Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Konferenz der kaiserlichen Gesandten und der Deputierten des Kurkollegs Osnabrück 1645 Juni 8
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Osnabrück 1645 Juni 8
DLöben I fol. 50’–53 = Druckvorlage. Vgl. ferner Krane Rs RK FrA 48a fol. 94–97’,
RK FrA 92/V fol. 158–160’ ( Druck Meiern I p. 415–416, Gärtner V nr. 50 p. 222–228 ).
Freies Geleit für Mediatstände. Modalitäten bei Übergabe der schwedischen Proposition in
Osnabrück. Zulassung der Reichsstände. ius belli undt pacis der Kurfürsten und der übrigen
Reichsstände.
Im Quartier des Grafen Lamberg. Vertreten: kaiserliche Gesandte (Lamberg, Krane), Kur-
mainz (Brömser, J. Adam Krebs), Kurbrandenburg (Löben).
Am Vortag erfährt Löben von Oxenstierna, daß Schweden zur baldigen Heraus-
gabe der Proposition bereit ist, die ksl. Gesandten in Münster aber gegenüber den
Mediatoren geäußert haben sollen, den schwedischen Geleitsforderungen sei Genüge
getan. Die Kurmainzer, denen Löben dies mitteilt, wollen den heren Keyserli-
chen eine conferenz anmhutten. Darauf ersuchen die ksl. die kurfürstlichen
Gesandten um eine Zusammenkunft am 8. Juni, nachmittags um 2 Uhr.
Her D. Krebiß proponirte undt referirete alles, was ich mitt hern Ochsen-
stirn gerededt undt ihnen den herren Churmeintzischen hintterbracht
Keyserliche abgesanthe möchten gerededt haben, sie dependirten nicht
von ihnen, es were res tertii, sie möchten dafür anttworten. Sie ihresortes
hetten dergleichen, daß sie den heren Schwedischen nemblich wegen ver-
gleittungk der mediatstände satisfaction gegeben, weder geschrieben noch
sich discursive verlautten lassen, wüssten nichts davon, müsste ein mißver-
standt sein. Sie hetten den Münsterischen Keyserlichen ihre relation an
die Keyserliche Mayestedt communiciredt, darinnen enthalten gewesen,
daß sich die heren Schweden durch unß die churfürstliche gesanthe wegen
der proposition annhemblich erkleredt undt auff gewierige resolution gutte
vertröstungk gethan; undt das möchten vielleicht die heren Münsterischen
Keyserlichen abgesanthen also genommen haben, alß wan denen hiesigen
contrahenten auff beyden teilen satisfaction beschehen. Überdiß wolte es
ihnen auch nicht geziemen, den hern Schweden bey dem puncto gemelter
vergleittungk zu fugen, massen es noch nicht drey thage, daß sie noch
dißfalles von Keyserlicher Mayestädt inhibition bekommen. Sie verspüre-
ten daraus, daß die Schweden wieder anders sinnes werden, ihnen were
nicht zu gleuben, undt was der beschwerlicher reden mher wharen; baten,
wier möchten die heren Schweden ihrer gutten vertröstungk erinnern undt
sie nachmahles zur edirungk der proposition disponiren.
Bei den schwedischen Gesandten, zu denen sie gleich darauf fahren, erhalten die
kurmainzischen und kurbrandenburgischen Gesandten
Proposition unter Vorbehalt weiterer Verhandlungen über die vergleittungk der
Mediatstände inner 2 oder 3 thagen und, falls nichts dazwischen kommt, in
specie auff negsten sonthagk Trinitatis im nhamen der heyligen Dreyeinig-
keitt schrifftlich und vermittels einer kurzen rede auf dem Rathaus in Gegen-
wart aller Reichsstände übergeben wollen.
die Kaiserlichen die presence der stände nicht zugeben werden, wollen sie eben
deswegen die proposition nicht zurückhalten.
Nach Rückkehr zu den Kaiserlichen referieren die Kurfürstlichen durch D. Kre-
bißen alles, was passiredt. Die heren Keyserlichen nhamen abtritt undt
dankten uns hernach vor die bemühungk, stelleten sich uber der resolution
frölich, aber wegen der modi gar zornigk;
Keyßer schimpflich sein, wan sie auff offenem rhatthause der extradition
der proposition erwartten solten. Die heren Schweden möchten sich untter-
stehen , causam belli dem Keyser beyzumeßen, sie würden anttwortten undt
es nicht leiden, undt dürffte also nichts denn zank undt zwiespalt untter
ihnen entstehen.
20–21 Dazu – verordnedt] Dementsprechend und im folgenden deutlicher der ksl. Stand-
punkt in Krane Rs: bederffen keiner solemnitet in loco sacro vel publico, es sey alhie
kein reichstag, sondern wurde nun die proposition von einer außwertigen cron an
uns tanquam a tractante ad tractantem beschechen, wie es bey dergleichen tractaten
herkommens und bräuchlich, wir auch unsere proposition schon vor s[e]chs mo-
naten solchergestalt abgelegt heten
Anstelle einer eigentlichen Proposition hatte Raban Heistermann, der Dechant von St. Johann,
am 4. und 20. Dezember 1644 Schweden aber nur aufgefordert, auf der Grundlage des Schöne-
becker Projekts ( dazu Meiern I S. 310f., Dickmann S. 76f., 530, Odhner S. 27–31 )
Verhandlungen zu beginnen (APW [ II C 1 nr. 257 S. 427 ] , nr. [ 264 S. 442 ] , Gärtner III nr.
107 S. 753f., Meiern I S. 309f., Odhner S. 103f. ).
eine deputation dazu verordnedt; undt brauchte D. Cran dieses puncti
der stände kegenwardt halber zimblich harte worte, also daß ich verur-
sachedt würde, Meines Gnedigsten Heren unß gegebene instruction,
welche vermagk, daß man die stände in diesen sachen alß causa communi
admittiren solle, zu manuteniren undt ihme sein einstreichen zu wiederlegen,
also daß wier mitt worten hart aneinanderkamen, dergestalt daß ich sagte,
die Brandenburgische hetten sie offters vor schaden gewarnedt; sie hetten
sich aber nicht warnhen, sondern viel lieber ihnen von Schweden in die
hände kommen lassen, undt das würde ihnen bey diesem passu auch begeg-
nen . Ich sagte es rundtherauß, die stände würden sich bey diesen universal-
tractaten nicht excludiren lassen, sondern viel lieber alle extrema ergreiffen,
es möchte kommen, wie es wolle. Ob sie im nhamen des Keysers es würden
veranttwortten können, daran zweyffelte ich; würden sie nicht andere
consilia ergreiffen, so würde kein friede werden, sondern sich newe motus
erregen undt alles unglük über den Keyser undt das reich heraußgehen.
Vorige Keyser hetten ihre gedanken dahin gerichtedt, massen ich neulich
in dem reichsabschiede de anno 1512 gelesen, daß sie bey den ständen undt
die stände bey ihnen den Keysern verbleiben könten
sie die stände vom Keyser separiren. Ich könte nicht sehen, wie das reich
bestehen würde, ich hette whol eher gesehen, daß in solchen desperaten
sachen teils der stände ihren respect auff andere heren gewendedt, deme
man billich vorkommen solte. Alleine was ich sagte, halff es alles nichts,
sondern sie die Keyserliche schlugen vor, iedoch auch nur discursive auß
dem bedenken, welches die heren Schweden gehabt, daß wier die heren
Schweden dahin disponiren wolten, daß sie unß die proposition verschlossen
bringen möchten, welche wier den ihnen hinwieder einanttwortten könten.
Wier nhamen der sachen, weilen her grave Kratz undt her D. Fritz damhals
nicht praesentes, nachzudenken, morgendes thages von dem werk weitter
zu reden undt, nachdeme wier guttbefinden würden, mitt den heren
Schweden weitter darauß zu conferiren; wier stünden aber in diesem an,
daß wier die anwhesende fürstliche gesanthe offendiren undt in die gedan-
ken bringen dörfften, gleichsamb der Keyser undt die churfürsten des
reiches das ius belli undt pacis ledigklich alleine in händen haben undt die
stände praeteriren wolten, welches gleichwhol wieder die constitutiones
imperii lauffen thäte. Ob es nicht sache were, daß man zum wenigsten es den
fürstlichen gesanthen wissen lisse, daß die proposition erfolgen undt ihnen
davon auff ihr begeren abschrifft communiciredt werden solte. D. Cran lisse
sich darüber sehr bewegen, war zornigk undt wolte es nicht nachgeben;
deme conformirte sich auch der Meintzische her Brembser, undt vermein-
ten , man müsse den Keyser nicht eingreiffen, ihre stände zu tractiren. Her
grave Lamperg sagte auch, den churfürsten gehöre die praeeminentz zu
undt hetten die stände nichts dabey zu thun. D. Cran gab endtlich seine
meinungk dahin, man solle den ständen von der proposition nichts sagen,
hernach aber ihnen andeutten lassen, daß die proposition verhanden were;
wer copiam haben wolte, solte sich bey ihnen den Keyserlichen angeben,
so solte er sie, iedoch ein ieder in particulari undt nicht collegialiter, emp-
fangen . Ich anttwortte kurzlich,
Durchlaucht zu Brandenburg, nicht wie es den Keyserlichen gesanthen
gefallen solte, sondern wie es Seiner Churfürstlichen Durchlaucht hohes
churfürstliches ambt erforderte, welches billich die heren Meintzischen auch
beobachten solten. Ich lisse alles auff ihre künfftige schwere verantwort-
tungk gestelledt, ich were ein Deutscher undt könte nicht dissimuliren;
es were doch der heren Keyserlichen alter gebrauch, daß sie nicht glaubeten,
biß sie das unglük im werk empfindeten. Ich wolte auch whol durch Gottes
gnade die zeitt erleben, daß sie an diese meine rede gedenken würden; undt
damitt schieden wier voneinander.