Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
35. Sitzung des Kurfürstenrats Münster 1646 Mai 17
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Münster 1646 Mai 17
Kurmainz Rk FrA Fasz. 14 nr. 39 = Druckvorlage. Vgl. ferner Kurmainz Rp FrA
Fasz. 14; Kurtrier zA ( damit identisch Kurtrier spA p. 701–706 ); Kurköln zA I
fol. 228–229 ( damit identisch Kurköln spA II fol. 496–497’, Kurköln zA Extrakt fol.
20’ ); Kurbayern K III fol. 335–335’.
Streit zwischen Stadt und Erzbistum Bremen einerseits und dem Grafen von Oldenburg anderer-
seits um den Weserzoll.
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
bayern , Kurbrandenburg.
graff von Oldenburg
Gf. Anton Günther von Oldenburg (1583–1667) war vertreten durch Dr. Konrad Pichtel ( Früh-
jahr 1645 und Dezember 1646) ( Düssmann S. 64, Lübbing S. 123), Dr. Johann Philipp
Bohn, 1642 g fl. oldenburgischer Kanzler, 1656 Reichshofrat am Reichskammergericht (über ihn
Rüthning S. 509f.) und Hermann Mylius von Gnadenfeld (1600–1657), Müllerssohn, 1634
Geheimer Sekretär, 1642 Geheimer Rat Anton Günthers, 1647 Landrichter von Kniphausen,
1648 vom Kaiser in den Adelsstand erhoben ( Rüthning S. 512, Lübbing S. 124, 131).
Anfang 1646 weilte Gf. Anton Günther, bedeutendster Herrscher Oldenburgs, selbst in Osna-
brück .
und deren durch die Bremer ihme zugefügter attentaten halber gepetten
Bereits am 12. Januar 1646 war jedem kurfürstlichen Gesandten ein Memorial Oldenburgs
übergeben worden ( Düssmann S. 48f. ), am 12. Februar 1646 überreichte Mylius Raigersperger
eine Zolldenkschrift mit 114 Artikeln: Facti species summaria cum votis electoralibus
( Düssmann S. 51f., Druck Meiern II S. 799–804 ); es folgte das Memorial vom 3. April
1646, das gegen die niederländische Vermittlung Stellung nahm ( Düssmann S. 55 ).
Dieweiln dann dieße sach nun zum zehenden
mendirt worden, darauf aber bis noch einiger effect nit ervolgt, alß
stünde mit wenigem zu bereden, wie dem herrn graven zu helffen.
halber ahn Ihre Churfürstliche Gnaden zu Tryr geschrieben, darauf dieselbe
ihnen gnädigst anbevohlen, wann dießelbe alhie in deliberation kommen
solte, zu votiren, daß Seine Churfürstliche Gnaden sich wohl zu erinnern
wüsten, welchergestalt anno 1627, 1629, 1630 und 1631 bey damahls ge-
haltenen collegialconventen vorkommen, auch von Tryr votirt worden,
daß nemblich der herr graff von Oldenburg
Nachdem Oldenburg sich bereits auf den Reichstagen von 1562, 1567 und 1570 vergeblich um ein
Zollrecht auf der Weser bemüht hatte, erreichte Gf. Anton Günther 1612, daß sich das Kurkolleg
mit der Frage befaßte und Ks. Matthias eine Zollkommission unter Leitung des Erzbischofs von
Köln (als Bischof von Münster und Direktor des Westfälischen Kreises) einsetzte. Am 6. Sep-
tember 1619 beschloß der Kurfürstenrat die Errichtung eines oldenburgischen Weserzolls zu
Blexen oder Övelgönne, gegen den die Stadt Bremen protestierte und den der Kaiser bestätigte.
Bremen behinderte und boykottierte die Zölle und rief das Reichskammergericht und den Reichs-
hofrat dagegen an. Die Kurfürsten standen stets auf seiten des Oldenburgers. Am 31. Juli 1643
wurde Gf. Anton Günther trotz des schwebenden Rechtsstreits mit dem Zollrecht belehnt ( Düss-
mann S. 39ff.).
causae cognitione abgeurtheilt worden. Woran aber bishero die execution
beruehet, solches wüsten sie nit, dafern nit etwan in consideration kommen
wehre, daß durch manutention dießes zolls newe motus vorfallen dörfften.
Wolten also von den herrn nachstimmenden vernehmmen, woran der
mangel bishero geweßen und auff waß maß und weiß die manutention zu
erhaltung der Kayßerlichen und deß reichs hochheit zu werck zu richten,
und dießem nach sich mit denselben gern vergleichen.
Kurköln . Wehre nit ohne, daß die commercia im heyligen Römischen reich
bey dießer unrhue in großen abgang kommen, und dahero nöthig, neben
dem frieden dahin zu gedencken, wie dieselbe auch wider in vorigen gang
zu pringen. Und weiln die uberheuffung der zöll denselben nit wenig hin-
derlich , so hette man keine ursach, mehrere auffzunehmmen; es hetten
auch Ihre Churfürstliche Durchlaucht zu Cöllen wegen der nahen angrent-
zenden landen nit ursach, darauff zu gedencken. Nachdemahln dießes
gleichwohl eine abgehandlete sach, darin Kayßerlicher Mayestät pro manu-
tenentia vom churfürstlichen collegio underschiedliche guetachten ertheilt
worden, und also res nit mehr integra wehre, so hielten sie davor, demie-
nigen , waß einmahl debattirt, Kayßerliche Mayestät zu cräfften kommen
laßen, zu inhaeriren und allerhöchstgedachte Ihre Kayßerliche Mayestät
zu ersuchen, daßienige, waß uff des churfürstlichen collegii einrathen ange-
ordnet worden, in seinen cräfften zu erhalten und hochwohlgedachten
herrn graven dabey bestens zu manuteniren.
6–8 Bremen – widersetzet] Deutlicher in Kurtrier zA, spA: Bremen bestreitet
die Jurisdiktion des Grafen über die Weser, der Graf meint aber, dieß seye medium con-
cludendi nicht, sonderen, obwoll er in flumine kein ius habe, gehöre ihme eius
ripa zu undt müße die aggeres undt waß dergleichen mehr, sehr kostbarlich under-
halten .
hoc capite, daß der herr graff sich uf die weßeriurisdiction gegründet, dießer
concession widersetzet, wehre auch solcher weßeriurisdiction halber eine
commission erkennet worden, worauf aber dieselbe beruehe, davon hetten
sie keine nachricht
Die Kommission wurde am 9. September 1642 vom Kaiser eingesetzt, nachdem der Reichshofrat
1640 vom Grafen von Oldenburg einen Beweis dafür verlangt hatte, daß er im Besitz der Weser-
jurisdiktion sei, während das Kurkolleg Zoll und Jurisdiktion über die Weser als zwei verschiedene
Fragen betrachtet wissen wollte ( Düssmann S. 45).
ohnedieß verpleiben können.
Kurbayern .
12 Nechst – motiven] Ausführlicher in Kurtrier zA, spA: Churcöln alß bischoff
zu Münster hatt eine Kayßerliche commission gehapt, sich uber die in streith
gezogene iurisdiction zu erkundigen, dabey sich befunden, daß dern ungeachtet
dem Oldenburger mit dem zoll könne gratificirt werden, allermaßen daß churfürst-
liche collegium anno 1619 darin consentirt, so auch keyßer Ferdinandus 2 us bestet-
tiget . Zollregale können auch in alieno flumine ertheilt werden, hier um so eher wegen
der Aufwendungen des Grafen von Oldenburg für die Weserdeiche.
conformirten sich mit Churcöllen, weiln die Kayßerliche hochheit, chur-
fürstliche praeeminenz und potestät etwas periclitiren, daß Ihrer Kayßer-
lichen Mayestät allerunderthenigst einzurathen, der statt Bremen aller-
gnedigst ernstlich zu bevehlen, hochwohlgedachten herrn graven ohne
einige fernere verhinderung deß zolls genießen zu laßen.
Kurbrandenburg . Es hette der herr graff von Oldenburg in seinem
schreiben uff ein memorial, so dabevorn den herrn churfürsten ubergeben
worden sein solle, bezogen. Sie hetten wünschen mögen, daß sie dasselbe
zu ihrer nachricht hetten haben können, in ermanglung deßen sich sich
nit wohl einlaßen könden. Dieße sach stünde, wie sie vernohmmen, in
gütlichem vergleich, und hette die statt Bremen pro redimenda vexa ein
stück gelds angepotten. Hielten daß beste, solche vergleichung zu tentiren,
allermaßen mit dem könig in Dennemarck und der statt Hamburg des
Glückstatter elbzolls halber beschehen
Kriegshafen und Festung Glückstadt wurden 1616–1620 nördlich von Hamburg an der Elbe von
Kg. Christian IV. von Dänemark gegründet, um den Handel der Hansestadt und des schaumburg-
pinnebergischen Elbhafens Altona zu beeinträchtigen ( Lübbing S. 56). 1630 erhob Christian IV.
Zoll, es kam zum Krieg mit Hamburg, 1633 erhielt Kg. Christian vom Kaiser den Elbzoll für
vier Jahre, wogegen Hamburg mit Erfolg intervenierte; die Sicherung des Glückstädter Zolls
gehörte noch bei der Friedensvermittlung zu Dänemarks Forderungen an den Kaiser ( Schäfer
S. 571–574, 586f., Lübbing S. 122, Düssmann S. 54, Meiern I S. 95, 143, 640, Lorenz
S. 35f., 39, 170 nunmehr Loose S. 32, 36ff.).
Durchlaucht zue Brandenburg und Hochfürstlicher Durchlaucht ertzhertzog
Leopold Wilhelmen alß bischoven zu Halberstatt
mission auffgetragen worden; waß aber darin verhandlet worden, seye
ihnen noch unbekand. Hielten derowegen, bis man hiervon nachricht, sie
auch von Ihrem Gnedigsten Herrn bevelch derentwegen erlangt, der
sachen einen anstand zu geben. Sonsten wehre dießes eine sach, so under
die gravamina imperii gehörig; wehre derowegen ihres erachtens auch
dorthin und zu derselben abhandlung zu verweisen.
Kurmainz . Hetten vernohmmen, daß die herrn gesanden per maiora
dafürhalten, sinthemahln der herr graff von Oldenburg cum plenissima
causae cognitione et cum consensu electoralis collegii zu dießem zoll ge-
langt
turfft ahn Ihre Kayßerliche Mayestät gelangen zu laßen, umb soviel mehr,
weiln Ihrer Kayßerlichen Mayestät und des churfürstlichen collegii interesse
hiebey mit underlauffet. Sie seyen wenigers nit bevelcht, demselben auch
ihrestheils zu inhaeriren, und concludirten darauf, eine entsprechende schrift-
liche Eingabe beim Kaiser zu machen: Der Stadt Bremen soll bei Strafe verboten
werden, den Zoll des Oldenburgers anzutasten;
19–21 dafern – beobachten] Laut Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA II betont
Kurmainz in diesem Zusammenhang, daß die Kommission, die Kurbrandenburg befragt
wissen möchte, nur für die Jurisdiktion über die Weser zuständig ist, und macht sich die aus
Variante zu 605, 6–8 Bremen – widersetzet] ersichtliche oldenburgische Argumenta-
tion zu eigen. – Zusätzlich in Kurtrier zA, spA: Diejenigen kurfürstlichen Gesandten,
die einverstanden sind, mögen die expedition auch versiegelen.
betreffend iurisdictionem Visurgicum einig obstaculum sein werde, würde
solches der reichshoffrath wohl können beobachten.