Acta Pacis Westphalicae III A 4,1 : Die Beratungen der katholischen Stände, 1. Teil: 1645 - 1647 / Fritz Wolff unter Mitwirkung von Hildburg Schmidt-von Essen
36. Plenarkonferenz der katholischen Stände Münster 1646 April 7
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Münster 1646 April 7
Köln ( Stadt ) A I p. 447–472 = Druckvorlage; damit identisch Bamberg A I fol. 206–216,
Konstanz , Kurmainz B. Vgl. ferner Kurbayern A II fol. 367–380 und A a II; Kur-
mainz A Fasz. 14 Nr. 37; Österreich B I p. 651, B a II und Bb I; Wartenberg / Augs-
burg II fol. 352–355’ ( damit identisch Wartenberg / Register I fol. 161’–169 und I a ).
Behinderung des katholischen exercitium religionis in Jülich-Berg und Kleve durch die Holländer.
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Aachen, Augsburg, Augsburg (Stadt),
Baden-Baden, Bamberg, Basel, Bayern-Hg., Berchtesgaden, Besançon, Besançon (Stadt), Brixen,
Burgund, Chur, Corvey, Deutschmeister, Eichstätt, Ellwangen, Freising, Fulda, Halberstadt,
Hersfeld, Hildesheim, Johanniterorden, Kempten, Köln (Stadt), Konstanz, Kurbayern, Kurköln,
Kurmainz, Kurtrier, Leuchtenberg, Lüders, Lüttich, Minden, Münster, Murbach, Österreich,
Osnabrück, Paderborn, Passau, Prälaten, Prüm, Regensburg, Salzburg, Schwäbische Grafen,
Speyer, Stablo, Straßburg, Trient, Verden, Verdun, Weißenburg, Worms, Würzburg.
Kurmainz. Waß von Pfaltz Newburg unlängsthin bey dem directorio und
verschiedenen gesandten wegen restitution der von den Vereinigten Staden
der Niederlanden gesperter catholischer kirchen und freyen ungehinderten
exercitii wie nit weniger relaxation der entführter priester und religioses
gesucht , ist negster tägen per dictaturam communicirt; wan dan diesen
Ihrer Durchlaucht beschehenen billigen begehren freylich zu deferiren, […]
alß ist dieses plenum angesagt, gestalt uber obiges und, waß Seiner Durch-
laucht deßwegen an die handt zu geben sein mögte, zu deliberiren.
Kurtrier. Hielte kürtzlich darfur, das den verübten thathandtlungen zu
widersprechen undt vorderist nit zu verstatten, weilen die Confoederirte
Staden keine iurisdiction auff deß reichs boden herbracht noch praetendirn
können, viel weniger uber einige geistliche, deßwegen hette man sich an
seithen des reichs mit einem eiffer und rechten ernst der sachen zu under-
fangen , in der sonderbahren betrachtung, es mögte den andern benach-
barten reichsländen dergleichen gefahr zuwachßen.
zu remonstriren wirdt eine deputation an die Staden nöttig sein, weilen
die von 3 catholischen churfürsten abgangene schreiben nichts gefrüchtet
darbey aber wol in acht zu nehmen, daß wegen der unwilfahrung keine
disreputation entstehe. Wil sich doch gern vergleichen, wan nachfolgende
ihre vota darauff richten.
Kurköln. Die clagende attentata seindt notoria und von solcher conse-
quentz , das sie allen ständen deß reichs, insonderheit den catholischen,
billig tieff zu hertzen gehen sollen, die seindt ein eingang zu weiteren prae-
iudicien , und da man schon hie ein frieden schließen wird, so werden doch
die angrentzende reichscreiß in der gefahr stecken bleiben.
Die Behauptung der Holländer, nach den Verträgen zwischen Brandenburg und
Neuburg wären alle Religionen in Jülich-Kleve zugelassen, trifft nicht zu; der revers
lautet, das es mit der religion wie vor alters solle gehalten werden
So etwa in den Verträgen von Dortmund ( 1609 ) und Xanten ( 1614 ). Der Passus des Dort-
munder Vergleichs lautet: „Die Catholische Römische wie auch andere Christliche Religion
… zu continuiren, zu manuteniren und zuzulassen.“ Zur Interpretation vgl. G. Marseille
S. 60f., 75f. Nachweis der Verträge: Th. Mörner S. 43 und 67. Den widersprüchlichen
Charakter der Bestimmungen über die Religionsausübung betont M. Ritter II S. 289.
schen ist dort das ganze geistliche Leben zum Erliegen gebracht worden. Weil man
nun
recht eiffer scheinen laßen, und nachdemal Kayserlicher Mayestät die be-
schirmung der ständ obliget und gebeuret, dieses alles an dero herren pleni-
potentiarios bringen und sie inständig ersüchen, bey den herren Spanischen
die underbawung zu thun, daß sie in deme mit Hollandt fuhrenden
dieß werck wollen in acht nehmen und dahin sehen, das sich die Staten
extra suos cancellos nit moviren. Weilen under deme aber detentio pastorum
und privatio sacramentorum schwehrfallen würde, so würde nit undienlich
sein, dieses auch bey dem herren nuncio anzubringen, mit pitt, er wolle
bey Franckreich in favorem religionis seine authorität interponiren, so umb
so mehr verfangen wirdt, weilen Franckreich mit interessirt, indeme selbige
cron dem contract mit beygewohnet und verabschieden helffen , das die
religion in nichts leyden solle, und müst deroselben das mit Hollandt auff-
gerichtete foedus unnachtheilig sein; dannenhero hetten sich die Frantzö
sischen plenipotentiarii bey den Statischen legatis cräfftig zu interponiren.
Wenn die kaiserlichen Gesandten einwilligen, könnten die katholischen Stände selbst
die Franzosen um Hilfe ersuchen.
Ähnliche Eingriffe werden auch von Kurbrandenburg vorgenommen; auch hier soll
zur Einhaltung der alten Verträge aufgefordert werden.
Kurbayern.
ständt anmaßen könne, weilen wegen der mit dem reich habender neutra-
litet deßelben freundt sein sollen, und wan ie einige difficultet zwischen
Churbrandeburg und Pfaltz Newburg
burg allezeit zur gütlichen vergleichung erbotten; seindt hieruber verschei-
dene
wie anno 1609 verbleiben solle, darbey es dan billig sein bewenden haben
muß.
Der Vorschlag Kurkölns, die Mediatoren und die französischen Gesandten um Hilfe
zu ersuchen, wird unterstützt; desgleichen das Anbringen bei Kurbrandenburg.
Österreich. Laßet es bey
erscheinet, das die sach zimblich controvers, hielte propter metum repulsae
darfur, das nit immediate ad Hollandos zu deputiren, sonderen die herren
Kayserlichen per ordinarios deputatos conversationweiß zu ersuchen, das
sie daß werck per mediatores befürderen. Ist doch indifferent, maßen auch
wie die Brandeburgische eingriff zu remediiren.
Bayern-Hg. wie Churbayeren
Burgund. Proposita attentata redundant in praeiudicium imperii, utpote
contraria neutralitati et pactis, quare, cum res communem religionis causam
concernat, iustis Neoburgi petitis omnino annuendum, ut exercitium reli-
gionis catholicae liberum relinquatur et captivi ocius liberentur. Wegen der
Schritte, die hierbei unternommen werden sollen, wie Kurköln.
Baden-Baden wie Bayeren
Salzburg. In allem wie die Vorstimmenden.
Leuchtenberg wie Bayern und Cöllen
Osnabrück. Diese landen, in welchen die attentata verubt werden, gehören
under das Cöln- und Lüttigische ordinariat. Osnabrugensis episcopus auch
wegen des stiffts Minden und auffm ertzstifft Cöllen habenden archidiaco-
nates
von den Staaden alß Brandeburg attentirt worden. Staden belangendt, haben
in seinem archidiaconat (so von 85 pfahrren, aber nit mehr uber 20 catho-
lische priester darin vorhanden) die pastores gefangen, umbgebracht und
vertrieben, auch gantze clöster oedt und lehr gemacht. Der prior zu Bever-
gen seye darvongangen und habe nur einen leyen im closter gelaßen, seye
noch heut clag einkommen, wie das vor wenig tagen ein decanus ruralis
mit einem geistlichen gefangen und dardurch die Osteren und sacramenta
versaumet worden.
Es wird erneut darauf hingewiesen, daß die Generalstaaten die brandenburgisch-
neuburgischen Verträge falsch interpretieren. Auch die Beteiligung Hollands an den
Verträgen von Schwäbisch Hall und Xanten gebe kein Interventionsrecht .
Da die Appelle der katholischen Kurfürsten an die Generalstaaten bis jetzt nichts
gefruchtet haben, sollen sich alle katholischen Reichsstände interponieren. Die im
kurkölnischen Votum vorgeschlagenen Mittel werden erneut vorgetragen, desgleichen,
was dort wegen der kurbrandenburgischen Übergriffe erwähnt worden ist.
Ferner wird auf die Bedrückungen hingewiesen, denen der katholische Klerus im
Herzogtum Cleve (insbesondere in Xanten, Rees und Emmerich) durch Branden-
burger und Holländer ausgesetzt ist. Die Rechte des Erzstifts Köln in diesem Gebiet
werden verletzt; die alten Verträge werden gebrochen, die lutherischen Prädikanten
werden durch Calvinisten ersetzt.
Die Holländer haben sich in der Herrschaft Lingen, die in spiritualibus zum
Bistum Osnabrück gehört, und an einigen Orten des Stifts Münster selbst ähnliche
Übergriffe erlaubt.
In allen diesen Fällen sollen die alten rechtmäßigen Verhältnisse wiederhergestellt
werden.
Besançon wie die Vorstimmenden
Deutschmeister. Caesarei plenipotentiarii requirendi et cum illorum scitu
etiam ii, de quibus praecedentes mentionem faciunt, bevorab aber dominus
nuncius, so gleichwol mehr nit thun alß Franckreich ersuchen kan; stehet
derowegen an, ob man diese cron in reichssachen propter sequelam anspre-
chen solle. Hielte darfur, es wer erst mit Caesareis darauß zu conferiren,
wie die sach am besten anzugreiffen, nit zweiffelendt, Staten werden viel
lieber ad requisitionem Caesaris quam cuiusque alius wilfahren. Sonsten
weren die Brandeburgische gesandten sowol alß Ihre Durchlaucht selbsten
anzulangen, dan auch alles ubriges anbringen in acht zu nehmen und bey
erorterung der gravaminum protestantibus zu communiciren.
Bamberg.
nachdencken stellendt, weillen die Augspurgische confessio bei diesem
turbio auch leydet, ob nicht protestirende zu erinneren, daß sie sich ihrer
religionsverwandten annehmen sollen und wollen.
Würzburg. Es seyen die herren Kayserlichen nit per ordinarios, sed extra-
ordinarios anzulangen und dieienige hierzu zu ersuchen, welche am meisten
interessiert und am besten informirt; schlaget Cöllen und Oßnabruck vor,
damit sie ihre particularia desto beßer durchtringen mögen. Obigen vor-
gangen , könten Caesarei mit mediatoribus, sie aber mit Franckreich und
Hollandt tractiren. Wil sich auch nit separiren, wan nomine catholicorum
diese beschwerden Franckreich zu recommendiren vor gut solte angesehen
werden, in der sonderbaren betrachtung, das sich Franckreich interessent
gemacht, wolle der religion halben invigiliren, gleichwol mit vorwißen der
herren Kayserlichen, und wil hoffen, wan den herren Staten mit guten
umbständen ihr unfug remonstrirt wirdt, maßen sie dieselbe alschon gegen
den Bergischen marschal
sie werden sich weisen laßen.
Kurbrandenburg soll ebenfalls zur Einstellung der Übergriffe und zur Interposition
bei den Holländern aufgefordert werden.
Der von Bamberg gethane vorschlag ist nit böß, weil aber mutatio pastorum
nit im Newburgischen, sonderen Cölnischen vorgehet, so mögten die prote-
stirende sich der sachen nit annehmen; könte gleichwol mitt ihnen drauß
geredt werden.
Beziehet sich de reliquo uff Cöllen, Oßnabruck und Burgundt.
Die übrigen Stände schließen sich den Vorstimmenden an, dabei erwähnen Münster
und Lüttich die gewaltsamen Religionsveränderungen, die im Stift Münster (in
Ibbenbüren und Lünen) von den Schweden und Holländern vorgenommen worden
sind.
Von folgenden Ständen werden abweichende Meinungen und Ergänzungen vorgetragen:
Corvey. Befindet eine notturfft zu sein, daß diesen attentatis ihre abhelffung
verschafft werde, zu welchem endt verschiedene vorschlag wegen schreiben
und deputation beschehen. Deputatio ad Status Unitos ist nit dienlich wegen
der competentz, so sie gegen churfürsten moviren, seye inauditum et
novum, derentwegen gantz zu underlaßen oder zuvor wol zu bedencken.
Die schickung ad Gallos wirdt auch undienlich sein, weilen terminus medius
gefehrlich, das im reich ihnen kein disposition gebeurt. Schreiben fallet
wenigers nit ratione tituli bedencklich, und wan einige andtwort ergehen
solte, mögte dieselbe schimpflich und disreputirlich fallen; were dannen-
hero der herr Venetus zu ersuchen, das er das anbringen bey Statischen
abgesandten wolle uber sich nehmen; ist indifferent, ob es im- vel mediate
geschehen solle.
Prälaten. Die remediirung ist umb so mehr vonnothen, weilen die Staten
nit allein auff schlechte decanatus und pfarren, sonderen auch gantze ständt
außgehen. Setzet hinzu, welchergestalt hertzog zu Wirtenberg von allen
praelaten die abtrettung ihrer clöster und schrifftliche documenten mit be-
trohung gewalts urgirt allegando gravens von Trautmannsdorff cession
leßete die schreiben ab, so ihme hierunder zukommen. Das exempel kan
anhero nit quadriren, weilen zwischen geistlichen und weltlichen einhabun-
gen große differentz ist, diese haben vordem Wirtenberg zugehört, iene
aber niemals. Die weltliche seindt propter reatum verschenckt und kommen
ietzo ad amnistiam, kan also von denen auff die geistlichen nit argumentirt
werden, maßen sie auch von der amnisti und ad gravamina religionis auß
gesetzet worden. Bittet alle katholischen Gesandten um Unterstützung; man möge
die kaiserlichen Gesandten ersuchen, sich deswegen bei den württembergischen Gesandten
oder auch beim Herzog selbst zu interponieren.
Schwäbische Grafen. Conformiren sich mit Cöllen, Bayeren, Oßnabruck
und andern einstimmenden. Erinnert, daß bei den Deputationen auch der Sache
des Propstes zu Xanten, der Dominikaner zu Wesel und des Prälaten zu Bevergern
gedacht werde.
Köln ( Stadt ). […] Laßet es bey dem Oßnabruckischen vorschlag unnd
bittet Ihre Fürstliche Gnaden umb vernehmung der deputation […].
Aachen. Vergleichet sich cum maioribus.
Augsburg ( Stadt ). Repetirt graven und herren votum, subnectando, aldie-
weilen ad compositionem gravaminum nacher Oßnabruck deputirt, kan nit
unvorbracht laßen, was sich iüngst zugetragen, alß Lubeck- unnd Lindawi-
sche gesandte hier gewesen
David Gloxin ( Lübeck ) und Valentin Heider, der neben der evangelischen Bürgerschaft von
Lindau auch die weiterer schwäbischer Reichsstädte vertrat ( vgl. F. Dickmann S. 389 ), hatten
im Februar 1646 an den Beratungen des Reichsstädterats in Münster teilgenommen, als dort über
den punctum commerciorum verhandelt wurde (vgl. Meiern II S. 370f. ).
commerciorum vorgehabt und neben deme in andern bedencken gesetzt,
das alle und iede reichs- und andere stätt in ecclesiasticis et politicis bey
ihrem recht und einhabungen, wie sie anno 1618 gewesen, sollen gelaßen
werden, welches er (maßen auch Cöllen) contradicirt, darauff der Lubecki-
scher heraußgefahren, er hielte sein (Augsburgischen) und anderer seiner
committenten stätt votum vor partheysch, und hette er es mit beßeren ehren
underlaßen können. Habe dargegen ein memoriale verfast und die contra-
diction demselben angehenckt, darbey es dan verblieben, biß zu verneh-
mung der replicquen, da dem fürstlichen bedencken eingeruckt worden,
man könte die vota nit passiren laßen, so abermalß generaliter wider-
sprochen . Welchen verlauff er zu dem endt zu berichten fur nöttig erachtet,
ob er bey solcher beschaffenheit der abordtnung mit reputation under-
ziehen könne und ob nit vielleicht difficulteten und hindernuß darauß ent-
stehen möchten.
Kurmainz. Vergleichet sich und schließet dahin, das Caesareis zu hinder-
bringen , sie bey mediatoribus sich der sachen underfangen und die noth
remonstriren, gestalt das sie bey Franckreich und Staten pro relaxatione
captivorum und dan umb ein- und abstellung fernerer eingrieff ansuchung
thun wollen; wirdt freygestelt, ob eine immediatdeputation geschehen solle,
maiora gehn dahin, das vor ein anfang Caesarei daruber zu behelligen, dabey
lasts. Kurköln und Osnabrück werden gebeten, diese Aufgabe zu übernehmen.
Bey dieser deputation solle der Brandeburger, Cölnischer, Münsterischer,
Bevergern und Dominicaner beschwerden gedacht, und weilen die ersu-
chung bey den Brandeburgischen nit viel verfangen mögte, per Caesareos
von hier auß Churbrandeburg umb remediirung geschrieben werden.
Wegen eintringenden Calvinisten kan bey den gravaminibus in berathschla-
gung kommen, und weilen Burgundt sich auch hiezu erbietig machet, so
bleibts dabey.
Wan sonsten wegen der praelaten im Wirtemberger Landt nichts zu erinne-
ren vorfallet, so könte dern begeren gleichergestalt ad Caesareos bracht
werden.
Waß schließlich der statt Augsburg gesandter vor- und anbracht, haltet nit
dafur, weilen er a pleno deputirt, das der Lubeckischer oder iemandt sich
ihme widersetzen werde, solle es aber uber zuversicht geschehen, so wirdt
man sich seiner annehmen.