Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Konferenz der katholischen kurfürstlichen Gesandten Münster 1645 August 1
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Münster 1645 August 1
DKurbayern K II p. 451–471 = Druckvorlage; damit identisch DKurbayern spA II
p. 243–256. Vgl. ferner DWartenberg III p. 2223–2226.
Kurbrandenburgs Prinzipalgesandte. Soll Kurmainz Frankreich oder Spanien zur ersten Visite
zulassen? Zusätzliche Komplikationen durch das Exzellenzprädikat.
Im kurmainzischen Quartier. Vertreten: Kurmainz ( J. Adam Krebs ), Kurköln ( Buschmann ),
Kurbayern ( J. Adolf Krebs ).
20–22 Bin – worden] Laut DWartenberg hat Kurmainz Kurköln, Kurbayern und Kur-
brandenburg nachmittag umb 2 bitten lassen, jemandts zue ihnnen zu schicken, mitt
deme sie über ein- und anders communiciren mögtten, worauf Wartenberg nicht selbst
kommt, sondern Buschmann schickt. DWartenberg berichtet über die Konferenz nur sum-
marisch ohne Aufführung der Votanten.
nachmittag umb halber drey uhren zu einer consultation zue den Chur-
meintzischen berueffen worden, bey welcher auch der Churbrandenburgische
von Heyden compariren sollen,
wolte alß ein principalgesannder tractirt werden.
Dargegen die herrn Churcöllnische und wir unnß erkhlert, wir wissten
die sach nicht zu verstehen, die Churbrandenburgische plenipotentien
wehren dahin eingerichtet, das herr graf von Wittgenstein ahn beeden
orthen solle principalgesander sein
worden, das herr graf von Wittgenstein alhier zu Münster bestendig ver-
bleiben und freyherr von Lewen zu Osßnabrugg die principalstell vertretten
solle, wissten dahero nicht, auß waß ursachen mann den Churbrandenbur-
gischen drey principalgesannden gestatten khönne, zumahlen würde er
consequenter die „Excellenz“ praetendiren, so mann ihme noch vil weniger
gestatten oder ertheillen khann, dann solches allein nach dem Keyserlichen
decreto den standtspersohnen zu attribuiren, sondern lassen wir es sambt-
lich darbey bewenden, was in disem puncto zu Lengerich vorlengsten
geschlossen undt sonsten bei anderen reichsconventen allzeit practicirt
worden, das nemblich bei den consultationibus in absentia eines principal-
gesanden der zweyte legatus die session einnehmen solle. Unnd weillen
er villeichten disßmahls bedennckhen tragen würde, zu diser consultation
zu khommen,
tarium zu wissen machen lassen.
Darufhin haben die Churmeintzische, so auch unserer opinion gewesen,
unns proponirt, das sye nicht wissten, wie sy es machen solden in anneh-
mung der visiten zwischen den Frannzösischen und Hispanischen. Der
Volmari hette ihnen Churmeinzischen gesstert eingerathen, weillen die
Hispanische vor dem nuncio, Keyserlichen unnd Französischen ein stundt
zur visiten begertt, es wehren dieselbigen vor allen billich zu admittiren,
darbey annectirendt, es mechte sonsten bey Keyserlicher Meyestät einen
verdrus abgeben; bitten sy unnß dahero umb einen gueten rhat, wie die
sachen anzustellen, damit es allerseiths ohne offension abgehen mechte;
schlagen vor, ob nicht beede cronnen oder alle gesandschafften zu ersuechen,
das sy wegen besorgenter difficulteten ihre visiten gar einstellen wolten,
2 do oder ob diser casus den herrn mediatoribus nicht zu proponiren und
nach derselbigen meinung zu procediren wehre, 3 tio ob nicht die Hispani-
sche vor allen gesandtschafften zu der visiten zuezelassen.
Churcöllnische. Seindt der meinung, mann solde die Hispanische alsobald
und vor allen gesanden zur visiten admittiren (ob man wohl gestern durch-
gehendt das contrarium concludirt gehabt), weillen sy am ersten umb die
stundt sich angemeldet; wissten auch nicht, daß mit einiger raison die
Frannzösische legati sich daruber zu beschweren, cum sit res merae facul-
tatis et consistat in libero arbitrio, ie belder es aber geschehe, ie besser eß
seye.
Die ubrige beede vorgeschlagene modi würden sich gar nicht practiciren
lassen.
Ich Dr. Krebß habe mich dahin vernehmmen lassen, das zu wintschen
wehre, das mann disen beeden grossen potentaten und mechtigen cronnen
khönde rechte genuegsambe satisfaction geben. Es seye zwar nicht ohne
undt genuegsamb bekhanndt, das die herrn Hispanische gar gern den herrn
curfürstlichen die ehr betten erwisen in der einbegleidtung, allein wisse
man darbey die controversias zwischen beeden cronnen; unnd wan ihre
gutschen zu beeden theillen sambt ihren diennern in das veldt wehren
khommen, hette grosß unglickh darauß entstehen khönen, also ex parte
Hispanien durch ihre absenz aller difficultet gar wol abgeholffen worden,
also den Hispanischen desstoweniger zu imputiren, weillen sy gegen
besseren willen die entgegenschickhung underlaßen. Wir wissten unnß
auch zu erinneren, das wir selbsten promiscue et sine ordine wehren visitirt
worden, nämlich zuerst von den Kaiserlichen, dann vom Nuntius, dann von den
Franzosen, von dem Venezianer und zuletzt von den Spaniern. Hetten es also ein
apparenz, daß vor disßmal, wie die herrn Churcöllnische anregung thuen,
die Hispanische vor allen andern khönden zur visiten admittirt werden,
undt man nicht unbillich sagen khönde, qui prior tempore, potior iure.
Wir lassen aber dahingegen die herrn Churmeinzische consideriren, wie es
die Französische legati ufnehmen werden und ob man nicht in grosse
consideration, wie bei gestriger conferentz befunden worden, zu ziehen,
1º weillen die herrn Französische ihnen zweymal entgegengeschickht undt
sie in allem hoch honorirt, wolle die civilitet erforderen, das dieselbige
hingegen nicht degoustirt, sondern vielmehr widerumb der gebihr ver-
ehrt werden. 2 do stehe zu betrachten, ob die Frannzösische mit solchen
sachen zu irritiren, da sy zu Meinz und in selbigem erzstüfft Ihr Churfürst-
lichen Gnaden und dero underthannen, auch den stetten, fleckh und dörffern
guets oder beses thuen khönnen, wie wir dann ganz betaurlich vernohmmen,
das sy albereith das stettlein Oberwesel
Gemeint ist der zu Kurmainz gehörige Flecken Oberursel in der Grafschaft Königstein (heute
Obertaunuskreis). Er wurde im Juni 1645 fast völlig niedergebrannt und ein Opfer der vereinigten
schwedisch-hessisch-französischen Armee, die von Friedberg in Richtung Frankfurt zog, durch
Zuzug aus Mainz und aus dem linksrheinischen Gebiet verstärkt ( Chemnitz 4, 5 S. 122,
Fabricius V 2 S. 453, 672, Zedler 51 Sp. 513f.).
Krautheim, zwischen Mergentheim und Heilbronn an der Jagst gelegen; die kleine Stadt mit Burg
war seit Ende des 14. Jahrhunderts kurmainzisch ( Zedler 15 Sp. 1793f.). – Mainz, im
Dezember 1631 von Gustav Adolf eingenommen, war von 1644 bis Kriegsende von französischen
Truppen besetzt; Kf. Anselm Casimir floh zunächst nach Köln und hielt sich 1645 in Frankfurt
auf. Vgl. Brück S. 46–57, Hennes S. 293–301, Theatr. Europ. V S. 740ff.
in die aschen gelegt, 3 tio daß man gleichwol mit diser cronnen den frieden
zu tractiren und zu schliessen würdt haben, dahero die sachen schlecht
abgehen darffen, wan man die Frantzösische gleich in limine offendiren
solte. Hielte ich dahero darfür, es würdten die herrn Hispanische mit sol-
chen erhöblichkheiten wohl zu anderem und dahin zu persuadiren sein,
damit sye den Churmeinzischen hierinen verschonnen und dem erzstüfft
Meinz khein gresser unglickh helfen verursachen.
Das erste vorgeschlagene mitl hielten wir vor unpracticirlich, und wann
alle gesandtschafften die visiten unnderlassen solden, würden dannoch die
Französische ehender sy allein visitiren.
Bey dem zweyten mitl werden die mediatores daß arbitrium nicht uber sich
nehmmen wollen.
Nach solchem haben die Churmeinzische unnsere opiniones khurzlich
dahin recapitulirt, daß weillen die Churcöllnische und wir einer meinung,
daß nemblich mehr raison sich erzeigen, daß die Hispanische zu der visiten
vor den Französischen zu admittiren, alß dahingegen, daß man die Fran-
zösische vor den Hispanischen zuelassen solle, wehren sy entschlossen, von
den Hispanischen alsobaldt die visiten ahnzunehmmen, haben aber noch-
mahlen begertt, damit sy die Französische nicht offendiren, ob nicht zu
erhalten, das alle gesandtschafften ihre visiten underwegen liessen: sodann,
ob sie die sachen nicht khönnden dahin richten, damit auch die Keyser-
liche vor dem nuncio ihnen die visiten geben, damit nur die ordnung dessto
mehr invertirt werde und die Frannzösische dessto weniger sich zu beschwe-
ren hetten.
Wegen Churcölln hat Dr. Puschmann sich vernehmen lassen, es wehre
rathsamb, daß die Churmeinzische alsobaldt morgen in der geschwindte
von den Hispanischen die visiten annehmmen, ein alter freundt seye nicht
leichtlich zu verlassen.
Daß alle gesanndtschafften die visiten sollen underlassen, würdt schwerlich
geschehen khönnen; das zweytte aber, das die Keyserliche vor deme nuncio
sy visitiren mechten, würdt leichtlich durch herrn Volmari zu erhalten sein
oder khönne durch den Churmeinzischen abgesanden Dr. Krebsen mit
herrn nuncio selbsten leichtlich adioustirt werden.
Ich Dr. Krebß habe mich verners dahin erkhlert, daß mein opinion nicht darauf
hinauslief, besser zuerst den Spanier zu empfangen, sondern darauf, daß die Frannzö-
sische legati ihnen den Churmeinzischen die ehr 2 mahl gethan und nicht allein
conte d’Avaux und conte Servient, sonder auch duc de Longueville selbsten alß
caput legationis entgegengeschickht, welchen mann dahingegen billich die ge-
genehr schuldig; unnd hetten wir bey unnserem einzug dises pro maxima ge-
halten , welche cronn unnß mit der entgegenschickhung honoriren würdt, das
wir dieselbige auch dahingegen mit annehmung der vorvisiten und ertheil-
lung der vorrevisiten widerumb honoriren wolten, inmassen wir auch
gethan. Dahingegen hette caput legationis Hispanicae, der conte de Pigna-
randa , den churfürstlichen principalgesannden biß dato die „Excellenz“
difficultirt, daß also biß dahero weder visiten noch revisiten haben khönnen
erstattet werden.
Daß argumentum, daß die Hispanische sich hetten vor allen angemeldet,
die visiten zu erstatten, und daß derenthalben die obligation also grosß
seye, khönne ich nicht wohl finden, sondern wisse wohl, daß inßgemein
alhier observirt würdt, daß alle gesandtschafften zue warthen, biß dieihenige,
so ihnen vorgehen, eine frembde gesandschafft visitirt oder zum wenigisten
zur visiten eine gewiße stundt erlangt. Eben also verfahren auch die
Französische plenipotentiarii, welche den respect tragen dem Bepstlichen
nuncio und den Keyserlichen, wie sy es dann auch bei unnß observirt und
nach den Keyserlichen unnd nuncio ein stundt zur visiten begertt, inmassen
dann eben aniezo bei ihnen Churmeinzischen auch wehre von den Frann-
zößischen gehalten worden, daß sye nach den Keyserlichen geschickt und
also kheinen hechern begeren vorzugreiffen. Zuedeme remittire den herrn
Churmeinzischen selbst zue gedenckhen, ob nicht vilmehr die Frannzö-
sische zu gewinnen alß selbige zu offendiren sie ursach hetten, neben deme,
daß mit diser cronn daß Teutschlandt vast am meisten bey disem convent
zu tractiren habe, ob mann nicht dahero dahin zu sehen, damit die Hispa-
nische durch obige erhöbliche motiven zu rhue zu bewegen, waß dann auch
Hispanien nutzen würdte, wann die cronn Franckhreich disen affront, wie
sy es dann hoch ufnehmmen und empfinden würdt, daß erzstüfft Meinz zu
poden vollendts ruiniren, wie dann vor augen stehet, was mann bei iezigen
khriegen vor einen hardten modum gebraucht. Dises alles hette ich allein
Ihro Curfürstlichen Gnaden zue Meinz zum bessten und zu underthenigi-
sten ehren memoriren wollen, stelle im ubrigen den herrn Churmeinzischen
anheimb, was sy hierinnen bedenckhen, bei der sachen vorzunehmmen.
Nach solchem hat herr canzler Puschmann vermeldet, das eben in dem
momento, wie er vom herrn bischoffen zue Osßnabrugg gescheiden, herr
Volmari Ihr Fürstlichen Gnaden ein zetele geschrieben und berichtet hette,
daß heuten durch eigenen courier conte de Pignaranda bevelch bekhommen
von Madritt, den curfürstlichen principalgesannden die „Excellenz“ zu
geben; d me ich angeditten, ich hielte darfür, er habe selbigen bevelch mit
sich alhe o gebracht, und hette heut vormittag unnß iemandt angezeigt
(welches P. Guardianus bei den reformirten Franciscanern
Sehr wahrscheinlich P. Leonhard Helm OFM († 1664), Beichtvater Bergaignes, 1630 erstmalig
Guardian, 1635, 1645 IX 17, 1654 Provinzialminister. Der Konvent der strengen Franziskaner-
observanten , der 1614 in Münster gegründet worden war und seit 1627 zur sächsischen Kirchen-
provinz gehörte, beherbergte die spanischen Gesandten Bergaigne und Peñaranda und war Schau-
platz des niederländisch-spanischen Friedensschlusses von 1648. Vgl. Bockholt S. 7, 9, 11ff.,
19f., Compendium chronologicum S. 86, 118, 43, Geisberg IV S. 566.
closster conte de Pignaranda logiret, gewesen), daß diser bevelch schon vor
2 tagen seye ankhommen gewesen, also concordire dise sach abermahlen
nicht.
Habe also nach solcher conferenz gleich anderen widerumb meinen abschidt
genohmmen.