Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
26. Sitzung des Kurfürstenrats Münster 1646 März 13
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Münster 1646 März 13
Kurmainz K FrA Fasz. 14 nr. 25/26 fol. 166’–174 = Druckvorlage; damit identisch Kur-
mainz Rs FrA . Fasz. 15. Vgl. ferner Kurtrier zA ( damit identisch Kurtrier spA p.
446–458 ); Kurköln zA I fol. 192’–195’ ( damit identisch Kurköln spA I fol. 414’–421,
Kurköln spA Ib fol. 432–439 und Kurköln zA Extrakt fol. 17 ); Kurbayern K II fol.
172–183 ( damit identisch Kurbayern spA II p. 657–681 ); Kurbayern Rp II.
Generalamnestie seit 1618 und Konfessionsfreiheit für alle Mitglieder und Untertanen des Hauses
Hessen-Kassel. Bestätigung der bessen-kasselschen Erbverträge und Einungen. Unterstützung Hes-
sen -Kassels im Streit mit Hessen-Darmstadt. Wegfall der Satisfaktionsansprüche der Grafen von
Waldeck. Kriegsentschädigung für Hessen-Kassel. Militärsatisfaktion.
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
bayern , Kurbrandenburg.
525, 15 –526 ,8 Kurmainz – eröffnen] Proposition kürzer in Kurköln zA I, zA Ex-
trakt , spA I, Ib. Im ursprünglichen Text von Kurmainz K sind die Punkte 1 und 2,
Anspruch auf Amnestie und ungestörte Ausübung der reformierten Religion, unter einem
Punkt zusammengefaßt und folglich nur 5 Punkte aufgeführt; dieser ursprünglichen Nume-
rierung , die dann in Kurmainz K verbessert wurde, folgen Kurtrier zA, spA, Kur-
bayern K II, spA II.
pro coronis exteris deliberirt und derentwegen ein gewißes resolvirt worden,
so werde die notturfft erfordern, daß auch anietzo von der fürstlich Heßen
Casselischen praetendirten satisfaction (davon in den replicis meldung
beschehen)
Vgl. Meiern II S. 197f. ( 187 ).
gesanden werden sich in deme dießfals gesterigs tags ad dictaturam
gegebenen memorial
Zugrunde liegt offenbar das Memorial Reinhard Schäffers ( Osnabrück 1645 XII 28/1646 I 7 )
( Druck Meiern II S. 161–163 ). Vgl. ebd. S. 306.
proaemio auff volgenden 6 puncten bestehend, 1º et 2º daß alle und yede
fürstliche persohnen dießes haußes und deßen angehörige räth, bediente,
geist- und weltliche der generalamnistiae genießen, auch des exercitii religio-
nis zu ewigen zeiten versichert pleiben mögen,
3º daß daß ius primogeniturae wie auch alle erbverbrüder- und-einigungen,
succession- und andere pacta confirmirt, yedoch darunder die newe pacta
und verträg mit des herrn landgraven zu Darmbstatt Fürstlicher Gnaden
nit verstanden werden.
4º. Begehrten restitution deren von landgraff Ludwigen dem Eltern her-
rührenden , dem hauß Cassel gewaltthatig entzogenen landen und iura
Nach dem Tod des Lgf. Ludwig von Hessen-Marburg (9. Oktober 1604) gerieten dessen Nach-
folger in Streit um das Erbe. Die drei Darmstädter Lgff. Ludwig, Philipp und Friedrich waren
nicht mit der Anordnung einverstanden, daß das Land zwischen Lgf. Moritz von Hessen-Kassel
und Lgf. Ludwig von Hessen-Darmstadt hälftig geteilt werden sollte, und forderten eine Teilung
nach Köpfen; Lgf. Moritz verstieß gegen die Testamentsbestimmung, daß der evangelische
Konfessionsstand in Hessen beibehalten werden solle, als er 1605 in seinem Gebiet den Calvinismus
einzuführen begann. Durch Entscheidung des Reichshofrats vom 1. April 1623 wurde das Mar-
burger Erbteil des Lgf. Moritz Hessen-Darmstadt zugesprochen; das Urteil wurde durch
ligistische Truppen vollstreckt. Im hessischen Hauptakkord vom 5. Oktober 1627 mußte Hessen-
Kassel von sich aus auf Oberhessen, die Grafschaft Katzenelnbogen und die Universität Marburg
verzichten, 1636 wurde Lgf. Georg II. von Hessen-Darmstadt sogar zum Administrator der
Lande Wilhelms V. von Hessen-Kassel ernannt ( H. H. Weber , Hessenkrieg S. 14f., 18ff.,
135f., Keim I S. 182ff., Demandt und Frohnweiler passim).
5. daß die von dem graven von Waldeck
Im November 1621 waren die Lg ff. Moritz und Wilhelm von Hessen-Kassel in die Grafschaft
Waldeck eingefallen. Die Klagen der Grafen von Waldeck beim Kaiser führten im Dezember 1630
zu dem ksl. Urteil, daß Lgf. Wilhelm V. den Waldecker Grafen 95 479 Reichstaler Schadens-
ersatz zu zahlen habe. Die Exekution des Urteils wurde durch Ausgleichsverhandlungen zwischen
Waldeck und Hessen-Kassel, die zum Hauptvergleich von 1635 führten, aber nicht rechtskräftig
wurden, verhindert ( Meiern IV S. 454 –456, Keim II S. 174, Varnhagen II S. 251f.).
In dem Zwist mit Kurköln, der sich seit Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges verstärkte, ver-
mochte sich Waldeck teilweise nur mit Unterstützung hessen-kasselscher Soldateska zu behaupten
(so im Streit um Besitz und Konfessionszugehörigkeit der Herrschaft Düdingbausen) ( Held-
mann S. 297ff., 305f., Bockshammer S. 167f.). –Beschreibung der Reichsgrafschaft Waldeck,
Mitglied des Wetterauer Grafenvereins und umgeben von den westfälischen Stiftern Kurkölns,
von Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt, von Kurmainzer Gebiet und der Grafschaft Wittgen-
stein , bei Varnhagen I S. 7–101.
einquartierungscosten fallen und Heßen Cassel damit nichts zu thun haben
solle.
6. Und weil 6º dieße kriegsleufften uber hochgedachte Heßen Casselische
fraw wittib großen schaden erlitten, begehrten sie die inhabende land
so lang einzubehalten, bis man sich mit ihro vergleiche.
Stelten solchem nach zue der herrn gesanden belieben, hierüber ihre bey-
gehende gedancken der ordnung nach zu eröffnen.
Kurtrier . Sie hetten erst gestern empfangen, waß Heßen Cassel der prae-
tendirten satisfaction halber ubergeben, hetten dahero von Ihrem Gnedig-
sten Herrn bis noch darüber keinen bevelch einholen können. Sie wehren
gleichwohl in genere uber den punctum satisfactionis instruirt, wie die
herrn gesanden auß ihrem iüngsthin dießfals abgelegten voto vernohmmen
haben werden, und hielten, daß Ihrem Gnedigsten Herrn eben daßienige,
so sie beyder cronen begehrten satisfaction halber erwehnet, auch hierbey
zu gemüeth gangen, dahero sie sich mit wenigem vernehmmen laßen
wolten; und zwar ad 1 um et 2 um , daß Heßen wiederumb in den stand wie
anno 1618 zu restituiren und daß dero kriegs-, hoff-, land- und andere
bediente sambt underthanen und ständ sollen mit in die amnistie einge-
schloßen sein, da erinnerten sich, daß die fraw landgrävin hiebevorn sowohl
dero restitution alß amnistiae halber vermittelst deren mit Churmaintz
gepflogenen tractaten mit Kayßerlicher Mayestät eines gewißen verglichen
Siehe oben S. [ 341 Anm. 2 ] . Der Mainzer Akkord wurde nicht ratifiziert, weil Ks. Ferdinand III.
darin die Klausel, die auf Reichsfrieden für Reformierte Bezug nahm, ausgelassen wissen wollte
( Brockhaus S. 17–22).
Hielten dahero darfür, daß dieselbe sich ahn solchen vertrag oder demieni-
gen , so alhie sowohl vor sie alß andere ständ geschloßen werden mögte,
derentwegen zu halten. Stünde also dahin, welches sie hierin ergreiffen
wolte, in alle weg werde pillig sein, daß sie sambt ihren leuthen in die
amnistiae eingeschloßen werde.
Sonsten geschehe auch in ihrem memorial der confession anregung; nun
wehre zwar albereit in Ihrer Mayestät responsion hiervon meldung besche-
hen ; dieweiln gleichwohl dießer punct in den gravaminibus mit den Augs-
purgischen confessionsverwanthen abzuhandlen, so hielten, solchen puncten
bis dahin außzustellen. Waß alßdann hierin geschloßen würd, dabey werde
Heßen auch wohl und wehe beschehen müßen.
Ratione termini in puncto amnistiae, derentwegen wehre im churfürstenrath
albereit ein schlueß gemacht worden, darbey sie es auch bewenden ließen.
Betreffend den 3. und 4 ten puncten, derentwegen hetten sie keine weitere
information, waß nemblichen vor verträg zwischen beyden heußern auffge-
richt worden, auch waß es des iuris primogeniturae halben vor eine bewand-
nus , außerhalb waß ihnen derentwegen
worden, worauß sie dann vernehmmen, daß Heßen Darmbstatt rem iudica-
tam et transactam, die Heßen Casselische aber vim vor sich hetten. Weiln
gleichwohl dieße strittige sachen allein zwischen zween partheyen versirten,
so vermeinten sie, daß dießes die friedenshandlung nit auffhalten könne,
dann wann alle dergleichen strittigkeiden solten vorgenohmmen werden,
werde dardurch viel zeit verlohren gehen, stünde also dahin, daß beyde
theil vermittels gewißer interposition verglichen werden und
mediatores hierzu erwöhlen wolten.
5º. Wegen der graven von Waldeck praetension ahn Heßen Cassel, der erlit-
tenen kriegsschäden halber, hetten sie auch keine wißenschafft, wehre
solches ein stück der amnistiae; und wann selbe verglichen und effectuirt
werde, würde dießer punct von selbsten auch fallen.
6º. Wolte Heßen Cassel den graven von Waldeck nichts geben und gleich-
wohl vor sich des erlittenen schadens halben satisfaction haben, welches
der amnisti directe zuwiderlauffe. Es wehre kein stand, der bey dießem
leidigen krieg nit großen schaden erlitten,
den Tryrischen landen, welche von den Heßen mit brand und anders
nit wenig schaden erlitten. Derowegen den Heßen Casselischen zu gemüet
zu führen, daß, wann man einen gleichmeßigen frieden haben wolte, einer
dem andern nachsehen und der erlittenen schäden halber nichts fordern,
sondern derselben vergeßen, weniger den ständen ihr land vorenthalten
fraw landgrävin bey dem ihrigen ruhig verpleiben wolte, daß sie auch
andere dabey zu laßen.
Kurköln . 1. Bei der Auseinandersetzung mit der Amnestieforderung der Land-
gräfin von Hessen-Kassel hat man davon auszugehen, was bei der allgemeinen Bera-
tung des Amnestiepunkts beschlossen worden ist. Und werden Ihre Churfürst-
liche Durchlaucht zu Cölln daßienige, so andern widerfahrt, auch der fraw
landgrävin gern gönnen, hetten auch ihro solches lengst gern gegönnet,
wann sie die friedliebende mittel, so ihro vorgeschlagen, nur nit außer acht
gelaßen hette.
Waß 2º des stiffts Hirschfeld und religion halber gedacht werde, weiln deß-
wegen mit den Augspurgischen confessionsverwanthen handlung vorseye
Über die Reichsabtei Hersfeld, die Hessen-Kassel stillschweigend beanspruchte und in seiner
Satisfaktion nicht besonders aufführte, wurde im Corpus Catbolicorum erstmals am 30. April
1646 beraten ( APW [ III A 4, 1 S. 208 ] , [ 216 ] , [ 219 ] , [ 508 ] , [ 528 ] ); 1617 war der spätere Lgf.
Wilhelm V. dort Administrator gewesen ( Keim I S. 136, 159, Demandt S. 198, 347ff.).
wehre zu erwarten, waß hinc inde geschloßen werde, damit sich dann auch
Heßen Cassel werde befriedigen laßen.
3º die confirmation des iuris primogeniturae und erbverträg betreffend,
gleichwie die Römisch Kayßerliche Mayestät einigem stand sein recht in
zweivel zu ziehen nit gemeint, also habe es auch dabey sein verpleiben;
und geben die mit hochstgedachter Ihrer Churfürstlicher Gnaden zu Maintz
gepflogene handlungen genugsamb zu erkennen, daß Kayßerliche Mayestät
bey solcher confirmation derzeit kein bedencken […].
4º die differentien zwischen Heßen Darmbstatt und Cassel wehren ein
abgeurtheilte sach, darüber auch underschiedliche mahln güetliche handlung
gepflogen worden, und man also darfürgehalten, dießes wehre nunmehr ein
beygelegtes und gleichsamb vergrabenes werck. Weiln aber solches anietzo
wider movirt werden und gleichsamb zu offentlichem krieg außschlagen
wolte, so werde Heßen Darmstatt darüber zu vernehmmen stehen.
sich Hessen-Darmstadt auf güetliche handlung einlassen, so werden zweifellos
Kaiser und Stände die Wiederaufnahme dieser Sache gestatten und möglichst fördern,
sofern allerdings durch solche particulardifferentien die allgemeinen Friedensver-
handlungen nicht aufgehalten werden.
Und nachdemahln 5º der effectus amnistiae dieses nach sich führet, das
alles daßienige, waß einem oder andern under wehrendem krieg vor scha-
den zugezogen worden, bey verglichener amnistia in vergeß zu stellen,
dero geführten clagen vor eine aigentliche bewandtnuß habe, der churfür-
stenrhat nit wiße) acquiesciren. Verweis auf das kurtrierische Votum.
Waß aber die begehrte satisfaction betreffend, wehre solche frembd zu
vernehmmen und lauffe dem 4 ten puncto gantz zuwider; und weiln Heßen
Cassel auff eine illimitirte amnistia tringe, so trage auch uf dem rücken und
seye pillig, daß sie andern solches gestatte; und werde noch die frag sein,
wann man derentwegen handlung anstellen solte, welchem theil die satis-
faction gepüre, weiln bekand, in waß schaden dieselbe der benachparten
ständ, sonderlich aber Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht zu Cölln angehö-
rige land gesetzt, dann sie darauß etliche millionen erprest, welches gleich-
wohl Seine Churfürstliche Durchlaucht amore pacis zu verschmertzen
geneigt. Daß der fraw landgrävin schaden geschehen, wehre durch ihr
eigen belieben verursacht worden, weiln sie anno 1639 durch die damahlige
handlung in solche sicherheit gesetzt worden, daß sie die waffen zu führen
ferner nit ursach gehabt hette,
24–25 wie – geschehen] Ausführlicher Kurtrier zA, spA: Schaden hat Hessen-Kassel
erlitten, alß damals die armeen umb Friedtbergh gestanden undt […] die Kayßer-
liche die Schwedische verfolget, welche sie ahn sich gelocket. In Kurköln zA I,
spA I, Ib, Kurbayern K II, spA II statt Friedberg Fritzlar .
erst seithero geschehen. Müsten also darfürhalten, es werden die fürstlich
Heßen Cassellische von dießem unpilligen petito gern abstehen und damit
daß friedenswerck lenger nit aufhalten; und könde solches bey occasion
nit allein den Heßischen gesanden, sondern auch den Kayßerlichen commis-
sarien , wann man guetachten ahn sie pringen werde, der notturfft nach
remonstrirt werden.
Regensburger Regelung der Generalamnestie von 1641 festzuhalten, mit dem
anhang, daß, fals einer oder ander seither anno 1618 noch einige weiter
beschwerden zu haben vermeinen solte, selbige nach pilligkeid hingelegt
werden könden.
Besser hätte man die am Anfang des hessischen Memorials erwähnten Gravamina
dem Beschluß des Frankfurter Deputationstags entsprechend zu einer späteren
Zeit beraten; weiln aber selbiges nit zu erhalten geweßen, so hette man sich
in würckliche handlung albereit eingelaßen.
3º. Ob die reformirte der Augspurgischen confession zu genießen,
10–12 weiln – sein] Statt dessen in Kurtrier zA, spA und sinngemäß in Kurbayern
K II, spA II, dort allerdings zusätzlich: Die Duldung der Reformierten ist bereits in der
Kayßerlichen responsion approbirt. Laut Kurbayern K II, spA II ist das kurbayeri-
sche Votum bis hierher nur als Auslassung zum Vorwort des hessen-kasselschen Memorials
zu betrachten, auf die die Stellungnahme zu den Punkten 1 und 2 der Proposition folgt.
man mit den Augspurgischen confessionsverwanthen derentwegen in
handlung begrieffen, so werde solches auch dahin zu verschieben sein.
Die begehrte assecuration vor daß fürstliche hauß Heßen, dero bedienten
und underthanen belangend, da werden, wann der fried erhebt werden
solte, sie deßen insgesambt auch genießen, darunder dann obbesagter 2 te
punct auch begrieffen.
Die confirmation des iuris primogeniturae und erbverträg belangend, davon
hetten sie zwar keine rechte information; die von früheren Kaisern erhaltene
confirmation wird, falls erfolgt, unschwer auch jetzt zu erlangen sein.
Daß 4º praetendirt werde, der Heßischen landschafft halber alles wider in
den stand zu setzen, wie es anno 1618 geweßen, da wehren sie zwar dießer
zwischen beyden fürstlichen heußern vorschwebenden differentien halber
nit informirt. Sie hetten die ihnen dießfals communicirte schrifften durch-
sehen , hielten, es werde die sach ahm Kayßerlichen hoff cum sufficientis-
sima causae cognitione durchgangen sein; und wüsten also nit, wie res
iudicatae zu cassiren seyen. Hielten, daß beste zu sein, daß beyde partheyen
selbsten undereinander sich verglichen. Hette aber ein oder ander theil
newe emergentia befunden, könden solche durch ordentliche weg rechtens
gesucht und darin den rechten sein lauff gelaßen werden.
5º. Ob der graven von Waldeck praetendirte satisfaction vor erlittene
kriegsschäden zu cassiren, darüber wehren sie nit instruirt. Wolten sich
gleichwohl hierin gern mit den churfürstlichen gesanden conformiren und
hielten, weiln alles durch die amnistia abolirt sein solle, solches auch darun-
der begrieffen sein werde.
Den letzten puncten betreffend, da wehre die amnistia zu dem end angestelt,
daß alles, waß einen oder andern stand bey dießem kriegsweßen schädlich
zugefügt worden, tod und ab sein solle. Hielten also, es werden Ihre Fürst-
liche Gnaden zu Heßen auch geneigt sein, in crafft dießer amnistia alles,
waß sie in handen, zu restituiren, gleichwie sie auch von andern desideriren
thete. Dann da solche praetensiones zugelaßen sein solten, werden alle
ständ, sonderlich aber Östereich, viel zu praetendiren haben; wehren auch
im Bayrischen craiß dergleichen schäden beschehen, daß sie nit sehen, wie
selbe wider zu ersetzen. Wann auch dießes argument, daß nemblichen ein
yeder halten solte, waß er habe, angehen solte, werden ingleichen die Kay-
ßerliche und reichsvölcker sich deßen bedienen, wordurch dann kein stand
deß seinigen wieder zu hoffen. Die Einbehaltung der besetzten Gebiete führt
nur zu neuem Krieg.
frembden quartiern erhoben und wehren ohnedaß derentwegen melioris
conditionis als andere.
thenigst zu pitten, sie wolten hochgedachter fraw wittib nachmahls daß-
ienige einraumen, waß in dem Maintzischen accord beschloßen geweßen.
Die angezogene bezahlung der soldatesca belangend, da hetten sich die
soldaten durch brandschatzung und dergleichen pressuren selbsten be-
zahlt gemacht, wordurch dann die ständ in höchstes verderben gerathen,
daß sie einige geldmittel nit mehr hetten, maßen die Schweden solches
selbsten bezeugten. Wann die ständ dieße soldaten bezahlen solten, werden
auch die Kayßerliche und reichsvölcker dergleichen haben wollen; wer aber
solches thun werde, sehen sie nit.
Kurbrandenburg . Hinsichtlich der von Hessen-Kassel geforderten Amnestie
berufen sie sich auf ihr letztes Votum in dieser Sache, dafern die reichsberuhigung
solte einen effect haben, daß der terminus uff anno 1618 gezogen werden
müste. Es wehre zwar damahls ein conclusum per maiora gemacht worden,
welches sie aber nit zugeben könden; und hielten, die maiora könden hierin
kein statt haben.
Den movirten punctum religionis wegen der reformirten hielten sie zu
der pacification, nit aber denn gravaminibus zu ziehen, wie dann bey allen
reichsconventen yederzeit die reformirte ebensowohl alß evangelische des
rechtens vähig geweßen; und befinden sie ebensowenig ursach, die refor-
mirte under die gravamina zu ziehen alß catholische und lutherische, welches
postulatum dann in acht zu nehmmen.
2º suchten sie particularassecuration vor ihre verwanthen und bedienten.
Dießer punct wehre auch von denn cronen begehrt worden, hielten gleich-
wohl , wann alle ständ in sicherheit gesetzt werden, es werde ihnen auch der-
gleichen sicherheit widerfahren müßen, maßen die herrn vorstimmende
erinnert.
3. Die confirmation des iuris primogeniturae, erbverträg und anders be-
langend , da conformirten sich mit den herrn vorstimmenden, daß, waß vor
dießem breuchig geweßen, solches auch anietzo geschehen könde; und
werden Ihre Kayßerliche Mayestät dabey umb soviel weniger bedenckens
haben.
4. Daß der fraw landgrävin wider zu restituiten, waß ihro zugehöre, solches
beruehe in stritt zwischen ihro und Heßen Darmbstatt; wehre zu wünschen,
daß dieße sach nit zur extremität gerathen. Wie es eigentlich beschaffen,
wüsten sie nit, hetten auch von Ihrem Gnedigsten Herrn derentwegen
keinen bevelch. Wann es gleichwohl also beschaffen,
lische vorwenden theten, sehen sie nit, wie ihnen ihr petitum abzuschlagen,
sondern daß sie auch der amnisti dießfals zu genießen.
5º. Wehre pillig, daß, soviel die gräfflich Waldeckische forderung belanget,
durch die amnestia alß vergeßen werde und also dieselbe mehrers nit alß
andere ständ zue praetendiren haben.
6º. Ob der fraw landgrävin satisfaction zu geben, da hetten die vorstimmende,
daß solches nit zu thun, underschiedliche rationes angezogen. Sie hetten
zwar dasselbe auch einzuwenden, daß man niemand einige satisfaction zu
geben schuldig, man hette gleichwohl bey deliberation der cronen replicen
darvorgehalten, umb friedliebens willen ein uberiges zu thun. Ob nun dießes
auch alhie zu consideriren, stünde dahin; und werde man, wann die cronen
davon nit abstehen, die landgrävin sich auch ahn sie halten werde, zu deli-
beriren haben, ob nit ein uberiges zu thun, bevorab weiln hochgedachte
fraw wittib noch in armis begrieffen, wie sie dann, wann solches zur con-
sultation kommen solte, sich weiter vernehmmen laßen wolten.
und letzten puncten ratione amnistiae und satisfactionis pro landgravia
Hassiae mit den herrn vorstimmenden einer meinung, dahero sie die Maint-
zische sich nit aufhalten, sondern Ihres Gnedigsten Herrn meinung uber
ietzt gestelte sechs fragen eröffnen und zugleich concludiren wolten. Ihre
Churfürstliche Gnaden hielten, soviel den ersten puncten der begehrten
general, illimitirten und ad annum 1618 gestelten amnisti betrifft, davor,
daß es bey dem iüngst dießfals in deliberatione 1 mae classis Suecicae replicae
gemachten concluso und dabey verglichenem termino ad annum 1627
in ecclesiasticis, in politicis vero ad annum 1630 allerdings zu laßen, die
reichsconstitutiones ahnversehrt zu erhalten und davon auß dennen hiebe-
vorn angeführten trifftigen motiven keineswegs zu weichen seye.
die in dem Churbrandenburgischen voto derentwegen verspürte discre-
pantz und wie weit dieselbe zu attendiren und solchem concluso specialiter
einzurucken, davon werde hiernechst annoch geredet werden können.
Wegen auffnahm der reformirten religion und waß des stiffts Hirschfeld
halber gemeldet wird, sinthemahlen ihenes von der obhandenen communi-
cation mit den Augspurgischen confessionsverwanthen, dießes aber von
der handlung des puncti gravaminum dependirt, so habe man sich derent-
wegen nit auffzuhalten.
Die confirmation des iuris primogeniturae und erbverträg betreffend,
werden ihres erachtens Ihre Kayßerliche Mayestät kein sonderbahr bedenk-
ken haben, wann sich anderst die fürstliche fraw wittib dahingegen, und
zwar vorhero gleich einem gehorsamen stand des reichs gepüre, bezeigen
würde.
Daß aber die durch ergangene Kayßerliche urtheil und vergleich hingelegte
strittigkeiden zwischen beyden fürstlichen heußern Heßen Cassell und
Darmbstatt wiedererweckt und alles in den stand gesetzt werden wolle,
wie es sich anno 1618 befunden, davon wird dießorths haubtsachlich nit
zu reden sein. Sie die Maintzische hetten gleichergestalt einige sondere
nachricht oder wißenschafft der sachen nit, außer deme, waß des herrn
landgraff Georgens zu Heßen Darmbstatt Fürstliche Gnaden
Lgf. Georg II. von Hessen-Darmstadt (1605–1661), Lutheraner und Parteigänger des Kaisers
und Kursachsens, konnte das Übergewicht seiner Landgrafschaft gegen Hessen-Kassel nicht halten
und wurde schließlich zum Kasseler Vertrag vom 14. April 1648 genötigt (über ihn NDB
6 S. 217 , Frohnweiler passim).
ahn Ihre Churfürstliche Gnaden zu Maintz […] nach und nach gelangen
laßen, darauß sie dann soviel ersehen, daß ahm Kayßerlichen hoff alles
cum sufficientissima causae cognitione abgeurtheilt, auch derentwegen
zwischen hochgedachten fürstlichen heußern gewiße vergleich auffgerichtet
worden, bey deme es Ihrer Churfürstlichen Gnaden ermeßens pillig sein
verpleiben haben oder, da ihe die fürstliche fraw wittib einige rechtmeßige
spruch oder forderung ahn hochgedachte Ihre Fürstliche Gnaden oder
nova emergentia zu haben vermeinte, solches nechst anführung ihrer
motiven durch ordentlichen weg rechtens zu suchen und außzuüben
seye.
Die vom Kaiser den Grafen von Waldeck versprochene Erstattung der Kriegskosten
wird bei einem allgemeinen Friedensschluß wegfallen, obwohl diese Verpflichtung
Hessen-Kassel zu Recht auferlegt worden ist.
Daß aber sie die fraw wittib sich understehe, einige satisfaction von dem
Römischen reich zu praetendiren und ihre erlittene schäden der amnistiae
directe zuwider ahn andere des heyligen reichs chur-, fürsten und stände
zu suchen, solches komme Ihrer Churfürstlichen Gnaden nit wenig frembd
zu vernehmmen vor. Sie ihrestheils hetten liebers nit sehen mögen, dann
daß die anno 1639 zwischen Ihrer Churfürstlichen Gnaden alß Kayßerlichem
commissario und der fraw landgrävin gepflogene, auch zue endlicher
richtigkeid geprachte tractaten gleichwie ahn Kayßerlicher, also auch ahn
Heßen Cassellischer seiten dem gethanen versprechen nach wehren gehalten
und die zeit hero vorgangene ungelegenheiten vermitten worden,
bekand, daß derzeit alles in güete verglichen, von Ihrer Kayßerlichen Maye-
stät approbirt, hochstgedachter Ihrer Churfürstlicher Gnaden zu Maintz
darüber dero Kayßerliche confirmation in originali zugeschickt worden
und es eintzig und allein ahn außhändigung der fürstlich Heßen Casse-
lischen ratification erwunden. Auß waß ursachen dieselbe aber die extra-
dition von einer zeit zur andern verschoben, auch endlich gar zurück und
sie die fraw wittib dato dem feind anhengig plieben, solches würd den herrn
gesanden sonder zweivel ahnverborgen sein; und achten sie unnöthig, sol-
ches vor dießmahl weitleufftig anzuführen. Hielten derohalben mit den
herrn vorstimmenden davor und concludirten darauff, daß vielhochermelte
fraw wittib uf die amnistia zu verweißen, crafft deren sie auch ihrestheils
gleich andern ständen die praetendirte satisfaction fallen laßen und die
occupirte orth wider abtretten werde, dann iha pillig, daß, gleichwie sie
die amnistia vor sich desiderirte, also dieselbe auch wider sich gelten laßen
müste. Und wehre sie ohnedieß bißhero beßerer condition alß einiger stand
des reichs geweßen, zumahln bekand, waß sie bis dahero vor große geld-
mittel auß den einhabenden quartiern erhoben, maßen solches Ihrer Chur-
fürstlichen Gnaden zu Maintz angehörige underthanen mit ihrer höchsten
ungelegenheit bis dahero, mehr als guet und verantworttlich ist, empfunden,
auch noch uf gegenwertige stund empfinden theten, da sie ietzo nit allein
die zuvor angesetzte, sondern eine doppelte contribution durch betrohung
der militarischen execution von den in grund ruinirten underthanen er-
zwingen theten. Die cronnen nehmmen sich derselben, allermaßen auß
beyden replicis zu ersehen, sonderlich nichts ahn, sondern beziehen sich
allein uf die Heßische praetendirte satisfaction und derentwegen ubergebenes
memorial; wehre also zu hoffen, die friedenstractaten hierdurch nit stecken,
sondern sie von dießer praetension wie pillig abstehen
35 werden] Laut Kurtrier zA, spA wird die Beratung über die Militärsatisfaktion, von
Kurbayern angeregt, aber von den anderen Votanten nicht aufgegriffen, biß auff andere zeit
außgestellt; laut Kurbayern K II ( Zusatz von J. Adolf Krebs ), spA II haben alle
wegen der militiae mit Kurbayern sich verglichen, ohne daß über den Inhalt dieses Ver-
gleichs nähere Angaben gemacht sind. Außerdem regt Kurmainz laut Kurbayern K II,
spA II an, zu der 3 ten classe zu schreiten.