-
20
tationtag zu Franckfurth gleichfahls vorkommen, aber für unpracticabel
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gehalten; dabey es noch lassen, und hätten wenigers nit ybrige vorschläg
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ihre difficulteten.

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Das begehren in postscripto […] belangend, solches möchte man den
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herrn Kayserlichen an die hand geben, per dominos mediatores die Fran-
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zösisch- , Schwedisch- und Hessische zu disponiren, damit die potten, so in
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iustizisachen abgeschickht, ungehindert frey fort passirt werden möchten.

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Hinsichtlich des Baasler petiti sey zu bethauern, daß die außwärttige cronen
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dergestalt der iurium imperii dörfften anmaßen und in disputat zihen. Ihre
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mainung sey, daß mann dergleichen sachen, wargegen von den exteris
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movirt, auf allerley weg und mittel zu divertiren, zumahlen man weiß, daß
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secundum modernum imperii statum under des gegentheill macht und
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ybermueth die stände iedesmahl cum disreputatione weichen müßen.

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Ansonsten ist der Diskussionsstand – Berufung der Basler auf vom Reichskammer-
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gericht
nicht anerkannte Privilegien – bekannt. Ihres dafürhaltens wer das haubt-
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werck iezt nicht viell zu rühren, sondern der herrn Kayserlichen vorschlag
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nach ahns cammergericht zu schreiben, daß, indem man hier in negotiis
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tractatuum noch begriffen und auch zu vergleichung dieser difficultet sich

[p. 834] [scan. 958]


1
die gelegenheit geben werde, die cammeralles dessen abzuwartten, sonder-
2
lich was hierinnen Ihre Kayserliche Mayestät sich resolviren werde, und
3
unterdessen die Baasler weeder hierinn, noch sonsten zu beschwehren.

4
Kurbayern. Yber dasienige, so der 3 zihler halber vorkommen, hätten
5
relation gethan und zur antwortt empfangen, daß Ihre Churfürstliche
6
Durchlaucht die anstalt bereits gemacht, daß gegen instehende Franck-
7
furter herbstmeß wenigst die 3 zihl dem cammergericht solten erlegt
8
werden.

9
Wegen der Judencapitation, weilln die cammeralln deßhalben an Ihre Kay-
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serliche Mayestät zu schreiben willens, hab mann, was daruf erfolgett, zu
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gewartten.

12
Halten sonst gleichfahls die ybrige vorschläge nicht zulangend. Was von
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anrichtung eines newen oder erhöhung der alten zöhl beim deputationstag
14
zu Franckfurth vorkommen, errinnerten sich gutermassen.

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14–16 Churbayern – möcht] Zusätzlich in Kurbayern Rp: Kurbayerns Vorschlag
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hat aber keine Mehrheit gefunden.
Churbayern sey
15
auf das erst gangen, iedoch das solcher zohl auf einen abgelegenen stromb
16
und etwa an einen seehaven angestelt werden möcht.

17
Ratione der in postscripto gemelter päß vergleichen sich mit Churcölln
18
und 2. wegen ferttigung des schreibens ans cammergericht in denn Baase-
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lischen negotio mit den maioribus.

20

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834, 20 –835, 8 Kurmainz – solt] Das in Kurmainz Rs überlieferte Conclusum in Sachen
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Basel, Sicherheit und Unterhaltung des Reichskammergerichts wie Vorlage, dort aber zu-
39
sätzlich
: wegen der Judencapitation pleibe es bey vorigen conclusis, hinsichtlich
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Zollerhehung wird auf die Argumente des Frankfurter Deputationstags, im übrigen auf
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einen Reichstag verwiesen; der depositorum halber bleibt es gemäß der Meinung des
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Kammergerichts dabei, daß damit noch in etwaß eingehalten werde.
Kurmainz. Concludierten auf erlegung der 3 zihler gegen instehende
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Franckfurter herbstmeß und deutten an, das noch erst vor 2 posten von
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dem truck, worinnen die camerallpersohnen wegen zuruckbleibenden Un-
23
terhalts stecken, weitter nachricht empfangen; Ihre Churfurstliche Gnaden
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zu Mainz hätten in ansehung dessen noch unlengst 500 reichsthaler erlegen
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lassen. Erpiethen sich auch gegen die Franckfurther herbstmeß annoch zu
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dem, was ihro bey gegenwerttigen zustandt immer möglich.

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Wegen der Judencapitation stehe zwar dahin, was Ihre Kayserliche Maye-
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stät auf der cammeralen zuschreiben sich erklehren werden, müßen aber
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an der bewilligung fast zweifflen, weilln bereits zum vierten mahl nomine
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statuum beweglich geschrieben, ohne daß daruf dato das geringste ge-
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antworttet .

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Sonst hält Kurmainz dieses medium für zulänglich, auch billich, daß es den
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ständten, unter welchen sie gesessen, an ihrer quoten abgehe; im ybrigen
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conformierten sich, daß die anndere vorschläg, darunter auch, was von

[p. 835] [scan. 959]


1
denen zöhlen gemelt, nicht practizirlich, similiter mit dem Churcöllnischen
2
voto wegen befreyung der cammeralpäß.

3
In der Baasler sach liessen sich gleichfalls daß von herrn Kayserlichen vor-
4
geschlagene schreiben gefallen. Nur wolte Mainz gehrn sehen, daß auch
5
hingegen dem klagenden Wachter möchte geholffen werden.

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Stehe nun zu erwartten, was der fürstenrhat, auch die zu Osnabruck, sich
7
würden vernehmmen lassen; solchem nach alsdann das conclusum gemacht
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und das gutachten und schreiben eingericht werden

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8 solt] Laut Kurbayern Rp folgt, wenn auch nicht ganz vollständig, Re- und Correlation:
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Fürstenrat eröffnet, daß es wegen Lottringen [ratione] Mez, Tul und Verdun bei
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d[em] Khayserlichen proiect verbliebe.

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Meinz ref[erirt] das curfürstliche conclusum.

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Fürstliche: erstes conclusum wegen der stendt seie allerdings einig mit dem fürst-
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lichen conclusum, d[en] herzog von Lottringen betreffend beziehen sich uff das
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vorige guetachten. Die Lutheraner hetten das wortt inaequalitet etwas angezogen,
31
die catholische hetten considerirt, d[aß] er nit allein [ein] fürst des reichs wegen
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[3er] stifft, sonder wegen seins ganz[en] hertzogthumbs; im [fürstenrhat] weh[ren]
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die ursach[en] angezogen, warumb [er] zu [hören]; die [reichsstädt] [betreffend],
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sei[en] sie von der satisfact[ion] außzunehmmen.

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Paßl [contra] cammergericht, seien der meinung wie die Khayserliche, weil es nur
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ein [inferiores] werckh.

37
Das Kammergericht ist für Einstellung des Verfahrens zu entlasten. Die Aidtgenossch[aft]
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soll khein arrest auf andere auß dem reich legen.

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Städterat ist einverstanden.
solt.

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