Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
37. Sitzung des Kurfürstenrats mit Re- und Correlation Münster 1646 Juni 2
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Münster 1646 Juni 2
Kurmainz Rs FrA Fasz. 15 = Druckvorlage; damit identisch Kurmainz Rk FrA Fasz.
14. Vgl. ferner Kurtrier zA ( damit identisch Kurtrier spA p. 779–788 ); Kurköln zA I
fol. 229’–231 ( damit identisch Kurköln spA II fol. 499–502 und Kurköln zA Extrakt
fol. 21 ); Kurbayern K III fol. 336–341.
Sicherheit und Unterhalt des Reichskammergerichts. securität durch bevorstehenden Friedens-
schluß . Schaden durch Truppenabzug. Schutzbriefe Spaniens und Frankreichs. Judencapitation.
Vorenthaltene Viktualien.
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
bayern , Kurbrandenburg.
Kurmainz . Wiederholt das Ergebnis der Reichsberatungen vom 25. April 1646
Siehe oben nr. [ 82 S. 575ff. ]
über das Reichskammergericht und verweist auf die im Wortlaut bereits mitgeteilten
Antworten der cameraln vom 12.
Druck Meiern III S. 122f. (mit Beischlüssen über den Briefwechsel zwischen dem Reichskammer-
gericht und dem Kommandanten von Frankenthal über die Wegnahme von Nahrungsmitteln ebd.
S. 124–126).
selbsten davorhielten, wann durch Gottes gnadt der friedt erfolgen solte,
daß sie alßdan sicher sein würden; weiln eß aber annoch zweivelhafft, so
falle ihnen schwehr, bey der soldatesca und burgerschafft zu verpleiben
und also in gefahr zu leben, wie dann dieselbe sich vernehmen laßen, wann
die burgerschafft nichts mehr habe, daß es alßdann sie geldten werde. Sie
hetten zwar einige königliche Frantzößische salvaguardi erlangt, eß wehre
aber dieselbe gar general, daß sie darauff sich nit zu verlaßen. Pitten dahero,
in eventum uff mehrere versicherung zu gedencken, berichten dabey,
es mit denen zu Franckenthal außgeladenen früchten vor eine bewandtnus
habe. Begehren, bey den Spannischen ihnen ein generalpaß außzuwürcken
und beziehen sich schließlichen in puncto salarii uf ihr voriges schreiben.
Deswegen ist mit wenigem zu beraten, was auff das ertheilte Frantzösische
patent vorzunehmen und ob nit daruber einige declaration, wie wenigers
nit von dem commendanten zu Franckenthall
pringung ihrer lebensnotturfft zu begehren und waß schließlichen vor
mittel zu erhaltung deßelben vorzunehmen und ob die vorgeschlagene
Judencapitation zu ergreiffen.
Kurtrier . Soviel die securität betriefft, hielten sie davor, die cameraln
hetten deß ausschlags der generalfriedenstractaten zu
wider Erwarten der Friedensschluß und damit Sicherheit für das Gericht sich ver-
zögert , wird man weiter sehen können. In Frankfurt hat man sich für neutralität
oder translation nicht entschließen können, dahero, wann wie gedacht der friedt
nit zu erheben sein solte, hiernegst von solchen mediis fernere zu reden
sein werde.
Ratione salariorum hielten, das die portiones vielleicht darumb desto
geringer fallen, weiln die distribution nit allein in die lebende, sondern auch
der abgestorbenen wittiben und weißen gemacht werde. Conformirten sich
lution und hielten die ständt zu abtragung ihrer quoten nochmahls von
Kayserlicher Mayestät zu erinnern, auch daß die erhöhung auff die stendt
zu schlagen.
Sind auch mit Erhöhung der Zölle einverstanden.
Wegen des patents vermeinten sie, eß hetten die Kayserliche vor sich und
durch die herrn mediatorn die Frantzosen zu ersuchen, ahm königlichen
hoff daruber eine declaration zu begehren, crafft deren die herrn cameraln
von aller beschwehrung befreyet pleiben mögen.
enthaltene früchten nit allein wider verabvolgen zu laßen, sondern auch
den herrn cameraln inßkünfftig versicherung zu thun.
Kurköln . Wann Gott, wie zu hoffen, den frieden beschehern werde, wer-
den alßdann die cameraln vollkommene securität haben.
Mann hette die Kayserlichen herrn gesanden zu ersuchen, in dem friedens-
proiect dem Kayserlichen cammergericht die
Solte aber der friedt wider verhoffen sich noch länger verweylen,
durch die herrn mediatoren die Frantzosen zu erinnern sein, dem cammer-
gericht versicherung zu schaffen, damit die justiz noch einigermaßen ad-
ministrirt werden könde. Die underhaltung belangend, da hielten davor,
das, obzwar die stendt mit der zahlung nit richtig zuhielten, dannoch, weiln
der persohnen wenig, daß ihnen wohl auß demienigen, so einkombt, ge-
holffen werden könde. Die difficultät währe in dem, daß die praesentes,
deren uber 8 oder neun anitzo nit wehren
Von den insgesamt 41 Beisitzern der Regelbesetzung, die nach sehr kompliziertem Verfahren
vom Kaiser, von den Kurfürsten, von Österreich und Burgund sowie den Reichskreisen präsentiert
wurden, waren 1646 nur neun übriggeblieben ( Smend S. 268f., 292ff., 322ff.); die „soziale
Zusammensetzung“ des Personals am Reichskammergericht ist weitgehend unerforscht ( Duch-
hardt S. 173). Vgl. die Personalstandstabellen bei Groh S. 101ff. und Pfeiffer .
underhaltung under sich
3 theilten] Ausführlicher in Kurtrier zA, spA, sinngemäß in Kurköln zA I, spA II:
Die Kammerrichter beschweren sich, daß die Gelder für alle 38 Assessoren nicht einkommen,
können sich aber momentan sehr wohl mit ihren Einzelgehältern begnügen und den Überschuß
ad cassam legen, denn nach der Kammergerichtsordnung dürfen nur die Einkünfte der ver-
reisten und nicht rechtzeitig zurückgekehrten Richter unter die übrigen anwesenden aufgeteilt
werden.
purg nit approbirt, sondern hetten davorgehalten, daß hierunder die salaria
mortuorum et resignatorum nit zu verstehen .
Yedoch seyen der meinung, es hetten Kayserliche Mayestät die ständt
nochmahls zu abzahlung ihrer quoten zu erinnern. Bey der Judencapitation
seye Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht zu Cölln […] underschiedliche
bedencken zu gemüth gangen,
seiner stewer abginge und das onus auff dieselbe allein wachse, solches
auch keinen bestandt hette und darauf kein gewieß facit zu machen seye.
Die erhöhung der zöll betreffend, währen die strömb dergestalt ohnedaß
beschwehrt, daß darauf fast keine commercia mehr seyen, sondern die
kauffleuth daß landt prauchten.
Hielten derowegen davor, nach proportion einem yedem stand seine quota
zu erhohen und solche ahn den gewöhnlichen legstätten zu erlegen.
Kurbayern .
ihnen lang keine ungelegenheit zugestanden, so hielten unnöttig, den
Frantzosen derentwegen noch zur zeit zuzusprechen. Sie verhofften, es
werde der friedt nunmehr nach offerirung Preysach paldt geschloßen
werden. Hielten derowegen davor, die cameraln hinwider zu beantwortten,
sobaldt mit Franckreich geschloßen, man alßdann durch die herrn media-
torn dahin sehen wolte, damit die evacuation alsopalden ohne einigen
schaden vorgehen mögte.
In puncto salariorum hetten sie dafurgehalten, Kayserlicher Mayestät ein-
zurathen , die ständt, so noch etwaß bey mittel, zu erlegung ihrer schul-
digkeit zu erinnern. Eß wehren zwahr uber neun assessores und präsi-
denten anietzo nit alda, weyln gleichwohl annoch underschiedliche wittiben
und weyßen seyen, denen mann gleichergestalt ein merckliches schuldig,
alß hielten, dahin zu sehen, damit denselben gleichergestalt der hinder-
standt erlegt werde.
Die Judencapitation belangend, würden dardurch die stendt nit, sondern
die Juden gravirt; und wehre dießes anietzo ein mittel, semel pro semper
in geschwinder eyl etwaß beyzupringen.
Hispannischen gesanden eß dahin zu vermittlen, damit nit allein die vom
gubernatorn zu Franckenthal aufgehaltene früchten verabfolget, sondern
auch den herrn cameraln zu ihrer künfftigen versicherung ein generalpaß
ertheilt werden möge .
Kurbrandenburg . Die securität belangend, befinden, daß die sach noch in
vorigen terminis bestünde, dahero die Frantzosen nit wohl zu ersuchen
sein werden, wo keine klag seye.
In der Frantzösischen salvaguardi seye kein underschied under den cameraln
und einwohnern gemacht, sie vermeinten nicht, daß dem gericht dardurch
ungelegenheit zugezogen werden solte. Weiln gleichwohln die herrn
cameraln deßen sonderlich bey der Frantzosen abzueg sich besorgten, so
hielten sie davor, mann hette bey selbiger cronn diesorths anweßenden
gesanden umb declaration und, daß bey künfftigem abzueg guete ordere
gehalten werde[n] mögte, ahnzusuchen.
Zur Intervention bei Spanien wie Kurbayern.
Wann die ordinari mittel solten augirt werden, würde eß ein neweß gra-
vamen geben, weiln die stendt voriges nit erlegen können, dahero uf
extraordinari mittel zu gedencken. Sind, obzwar noch nicht instruiert, zur An-
nahme eines Mehrheitsbeschlusses, auch über die Judencapitation, bereit.
Wann die Judencapitation semel pro semper geschehe, werde eß so große
beschwehrung nit sein.
Kurmainz . Recapitulirte kürtzlich der herrn vorstimmenden vota. Soviel
nun die underhaltung deß cammergerichts belanget, da wehre daß conclu-
sum der Judencapitation halber bey voriger session umb deswillen suspen-
dirt worden, angesehen Kayserliche Mayestät, wann nit sambtliche ständt
solche applacidiren, darin besorgentlich nit willigen werden. Haben noch
die gleichen Bedenken. Dieweiln gleichwohl auch anietzo zu Osnabrug pari
passu von dieser materi deliberirt werde, so werde, waß sie darin geschloßen,
zu vernehmen und pro re nata darin ein conclusum zu machen sein, ob man
ohneracht etlicher weniger discrepanten meinungen Kayserlicher Mayestät
die Judencapitation einzurathen.
Betreffend die erinnerung der ständt, da währen zwar uff beschehenes aller-
underthenigstes einrathen von Kayserlicher Mayestät zu verschiedenen
mahlen die reichsständt zu erlegung ihrer quoten belangt worden, eß wehre
aber darauf niemahls nichts erfolgt; besorgt dahero, eß werde hierdurch
auch diesmahl dem cammergericht wenig geholffen werden. Wegen der
securität werde man daß absehen uff den künfftigen friedenschlues zu stellen
haben, solte aber wider verhoffen der frieden sich verzögern oder zer-
schlagen , so werde man sich vor dem abzueg zu vergleichen haben, waß
vor ein mittell zu ergreiffen und ob die neutralität oder translation vorzu-
nehmen .
handt bedencken vorkommen; die translation betreffend, hette mann darzu
kein orth bekommen können.
Die Frantzösische salvaguardi belangend, befinden sie auch dieselbige von
zimblich weiten aussehen. Verglichen sich dahero, daß die Kayserliche
herrn plenipotentiarien zu ersuchen, vermittelst der herrn mediatorn von
den Frantzosen daruber einige deliberation zu begehren.
Wie wenigers nit dem instrumento pacis einzuverleiben, daß die guarnison
alsobalden nit allein auß Speyer, sondern allen andern inhabenden orthen
ohne zufügung einiger vorthelhafften attentaten abgeführt werden mögen,
sodann schließlichen die königliche Hispannische herrn gesanden zu er-
suchen , die verordnung zu thuen, damit nit allein die noch wenige den
cameraln zustehende früchten zue Franckenthall verabfolgt, sondern auch
dem cammergericht ein generalpaß uff alle nottwendige victualien ertheilt
werden möge.
Kurmainz und Kurbayern überbringen den ordentlichen Deputierten des Fürsten-
rats , Österreich, Salzburg, Bamberg und Kulmbach das kurfürstliche Conclusum.
Ihnen wird der Beschluß des Fürstenrats mitgeteilt:
1. Die Kaiserlichen sind zu ersuchen, über die Mediatoren bei den Franzosen zu
erwirken, daß die königliche dem cammergericht ertheilte salvaguardia in
effectu erhalten und durch die ordre des Kommandanten nicht beeinträchtigt wird.
Den französischen Gesandten ist anheimzustellen, wie dies am vorteilhaftesten
durchzuführen ist: durch Bekräftigung der alten oder Erteilung neuer Schutzbriefe
vom kgl. Hof aus oder durch Empfehlungsschreiben ihrerseits an die französische
Generalität.
Da erfahrungsgemäß beim Abzug der Garnisonen die Bevölkerung fast mehr zu
leiden hat als während ihrer Anwesenheit, sollen die ksl. Gesandten dafür Sorge
tragen, daß entsprechende Sicherungen für alle Orte im Reich in den Friedensvertrag
aufgenommen werden.
Über seine Gesandten soll beim Kaiser die Bestätigung der am 25. April beschlos-
senen Judencapitation erwirkt werden, oder die ksl. Gesandten sollen von sich aus das
hierfür Notwendige anordnen.
Die ausstehenden Beiträge zum Reichskammergericht sind möglichst zu erstatten.
Die ksl. Gesandten sollen den Spaniern nahelegen, daß dem Reichskammergericht
seine Lebensmittel aus Frankenthal zugeführt und künftig die Generalpässe für die
Angehörigen des Reichskammergerichts kraft dessen alten Privilegien von den Kom-
mandanten geachtet werden.