Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
170. 148. Sitzung des Städterats Osnabrück 1648 Juli 31 9 Uhr
170
Osnabrück 1648 Juli 31 9 Uhr
Strassburg AA 1144 fol. 648–651’ = Druckvorlage; vgl. ferner Bremen 2 – X. 8. m. ( I ) mit
Re- und Correlation. Conclusa in: Strassburg zu AA 1144; Bremen 2 – X. 8. m. ( II ).
Ort der Verhandlungen mit Servien. Ratifikationsformeln.
Anwesend: Straßburg, Lübeck, Kolmar, Dortmund, Bremen auf der Rheinischen, Nürnberg und
Lindau auf der Schwäbischen Bank.
Herr Director proponirt: Demnach materia deliberanda seye 1., was auff
der herren Kayserlichen vorgestriges tags beschehenen vortrag der Frantzö
sischen tractaten halben zu thun und 2. ob und was bey den formulis ratifi-
cationum
Druck der kaiserlichen, französischen und ständischen Ratifikationsformeln Meiern VI
S. 121–124 .
und dem anderen zu moniren
Zu den Verhandlungen vom gleichen Tage Meiern VI S. 176 f.
Lübeck. Gleich wie er die in pleno gethane relation dahin eingenommen
habe, daß die herren Kayserlichen zuvorderst widerhohlet, warum sie die
Frantzösische tractaten alhier nicht angreiffen köndten und herr Volmar sein
wortt mit der that zu confirmiren begehre, also müße er bekennen, daß die
erörterung des werckhs im tractiren bestehe, das werde sich aber einseittig
nicht thun laßen oder geschehen können, sonsten ohne effect abgehen und
große incommoditeten darauß erfolgen, ja das bereits so weitt gebrachte
fridenswerckh de novo in steckhen gerathen. Köndte also auch nicht sehen,
warum man sich in praeliminaribus und ratione loci so lang auffhalten wolle,
sondern were vielmehr in denen tractaten zu progrediren, Monsieur Servien
und die herren Schwedischen, daß sie alsobald nach Münster sich erheben und
man also ohnverruckhtes fußes zu den tractaten schreiten möchte, zu er-
suchen . Die herren Kayserlichen werden alhier nicht schließen, die stände
sich nur suspect bey ihnen machen und also nichts außrichten. Ad 2. Solle
man erstlich die herren Kayserlichen und Schwedischen ihre formulas ratifi-
cationum in richtigkeit bringen laßen und zum andern bey der stände ratifi-
cation die formalia, damitt selbige uniformis sein möchte, vergleichen.
Quoad materialia finde er sonsten an seinem orth nichts zu erinnern.
Nürnberg. Ad 1. Seye nicht ohn, daß das hauß Spanien und Österreich
große interesse bey den Frantzösischen tractaten haben und also die herren
Kayserlichen selbige gern nacher Münster transferirt sehen wolten. Er
wüßte auch seines theils vast nicht, wann man nur praeparatorie alhier davon
reden solte, quo effectu es geschehen köndte? Wann er aber die rationes
dubitandi considerire, seyen selbige baldt eben so großer wichtigkeit, dann
1. haben die stände herrn grav Servien per deputationem solennem ultro er-
sucht , dies orths die handlung vorzunemen und nicht hinwegzuziehen. Und
ob zwar herr Servien anfänglich andere minen gemacht und die praeliminar-
tractaten vorgeschützet, habe er es doch endtlich, nachdem ihme dieses
dubium benommen worden, zu thun versprochen. 2. Seye zu besorgen, daß
die Münsterische singularisten contradiciren, das abgehandelte, wie vor
einem jahr bey herren gravens von Trauttmansdorff abreise geschehen, in
neues disputat ziehen, rem ab ovo repetiren, neue turbas machen, alle apices
instrumenti consideriren, demselben addiren und detrahiren, die herren
Kayserlichen alßdann dieses apprehendiren und sagen dörffen, sie hetten
befelch von Ihrer Kayserlichen Majestät, sie, Münsterische catholische, zu
hören, müßten es Ihrer Majestät berichten; und köndte man also, wann die
Münsterische diese ihre intention behaubten und den beyfall, daran auch
nicht zu zweifflen, bey den herren Kayserlichen erhalten solten, nimmer-
mehr emergiren; sondern würde 3. in das Spanische wesen, dafür man sich
ex parte der stätt und churfürstlichen, daß man nicht darein geflochten wer-
den möchte, bißdato so fleißig vorgesehen und gehütet, allererst insensi-
biliter mitteingemischet werden. Wolte also der ohnvorgreifflichen meinung
sein, daß man zwar, wohin beede höhere collegia mit ihren gedanckhen
collimiren, erwarten, auff allen fall aber, weiln sonderlich diese mora zu
schimpff der stände gereichen dörffte, nacher Münster gehen solte.
Kolmar. Weiln in alleweg zu besorgen, diese remora dörffte noch mehrere
nach sich ziehen, alß wolle er das Lübeckische und Nürnbergische votum
hiehero repetiren. Möchten vielleicht die höhere auff ein solches außläng
liches expediens, dadurch herrn Servien und den herren Kayserlichen satis-
faction gegeben würde, bedacht sein, ob aber dieses, daß man under der
handt tractiren wolte, ein expediens sein möchte, stehe er darum, weiln es die
herren Kayserlichen offendiren dörffte, nicht wenig an und were also auch
seines ermeßens, der höheren resolution vorhero anzuhören, und wann die
sach dahin, daß man alsobaldt nacher Münster gienge, gebracht werden
köndte, sehr guth. Wolle sich aber mit den majoribus gerne conformiren.
Lindau. Er könne sich seines theils nicht darein finden, wie man absentibus
partibus in diesen tractaten fortkommen und wie die Münsterische contra-
dicentes , daß sie darein consentiren, zu vermögen sein wollen, gleichwohl
aber auch nicht sehen, weiln herr Servien die parole, alhie mit ihme zu trac-
tiren , gegeben worden, wie davon mitt reputation abzuweichen. Köndten
also die höhere ein temperamentum in dieser sach erdenckhen, wolle er sich
gern damitt vergleichen.
Dortmund. Dieweiln er, welchen vorschlägen zu folgen, vast anstehe, also
hielte er davor, man solte dasjenige mittel, welches den tractaten am befür
derlichsten und von Lübeckh, daß nemblich nacher Münster zu geben, vor-
gebracht worden, ergreiffen und werckhstellig machen.
Bremen. Es werde auch seines erachtens, die zeitt alhie lenger zuzubringen,
wegen vorhin ins mittel gebrachter argumenten, die er hieher repetiren
wolle, vergeblich sein und, ob zwar herrn Servien von den ständen die
parole, alhier zu tractiren, gegeben worden, seye jedoch die sach anietzo in
einem anderen standt, weiln man dazumahl, daß die herren Kayserlichen sich
auch darzu disponiren laßen würden, die hoffnung gehabt. Nachdem es aber
nicht geschehen können, solte man herrn Volmar nacher Münster gesambter
handt folgen, herrn Servien, daß er doch solcher gestalt zu seiner intention
nicht gelangen werde, remonstriren und ihme, daß er auch hinüber gehe
und den tractatibus nicht selbsten eine remoram iniicire, zusprechen.
Herr Director. Er halte zwar ad 1. dafür, daß sich niemandt graviren
würde, nach Münster zu gehen, wann durch die hinüberreiß dem fridens-
werckh einige befürderung gegeben werden solte, wolte auch seines theils
allerdings damitt einig sein. Es seye aber anietzo die frag, wie sowohl den
herren Kayserlichen als herrn Servien etwas satisfaction geschehen möge?
Simpliciter hinüberzugehen, seye nicht rathsam und also media via zu su-
chen . Bevorab, weiln 1. res nicht mehr integra, 2. herrn Servien das jawortt
dreymahl gegeben worden und sine rubore nicht mehr zurückhgenommen
werden könne. Wolle man die änderung der zeiten obiiciren, werde es 3.
darum nicht abgehen, weiln nicht allein die herren Kayserlichen, wann man
die Frantzösische tractaten alhier vornemen wolte, alsobalden wegzugehen,
sich schon hiebevor ercläret, sondern auch bey der cron Franckhreich offen-
sion gebären, zumahl herr Servien bereits praeoccupiret und gesagt, er wolle
nicht verhoffen, daß die ständt ihr wortt widerum zurückh nemen und seines
königs interesse nacher Münster ziehen werden.
Wann auch gleich 4. die herren Schwedischen vor erlangter der Münsteri
schen stände resolution nacher Münster gehen solten, könne er den vorthel,
den diese dabey haben würden, nicht absehen, sondern, gleich wie das
hauptfundament dieses seye, daß die im bedruckh stehende stände auff ein
solches mittel zu gedenckhen, dadurch der friden nicht erst in retardat ge-
rathe , sondern schleunigst erhalten werden möge. Solches aber bey den
Münsterischen ständen, in dem sie alles, was dies orths mit den herren
Schwedischen gehandelt worden, für ohnverglichen halten, nicht zu erlan-
gen stehe. Also seye leicht darauß zu schließen, daß sie noch vor antrettung
der Frantzösischen die Schwedische tractaten in neues disputat zu ziehen
und, rem ab ovo zu repetiren, suchen würden. Obwohln nun außer allem
zweifel seye, daß die herren Kayserlichen, wann man die Französische
sachen alhier vorneme und abhandle, nimmermehr darein condescendiren
werden, hielte er jedoch dafür, hiesige stände köndten gleichwohl under sich
praeparatorie davon reden, wie die Münsterische bißhero auch gethan und
alßdann zu Münster völlig schließen, anderer gestalt wüßte er nicht, wie
fides data zu liberiren. Und obzwar die herren Kayserlichen vorgeben, diese
sachen concerniren den Kayser allein, so seye doch bekandt, daß sie auch das
Römische reich angehen, deme auff sein völliges excidium zu warten, keines
weegs zuzumuthen, zumahln zu besorgen seye, ob gleich, weiln Ihre Kayser-
liche Majestät und die stände verglichen, daß die armeen denenselben auff
dem halß ligen bleiben und die satisfactiones coronarum auffwachsen dörff
ten , sondern den herren Kayserlichen zuzusprechen, weiln die herren media-
tores zu dem Teutschen friden sich nicht ohngeneigt erfinden und ratione
loci tractatuum wohl weisen laßen würden, daß sie den ständen vorhabende
immediathandlung mit herrn Servien nicht aus der handt spielen wolten.
Jedoch were zu erwarten, was höhere dies orths für guth befinden werden,
wiewohln er, daß sie bey vorigen conclusis werden bestehen bleiben, gäntz
lich dafür halte.
Hierauff wardt die von Churmaintz auffgesetzte formula ratificationis durch-
gangen , die dabey vorkommene erinnerungen dem concluso alsobalden ein-
geruckht und, dahero ad protocollum zu nemen, für überflüßig gehalten
worden.
Nächst diesem hatt der herr Bremische sein hiebevorige bitt widerhohlet,
daß sich nemblichen die stätt wegen insertion des Weserzolls tam pro pub-
lico , quam pro privato interesse, seiner annemen und bey bevorstehender
subscription des Schwedischen instrumenti pacis ihren dissensum offentlich
contestiren wolten.
Schließlichen bate Eßlingen per Lindau um moderation seines an der Schwe-
dischen satisfaction beyzutragen habenden contingents. Ist aber auff sich er-
sitzen blieben.
Conclusum. Man möchte an seitten der stätt nichts liebers sehen, dann daß
auff der herren Kayserlichen vorgestriges tags widerhohlten vortrag, der
Frantzösischen sachen halben ein solches expediens erfunden werden
köndte, dadurch beedes ihnen und herrn grav Servien contentament ge-
schehen möchte. Demnach aber die sämptliche stände sich gegen diesem in
so weitt außgelaßen, daß er sich von seinem desiderio schwärlich wirdt
dimoviren laßen wollen, und die under dem bedruckh stehende stände des
reichs mit allem fleiß dahin zu trachten haben, daß dasjenige, so mit den
herren Schwedischen alhie verhandelt und verglichen, zu Münster nicht
widerum in neues disputat gezogen, noch umb außwertiger interesse willen,
die innerliche beruhigung auffgehalten werde, alß wolte man stättischen
theils der meinung sein, es köndten die Frantzösische sachen alhie praepara-
torie in deliberation genommen, der endtliche schluß aber (wann die herren
Kayserlichen alhie nicht tractiren wollen) biß nach Münster verschoben wer-
den . In hoffnung, dieser modus procedendi werde weder von den herren
Kayserlichen noch einigen anderen interessenten, und zwar umb soviel
weniger geohnbillichet werden können, weiln er, nachdem nicht allein Ihrer
Kayserlichen Majestät in allen anderen puncten satisfaction geschehen, son-
dern auch die stände under sich selbsten meistentheils vereiniget, eintzig und
allein dahin gerichtet ist, wie man aus dem grundtverderblichen krieg auff
das allerfürderlichste eluctiren und den wenigen rest vor endtlichem under-
gang salviren möge.