Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Konferenz der kurfürstlichen Gesandten Münster 1645 Juli 25
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Münster 1645 Juli 25
DWartenberg III p. 2096, 2100–2118 = Druckvorlage. Vgl. ferner DKurbayern K II
p. 329, 341–375 ( damit identisch DKurbayern spA II p. 172–190 ).
Revision des Lengericher Conclusums? Einflußnahme der Ausländer auf Entscheidungen der
Reichsstände. Unzweckmäßigkeit doppelter Reichsberatungen.
In Wartenbergs Quartier. Vertreten: Kurköln (Wartenberg, Merveldt), Kurbayern, Kurbranden-
burg .
Noch am 24. Juli
Conclusum festzuhalten und beraumen zur Beratung des Themas mit Kurbranden-
burg den 25. Juli, vormittags 10 Uhr, an. Löben, der als in Osnabrück akkreditierter
Gesandter Bedenken hat, zu der Konferenz zu erscheinen, wird von Wartenberg
freigestellt zu kommen.
In Wartenbergs Quartier wird die session wie vor diesem eingenommen.
Für Kurköln proponiert Merveldt. Dankt Kurbayern und Kurbrandenburg für
Erscheinen, erbittet unter Hinweis auf das Lengericher Conclusum und den gestrigen
Vortrag Löbens die Meinungsäußerung seiner Kollegen; deme vorgangen, sie ahn
ihrem orth, was ihnen hiebey zu gemüth gehe, gleichergestalt anzuzeigen
nicht underlaßen wolten.
Kurbayern . Praevia gratiarum actione fur ietzt beschehene proposition et
repetitione des gestrigen vortags, daß sie den sachen reifflich nachgedacht,
und müsten gleich anfangs vermelden, daß sie die gegen das iüngst
zu Lengerich guttbefundene conclusum angebrachte rationes und motiven
deren erheblichkeit nicht ermeßen kondten, daß davon einigergestalt
abzuweichen, zumalen 1º nicht zu vermutthen, daß Ihre Kayserliche Maie-
stät auff das verglichene bedencken und guttachten sich endweder nit resol-
viren , da es einmutthig geschlossen und zu der sachen befürderung dienst-
lich , oder dero resolution lenger hienaußverschieben wurden, indem sie
ihro ye und allezeit die beschleunigung der tractaten und des reichs berüh-
wigung so hefftig angelegen sein laßen, sondern vielmehr bälder deßen
furdersame approbation zu verhoffen, also daß es ihrestheylß dahin nach-
maln gestelt ließen, daß bemeltes guttachten ungesaumbt außzufertigen,
gebuhrend zu uberschicken und darauff der erklehrung zue gewartten.
So konne man auch pro 2º gar nicht sehen, wie die vorhabende anstellung
der tractaten hier zu Münster den Schweden zum disgusto oder affronto
gereichig sein, dan ja bey den chur- und fursten stehen werde, wie und wo
sie sich uber die außgeliefferte propositiones zusammenthun und der and-
wort endschließen wolten; und konden sie leichtlich selbst erachten, daß
sich das werck mehrers ahn einem orth alß ahn zweyen werde maturiren
laßen.
Gleich dan auch zu solchem end allein rhatlich gehalten, das ausschreiben
ohn benennung einigen termins, mit underlaßung anderer zum reichstag
sonst gehoriger sollennien, zu thun; und wurden sich die Schweden ab
dem, was die stende des modi consultandi halber under sich eins werden,
gar nicht zu beschweren haben, cum nemini iniuriam faciat, qui suo iure
seu libertate utitur,
Maiestät und den stenden auff die deputation ahn keinem andern orth, alß
hier zu Munster zu sein, resolvirt und geschlossen.
Daß man aber pro 3º die tractatus ahn beyden orthen anstellen und yeder
stand seine gesandten hier und zu Oßnabruck halten und zwischen den-
selben die communicationes in loco tertio vorgehen laßen solte, seye das
erste ein pur lauttere impossibilitet, zumalen der stende unvermögen
leider mehr dan zuviel bekandt, das ander aber nur zur verlengerung
gereiche; und wurden sich die Schweden mit deme zu Oßnabruck verplei-
benden ausschuß wol contentiren laßen.
Die separatio statuum seye gegen Ihrer Maiestät und sonder zweiffel aller
oder doch der meisten stende willen, es seye auch solches nie erhort, da
man ahn einem ohrt pro, an dem andern contra schließen möchte, warauß
nichts alß große confusion und in der außwehrttiger gegenwahrt nicht
geringer schimpff und spoth entstehen würde. Man habe billich alle pacis
remoras zue praescindiren, da aber ein oder ander der gantzen weldt, daß
er keine lust zum frieden, zu verstehen geben wolle, seye dieß eine guete
manier, dergleichen einstrewen zu machen. Eß wehrde sich auch soviel
tiones ahn Ihre Mayestät (obwoll daß guetachten noch nicht abgangen)
und die herrn churfürsten alberait beschehen und sonder zweiffell die rati-
fication und erclehrungen unterwegs sein wehrden, also res mehr nicht
integra unnd mitt raison sich daß conclusum nun nicht retractiren laßen
wirdt, sondern haben dißfalß die stende pro sua libertate zue procediren,
darinnen sie die crohnen zue turbiren nicht
1 befuegt] Laut DKurbayern K II, spA II folgt außerdem noch: Eß hetten gleich
diese difficultet die Schweden oder theils stendt auff die pann gebracht; man hätte
es ja bei dem Regensburger Schluß von 1641 belassen können, daß der Kaiser und die Kur-
fürsten allein mit den frembden cronnen tractieren sollen.
umb soviel mehrer noch dabey, daß der stende abgesandten zue Oßna-
brugk guetbefundenermaßen durch die herrn Churmaintz- und -branden-
burgischen oder auch, wan die herrn Brandenburgische dabey bedenckens,
durch Maintz allein die intention fürderligst zue
sich die Schweden, alß wan die Frantzosen vor ihnen damitt honorirt, nicht
beschweren, weylen bey vortgang der tractaten die resolutiones und andt-
wortten einer crohn sowoll alß der anderen auff einerley weiß unnd uno
stende versamblung nicht in favorem der crohn Franckreich, sondern
propter loci capacitatem anhero guetbefunden.
darauß gnugsamb abzunehmmen, daß man darmitt negotiorum matura-
tionem intendire, so stehe zue deroselben belieben, wan sie auch ihres-
theilß zue beförderung der sachen zielen, sich anhero zu begeben und alle
remoras damit abzuschneiden.
Kurbrandenburg . Wollen den Vortrag von gestern nicht wiederholen, so in effectu
dahin gangen, daß die Schweden mitt dem Lengrischen concluso sich nicht
vereinigen köntten, sondern der Salvius vorgetragen, daß auff andere
mittel ratione modi deliberandi müeste gedacht, anderst es zuer weytlauf-
figkeitt geraichen würde. So stünde nun anietzo dahin, waß zu thuen unnd
ob die stende in pari numero hier und zue Oßnabrugk zu haltten, auch
ob der terminus zue praefigiren, weylen sonsten der mehrern theill entwed-
der langhe außpleiben oder gahr nicht erscheinen würden und damitt man
sich darnach reguliren und wißen köntte, wie langh die übrige stendte auß-
beschloßen bleiben soltten, welches dan, dah der terminus etwa auff 6 oder
8 wochen gestellet, keine besondere moram machen würde. Ihrestheilß
möchten wünschen, daß es bey vörigen schluß deß modi consultandi halber
sein verbleibens hette, und befinden die von den Churbayerischen deßent-
halber angezogene motiven sehr praegnant unnd guett, unnd daß keine
geringe confusion darauß zu gewahrtten, man auch eines unbestandts, wan
daßjenige, waß heutt geschloßen, morgen wiederumb verworffen, werde
bezichtiget werden. Sie consideriren aber auch dieß dabey, daß zwarn dieße
rationes zwischen Ihrer Kayserlichen Maiestät und den stenden platz finden,
weyln es aber dieselbe unter sich allein nicht, sondern mitt den frembden
zu thuen haben, so besorgen sie, daß selbige sich ahn diesseythige conclusa
nicht würden verbindtlich haltten, sondern mitt ihrem belieben geschehen
müeste. Eß seye auch ein underschiedt, von einem concluso per se oder ex
emergenti zue weichen, dah man dan daß augh mitt dahin zu haben, daß
die crohnen nicht fur dem kopff gestoßen würden.
Waß 2º den besorgenden affront belangt, hetten sie so viell vermerckt, daß
es die Schweden dahin auffnehmen, alß wan ihnen derselbe schon alberait
angethan; und obwoll ihnen der von Löben dagegen allerley remonstrirt,
so seyen sie doch bey ihrer opinion verblieben, und müeße man sehen,
wie ihnen der wohn zu benehmmen, sonsten würden die sachen also nicht
gehen.
Unnd obwohlen pro 3º diversitas rationis scheinen wolle, bey künfftiger
conferentz ihnen den Schweden und Frantzosen, gleich den Kayserlichen
beschicht, relation zu thuen, so werde doch zu bedencken nöthig sein, wie
man ihnen dißfalß satisfaction gebe, damitt sie keine disgusto darab emp-
finden mögen, bevorab derzeitt, da es, wie man vernimbt, ahn dehme, daß
die armaden zusahmengeführt und leicht ein unglückliches treffen vor-
gehen köntte, alßdan die conditiones duriores fallen oder, wan die victori
auff Kayserlicher seythen bliebe, alßdan der last auff die herrn churfürsten
und sonderlich Churbrandenburg sich waltzen möchte. Umb soviell meh-
rers sie nöthig zue sein erachteten, alle mittell zue vortsetzung der trac-
taten zu ergreiffen unnd sich in mehrers unheyll mitt behaubttung des
Lengrischen conclusi, darauß nur verzögerung oder auch woll gentzliche
auffstoßung zu befahren, nicht zu stürtzen, sondern die Schweden bey
gueten willen zu erhaltten. Wie nun solches zu geschehen und ob ihn- und
den Churmaintzischen deßwegen weythers waß auffzugeben oder man sich
einer abermahligen conferenz nach Lengrich, bey deren die Schweden
sich gleichfalß wie auch andere zue Oßnabrugk anwehsende stende befin-
den möchten, zu vergleichen, stünde zue weytheren nachdencken.
Kurköln . Wartenberg und die anderen kurkölnischen Gesandten befinden, daß,
wie Churbayern und -brandenburg erwehnet, sehr schimpfflich und bey
den tractaten zue böser consequentz geraichig, dergestalt von demjenigen,
waß heutt geschloßen, morgen wiederumb abzustehen, dahero sie sich mitt
dem Churbayerischen voto in dehme, auch mitt dem Churbrandenburgischen
insoweith vergleichen, daß das Lengrische conclusum in seinem esse allerdings
zu laßen, auß dehnnen beraits angehörten motivis unnd rationibus unnd inson-
derheit auch darumb, daß von Ihrer Churfürstlichen Durchlauchtt zue Cölln
eben ietzt ein schreyben vom 22. huius, warinnen sie solchen Lengrischen
schluß auff dero darüber erstatteten bericht alberait ratificiren und genehmb-
haltten , einglangt unnd nicht zu zweiffelen, daß eben dergleichen von Chur-
maintz unnd -bayern ohnverlängt erfolgen wehrde, umb desto weniger
pro reputatione collegii sein wolle, dergestaldt zue wancken, und waß ein-
mahln wolbedachtiglich geschloßen, dießes oder jenes gefallen nach zue
retractiren. Schließen derowegen dahin, daß das zue papyr gebrachte guet-
achten ohne dilation außzuferttigen, Ihrer Kayserlichen Maiestät bey
negster post behörent einzuschicken unnd dero allergnädigste resolution
zu gewahrtten, auch vermögh solchen schlußes davon durch die herrn
Churmaintz- und -brandenburgische den zue Oßnabrugk anwehsenden
fürstlichen gesandten ohnverzügliche anzeigh zu thuen. Unnd befinden
auch ihrestheilß gahr nicht, wie die Schwedische sich hierüber mitt einigem
fundament zu formalisiren, zumahln sie dadurch, daß die consultationes
alhie zue Münster angestellet, nicht praeteriirt, sondern in dehme viell-
mehrers honorirt, daß geschloßen worden, einen außschuß auß allen
dreyen collegiis bey ihnnen aldort zu laßen, mitt welchem sie immediate
handlen köntten, so den Frantzosen nicht geschehen, sondern alles ahn die-
selbe durch die mediatores gebracht würde; gleich dan auch Ihren Chur-
fürstlichen Durchlaucht Durchlaucht zu Collen und Bayern eben wol noch
bevorstehet, die ihrige nacher Oßnabrugk zu verordnen.
Und sehe man sonsten nicht, wan die stende hier oder anderstwoh in loco
tertio zusahmenkommen wollten, waß die Frantzosen oder Schweden
dazue zu sagen, weylen der modus consultandi sie nicht, sondern Ihre
Kayserliche Maiestät und die stende, wie dieselbe nemblich sich mitteinander
werden vereinbahren, angehe und ihnen gleich den Frantzosen die vergli-
chene materi auff einen thag und stund eingehendigt werden köntten und
soltten. Sie stehen in dehnen gedancken, es werden sich die Schweden
hiemitt gahr woll contentiren und nicht vermeinen wollen, dem reich
wieder die constitutiones und libertet der stendt (deren conservierung sie
sich iederzeitt so hoch gerühmet) dergleichen modum zue praescribiren,
daß das corpus imperii novo plane et inaudito exemplo ahn zweyen ohrten
repraesentirt werden soltte. Ihre propositiones hetten sie ihrem sinn nach
verglichen und übergeben, bey Ihrer Mayestätt und den stendten stehe nun,
dieselbe auff maaß und weiß, wie im reich herkohmmen, zue deliberiren;
und hetten sie dabey anderst nicht zu thuen, alß der andtwortt hinwieder
zu gewahrtten. Vor dießem seye von den cronen umb erscheinung der
stendte so vielfaltig geschrieben und gerueffen, darauff die deputation
alhier zue Münster zu erscheinen bewilliget. Da sie die Schweden dan da-
mahln anderst nichts alß ius suffragii der stendt praetendirt und alß nun
ietzo dießes erleitert, werden von ihnen dieße newe difficulteten erwecket,
warauß anderst nicht zu schließen und man jedden ohnparteiischen urtheilen
ließe, daß sie ahn vortsetzung der tractaten und beförderung des friedens
zumahln keine beliebung trügen, sondern nur alles pro velle den stenden
contra libertatem auffzutringen und ihrer intention nach zu dirigiren gedenk-
ken , welches billich alle getrewe reichspatrioten hoch zu achten unnd sich
von den außwendigen dergleichen servitut nicht auffdringen zu laßen,
sondern dagegen mitt einmühtigem rhadt und cräfftigen remonstrationibus
sich zue setzen unnd bey ihrer freyheitt und constitutionibus zue conser-
viren ; dafern auch noch von den vorstimmenden etwas merers darbei zu
erinnern, wollte mans ex parte Curcoln gern vernemmen.
Kurbayern . Repetirten ihr vöriges votum, daß mans bey dem gemachten
schluß zu laßen und denselben in dem abgefasten guetachten Ihrer Kayser-
lichen Mayestät allerunderthänigst fürderligst zue referiren.
Schweden gemachte difficulteten vermöchten dagegen nichts, modus seu
forma seye res arbitraria, und stünde allein über die materia zwischen Ihrer
Mayestät und den Schweden zu vergleichen. Daß die Schweden mitt zue
der conferentz nach Lengrich zu ziehen und denselben von den conclusis
zue referiren, geschehe von den stenden dem oberhaubt, deßen sie aber
keinen alß den Römischen Kayser erkenneten; und seye auch der aber-
mahligen conferentz zue Lengrich gahr nicht nöthig, sondern laßens dabey,
daß, waß alberait geschloßen, den stendten guetbefundenermaßen zue
20 intimiren] Zusätzlich in DKurbayern K II, spA II: Die begehrte praefigirung ter-
mini wird den frembden cronnen möglicherweise den Vorwand liefern, mit den consul-
tationibus bis dahin gar einzuhalten, wohingegen doch zu vermuten ist, es werden die stendt
insgemein mehr plenipotenzien auf albereits andere anwessende abgeordnete
schickhen alß von den ihrigen iemandt diesserorth zu deputirn.
Kurbrandenburg . Sie vernehmen auß der Churcoln- und -bayerischen votis,
daß der Schweden erinneren nicht approbirt werde. Sie trügen die vorsorg,
es möchte allerhandt unheyll darauß entstehen, und wehren der meinung
nochmahln, daß man dahin zu sehen, damitt die Schweden nicht fürm kopff
möchten gestoßen werden, darzu ein mittel sein würd,
nach, Churcollen und Churbayern gleichfalß die ihrige nacher Oßnabruck
verordneten. Wiederholeten sonsten im ubrigen ihr vöriges votum und
woltten, waß vorgangen, dem herrn graffen von Wittgenstein referiren etc.
die bedeuttete abschickung der Churcolln- und -bayerischen gesandten auff
allen fall wol geschehen kondt, ieziger zeit aber noch halte mans unvon-
nöthen ; und vermeldeten beim beschluß Ihre Hochfürstliche Gnaden, daß
die von den Schweden beschehene commination wunder zu vernehmmen.
Alle ihr bißhero vorgeschützte causa belli seye gewehsen conservatio liber-
tatis statuum, dießes aber, nemblich novam formam imperii et delibera-
tionum zue obtrudiren, seye dictare servitutem, welches durchauß nicht
nachzugeben.