Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
[53.] Sitzung des Kurfürstenrats mit Re- und Correlation Münster 1647 Februar 16
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Münster 1647 Februar 16
Kurbrandenburg Rk II fol. 17–23 = Druckvorlage; damit gleichlautend Kurtrier zA.
Vgl. ferner Kurmainz Rk FrA Fasz. 9 I nr. 34, Kurmainz Rs FrA Fasz. 16 ( beide un-
vollständig ); Kurköln zA I fol. 274–277 ( damit identisch Kurköln spA II fol. 616’–623’
und Kurköln zA Extrakt fol. 30’–31 ); Kurbayern K III fol. 433–440’.
Exemtion Basels vom Reichskammergericht unter stillschweigendem Vorbehalt der Zugehörigkeit
der Stadt zum Reich. Hilfe für Wachter im Prozeß gegen Basel. Übergabe eines entsprechenden
Mehrheitsbeschlusses an die kaiserlichen Gesandten.
Unstimmigkeiten des von Gemmingen mit der Stadt Zürich über die Höhe eines Grundstückspreises.
Das Reich und die Schweiz sollen sich gegenseitig den einwandfreien Austrag von Rechtsstreitigkeiten
gewährleisten.
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
bayern , Kurbrandenburg.
Kurmainz . Nehmen Bezug auf das kurfürstliche Diskursivconclusum vom 31. Ja-
nuar 1647, die Kaiserlichen zu informieren, daß gegen Basels Exemtion und die
Bestätigung des Basler Privilegs besondere Einwände nicht bestünden, dafern die von
Churbrandenburg gemachte Separation auch ihrestheils vor räthlich erachtet
würde. Haben das ganze Protokoll zwecks Meinungsaustauschs mit den ksl. und
kursächsischen an die kurmainzischen Gesandten in Osnabrück geschickt. Undt
haben sich die Säxische darauf erklähret, daß sie das lezere conclusum mit
ihrem calculo, uti sonant formalia, quae leguntur, confirmiren wolten undt
das aus dehnen angeführeten rationibus und motiven, das nemblich die frei-
willige Exemtion a camera der erzwungenen Exemtion vom reich im Friedensinstru-
ment vorzuziehen ist. Aldieweill aber bey der zu Oßnabrügk hierüber auch ge-
führter deliberation durchgehendt darfürgehalten worden, das aller nötiger
bericht zuvor einzuziehen, damit die differenten meinungen zusammenge-
bracht undt endtweder zu conciliiren oder beede dem bedencken einzurükhen
undt sothanes den Kayßerischen plenipotentiariis hernacher zu überreichen,
dannenheero ist diese zusammenkunft angestellet worden, das man sich
darbey eines gewißen schlußes vergleichen solle, wie das bedencken einzu-
richten , ob nemblich es auf die maiora, so iüngst auch die satisfaction undt
befridigung der laedirten parthey mit sich bracht, undt an ihre Kayßerische
Maiestät immediate oder dero herrn plenipotentiarien, alß welche sich der
sachen biß daheero angenommen, zu dirigiren, womit dem wergk dermahln-
einst möge abgeholffen werden.
Kurtrier . […] Sind immer noch ohne Weisung, aber in Berücksichtigung der
französischen und ksl. Unterstützung Basels und der Friedensliebe ihres Kur-
fürsten sowie nach dem Studium der vom Kammergericht präsentierten Akten mit
Kurköln, Kurbayern und Kurbrandenburg der Meinung, das privilegium exemp-
tionis vom Kayserischen hoffgericht auf das Reichskammergericht auszudehnen
und dies dem herkommen gemeß imperiali camerae zu notificiren. Dardurch
würde die stadt vom reich nicht eximiret, weiln sie deßen oberhaupt in
such- undt empfahung der exemption a camera selbst erkennet. Dergleichen
stände seindt noch mehr, alß Burgundt und Österreich, welche zwardt ab
imperio exempti, aber dennoch status imperii verblieben undt die onera im-
perii gleich ander mittragen hülffen. Der andere punctus exemptionis könte
biß zur andern zeit reserviret werden, undt ist mit der sachen ein endt zu
machen, weiln das cammergericht biß dahero gegen diese stadt nichts auß-
gerichtet , undt sorgen dieiehnigen, so nomine Franckreich das wergk
recommendiren, wan man kein endt darauß mache, werde die Aydtge-
noßschafft gegen das reich repraessalien brauchen. Vergleichen sich also, daß
auf die maiora den herrn Kayserischen plenipotentiariis das gudtachten
zu ertheilen, weiln es im reich nicht styli, die opiniones zu inseriren, und
würde sich Speyr, Weißenburg und Prümb im fürstenrath auch con-
formiren .
Kurköln . Landsberg als Votant läßt es in Ermangelung neuer Instruktion beim
Votum Wartenbergs in der letzten Sitzung, glaubt aber angesichts der vorgetragenen
Gründe, es werden sich Ihre Churfürstliche Gnaden gern conformiren, daß
man nochmalß praeoccupire undt das gudtachten an die Kayserischen herrn
plenipotentiarios stelle, damit der stadt Basell die exemption a camera auß
wichtigen und erheblichen uhrsachen, ad evitandam consequentiam, conce-
diret werde, damit auch nicht noch andere mehr dergleichen praetendiren
möchten. Es bezeugen die Baseler genugsamb, indem sie die exemption a
camerali iurisdictione suchen, das sie vom reich nicht begehren eximirt zu
seyn, sondern nur vom cammergericht, dannenheero dieselbe ümb soviell
leichter zu verstatten, undt weiln die Franzosen der sachen sich sehr anneh-
men , zumahlen damit zu maturiren. Will dieses alles noch Ihr Fürstlichen
Gnaden berichten und zweifflet nicht, sie werden die sach zu Oßnabrügk
wohl beobachten und das ergehende conclusum gern approbiren.
Kurbayern . Haslang hat dem Kurfürsten geschrieben, aber noch keinen Bescheid.
Wiederholt sein letztes Votum und die für Exemtion sprechenden Gründe. Und
weiln er auß dem Churtryer- und -cölnischen votis vernommen, das sie
sich categorice darhin erklehret, es wehre die begehrte exemption a camera
zu verstatten und deßwegen ein gudtachten zu übergeben, alß halte gänz-
lich darfür, Ihr Churfürstliche Durchlaucht werden sich keinesweges dar-
von zu separiren begehren, wie er dan dieses sub ratificatione aufnimbt und
sich darmit conformiret. Wie aber solches gudtachten einzugeben, vermeinte,
weiln diese sach nicht von Kayserischer Mayestät an die stände bracht, son-
dern dehro gesanten sich selbiger biß daheero angenommen undt bey dem
Churmeinzischen directorio proponiren laßen, es würde ein gnügen gesche-
hen , wan daselbe ihnen allein zugestelt undt die continenda dahin gestellet
würden, daß der schlus per maiora also ergangen, in sonderbahrer erwegung,
weiln der andere modus iuxta votum Trevirense dem reichsstylo ungemeß.
Kurbrandenburg . […] Beziehen sich nochmals auf ihre Unterscheidung inter
exemptionem ab imperio et camera, worauf damaln auch das conclusum
im chur- und fürstenraht gefallen et quidem per maiora. Habens nur in
antecedenda et sub ratificatione also erwehnet undt seidtheer den ganzen
verlauff an Ihre Churfürstliche Durchlaucht gebracht; und ob sie zwar noch
lieber sehen wolten, daß aller nötige bericht erwartet würde, weiln derselbe
zu abfaßung eines bestendigen conclusi ganz nüzlich, alldieweiln aber vor-
stimmende bey der Separation nochmalß beharren undt darfürhalten, es
wehre Basel von der cameralischen iurisdiction loßzugeben, das andere
membrum exemptionis ab imperio aber außzustellen, so zweiffeln sie nicht,
es werden Ihre Churfürstliche Durchlaucht sich belieben laßen, under vori-
gen conditionibus den maioribus beyzufallen undt der stadt Basell die
exemption a camera dergestalt zu gönnen, daß die ab imperio endtweder
per expressum vel tacitum außbehalten und reserviret werde. Haben sich
hinsichtlich der Übergabe des Gutachtens pro 1 mo nicht abzusonderen, das iuxta
maiora daß bedenken an die herrn plenipotentiarios gerichtet werde, weiln
der Kayser an die stände nichts gelangen laßen, sondern iehne sich der sachen
angenommen, die schrifften von den Baselischen gesanten acceptiret und
dem reichsdirectorio zugestellet.
Ob aber daß conclusum per maiora allein oder beede opiniones dem bedenk-
hen einzuverleiben, könten sie ihresohrts wohl indifferent seyn. Weiln
vorstimmende aber darfürhalten, da es contra imperii stylum undt fast
alle vota auf die concession collimiren, alß wollen sie auch gern geschehen
laßen, daß oftbesagtes gudtachten secundum maiora eingestellet werde.
Kurmainz . Nachdem sie auß dem Churtryerischen voto vernommen, daß
sie sich mit dem vorigen concluso conformiren und darfürhalten, es sey
dem Baselischen petito, soviel die exemption a camera betrifft, zu deferiren,
auß den angeführten rationibus, undt dan auch erscheinet, daß die nach-
stimmende bey den vorigen concluso allerdings bestendigklich verbleiben,
darfürhaltende, das ohn zeitverlierung daß bedencken nicht an Ihre Kayser-
ische Mayestät, sondern an dero herrn plenipotentiarios, von welchen die
communication dem directorio beschehen, zu richten, und demselben auch
nicht beede meinungen, wie zu Oßbrug darfürgehalten worden, sondern
daß conclusum per maiora dem herkommen gemeß einzurücken, alß sehen
sie keine discrepantz, sonderlich weiln Saxen, wie in propositione erweh-
net , sich auch conformiret.
Sie haben von Ihr Churfürstlichen Gnaden diesen expressen befehlich,
sintemaln sie ex protocollo ersehen, waßmaßen die herrn gesante in der nicht
unzeitiger vorsorg begriffen, es möchte die stadt Basel durch mittell der
främbden chronen nicht allein die exemption a camera, sondern wohl gar
vom reich durchdringen, sich zu conformiren: Obschon Ihr Churfürstliche
Gnaden lieber gesehen, daß aller nötiger bericht auch von der cammer einge-
zogen undt das conclusum darnach wehre gefast worden. Diesem nach undt
weiln das gesambte collegium dahin zielet, ist nichts mehr übrig,
den fürstenraht re- und correferiret und darnach das gudtachten dem stylo
gemeß per maiora eingerichtet werde.
Waß sonsten in propositione erwehnet worden, daß die laedirte parthey zu
recommendiren, auf das dieselbe, soweidt sie befugt, contentiret werden,
damit ist der fürstenraht einig undt kan also auch dem gudtachten einge-
rückt werden. Hielten aber darfür, es würde nicht nötig seyn, der exemption
ab imperio zu gedencken, sondern bey dehme blößlich zu verbleiben, waß
von der stadt Basell in terminis exemptionis a iurisdictione camerae begehret
worden.
Undt bleibt hierbenebens den herrn abgesanten unverhalten, welcherge-
stalt der von Gemmingen
Wolfgang von Gemmingen-Hornberg (1610–1658) aus reichsritterschaftlichem Geschlecht des
Ritterkantons Kraichgau, zusammen mit Johann von Giffen Vertreter der unmittelbaren Reichs-
ritterschaft , 1651 als Vertreter des Fränkischen Kreises beim Reichskammergericht (über ihn
Stocker II 3 S. 97–99, 79, II 1 S. 63, 17f., 12 S. 10, Umminger S. 162, 164, Svoboda
S. 272ff., Bucelinus II 3).
weiln iezo diese Baselische sach getrieben würdt und dan seine voreltern der
stadt Zürich zwo herschafften vor undt ümb
die erste zwey ziell bezahlt undt daß lezte, als das geldt in den hohen wehrt
gangen, entrichtet
Besonders in der Kipper- und Wipperzeit von 1617 bis 1623 prägten die Reichsstände Münzen
mit schlechtem Gold- und Silbergehalt und hohem Nennwert. Neben dem Geldwertschwund war
ein weiterer Risikofaktor der Unterschied zwischen dem sogen. Rechnungsgeld (Gulden, Batzen,
Kreuzer, seit dem Speyerer Reichstag von 1566 im Reich vor allem der Reichstaler; 1623 zu
90 Kreuzern und 1½ fl.) und dem Kurantgeld (Englisch, Albus, alte Taler, Turnosgroschen,
ausländische Goldstücke). Vgl. Dietz III S. 185ff., 191–195.
wolle sich seiner bey dieser occasion annehmen, getrösteter hoffnung, er
werde dardurch sein recht und billigmäßiges intent erlangen, wan ein chur-
fürstliches collegium an die stadt Zürich deßwegen vorschrift abgehen
laßen würden, das alsodan sie sich mit ihme wohl vergleichen. Ob ihme nun
mit der bittenden recommendation zu willfahren, stehet bey den herrn
abgesanten, undt wan dieselbe es rahtsamb erachten, würde man sich Mein-
zischentheils nicht separiren und es gerne geschehen laßen.
Kurtrier .
von Gemmingen aufgetrungen worden, mit dem vorwandt, die Schweiz
hette im Veltlin mit dem hauß Osterreich einen krieg zu führen und wan er
von Gemmingen die zahlung in dem hohen werth nicht annehmen solte,
würde er wohl nichts bekommen, dargegen er sich gleichwohl mit prote-
station verwahret. Nun ist bekandt, daß im reich, wo dergleichen Steige-
rung gebraucht worden, auf das residuum proces erkandt und sententiae
ergangen, wie gnugsahme praeiudicia verbanden; undt befinden sich auch
stadtliche außführungen, darin die steigerung reprobiret würdt, daß also
die forderung richtig ümb so mehr, weiln die zwey erste ziele in gewöhnli-
chen reichsvalor entrichtet undt das lezte deren billich gleich seyn solte.
Haben derowegen kein bedenken und mögen wohl gönnen, das dieses dem
Baßelischen gesanten zu erkennen geben und die recommendation an die
stadt Zürich ertheilet werde, mit dem vermelden, gleichwie die Schweizer
im reich recht suchen undt haben wollen, daß man sich desgleichen gegen
sie an seiten des reichs versehen wolle.
Erinnern sich hierbey, daß im städtraht vor gudt angesehen worden, man
solle bey dieser occasion gutte versehung thun, damit hiernegst in und von
der Schweiz den reichsständen beßere iustitia administriret werde.
Kurköln .
von Churtryer angeführten motivis, gänzlich darfürhaltendt, Ihr Chur-
fürstliche Durchlaucht werdens nicht ungern sehen, valeat quantum valere
potest.
Kurbayern . Habe von dem memoriali keine nachricht gehabt, vermeinte,
es könte wohl vorheer per dictaturam communiciret werden undt wan sich
alsdan darauß befindet, daß dem von Gemmingen zu gratificiren, wil er
sich nicht absondern; und meinete gleichwol, es wehre hiermit so lange ein-
zuhalten , biß die exemptionssach mit Basell ihre richtigkeit erlanget.
Kurbrandenburg . Bey der reassumirung seind von Meinz verscheidene
erinnerungen geschehen, derentwegen sie sich bey lezter session vernehmen
laßen, erstlich, waß die befriedigung der laedirten parthey betrifft, darbey
zu hoffen, wan sich befindet, das ihro ungleich beschehen, es werde sich
Basell nicht sperren, wan sie die exemption würdt erlanget haben; solte
die sach sich anderst verhalten, so hette man sich deren glimpflich zu ent-
schlagen . Hinsichtlich der stillschweigend vorzubehaltenden separation exemp-
tionis haben sie noch zu bemerken, weiln die stadt Baßell ihre exemption a
camera bey des reichs oberhaupt suchet, sie werde sich sonder zweiffell
pro membro erkennen undt halten.
Daß lezte, des von Gemmingen praetension anlangendt, haben ihrestheils
auch von dem memoriali nichts gewüßt undt hetten deßen communication
wündtschen mögen; es konte gleichwohl noch geschehen. Sonsten meinen
sie nicht, das große difficultät darbey zu machen, weiln ohndem rechtens,
das die zahlung iuxta valorem tempore contractus usitatum volnzogen
werde.
Wie es sonsten inskünftig auf alle zutragenheit mit der Schweiz zu halten,
kan hernegst in comitiis decidiret werden. Unterden wehre iedoch gleich-
wohl nicht ehender, biß die sach mit Basell richtig, maßen von Bayeren
erwehnet, dem von Gemmingen die recommendation an Zürich mitzu-
theilen .
Kurtrier addit. Haben von den conditionen mit Basell daßmall nicht reden
wollen, weiln es nicht in die umbfrag kommen und ohnedem vormals
beschehen.
gewesen, solche daßmall vorzutragen; weiln aber andere in particulari
darunter ersuchet und ganz starck angehalten würdt, so haben sie incidenter
darvon meldung gethan. Das memoriale ist ihnen erst bey nächster post
zukommen: Und weiln die herrn abgesante deßen communication begehren,
so iss mehr als billich. Vernehmen gleichwoll, das Tryer, Cöln und Branden-
burg bey der recommendation kein bedenckens und Bayern nur so weidt
hadt, biß sich in dem memoriali ersehen; kan also zur dictatur gebracht und,
wan alsdan Bayern auch zustimmeten, tanquam commune conclusum außge-
fertiget , ehender aber nicht extradiret werden, biß man sihet, wie sich die
sach mit Basell anlaße.
Re- et correlatio.
Im fürstenraht ist man mit obigem schlus einig, außerhalb dehme, das ihnen
nicht vorkom, ob das conclusum per maiora solle dem bedencken einver-
leibt oder beede opiniones inseriret werden. Wollen darüber noch ein klein
ümbfrag halten und den schlus nacher hauß notificiren.