Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Konferenz der kaiserlichen und der kurfürstlichen Gesandten Münster 1645 Juni 26

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Konferenz der kaiserlichen und der kurfürstlichen Gesandten


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Münster 1645 Juni 26

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DWartenberg III p. 1806–1824 = Druckvorlage. Vgl. ferner DKurbayern K II p.
25
93–103 ( damit identisch DKurbayern spA I p. 831–836, spA II p. 1–2 ); DVolmar
26
p. 462’–463 ( Druck Cortrejus p. 184 ).

27
Verschiedene Kompromißvorschläge im Präzedenzstreit zwischen den Kurfürsten und Venedig
28
hinsichtlich Longuevilles Einzug. Grundsätzliche Ansprüche, historische Argumente und Taktik
29
im Streit um den Vorrang.

30
Im Quartier des Grafen Nassau [Domherrenkurie]. Vertreten: kaiserliche Gesandte (Nassau,
31
Volmar), Kurköln (Wartenberg, Buschmann), Kurbayern, Kurbrandenburg.

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Am Vortag wird bei einer Unterredung der kurkölnischen Gesandten mit Volmar
33
eine Zusammenkunft der Kurfürstlichen mit den Kaiserlichen veranlast. Warten-
34
berg
übernimmt es, Kurbayern und Kurbrandenburg zu benachrichtigen. Bevor Kur-
35
bayern
und Kurbrandenburg zu der

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35 um 10 Uhr ] Laut DKurbayern K II, spA I umb 9 uhren.
um 10 Uhr vormittags anberaumten Konferenz

36
erscheinen, spricht Wartenberg mit Volmar ad partem von dem Venetianischen
37
wesen.

[p. 153] [scan. 277]


1
Volmar proponiert

37
153, 1 –157, 19 sodann – laßen] Fehlt in DVolmar , wo auch statt der Proposition nur kurzer
38
Bezug auf das vorher Berichtete.
sodann: Gestern hat der Venezianer bei den Kaiserlichen sich

2
eingefunden und darauf verwiesen, daß Venedig die Vermittlung auf Wunsch des
3
Kaisers und anderer Fürsten übernommen und die respublica ihme solch carico
4
ubertragen hat , darinnen er sich biß daher gegen alle gleicher confidentz
5
beflissen, daß verhoffentlich darab niemandt einige offension zu schöpffen
6
ursach haben werde, sonderlich nachdem sich der herr bischoff von Oß-
7
nabruck allhier befunden undt es sich zwarn ansehen laßen, daß wegen
8
der churfürstlichen praeeminentzpraetension einige disputat erwachsen
9
kondt, er seinestheylß aber yederzeit sich beflissen, deßentwegen das ge-
10
ringste nit zu moviren, sondern in seinem stand sich gehalten und nichts
11
irren laßen, daß zu einem und andern begebenden fall einig expediens
12
were gefunden worden, wadurch die churfürstliche dafurgehalten, daß
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ihrer praetension nichts begeben seye. Er würde sich auch noch ferner des
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geringsten nit annehmen, wan man ahn seitthen der churfürstlichen noch
15
in denen terminis verpleiben thett; dan wie, seines vernehmens, selbige
16
befelcht, ihme nit zu weichen, also begehre er auch sie von ihrem stand
17
nit zu vertringen.

18
Aniezo aber müße er vernehmen, daß die churfürstliche den bißher ge-
19
brauchten modum verändern und ihme ahn seinem bißdaher erhaltenen
20
standt und possession vorzutretten gedächten. Dahero und weilen nun-
21
mehr die reputation seiner republicq interessirt gemacht werden wolle, so
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kondte er lenger nit einhalten, sondern sage hiemit außtrücklich, daß dero-
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selben die praecedentz durchauß vor den hern churfursten gebuhren thue,
24
und diß auß sonnenklaren argumentis.

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1. Were die respublica etlich hundert jahr in ihrem stand älter alß die
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institutio electorum und hette alsoweit länger ihr possession des vorsitzens
27
in consessu principum christianorum hergepracht

39
Venedig war bereits am Ausgang des 12. Jahrhunderts republikanische Wahlaristokratie
40
( Cessi S. 422f.), in seinen Souveränitätsbestrebungen setzte es sich besonders seit der Renaissance
41
durch ( Bouwsma S. 16ff., 393f.). Als Kommune war Venedig zwar nicht älter als die kur-
42
fürstlichen Häuser, aber älter als das Kurkolleg.
.

28
2º. Were die republicq ein freyer standt, so ihr hocheit von niemand alß
29
allein Gott und dem schwerd recognoscirte, da hingegen bekandt, daß die
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churfürsten dem Kayser underworffen und demselben ihre ministeria zue
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leisten schuldig weren.

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3. Were der republicq macht also hoch achtbar, daß der churfursten damit
33
nit zu vergleichen.

34
4. Seye die republicq in possessione bey allen actionibus, so zu Rom vor-
35
gehen , daß ihre ambasciadores immediate auf die beyde coronen folgen
36
thetten.

[p. 154] [scan. 278]


1
5. und leztens hette er es auch biß dato alhier also erhalten, die churfurst-
2
liche hetten media fur sich gefunden und practizirt, er aber nit. Sie hetten
3
in dießem ein exempel von den Spanischen und Franzosen genommen,
4
warumb sie nit auch im ubrigen denselben folgeten, alß die nit dafurhalten,
5
daß ihnen durch außpleiben oder underlaßen des endtgegenschicken ahn
6
ihrer praetendirter praecedenz praeiudicirt were. Er hette sich einmal end-
7
schlossen , auff ankunfft des duca di Longaville seinen wagen ihme endge-
8
genzuschicken und sich immediate ahn die cronen zu hencken. Werde man
9
ihnen dabey laßen, woll und gutt, wo nit, würde er benottigt sein, sich
10
der mediation inskünfftig zu endthalten und ahn ein ander orth zu retiriren,
11
umb daselbst seiner republicq weitter ordre zu erwartten; die darauß er-
12
folgende ungelegenheiten wolte er den churfürstlichen zu verandworten
13
heimbgewiesen haben.

14
Hierauff hetten ihm sie Kayserliche zur andwort geben, daß sie sich zu
15
erinnern wüsten, weßgestalt Ihre Kayserliche Maiestät ihro die von der
16
republicq ubernommene mediation wol belieben laßen, hetten ihnen auch
17
befohlen, ihme ambasciadorn allen gebuhrenden respect zu erweisen, gleich
18
dan von ihnen hoffentlich beschehen. Und hetten nit allein sie Kayserliche
19
biß daher ab seiner negotiation ein gutes contento getragen, sondern es
20
weren auch Ihre Kayserliche Maiestät selbst darmit allergnädigst wol zufrie-
21
den ; und wurde deroselben sehr unlieb zu vernehmen sein, wan diese
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mediation mit solchem disgusto solte underbrochen werden. Es were zwar
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nit ohn, daß ihnen nun von etlichen tagen hero von diesem disputat ein
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und anderß zu ohren kommen. Sie hetten sich aber beflissen, seinerorthen
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solche erinnerung zu thun, daß sie verhofft, es sollte durch einig expediens
26
der sachen geholffen werden, wie sie dan nit zweiffleten, es werden der-
27
gleichen media etlich durch den hern nuncium ihme vorgetragen worden
28
sein. Sie ersuchten ihn, mit seiner resolution noch einzuhalten und ihnen soviel
29
zeit zue laßen, daß sie noch morgen vormittags mit den churfürstlichen
30
weitter hiervon handlen möchten. Auf eine entsprechende Frage der ksl.
31
Gesandten hin hatte der Venezianer nichts dagegen,

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31–34 wan – solten] In DKurbayern K II, spA I, wo für den Inhalt der Proposition
39
auf eine beilag verwiesen ist, erscheint dieser Kompromißvorschlag als erstes dreier mitel,
40
die der Nuntius vorgeschlagen : Des weiteren könnten entweder 2. die kurfürstlichen Kut-
41
schen
direkt den Kayserlichen nachvolgen, der Venetus aber behielte seine ordnung
42
nach den königlichen, oder 3. nur die betroffenen Gesandtschaften entgegenschicken. Auf
43
diese drei Vorschläge, die Volmar zur Debatte stellt, beziehen sich die folgenden Voten.
wan die churfürstliche sich
32
in corpore zu den Kayserlichen in eine carozza verfügen, auch bey der
33
empfahung zuegleich mit den Kayserlichen ihre complimenti gegen dem
34
duca verrichten solten […]. Wahrscheinlich wird Contarini heut, dafern ihm
35
von den Kayserischen keine gewihrige andwort zukommen wird, bey den
36
Spanisch- und Franzosischen sich auch anmelden und, da er bey ihnen sein
37
intent nit mit gewalt durchtrucken kann, darvonziehen.

[p. 155] [scan. 279]


1
Hierauff haben die Kayserliche einen abtritt genommen und die churfürst-
2
liche yedestheylß miteinander sich bered und folgendts die herrn Chur-
3
bayerische ihre mainung haubtsachlich dahin eröffnet, daß sie die vorge-
4
schlagene mittel theylß gar nit dienlich, theylß unpractizirlich erachten
5
musten, zumalen bey dem ersten im weg stünde,

25
5–8 daß – sein] Laut DKurbayern K II, spA I bringt Kurbayern vier Gegengründe gegen
26
den primum modum vor , daß es 1º was scheinen wolle, alß wann die curfürstlichen
27
clandestine sich zu diesem actu eintringen thetten, 2º alß wann sy irer gerechten
28
sachen nicht mehr gethrautten, sonder in ihrer praeeminenz und iure abweichen;
29
3. ist die kurfürstliche Vermittlungsbereitschaft in favorem Veneti mehrmals bewiesen
30
worden . 4º wirde eß auch dahero unbillich sein, daß dreyer herren curfürssten ge-
31
sandtschafften dem Veneto per omnia weichen unnd also hoch daß collegium elec-
32
torale praeiudiciren solten, weillen der Venetus […] sich erclert, daß er simpliciter
33
seiner republic den vorzug arrogire.
daß der Venetus der-
6
gleichen condition, daß sein abgeschickter sich mit in des nuncii gutschen
7
sezen mocht, vor diesem durchauß nit annehmen wollen; und wurde es
8
also iezt auch den churfurstlichen nit anzumutthen sein. Das zweytte aber
9
von beyden Franzosisch- und Spanischen abgesandten

34
9–10 würde – werden] Statt dessen in DKurbayern K II, spA I etwas schwächer:
35
Zustimmung der Königlichen ist ungewiß.
würde difficultirt
10
werden, und sehe man auch nit, quo titulo sich die churfürstliche des vor-
11
fahrens vor den koniglichen gutschen anmaßen

36
11 kondten] Zusätzlich in DKurbayern K II, spA I: 3º wann die königliche den
37
curfürstlichen platz geben, würdten sy dem Veneto noch dessto lieber weichen res-
38
pectu seiner tragender mediation. Am ehesten wehre man sambtlich auß der sachen,
39
wenn die ksl. Gesandten dem zustimmen, wozu die Kurbayerischen instruiert sind, daß näm-
40
lich
der Venezianer ihnen vor- und dem Nuntius nachfahren soll.
kondten.

12

41
12–13 Das – vermutthen] Ausführlicher DKurbayern K II, spA I: 1. wird
42
Longueville alß caput der Französischen legation gleich am Anfang beleidigt. Da 2. die
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Franzosen Kaiserliche und Kurfürstliche entsprechend komplimentiert haben, wird 3. unziem-
44
lich
sein, wenn sie disem herzogen einige ehr nicht erweisen.
Das dritte von des duc de Longevill und Pinneranda willen dependirt,
13
und daß sie solches nit begehren solten, were gar nit zu vermutthen.

14

45
14–16 So – außbleiben] Laut DKurbayern K II, spA I melden die kurbayerischen Ge-
46
sandten
noch, daß sie vielleicht bis nächsten Mittwoch weitere Instruktion zu dem Punkt er-
47
halten
, falß Longueville vor donnerßtag nicht einziehen solte.
So wer[de] dan das viertte iez den Franzosen alß den ersten zur offension
15
gereichen und dahin alleweg der Venetus bey seiner vermainten posses-
16
sion verpleiben und die curfürstlichen allzeit außbleiben.

17
Die Churbrandenburgische fünden, daß diese iezige mittel mit den vorigen
18
fast allerdings einschlügen, darin sei iezo desto weniger zu willigen ver-
19
möchten , weiln der Venetus expresse außgebe, daß er den churfursten nit
20
weichen kan oder wolle, sondern seiner republicq der vorzug gebühre. So
21
were auch das iezo von den herrn Kayserlichen sonderlich wieder erinner-
22
tes medium, nemblich mit ihnen in einer gutsch zu sizen, nicht perpetuum,
23
weiln die churfürstliche nit allerorth bey den Kayserlichen sich befinden
24
thetten. Und wurde hingegen der Venetus sich dieses iezigen exempli, daß

[p. 156] [scan. 280]


1
man ihm soweit gewichen, pro magno argumento contra electorales ge-
2
brauchen ; und gleichwie sie vor diesem mehrmalß angedeuttet, daß sie
3
durchauß auf keine mittel, alß bloßlich dahin zu sehen, daß den herrn chur-
4
fürsten ihre praeeminenz in salvo pleib, instruirt, also müsten sie es auch
5
noch dabey bewenden laßen.

40
5–7 Wan – bequehmen] Fehlt in DKurbayern K II, spA I, dort statt dessen:
41
Die kurbrandenburgischen Gesandten hoffen, daß absente Veneto der Nuntius die media-
42
tion allein übernehmen kann, weillen er mit Franckhreich aniezo besser stehe.
Wan gleichwol von den ubrigen herrn abge-
6
sanden etwas unpraeiudicirliches erfünden werden kön, wolten sich dem-
7
selben gern bequehmen.

8
Ihre Hochfurstliche Gnaden sambt den ubrigen Churcolnischen abgesan-
9
den haben sich erklehrt,

43
156, 9 –157, 17 daß – wollte] Vom kurkölnischen Votum in DKurbayern K II, spA I nur
44
die zwei am Schluß vorgetragenen Vorschläge.
daß sie auch ihrestheylß die beschehene vorschläg
10
mehr fur eine behaubtung des extremi alß pro mediis erkennen konten,
11
zumaln solche all dahin ziehlen, daß dem Venediger sein praetendirender
12
orth, auf die coronen zu folgen, undisputirlich verbleib, derowegen sie
13
dan darzu zu verstehen keineswegs gleichergestallt rhatsamb oder thunlich
14
erachten.

15
Unnd komme Ihrer Hochfürstlichen Gnaden seltsamb vor, daß man chur-
16
fürstlicherseyts iederzeitt media gesucht unnd gefunden haben soltte, wa-
17
durch der Venetus andeuthen will, alß wan man sich a parte electoralium
18
nicht getrauwet unnd selbst gewichen etc., welches ein schlechter danck
19
deß biß dato dieserseyths gebrauchten glimpffs.

20
Es hetten sich mehrers nicht alß vier casus begeben: die Einzüge 1. Warten-
21
bergs
, 2. Kurbayerns, 3. Kurbrandenburgs, 4. Savoyens. Beym 1. seye zumahl
22
keine competentz gewest, weylen Ihre Hochfürstliche Gnaden, alß sie
23
anherokommen, vorgefahren unnd alle ihro entgegengeschicktte nachge-
24
folget . 2º bey ankunfft der Churbayerischen wie auch 3. der Churbranden-
25
burgischen habe man das exempel der Spanisch- und Frantzosischen, alß
26
welche, wan einer von ihrer legation ankohmmen, in eine gutsche zusah-
27
mengesessen unnd vorgefahren, eingefolget.

28
Der 4. casus sey mitt dem Saphoyer; da hette der Venetus, gleichwoll auß
29
privatursachen, gahr nicht geschickhet, hingegen aber die herrn churfürst-
30
liche , unnd sich ebensowoll in absentia ipsius, wie er in absentia der chur-
31
fürstlichen gethan zu haben vermeldet, ahn die crohnen sich attachirt,
32
welches der letzter actus gewehßen, die churfürstliche ebensowoll und
33
weith beßer und crefftiger wan die seinige, welche er anziehet, geltten sol-
34
tten , vor sich gebrauchen kontten, weylen dießes, der churfürstlichen
35
anhangung ahn die crohnen, wie er es nennet, alß er sich in der stadt
36
befunden, geschehen, seine aber hingegen, alß von den churfürstlichen
37
keiner zur stelle gewest oder vorhero alhier anglangtt; desto weniger er
38
mitt seinen vorgeben, alß wan die churfürstliche media gesucht und ge-
39
funden , bestehen köntte.

[p. 157] [scan. 281]


1
Dannoch nit zu zweifflen, daß es, weiln wan der Venedische wegziehen
2
solte, allerhand gespräch und judicia druber vorgehen werden, so were
3
wol nit undiensamb, wan zu erhaltung mehreren glimpffs bey den herrn
4
churfürsten solche weg, die allerseiz unverfenglich, nochmalen den herrn
5
Kayserlichen ahn hand geben wurden; und dafern selbige alßdan dem
6
Venediger nit annehmblich, so würde die schuld und verweiß bey mennig-
7
lichem uber ihn kommen. Und weren ihnen darzu diese nicht unzuträg-
8
lich vorkommen, daß endweder beyde theyl sich der endgegenschickung
9
zu enthalten und die churfürstlichen gesanden gegen den Kayserlichen die
10
erklehrung zu thun, daß, wan der Venediger seine gutschen zurückbehal-
11
ten werde, sie umb friedens und der mediation willen, ob sie es zwar son-
12
sten anderst befugt, dergleichen thun wolten oder aber daß sie den besche-
13
henen vorschlag, nemblich der Kayserlichen gutsch sich mit zue gebrauchen
14
oder auch vor den coronen mit deren belieben ihre gutschen faren liessen,
15
alßdan anzunehmen erbiethig, wan der Venediger gleichergestalt seinen
16
abschickenden mit in des Pabstlichen nuncii gutsch sitzen oder auch sein
17
gutschen gleichergestallt auf des herrn nuncii faren lassen wollte.

18
Diese vorschläg haben die Churbayerisch- und -brandenburgische gesandte
19
sich auch mit gefallen laßen.

41
19 Kurköln ] In DVolmar Buschmann genannt.
Kurköln eröffnet den Kaiserlichen beym wieder-
20
hereinkommen das

42
20 conclusum] DVolmar gibt nur noch knapp das Conclusum mit den beiden Vorschlägen
43
Kurkölns wieder.
conclusum: Danken Nassau und Volmar für ihre gute in-
21
tention zu verhüttung aller hindernuß, so diesen friedenshandlungen im
22
weg liegen kondten. Wünschen mit ebenmeßigem eiffer […], daß der Ve-
23
nediger zue einigem temperamento, und zwar solchen, daß ohn augen-
24
scheinliche offension der herrn churfursten hocheit einzugehen möglich,
25
verstehen wolt. Wan aber alles, was wegen des Venediger biß dato vor-
26
kommen , anderst nichts alß eine behauptung des extremi seye, daß nemb-
27
lich er bey seiner anmasenden possession, immediate auf die frembde
28
cronen zu folgen, bestettigt werde, so würden die herrn churfürstliche
29
abgesandte durch deren einraumung ihm gleichsamb die arma in die hand
30
geben, mit welchen er hernegst der herrn churfürsten hochheit desto
31
stärcker impugnir und bestreitte; wie dan leichtlich zu erachten, daß, in-
32
dem er die vorige actus, unangesehen kein churfürstlicher zur stell gewe-
33
sen , pro possessioriis allegiren dörffen, wieviel mehr er sich auf diesen
34
iezigen, da die churfürstlichen anwesendt und still darzu geschwiegen oder
35
gar ja darzu gesagt, sich darauff lainen und beruffen werde. Wan dero-
36
wegen ein medium von den herrn churfürstlichen eingangen werden solt,
37
so must es also beschaffen sein, so ihren herrn principalen zu praeiudiz
38
nit angezogen werden kondt. Und obzwarn sie dergleichen vorzuschlagen
39
sich nit viel zue bekummeren, zumaln ihnen gnug, daß ihre herrn princi-
40
paln in offenkundigen rechten und besiz und dahero sich billich darahn zu

[p. 158] [scan. 282]


1
halten, damit gleichwol sie von den herrn Kayserlichen abgesandten und
2
der gantzen unpassionirten weit hiernegsten das zeugnus haben mögen,
3
daß sie zu allem glimpff und schiedlichkeit sich yederzeit gern angeschickt,
4
so konden sie geschehen laßen, daß die Kayserliche auß sich selbst und
5
gleichsamb der churfürstlichen unwissend dem herrn nuncio, Veneto oder
6
wie sie sonsten nottig erachten, diese vorschläg ahn hand geben, daß man
7
endweder beyderseitz die endtgegenschickung underlaße und zu verhüttung
8
offension bey den Franzosen dextre endschuldige oder aber daß sowol der
9
Venedischer sein endgegenschickenden in des nuncii alß die churfürstliche
10
die ihrige in der Kayserlichen gutschen mit sitzen oder respective mit der
11
Kaiserlichen und coronen belieben die gutschen, wie oben gemelt, vor-
12
faren liessen, damit es also das ansehen habe, daß, gleichwie die churfürst-
13
liche mit den Kayserlichen das corpus imperii, also der nuntius und Vene-
14
discher das corpus mediationis zugleich repraesentiren. Solte nun deren
15
keines von ihme angehnomen werden wollen, so würden die churfürst-
16
lichen nit zu verdencken sein, daß sie auß ihrer behorenden stell sich nit
17
vertringen laßen; wie ihn dan keinswegs verandwortlich, in diesem werck,
18
darin ihre herrn principaln bißher so große muhe und sorgfalt erwießen,
19
etwas verfängliches zu verstatten, umb soviel weniger, weiln die Staden
20
von Holland sich palam vernehmen laßen dörffen, daß sie zwischen den
21
Venedigern und ihnen niemandts zu dulden, sondern ihre stell auf die rem-
22
publicam Venetam zue behaubten gedencken, deren exempel die Schweitzer,
23
Genueser, Luckeser und andere geringe respublicae sonder zweiffel einzu-
24
folgen sich understehen, also die herrn churfürsten ganz und gar zuruck-
25
und gleichsamb hinder die thür würden gewiesen werden.

26

37
26–31 Die – herrühren] In der Vorlage dazu Randvermerk: ommittatur.
Die Kaiserlichen wollen diese Antwort dem Nuntius noch diesen Nachmittag mit-
27
teilen
; und ließen sich dabey schier soviel vermercken, daß, wan ye der Vene-
28
tianische sich zu keinem mittel bequehmen und daruber wegziehen solte,
29
sie es so groß nit achteten, ohnedem auch, daß sie vermutthen, der in der
30
Franzosischen proposition ratione electionis Caesareae gesezter punctus

38
Nach Punkt 9 der französischen Proposition vom 11. Juni 1645 sollte die Wahl eines Deutschen
39
Königs ausgeschlossen werden, weil sie gegen das freie Wahlrecht der Kurfürsten und das passive
40
Wahlrecht aller Reichsfürsten verstoße und das Kaisertum Habsburg erblich sichere ( Meiern I
S. 444 , 447).

31
und andere auch woll von ihm herrühren. Wobey Ihre Hochfürstliche
32
Gnaden nachmaln vermeldet, daß der herr nuncius sich vernehmen laßen,
33
es seye die Franzosische vollmacht auf des Venedischen interposition
34
dergestalt restringirt, daß, wan derselbe von dannen zühe, dieselbe mit ihm
35
nuncio allein und separatim ohn den Venetum nicht tractiren kondten oder
36
wolten.

[p. 159] [scan. 283]


1
Darauf die beglaubte copia dieser Franzosischen plenipotenz

38
Druck Meiern I S. 354 f. Es war vereinbart worden, daß die Originale der Vollmachten bei
39
den Mediatoren bleiben und nur kollationierte Kopien unter den Verhandlungspartnern aus-
40
getauscht werden sollten ( ebd. S. 352).
offentlich
2
abgelesen und examinirt, darinnen aber solcher condition oder wortter
3
nicht im geringsten gedacht worden.

4
Demnegst vermeldeten Ihre Hochfürstliche Gnaden sowol gegen die Kay-
5
serlich - alß churfürstlichen, obs nit eine notturfft sein wolle, daß der herrn
6
churfürsten fundamenta breviter zusammengetragen, auch was alhie vor-
7
gangen und welchergestalt die vom herrn nuncio und den Kayserlichen
8
vorgeschlagene media von ihme recusirt, hiengegen aber die churfürst-
9
liche intuitu mediationis et pacis causa bey diesen tractaten auff ein oder
10
ander thunlich, inskunfftig unpraeiudicirlich mittel sich nit abgenaigt er-
11
klehrt , loco apollogiae [sic] beygethan wurde, welches alßdan die herrn
12
churfürsten, wan er ye seinen sinnen nachgehen und hernegst wegen der-
13
gleichen occasionen davonraisen solt, vor der ganzen unpartheyischen welt
14
pro exculpatione sua sich gebrauchen kondten. Deßgleichen auch nit
15
undienlich hielten, wan man erfahren wurde, daß der Venetus bey den
16
Spaniern und Franzosen, wie bey den Kayserlichen geschehen, zu behaub-
17
tung seiner intention heraußgehen solte, daß man a parte electoralium
18
solcherorthen ebenergestalt gehorige gegenremonstrationes und funda-
19
mentales informationes gethan hette, welches sowol den Kayserlich- alß
20
churfürstlichen gar wol eingangen.

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