Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
[38.] Sitzung des Kurfürstenrats Münster 1646 Juni 7

15
91

16

[38.] Sitzung des Kurfürstenrats


17
Münster 1646 Juni 7

18
Kurmainz K FrA Fasz. 14 nr. 39/40 = Druckvorlage; damit identisch Kurmainz Rs FrA
19
Fasz. 14 nr. 217. Vgl. ferner Kurtrier zA ( damit identisch Kurtrier spA p. 788–800 );
20
Kurköln zA I fol. 231–234’ ( damit identisch Kurköln spA II fol. 502’–510’ und Kurköln
21
zA Extrakt fol. 21–21’ ); Kurbayern K III fol. 341–350’.

22
Pommersche Frage: Intervention der Reichsstände zugunsten Kurbrandenburgs bei Schweden?
23
Ersatz für Kurbrandenburg. Kaiserliches Verfügungsrecht über Lande der Reichsstände. Lage
24
der von der französischen und bessen-kasselschen Satisfaktionsforderung betroffenen Reichsstände
25
einschließlich des Kaisers. Solidarität der Reichsstände im Krieg gegen die auswärtigen Mächte.
26
Haltung Kursachsens und der Niederlande zur Interventionsforderung Kurbrandenburgs.

27
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
28
bayern .

29
Kurmainz . Laut Bericht ihrer Kollegen in Osnabrück vom nechstverwichenen
30
dienstag

38
5. Juni 1646.
haben die herrn Churbrandenburgische vor sich und vermittelst
31
der herrn Chursächßischen bey ihnen begehrt, sinthemahln Churbranden-
32
burg sich uber die cession Pommern sehr hoch beschwehrt, sie wolten mit
33
und beneben anderer chur-, fürsten und ständ gesanden zu den Schweden
34
eine deputation thun und sie dahin erinnern, von Pommern abzustehen.
35
Sachßen hette zwar allerhand rationes angeführt, warumb dieße deputation
36
vorzunehmmen, und zwar daß Chursachßen wegen der mit Brandenburg
37
habenden und bis auff die succession sich erstreckenden erbverbrüderung

[p. 615] [scan. 739]


1
interessirt, sich auch im reich, Brandenburg hinwider zu contentiren, kein
2
aequipollens finden laßen werde, sodann daß dieße praecipitanz eine böße
3
consequenz nach sich ziehen würde und hiernechst auch andern begegnen
4
könde, und dabey zugleich begehrt, daß alhie versambletes churfürstliches
5
collegium in schrifften zu ersuchen, daß selbiges derentwegen ein gesambtes
6
schreiben ahn die cron Schweden abgehen laßen wolte. Dieweiln dann
7
besagten Churmaintzischen gesanden hierbey allerhand gedancken zu ge-
8
müet gangen,

24
8–9 hetten – müsten] Laut Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA II, Kur-
25
bayern
K III haben die kurmainzischen den kursächsischen Gesandten anheimgestellt,
26
ihrerseits ein Schreiben an den Kurfürstenrat in Münster zu richten.
hetten sie sich damit entschuldiget, daß sie zuvorhero mit
9
ihren mitabgesanden zu Münster hierauß communiciren müsten

30
Das Ansinnen, in einer gemeinschaftlichen Aktion dem Kurkolleg in Münster die Intervention bei
31
Schweden schriftlich zu empfehlen, hatten die kurmainzischen Gesandten ihren kursächsischen
32
Kollegen in Osnabrück mit der Begründung abgeschlagen, daß sie andernfalls dem Votum der
33
kurmainzischen Vertretung in Münster vorgreifen würden ( MEA FrA Fasz. 13). Vgl. über
34
die bisherige Entwicklung der pommerschen Frage am Kongreß Odhner S. 107f., 132ff., 148.
. Wolten
10
derowegen von den herrn gesanden gern vernehmmen, waß sie vermeinen,
11
daß den Churmaintzischen zu Oßnabrück wider zu antwortten sein mögte,
12
ob Churbrandenburg mit der gesuchten deputation und collegialschreiben
13
ahn Schweden zu willfahren oder damit zuzuwarten, bis man sehe, wie sich
14
die tractaten anlaßen, oder aber ob darüber in allen dreyen reichsräthen
15
formaliter zu

27
15 deliberiren] Danach äußert Kurmainz laut Kurtrier zA I, spA II, Kurbayern
28
K III noch: Haben zuvor mit den herren churfürstlichen hierauß vertreuwlich beraten
29
wollen, damit sie morgen die Mayntzische in Osnabrück per posta bescheiden mögen.
deliberiren.

16
Kurtrier . Es komme ihnen dieße materi sehr schwehr vor, Ihr Gnedigster
17
Herr wehre der meinung geweßen, die Schönbeckische tractaten zu reas-
18
sumiren ; es hetten aber die herrn Kayßerliche albereit uff Pommern bewil-
19
liget , und wehre zu Nürnberg auch uf den halben theil geschloßen worden

35
Im Stettiner Vertrag von 1630 zwischen Kg. Gustav Adolf und Hg. Bogislav von Pommern war
36
vereinbart worden, daß der König von Schweden nach dem Tod des kinderlosen Herzogs bis zur
37
Entscheidung der Nachfolge Pommern besetzt halten, der Nachfolger, laut Erbvertrag mit
38
Pommern der Kurfürst von Brandenburg, Schweden die Kriegskosten ersetzen und das Bündnis
39
zwischen Schweden und dem Herzogtum bestätigen sollte ( Odhner S. 9ff.). Auf dem Nürn-
40
berger Kurfürstentag von Januar bis Juli 1640 war dann Kf. Georg Wilhelm von Brandenburg
41
bereit gewesen, Rügen und Stralsund mit genauer Maßgabe des Gebietsumfangs als Unterpfand
42
für 2½ Millionen Reichstaler Kriegsentschädigung Schweden zu überlassen ( Odhner S. 64–66,
43
siehe oben S. 500 Anm. 1).
.
20
Die Churbrandenburg- und -sachßische rationes wehren zwar erheblich
21
und zu wünschen, daß solche landen wiederumb auß der Schweden händ
22
gepracht werden mögten, wehre auch pillig, daß ein stand allein so hoch
23
nit zu beschwehren, weiln es ein allgemein weßen seye. Sie stünden aber

[p. 616] [scan. 740]


1
ahn,

29
1 ob] Danach zusätzlich in Kurtrier zA, spA, sinngemäß in Kurköln zA I, spA II,
30
Kurbayern K III: insonderheit catholischentheils.
ob zu der deputation zu verstehen oder ahn Schweden zu schreiben;
2
sie hetten derentwegen keinen bevelch, und wehre zu besorgen, wann
3
Schweden cediren solte, daß sie alßdann ein aequivalens von Kayßerlicher
4
Mayestät und den ständen und also mehrere stiffter praetendiren würden,
5
derowegen man sich wohl vorzusehen. Und würde ein seltzames ansehen
6
gewinnen, da man in Kayßerliche Mayestät so starck getrungen, ihre landen
7
herzugeben, daß man sich einem stand des reichs anhengig machen und
8
Kayßerliche Mayestät zurucksetzen wolte.

31
8–11 Es – bedeuten] Fehlt in Kurbayern K III, in Kurköln zA I, spA II statt 8–10
32
Es – müste]: Unter Umständen werden im Fall einer Weigerung der Schweden die stend
33
gegen sie die waffen deßwegen führen müssen.
Es werde auch volgen, wann
9
man sich der sachen annehmme, daß man hernacher ihro auch assistiren
10
müste. Sie hielten davor, den herrn Churmaintzischen zu Oßnabrück hin-
11
wider zu bedeuten, weiln Schweden dieße landen in handen habe und selbe
12
schwehrlich wider von ihnen zu pringen sein werden, so müste man ahn
13
die principaln derentwegen die notturfft gelangen laßen; zweivelten nit, die
14
herrn Churbrandenburgische der sachen noch so lang einen anstand geben
15
werden.

16
Kurköln . Die erbverbrüderung zwischen Brandenburg und Sachßen seye
17
bekand

34
Die kurbrandenburgische Politik war bis 1641 selten gegen Kursachsen und den Kaiser gerichtet
35
gewesen; zwischen 1641 und 1643 erfolgte – mit dem Regierungsantritt des großen Kurfürsten –
36
hier eine Wende ( Opgenoorth S. 90ff., Brockhaus S. 95, 267).
, ob aber Chursachßen sich der sachen so hoch annehmmenn werde,
18
stünde dahin. Brandenburg hette sich bishero der neutralität bedienet,
19
Sachßen aber den kriegslast uf dem halß gehabt und wehre also ubeler
20
condition geweßen, und nit zu zweivelen, es derentwegen allerhand aemu-
21
lationes zwischen denselben abgeben werde.

22
Daß Brandenburg allein bezahlen solte, deme seye nit also, die catholische
23
geben ihre stiffter und Ihre Kayßerliche Mayestät die erblanden hinweg;
24
und seye niemand, so ihnen ein aequipollens gebe, Brandenburg aber be-
25
komme Halberstatt

37
Kurbrandenburg sollte nach den Vorstellungen Ks. Ferdinands III. zunächst mit einer von den
38
Reichsständen zu erstattenden Geldsumme für Pommern entschädigt werden; erst 1643 faßte der
39
Kaiser eine Entschädigung aus Kirchengütern (Magdeburg und Halberstadt) ins Auge. Schweden
40
dachte seit 1641 daran, Kurbrandenburg für Pommern Magdeburg und Schlesien anzubieten
41
( Bierther S. 71, 252, Brockhaus S. 142, Jaeckel VI S. 72ff.).
und seye demnach beßerer condition alß die andere.

26
Daß dießes leicht eine consequenz gebehren werde, da hielte, daß solcher
27
ration nit ubel fundirt. Von ihnen wehre vorkommen, daß die herrn Kay-
28
ßerliche zu requiriren, ohnbefragt der ständ so leicht nit alles hinwegzu-

[p. 617] [scan. 741]


1
geben ,

24
1–2 maßen – beschehen] Zusätzlich in Kurbayern K III, sinngemäß in Kurtrier
25
zA, spA, Kurköln zA I, spA II ausgeführt: Trauttmansdorff hat Wartenberg durch
26
Buschmann noch 1646 IV 29 versichern lassen, daß er Verden nicht weggeben wolle,
27
zwei Tage später hat er es Schweden angeboten; genauso geschah es mit Bremen und Halber-
28
stadt
.
maßen mit Metz, Tull, Verdun, Bremen, Verden, Halberstatt und
2
Pommern beschehen. Wehre auch in dem modo selbst peccirt worden,
3
dann obzwar die catholische theologi verwilliget, die stiffter hinwegzu-
4
geben , so wehre doch solches nit uff die stiffter, so die catholische annoch
5
in handen hetten, gemeint; man gebe die stiffter auch erblich, wie auch daß
6
Elsaß eigenthumblich hinweg, daß die cron Franckreich kein votum
7
derentwegen mehr haben

29
7 solte] Zusätzlich in Kurbayern K III: Pommern behalte gleichwohl votum et
30
sessionem. Ein solches Verfahren hat nie khein Khayserlicher gewagt, man hätte vor-
31
her
die Stände zu Rat zieben müssen.
solte. Dieweiln gleichwohl res nit mehr integra
8
und die oblation albereit beschehen, so stünden sie ahn, ob solche ration
9
also bewand, daß man sich interponiren solle.

10
Sie begehrten niemanden seine land oder leuth abzuvotiren, es wehre aber
11
zu consideriren, daß es uber die geistliche außgehen werde,

32
11–18 darin – wolte] Fehlt in Kurbayern K III.
darin sie ab-
12
sonderlich aber wegen hinlaßung Bremen, Halberstatt und Verden nit
13
consentiren könden, wie sie dann deßen auch in bevelch hetten; und hetten
14
sie albereit eine protestation verfertiget,

33
14–15 so – wolten] Laut Kurköln zA I, spA II soll die unmittelbar auf die Offerierung
34
Verdens hin verfaßte Protestschrift auch den Ständen übergeben werden.
so sie dem herrn graven von
15
Trautmanßdorff wegen des stiffts Verden zustellen wolten.

16
Die uncatholische wolten die Bergstraßen Churmaintz auch wider begeben

39
Die Bergstraße war 1463 von Kurmainz den Pfalzgrafen für 100 000 fl. verpfändet worden
40
(über Verpfändung als Rechtsgeschäft, das seitens des Pfandgebers Abgeltung einer Schuld zum
41
Ziel hatte, wobei die spätere Einlösung des Pfandes nicht garantiert war, vgl. Landwehr
42
S. 105–112, Hellfeld IV S. 2246–2251). Nach einem Gutachten des Reichshofrats vom
43
23. Januar 1623 sollte dem Kurfürsten von Mainz die Bergstraße aus den dem Kaiser heimgefalle-
44
nen pfälzischen Kurgütern, aber möglichst nicht vor einer endgültigen Regelung der pfälzischen
45
Frage, zurückgegeben werden; Ks. Ferdinand II. war sogar gewillt gewesen, Kurmainz wegen
46
vielfach geleisteter Assistenz die Erlegung der Pfandgelder zu erlassen ( MEA FrA 5 fol. 94–96).
39
Volmar schlug Raigersperger die Regelung vor, daß die Bergstraße dem Pgf. Karl Ludwig
40
restituiert werden, aber Kurmainz gegen Abstattung des Pfandgeldes sogleich wieder ausgefolgt
41
werden solle ( MEA CorrA 11 [1] nr. 170). Vgl. auch Jüdel S. 9.
,
17
wehre also die frag, wer davor wie wenigers nit die Heßische satisfaction
18
reden wolte. Die Frantzosen hetten uff ihr ansuchen wegen besagter Heßi-
19
schen satisfaction bedeut, sie wolten zwar die sach recommendirt halten,
20
allein besorgten sie, die frau landgrävin werde von den Maintzischen
21
ambtern nit abstehen. Da man auch vor Pommern intercediren solte, wehre
22
zu besorgen, es würden die catholische in andern sachen desto weniger
23
erhalten

35
23 können] Danach zusätzlich in Kurbayern K III, Kurtrier zA, spA: Kurköln
36
will höchstens in genere intervenieren; laut Kurköln zA I, spA II will es außerdem
37
Schweden an sein Versprechen bei Kriegseintritt erinnern lassen, pro libertate statuum
38
zu kämpfen.
können.

[p. 618] [scan. 742]


1

34
1–31 Vor – werden] Statt dessen in Kurköln zA I, spA II nur ein Verweis auf den
35
entsprechenden Bericht im diario sub 2. huius.
Vor wenig tagen haben die niederländischen Gesandten in einem Gespräch ge-
2
wünscht
, ihre bisherige Neutralität mit dem Reich zu erhalten, nachdem nun
3
ihre Verhandlungen mit Spanien vor dem Abschluß stünden, und den Frieden
4
im Reich von noch vier zu erledigenden Punkten abhängig gemacht: dem Religions-
5
vergleich
, der pfälzischen Frage, Regelung der commercien, der pommerschen
6
Frage. Pommern stehe von rechts wegen Churbrandenburg zu

42
Laut Erbvertrag von 1529 sollte Pommern nach Aussterben seines Herrscherhauses an Branden-
43
burg fallen; der Kurfürst von Brandenburg hatte bei Herrscherwechseln bereits die Eventualhuldi-
44
gung der pommerschen Stände erhalten ( Odhner S. 13, Atlas S. 8).
, wehre be-
7
kand , daß Brandenburg ein trewer churfürst wehre, so sich keinem theil
8
anhengig gemacht, sonder innocenter gestrafft würde, dahero sie gepetten
9
worden, sich der sachen anzunehmmen und andere darzu zu vermögen.

10
Kurköln hat den Frieden mit Spanien begrüßt und zum übrigen geantworttet, in den
11
Reichssachen wehre ein theil der regul alß Passawischen vertrag und reli-
12
gionfrieden nit nachkommen und dahero die differentien entstanden;
13
erhofften aber eine Übereinkunft noch während der Traktate.

14
Die Pfaltzische sach hette ihre richtigkeid so weit, daß Churbayern sich
15
erpotten, die Underpfaltz widerzugeben; daß gantze land aber widerzu-
16
geben , wisten sie selbst, wie sie einen theil strafften, so wider sie handlete.

17
Der churdignität halber wehren albereit mittel vorgeschlagen, nemblich 8 us
18
electoratus, wann der pfaltzgraff selbe nur annehmmen wolte.

19
Commercia solten pillig frey sein, und werden nit allein von den ständen
20
des reichs, sondern auch der cron Spanien und generalstaden die hin und
21
wider auffgerichte newe zöll, licenten und imposten wider abzuschaffen
22
sein.

23
Hinsichtlich Pommerns hat Kurköln zwar Bereitschaft erklärt, sich bey den
24
Schweden zu interponiren, aber Argumente dafür erbeten

36
24–28 und – gepüre] Fehlt in Kurtrier zA, spA; in Kurbayern K III danach
37
Zusätzlich: zudeme wurde durch die Weggabe Pommerns die cronn Schweden zu mech-
38
tig , welches sie unnd andere benachbarte nicht leiden wolten.
und auf das Beispiel

25
Österreichs und anderer hingewiesen, worauff sie geantwortt, daß zwischen
26
Ostereich und Brandenburg eine große differenz seye, dann die cronen
27
contestirten, daß sie den krieg allein mit dem hauß Ostereich geführt,
28
dahero demselben auch allein die satisfaction zu geben gepüre.

29
Die Niederländer haben auch zu versicherung der neutralität ein offen plaquat
30
gefordert; sie hetten vermeld, weiln die neutralität uff offenem reichstag
31
bewilligt, so könde auch dieß ihr begehren daselbst geschloßen werden.

32
Weiln auch sonsten die ständ im reich wegen der satisfaction nit einig, so
33
hetten die cronen desto mehr ursach, dergleichen zu begehren, bevorab da

[p. 619] [scan. 743]


1
die landgrävin zue Heßen Cassel alß ein reichsstand selbsten satisfaction
2
suchen thete.

32
2–6 Vermeinten – contrarium] Fehlt in Kurbayern K III; laut Kurtrier zA,
33
spA ist Kursachsen wegen der Erbverbrüderung mit Hessen, laut Kurköln zA I, spA II
34
auch Kurbrandenburg zu einer Intervention bei Hessen-Kassel aufzufordern.
Vermeinten dahero, die herrn Chursachßische zu erinnern,
3
besagte landgrävin zu Heßen zu abstehung dergleichen praetendirenden
4
satisfaction abzumahnen; Heßen hette sich dabevorn selbsten erpotten, die
5
cronen dahin helffen zu disponiren, damit sie von dergleichen satisfaction
6
abstehen mögen, nunmehr aber scheine daß contrarium.

7
Sie vernehmmen, daß Schweden Pommern ohne consens Churbrandenburg
8
nit, sondern dasselbe halb fahren zu laßen begehrten, wann sie den andern
9
halben theil wie gedacht mit belieben Churbrandenburg haben könden, zu
10
abhandlung deßen dann auch der Churbrandenburgische gesander der von
11
Löwen zu Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht von Oßnabrück auß verreist
12
sein solle

42
Löben hatte die Reise auf kurfürstliche Weisung hin am 17. Mai 1646 angetreten ( DLöben III
43
fol. 15, DZA Rep. 12 nr. 139).
; hergegen aber müsten die stiffter ohne consens ihrer herrn
13
hinweggehen.

14
Schließlichen hielten sie auch davor, daß man sich bey den herrn Branden-
15
burgischen uf einholung bevelchs zu beziehen.

16
Kurbayern . Besorgten, wann man die begehrte deputation werckstellig
17
machen solte, es würden andere interessenten alß Bremen, Meckelburg,
18
Halberstatt, Verden etc. auch volgen. Daß Kayßerliche Mayestät so liberal
19
mit hingebung der fürstenthumber geweßen sein solle, da seyen sie selbst
20
mit exempeln vorgangen und hetten auch ihre eigene landen nit verschont.
21
Verweisen auch auf die ehemals beschlossene Deputation an die ksl. Gesandten zur
22
schleunigen Vornahme der Satisfaktionsfrage. Ihre Kayßerliche Mayestät hetten
23
albereit Pommern offerirt, und seye also res nit mehr integra, auch be-
24
schwehrlich , wann man die sachen retractiren solte, wardurch man den
25
frieden zu erlangen

35
25 verhoffte] Kurbayern äußert laut Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA II,
36
Kurbayern K III weiterhin die Sorge, daß Schweden zwar ad interpositionem gern
37
weichen, aber alßdan von Caesare Schlesien undt stieffter von den catholischen
38
forderen wird.
verhoffte. Wolten aber die

39
25 interessirte heußer] Laut Kurbayern K III die Mitglieder der erwähnten Erbverbrüde-
40
rung
; Kurköln zA I, spA II zählt hingegen Sachsen, Brandenburg, Pomeren, Meck-
41
lenburg und andere auf.
interessirte heußer sich
26
selbsten bey Schweden angeben oder der königin hierunder zuschreiben,
27
werde sie solches niemander hindern können, zumahln sie ohnedaß ahm
28
besten wüsten, waß ab origine der Schwedischen motuum mit denselben
29
verglichen worden. Die Schweden wehren in volliger possession; wann sie
30
nit mit guetem willen hinaußwolten, sehen sie nit, wie sie darauß zu pringen,
31
geben auch die interessirte darzu keine mittel ahn hand. Wann die handlung

[p. 620] [scan. 744]


1
dahin gerichtet werden könde, daß halb Pommern den Schweden zu uber-
2
laßen , wehre der sachen geholffen, hette Brandenburg den vortheil, daß sie
3
ahnstatt des halben theils daß stifft Halberstatt erlangten.

4
Conformirten sich mit Cöllen, daß sich mit nit habender instruction zu
5
entschuldigen.

6
Kurmainz . Vorstimmende sind der Meinung, um Instruktion nachzusuchen, in-
7
zwischen
aber die kurmainzischen Gesandten in Osnabrück um vorläufige Suspen-
8
dierung
der Sache zu bitten. Sie erinnerten sich, waß bey deliberation des
9
puncti satisfactionis vorkommen und waßmaßen die herrn Churbranden-
10
burgische vor allen andern zimblich starck uf die Frantzösisch-,

38
10 Schwedisch-] Fehlt in Kurtrier zA, spA.
Schwedisch-
11
und Heßen Casselische satisfaction getrungen und daß man uf mittel be-
12
dacht sein wolle, wie dieselbe zu contentiren. Dieweil dann nun die satis-
13
faction nit allein Churbrandenburg, sondern auch Kayßerliche Mayestät,
14
die herrn ertzhertzogen wegen Halberstatt, herrn bischoffen zu Oßnabrück
15
wegen Verden und andere mehr getroffen, so sehen sie nit, wie derselben
16
in ihrem begehren auß den von den herrn vorstimmenden angezogenen
17
ursachen willfahret werden könde. Die Kayßerliche herrn plenipotentiarien
18
hetten sich vernehmmen laßen, daß sie gern sehen mögten, daß die ständ
19
sich dahien bemüeheten, wie Brandenburg Pommern verpleiben mögte, sie
20
hetten aber auch dabey vermerckt, daß sie uf solchen fall nit weniger ahn
21
die ständ begehren würden, die cron Franckreich und Heßen Cassel zu
22
ermahnen, von ihren postulatis abzustehen. Solte nun dießes nit gleicher-
23
gestalt verrichtet werden wollen, geben sie zu bedencken, waß es vor ein
24
absehen gewinnen werde, wann Brandenburg allein und Kayßerlicher
25
Mayestät nit gratificirt werden solte, dahero sie der meinung, daß dießes
26
werck soviel müglich zu hindertreiben und zuvorhero ahn die principaln
27
zu pringen; verglichen sich gleichwohl mit Churbayern, daß per discursum
28
und mit guetem glimpf den interessenten, sich zu interponiren, ahn hand
29
zu geben.

30

39
30 Die – Churbrandenburgische] Laut Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA
40
II, Kurbayern K III nennt Kurmainz den Gesandten Wesenbeck und entnimmt die folgende
41
Mitteilung dem fürstlichen protocollo von Osnabrück.
Die herrn Churbrandenburgische hetten sich zu Oßnabrück bey den pro-
31
testirenden vernehmmen laßen, daß Churbrandenburg der erste geweßen
32
seye, so den könig in Schweden dem evangelischen weßen zum besten ins
33
reich pracht, dießes seye nun der danck, daß man sich ihrer so wenig an-
34
nehmme . Sehen sie Churmaintzische derowegen nit, wie die catholische
35
ihnen soviel zu gratificiren, zumahln sonsten nichts gewißers sein werde,
36
alß daß Schweden die satisfaction bey den catholischen oder ein aequi-
37
pollens suchen werde.

[p. 621] [scan. 745]


1
Die herrn Kayßerliche beschwerten sich auch, daß Brandenburg vorgeben,
2
ob hetten sie sich mit dießem puncto satisfactionis ubereylet, da sie doch,
3

25
3–6 insonderß – Frankreich ] Zusatz Raigerspergers, in Kurmainz Rs eingearbeitet;
26
im ursprünglichen Text von Kurmainz K und in den anderen Überlieferungen kürzer.
insonderß aber und zufordrist Ihre Kayßerliche Mayestät, von gewißen
4
ständen deß reichs nit allein in schrifften beweglichst, sondern auch durch
5
hiesige sowoll auch Oßnabrugische gesandtschafften vermittelß gewißer
6
deputation um schleunige Behandlung des Satisfaktionspunkts mit Frankreich
7
ersucht worden; wann aber die ständ mit und bey Ihrer Kayßerlichen
8
Mayestät vor einen mann stehen, keineswegs aber einer hie-, der ander
9
dorthin sich wenden und mittel, wie dieße in satisfaction gegebene landen
10
zu erhalten, vorschlagen würden, wehren allerhöchstgedachte Ihre Kayßer-
11
liche Mayestät gemeint, alles, waß dem reich zu nachtheil eingangen wor-
12
den , wider umbzustoßen, den krieg noch weiter zu führen und dabey ihr
13
eußeristes auffzusetzen,

27
13–19 weill – eingelassen] Zusatz Raigerspergers, in Kurmainz Rs eingearbeitet;
28
in den anderen Überlieferungen kürzer. Danach endet Kurbayern K III.
weill aber die ständte ferner in kriegh zu stehen nit
14
gemeint, sondern einer von sich sagt, der ander schreibt, er könne und
15
wolle nit mehr kriegen, der dritt ruffet, weill alle mittell entrunnen, so
16
seye quocumque modo friedt zu machen, die Kayßerliche hierzue auch von
17
den ständen fast mit einer indignation angetrieben werden, so sehe man a
18
parte Maintz nit woll, wie sie so hoch zu verdencken, daß sie sich mit den
19
frembden cronen uff der ständte reiterirtes begeren eingelassen.

20
Daß Sachßen sich der sachen angenohmmen, halten sie davor, daß solches
21
allein, Brandenburg zu contentiren, keineswegs aber alles wider umbzu-
22
stoßen , beschehen,

29
22–24 maßen – werden] Fehlt in Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA II, dort
30
aber zusätzlich, daß Kurmainz über die wenig engagierte Haltung Kursachsens in der Frage
31
ex alio prothocollo unterrichtet ist. Laut Kurköln zA I, spA II folgt noch: werde
32
nun auch per consequens mit der communication den anderen reichsräthen einzu-
33
halten sein. Schließlich rät Wartenberg davon ab, der graffen von Tecklenburg suchen
34
wegen der herrschaft Lingen, obzwar heftig vorgetragen, nicht nachzugeben, weyln sonst
35
der graff von Tecklenburg wiederumb die so gut catholische underthanen zum
36
Calvinismo zwingen würde

37
Nach dem Westfälischen Frieden suchten die Niederlande in Lingen das reformierte Bekenntnis
38
einzuführen, da sie die Herrschaft als Teil des aus dem Reich ausgeschiedenen Burgundischen
39
Kreises betrachteten; dagegen wurde von seiten des Reichs geltend gemacht, daß nach den Bestim-
40
mungen des IPO die Landesherren, nämlich die Grafen von Tecklenburg, den Religionsstand von
41
1624 nicht beeinträchtigen dürften. Unter dem Einfluß des Bischofs von Münster, Christoph
42
Bernhard von Galen, konnten sich die Katholiken in Lingen gegen die Oranier halten ( Cramer
43
S. 54ff., Kohl ). Siehe unten S. [ 663 Anm. 2 ] .
.
maßen selbige gesanden dann auch daß ahn hießige
23
churfürstliche gesanden vorgeschlagene ersuchungsschreiben zue bedenken
24
ubernohmmen, halten auch dafür, sie dabey verpleiben werden.

Dokumente