Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
[65.] Sitzung des Kurfürstenrats mit Re- und Correlation Münster 1647 Juli 3
122
Münster 1647 Juli 3
Kurmainz Rk FrA Fasz. 21 nr. 48 = Druckvorlage. Vgl. ferner Kurmainz Rp FrA
Fasz. 18; Kurköln zA I fol. 321–322’ ( damit identisch Kurköln spA II fol. 721–725’
und Kurköln zA Extrakt fol. 35’–36 ); Kurbayern K III fol. 579–584; Kurbayern Rp
in K III fol. 554–556; Kursachsen Rs II fol. 104’–107; Kurbrandenburg Rk II fol.
102’–106’.
Deputation der Reichsstände an Hessen-Kassel zwecks Ermäßigung der bessen-kasselschen Satis-
faktion , insbesondere der Gebietsansprüche, und Erledigung des Marburger Erbstreits. Form und
Zusammensetzung der Deputation. Deputation zusätzlich an Hessen-Darmstadt und an die Ver-
tretungen Frankreichs und Schwedens.
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
bayern , Kursachsen, Kurbrandenburg.
cronen auff erledigung sowohl der Heßen Cassellischen satisfaction alß
Marburgischen successionstrittigkeiden uber alle maßen starck bey den
herrn Kayßerlichen tringen und dann den herrn gesanden genugsamb
bekand, waß vor schwehre postulata in ietztbesagter praetendirender satis-
faction enthalten
Die am 25. April spezifizierten Forderungen Hessen-Kassels auf Landentschädigung richteten
sich hauptsächlich an Kurmainz, Kurköln, die Hochstifter Paderborn und Münster, die Reichs-
abteien Fulda und Hersfeld; daneben verlangte Hessen-Kassel Militärsatisfaktion ( MEA
CorrA 11 [1] nr. 148, Dickmann S. 380–382, 465f.).
gelds, sonder land und leuth von underschiedlichen chur-, fürsten und
ständen praetendirt und zu erlangen vermeint, die interessirte aber darzu
in ewigkeid nit verstehen werden, können noch wollen, alß seye dieße
deliberation anzustellen und von den herrn gesanden zu vernehmmen vor
rathsamb erachtet worden, ob sie nit vermeinen, daß die fürstlich Heßen
Cassellische fraw wittib durch dero hier anweßende gesanden, wo nit zu
gentzlicher abstellung, yedoch gepürender moderation allsolcher ubermeßi-
gen postulatorum und erörterung der Marpurgischen successionstrittig-
keiden
eracht, zu belangen und dabey zu ersuchen, daß friedenswerck hierdurch
lenger nit zu remoriren, ob nit auch vorhero die herrn Kayßerliche umb alle
nöthige information, waß es mit beyden puncten derzeit vor eine bewandnus
habe und worauff alles beruehe, durch eine deputation zu belangen, damit
man den herrn Cassellischen desto beßer und mit mehrerm nachtruck zu-
sprechen könne. Zwar werde es die meinung nit haben, zu ihnen Cassel-
lischen zu schicken, sonder könden etwan, gleichwie es zu Regenspurg
mit den fürstlich Braunschweigischen geschehen, sie anhero erfordert
Auf dem Regensburger Reichstag von 1640/41 war allerdings die Situation ganz anders und
Hessen-Kassel in der Position des Bittstellers gewesen; das Anknüpfen an diese Form konnte
kaum verschleiern, daß das Kurkolleg nun einen Reichsstand um Ermäßigung seiner Forderungen
angehen mußte, der 1641 ausgeschlossen und 1636 zum Reichsfeind erklärt worden war ( Alt-
mann S. 147f.).
und ihnen die notturfft vorgetragen werden.
Kurtrier. Beziehen sich auf ihr Votum vom 13. März 1646. Ließen sich auch
nit mißfallen, daß ihnen Cassellischen durch eine deputation in hoc loco
zuzusprechen, sich also zu bezeigen, damit der fried hierdurch nit gehin-
dert , auch die posterität, darüber zu clagen, ursachen haben werde; wie man
sich dann nit versehen werde, daß die fürstliche fraw wittib ihr und ihrem
hauß solch mißtrawen auffladen werde.
2º hielten vor rathsamb, von den herrn Kayßerlichen durch eine deputation
zu vernehmmen, ob und waß zwischen beyden theilen verhandlet worden.
3º die Marpurgische successionsach betreffend, da mögten Ihre Churfürst-
liche Gnaden zu Tryr deren vergleichung gern sehen,
succession auch theils Churtryrische lehen berühre; ließen sich also in hoc
puncto auch die erinnerung bey den Heßen Cassellischen nit zuwider sein.
4º. Hielten, es bey der ordinari deputation zu laßen.
Kurköln. Befinden den von Meintz gethanen vorschlag wohl bedacht,
könden sich leicht damit vergleichen, daß die deputation uff die zu Regens-
purg geübte weiß durch die ordinari deputirte in loco 3 io vortgestelt
die Heßen Cassellische erinnert werden, daß, nachdemahln man die meiste
puncten fast zur erledigung gepracht, sie verhoffentlich den nachklang nit
erwecken werden, alß wann sie dem vatterland hierdurch den frieden ge-
steckt , maßen dan die fraw landgrävin sich offters vernehmmen laßen, daß
sie den frieden von hertzen und von andern land und leuthen ihro nichts
zuzueignen begehrten. Und weiln sie in ihren postulatis yedesmahls die
generalamnistia so hoch begehrt, so werde sie dieselbe auch verhoffentlich
wider sich gelten laßen. Churcöllen wehre nun und zu ewigen tagen in die
alienation ihrer von Gott anvertrawten stifftern und denselben zugehörigen
land und leuth zu consentiren nit gemeint; undt gleichwie sie es in ihrem
gewißen nit verantwortten könden, also verhofften sie auch, uberige chur-,
fürsten und ständ ihro ein anders nit zuemuthen werden. Wann es aber zu
einer erträglichen geldsummen kommen solte, werden Seine Churfürstliche
Durchlaucht ihres davorhaltens darin zu gehelen sich nit verweigern.
Die Marpurgische successionsach, die ihres Wissens von den Kaiserlichen schon
weit gepracht, wird ihr Kurfürst gern componirt sehen; und wehre Heßen
Cassel zu gemüt zu führen, daß, weiln sie es mit einem so nahen ahnver-
wanthen zu thun, man verhoffen wolte, sie sich auch desto nähender zum
ziehl legen werde.
Halten es auch für richtig, bey den herrn Kayßerlichen information einzu-
ziehen . Angesichts des starken Engagements der Franzosen und Schweden in der
Sache finden sie wenigers nit vor rathsamb, daß dieselbe durch eine deputa-
tion zu ersuchen, sie wolten solche praetension nit allein nit weiter fomen-
tiren und behaubten, sondern auch Heßen Cassel zusprechen, daß sie denn
bogen nit so hoch spanneten, sonder der pilligkeid bequemeten.
Kurbayern. Sind ebenfalls von der Notwendigkeit einer Deputation an Hessen-
dabey die von Churcöllen angezogene motiven zu gemüt geführt und sie
dabey erinnert werden, von andern chur,- fürstenthumb und landen nichts
zu begehren. Ebenfalls ist an die Kaiserlichen zwecks Information in der Sache
zu deputieren.
Hielten vor nit undienlich, annoch der ordinari deputation Chursachßen
zu adiungiren.
Kursachsen.
813, 26 –814, 22 Dieweil – bewegen] Auf Austausch des kursächsischen Votums hin-
deutende Formulierungsgemeinsamkeiten besonders zwischen Kursachsen Rs II und
Kurbrandenburg Rk II, aber auch, vor allem für den ersten Teil des Votums, zwischen
Kursachsen Rs II und Kurbayern K III sowie der Vorlage; Kurköln zA I, spA II
ist kürzer.
von Heßen Cassel begehrten confirmation pactorum, so mit der graffschafft
Hanaw getroffen sein sollen
Nach dem Tod des Gf. Philipp Ludwig III. von Hanau-Münzenberg 1641 und des Gf. Johann
Ernst von Hanau-Schwarzenfels 1642 beanspruchte Gf. Friedrich Casimir von Lichtenberg die
Nachfolge (auf einzelne Ämter und Lehen erhoben Kurmainz, Kursachsen, Würzburg und Fulda
Ansprüche); mit ihm schloß Lgfin. Amalie Elisabeth als Tochter des Gf. Philipp Ludwig II.
von Hanau-Münzenberg 1643 den hessisch-hanauischen Erbvertrag, in dem „für den Fall, daß
auch das Lichtenbergische Haus erlösche, dem Hause Kassel die Nachfolge in die Münzenber-
gische Hälfte der nun vereinigten Hanauer Lande zugesichert“ wurde ( Brandt S. 245).
Herrn competirende iura vorbehalten; solten zu seiner zeit deducirt werden.
Die strittigkeiden zwischen Cassel und Darmbstatt betreffend, wehre
zu wünschen, daß selbe durch dienliche mittel auch componirt werden
könden. Weiln dann die vorgeschlagene deputation auß allen dreyen reichs-
räthen hierzu sehr nützlich, so könden sie auch wohl darin willigen, daß der-
gleichen deputation fürderlichst zu werck gesteh, von den herrn deputirten
die fürstlich Heßen Cassellische zu sich erfordert und dieselbe dahin dispo-
nirt werden, daß sie in beyden sachen der praetendirenden satisfaction und
strittigkeiden zwischen beyden fürstlich Heßischen linien sich der pillig-
keid gemeß bezeigen theten. Wie aber und uf waß weiß solches zu werck zu
richten, daß werde der discretion der herrn deputatorum heimbzustellen
sein. Und hielten sie davor, daß es genug seye, wan die ordinari deputirte
sich in dießer sach geprauchen würden; Hessen-Kassel wird die adiunction
Kursachsens nit gern dulden wollen, weil der Kurfürst von Sachsen mit dem Land-
grafen von Hessen-Darmstadt eng verwandt ist
dergleichen deputation verschont pleiben mögten.
Die Deputation zu den Kaiserlichen zwecks Aufklärung in der Angelegenheit
scheint ihnen nicht unrätlich zu sein.
Und weiln die königlich Frantzößische und Schwedische herrn plenipoten-
tiarii dießes werck sonderlich fovirten, so ließen sich auch gefallen, daß
dieselbe per deputatos ersucht würden, die herrn Casselische gesanden zu
linderung ihrer postulatorum in beyden sachen zu bewegen.
Kurbrandenburg. Könden in dießer sachen leicht indifferent sein, weiln
gleichwohl die vorgeschlagene expedientia zue befürderung des friedens
und güetlicher vergleichung angesehen, so ließen sich die deputation sowohl
ahn die herrn Kayßerliche alß Heßen Cassellische nit zuwider sein.
Wann der Marpurgischen successionsstrittigkeiden halber den Heßen
Cassellischen zugesprochen werden solte, werde die notturfft erfordern, daß
solches beim gegentheil auch beschehe, angesehen es sonsten bey den Cas-
sellischen allerhand nachdencken verursachen dörffte.
Den modum betreffend, ließen sich solchen, wie im reich herkommen und
von dem directorio vorgeschlagen worden, nit mißfallen.
deme, daß den fürstlichen Heßen Casselischen gesanden durch eine depu-
tation auß allen dreyen reichsräthen zuzusprechen und sie zu abstehung
ihrer allzuhoch gespanten postulaten zu erinnern,
2º dafern sich zu solcher deputation Sachßen und Brandenburg nit verste-
hen wolte, daß es alßdann bey der ordinari deputation zu laßen,
3º quoad modum, daß dem reichsherkommen gemeß und wie iüngst zu
Regenspurg beschehen, zu verfahren,
4. daß zuvorhero die herrn Kayßerliche durch die deputation umb infor-
mation zu belangen.
Ob der herrn Churbrandenburgischen bedeuten nach auch den Heßen
Darmbstattischen zuzusprechen, darüber wolten sie die herrn vorstimmende
zuvorhero auch anhören und dießem nach sich gleichergestalt darüber
vernehmmen laßen.
Die deputation ahn die königlich Frantzöß- und Schwedische herrn pleni-
potentiarien hetten zwar des herrn gravens von Trautmanßdorffs Excel-
lentz anfangs selbsten vor sehr nachtrücklich erachtet,
erbotten, solche verrichtung uber sich zu nehmmen und den cronen derent-
wegen zuzusprechen, zumahln wan die ständ solches verrichten würden,
es bey den cronen des vorzugs halber allerhand differentien verursachen
dörffte. Sie ihrestheils könden hierbey wohl indifferent sein, gleichwohl
wolten sie uberige gesandschafften auch darüber vernehmmen.
Kurtrier. Hetten bey dem beschehenen vorschlag, daß auch den fürstlich
Heßen Darmbstattischen der Marpurgischen successionstrittigkeiden halber
zuzusprechen, kein bedencken.
Wann die herrn Kayßerliche die verrichtung bey den cronen uber sich
nehmmen wolten, wehre es sehr gut, und könden dieselbe dabey bedeuten,
daß sie von chur-, fürsten und ständen darzu ersucht worden.
Kurköln, Kurbayern, Kursachsen, Kurbrandenburg, Kurmainz wie
Kurtrier.
815, 26 –816, 4 Ihre – werden] Laut Kurbayern K III erfolgt der kurmainzische Ein-
spruch aus Gewissensgründen auch im nahmen anderer herrn catholischen; laut Kur-
brandenburg Rk II erklärt Kurmainz zur hessischen Satisfaktionsforderung außerdem,
daß die geistliche ohne Ihre Päbstliche Heyligkeit und die capituln nichts begeben
könten. – Re- und Correlation in Kurköln zA I, spA II, Kurbrandenburg Rk II
nicht, in Kurbayern K III, Kursachsen Rs II kürzer überliefert.
ein- vor allemahl dahin erclärt, von ihren land und leuthen daß geringste nit
zurückzulaßen; da es aber uff ein stück gelts und daß selbiges von allen
Heßischen contribuenten erlegt werde, gerichtet werden könde, würden
Ihre Churfürstliche Gnaden sich solches nit zuwider laßen sein. Wolten
dahero verhoffen, die herrn gesanden auch in particulari, sie herrn Heßische
davon zu dehortiren, sich nit zuwider sein laßen werden.
Bey gehaltener re- und correlation haben sich die fürstliche und stättische
gesandschafften mit dem churfürstlichen collegio durchgehend verglichen,
außer daß sie hierzu eine extraordinari deputation, und zwar Saltzburg,
Bamberg, Sachßen Altenburg, Braunschweig Zell, praelaten undt Fräncki-
sche graven verordnet.