Acta Pacis Westphalicae III A 4,1 : Die Beratungen der katholischen Stände, 1. Teil: 1645 - 1647 / Fritz Wolff unter Mitwirkung von Hildburg Schmidt-von Essen
24. Konferenz der Gesandten der katholischen Kurfürsten Münster 1646 Februar 21
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Münster 1646 Februar 21
Kurmainz A Fasz. 14 Nr. 16 = Druckvorlage. Vgl. ferner Kurbayern A II fol. 175–186’
und Aa II; Kurmainz A Fasz. 21; Kurmainz B; Wartenberg / Register I fol. 79’–81
und I a.
Vorbereitende Beratung über die media compositionis zum Geistlichen Vorbehalt.
Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs. Vertreten: Kurbayern, Kurköln, Kurmainz, Kurtrier.
Kurmainz. Das 1646 Februar 19 im Plenum gefaßte Conclusum ist den ksl. Ge-
sandten mitgeteilt worden
missarien liebers nit sehen mögen, dan daß man alsopaldt zu gewinnung
zeit mit den protestirenden zur handlung geschritten wehre, so hetten sie
yedoch guetwillig übernohmmen, solches begehrtermasßen hochwohl-
gemelten herrn graven von Trautmanßdorff zue hinderpringen. Bis die me-
dia compositionis der Protestanten vorliegen, sollten die katholischen Stände
praeparatorie beraten, wie weit man nachgeben könne. Stünde solchem nach
zu der herrn gesanden belieben, hierüber sich vernehmmen zu lasßen.
Sonsten hetten sie von denn Churmaintzischen zu Osnabrugk anwesenden
gesanden bericht empfangen, wasgestalten iüngstbedeutermasßen die fürst
liche Sachsen Altenburgisch- undt Weymarische sich bey ihnen eingefunden
undt in nahmen sambtlicher protestirender stendt urgirt, damit die grava-
mina daselbsten vorgenohmmen werden möegen
Zur protestantischen Forderung nach Behandlung der Gravamina in Osnabrück vgl. Meiern II
S. 565 .
werde sich nit practiciren lasßen, so würdten die Schweden auch nit zu-
geben , daß sich die protestirende insgesambt oder mehrerntheils anhero
verfüegen theten, dahero sie gepetten, der sachen einen anfang zue machen,
sonsten sie zur re- oder correlation zu schreitten nit gedacht. Sie wolten
sich dabey keine extremisten finden lasßen, eines gleichmäsßigen theten sie
sich auch zu denn herrn catholischen versehen; wehren nit gemeint, schrifft-
lich zue handlen.
Kurtrier. Nach Wiederholung der Proposition: Wehre zu wünschen, daß man
die media compositionis zuvorhero haben undt gegenmedia verfasßen könte;
weilen sie aber auß der herrn Churmaintzischen relation vernehmen, daß
sie sich mit denn schrifftlichen mediis nit werden herauslasßen, so werde zu
erwartten stehen, was sie sich diesfals gegen den herrn graven von Traut-
mansdorff werden vernehmmen lasßen.
Inmittels hielten, praeparatorie zu handlen, undt zwar soviel denn geist-
lichen vorbehalt betrifft, hetten die protestirende drey vorschläg:
1. Die geistlichen Güter, die sie besitzen, sollen ihnen verbleiben; der Zutritt zu
anderen Stiftern soll ihnen offenstehen, ohne daß jedoch dort reformiert werden darf.
2. Wenn der Besitzstand von 1618 für ewige Zeiten gesichert würde, wollten sie den
Geistlichen Vorbehalt anerkennen; sie verlangen jedoch für ihre Stifter Session und
Votum auf Reichstagen.
3. Der Besitzstand soll zunächst unverändert bleiben und der rechtliche Austrag der
Ansprüche für 60, 80 oder 100 Jahre suspendiert werden.
Sie wehren anderergestalt in diesen puncten nit instruirt, alß uff annum 1627
zu gehen undt die im Prager frieden gesetzte iahr, wovon albereit 10 ver
flosßen , wiederumb zu compliren und denn terminum abermahlen auff 40
iahr zu setzen;
2º daß es mit der session undt voto gehalten werde, wie im Prager frieden
verordnet;
3º daß die catholische underdesßen uff denn von den protestirenden ein-
habenden stifftern die menses Papales et primarias preces behalten sollen;
4º wehre zu begehren, daß die catholische dombherrn uff denn tombstifftern
auch daß catholische exercitium haben mögten.
Sonsten seyen sie nachmahls der meinung, daß eine deputation nacher
Osnabrugk zu thun.
Kurköln. Auff der herrn Kayßerlichen nacher Osnabrugk beschehenen
bericht werde man der erklärung zu gewartten haben. Ob aber nun under
desßen dieserseits praeparatorie davon zu reden, wie weit man werde können
undt wollen nachgeben, seye gestern ingesambt rathsamb gehalten, erst der
gegentheil vorschläg zu vernehmmen, damit selbige pro regula gebraucht
werden undt man sich desto bestendiger darauf entschliesen könne, wobey
noch zu verpleiben, dan disreputirlich, daß, waß gestern geschlosßen, heut
wieder aufgehoben undt cassirt werden solte.
2º seye der vorzeitigen palesirung zue befahren, welches umb so viel sorg-
licher , weilen darin per gradus müste gegangen werden; wann nun aber
solche auskommen solten, würde der gegentheil ultimum pro primo nehm-
men undt zu den vorhergehenden desto weniger verstehen wollen. Wann
man auch schon im churfürstenrath eines gewisßen sich vergleichen solte,
dörfften doch die fürstliche daran sich nit binden lasßen, sondern es dahien,
als wolte man ihnen leges vorschreiben, außdeuten; dahero, fals von solchen
mediis zu reden, besßer sein mögte, daß es in gegenwarth der gesambten
catholischen stendt geschehe, weilen leicht von letztern ein solche ration
vorkommen dörffte, die alle andere in sententiam suam undt ahn sich ziehen
könne.
Nachdem Kurtrier sich jedoch schon zur Sache geäußert habe, solle dies auch für
Kurköln geschehen: Undt zwarn seye es ahn deme, daß beim catholischen
reservat beederseits extrema darin bestehen, daß die catholische sustiniren,
dieser punctus müße als ein stück des religionfriedens ungeschwecht ge-
halten werden, undt seyen die Augspurgische confessionsverwanthen aller
immediatstiffter unvehig, auch dieyenige, darine sie sich quovis modo intru-
dirt , cum omni causa abzutretten undt denn catholischen zu restituiren
schuldig; hiengegen die Augspurgische confessionsverwanthe wolten sich
zu ermeltem reservat, als darin sie bey aufrichtung des religionfriedens nicht
gewilliget, nicht verstehen, sondern behaupten, daß sie der religion unge-
hindert zu allen stifftern qualificirt undt eligabel.
Wann sie nun von solcher irrigen meinung nullis rationibus abzupringen,
man auch keinen andern außschlag alß durch güetliche vergleichung darin
zu finden, und aber omni iudicio für die catholische religion nicht nur nutz-
lich , sondern gantz nötig, daß diese irrungen auß dem weg geschafft undt
also der friedt, dardurch daß übrige noch conservirt pleiben möge, gestifftet
werde, seye daß negst, denyenigen mitteln, worauf man solche güetliche
handlung zu stellen vermeint, nachzudencken. Die theologi seyen der mei-
nung mehrentheils, rarissime et vix unquam causam circumstantiarum
fingi posse, per quas pactum seu promissio absoluta et sine temporis de-
finitione de toleranda haeresi et, quae ei annexa sunt, cohonestari possit,
derowegen man catholischentheils sich pillig vorzusehen, daß man sich
auf dergleichen pacta perpetua durchauß nicht tringen lasße, sondern die
vorhabende transaction auff ein temporalmittell von gewisßen iahren gestelt
werden möge. Die zahl solcher iahren müste a proportione periculi, wa-
rinnen man versire, und a verisimilitudine recuperandi ablata genohmmen
werden, und zwar nicht zu weit hienausgesetzt, ne habeat speciem perpe-
tuitatis , auch nit zu sehr coangustirt, dann solchenfals nit nur der gegen-
theil nicht darin willigen, sondern auch die catholische, indeme sie in so
kurtzer zeit sich nit wieder werden erholen können, ad hosce praesentes
terminos alßpalden wieder gerathen undt in die gefahr des gentzlichen
undergangs, so man yetzt durch die vergleichung zu entfliehen suchet,
von newem einlauffen würden.
Wann nun alle umbstendt, sowohl der catholischen chur-, fürsten undt
stendt verderblichen zustandts alß auch was von andern frembden poten-
taten (iha der Päbstlichen Heyligkeit selbsten) sie sich für schlechter hülff
zu verlasßen, ex retro actis erweget undt hiengegen auch in was beschaffenheit
sich die protestirende stendt sowohl für sich selbsten befinden, alß auch
was für ansehentliche stattliche assistenz sie von allen benachbarten, alß
Schweden, Dennemarck, Engellandt, Hollandt undt auch von der cron
Franckreich sicherlich haben können, seye secundum humanum iudicium
nicht zu vermuethen, daß die catholische inner der negsten 40, 50 oder 60
iahren so weit wieder über sich kommen und die gelegenheit erlangen
werden, dieyenige stiffter, so ihnen zur ungepüer vorenthalten, ohne augen-
scheinliche gefahr, alles übrige zu verliehren, mit gewalt wieder zue recu-
perirn .
Undt mögte es derwegen fürerst mit denn 40 iahren, als welche im Prager
frieden vorhien auch nachgegeben, versuchen, undt die bereits davon ver
flosßene 11 iahr wieder ersetzt werden, wobey aber nicht undienlich sein
würdte, daß die unmittelbahre stiffter, welche man den Augspurgischen
confessionsverwanthen die bewilligte zeit über in handen zu lasßenn oder
vielmehr derentwegen man ihnen keine litem oder actionem zu moviren
sich erklären will, alle nominatim exprimirt, dann wann man sub generalitate
aliqua termini, quo ipsi in possessione fuerunt, pleiben solte, mögten sie
künfftig darunder mehr stiffter ziehenn wollen […]. Solte man aber ihe sub
generalitate pleiben wollen und müsßen, so würden nothwendig dieyenige
stiffter, welche anno 1627 zwar noch in der uncatholischen handen gewesen
und seithero iusto et legitimo titulo ahn die catholische wiederumb kommen,
alß in specie Halberstatt
Halberstadt wurde nach der Resignation Christians von Braunschweig (1623) vom Administrator
von Magdeburg und von Prinz Friedrich von Dänemark beansprucht. Der minderjährige Erz-
herzog Leopold Wilhelm wurde 1627 vom Kapitel gewählt. Dänemark verzichtete 1629 im
Lübecker Vertrag (Text: DuMont V 2 S. 584), Kursachsen (für Magdeburg) 1635 im
Prager Frieden auf Halberstadt. Leopold Wilhelm wurde kurz darauf (1635 August 18) durch
päpstliches Breve als Administrator des Stifts bestätigt (vgl. P. Gauchat S. 200). Vgl. hierzu
H. Boettcher passim.
ausgenohmmen undt yetzigen legitimis dominis et possessoribus vorbe-
halten werden.
2. Den protestantischen Stiftsinhabern sei Session und Votum auf Reichstagen nicht
zu gestatten. Nachdeme man ihnen dann auch im hauptwerck mit hienlasßung
der landen selbsten auf gewisße zeit nachgegeben, seye iha pillig ex natura
transactionum, quae fit aliquo dato, aliquo remisso, sie denn catholischen
auch in etwas, und zwar in dem wenigsten, nehmblich in verzeyhung auf
die session undt stimme auf reichs-, deputation-, visitation- und andern con-
venten (die craißtäg ausgenohmmen, dann sie daeselbst erscheinen mögen)
hienwiederumb weichen, da vorab dieselbe von 80 undt 90 iahren in quasi
possessione excludendi sich befinden; undt könte ihnen hiebey auch dieses
zu gemüeth geführt werden, daß wann sie ihe auf solchem ihrem begehren
bestehen undt dardurch die maiora zu machen vermeinen wolten, so würden
die catholische, undt sonderlich daß haus Österreich, Bayern, auch andere
geistliche fürsten, dero landen auß underschiedlichen fürstenthumben undt
hertzogthumben componirt, für alle dieselbige separata vota (deren sie sich
vor diesem so hoch nit geachtet) mit mehrerm fueg zu praetendiren haben
und die protestirende alsodann noch hiedurch zu ihrem intent nit gelangen.
3. Menses Papales, preces primariae und ähnliche Rechte müßten an den prote-
stantischen Stiftern erhalten bleiben, welches noch daß eintzige mittell, zu den
stifftern zu gelangen, nebens deme, daß alle die in odium religionis von den
capitulis newerlich aufgerichtete statuta et formulae iuramentorum wieder-
umb cassirt und abgeschafft werden.
Der von Kurtrier unter 4. gemachte Vorschlag sei zu unterstützen.
Kurbayern. Sie wehren der meinung gewesen, die gravamina beyseitzu-
setzen und denn punctum satisfactionis vorzunehmmen; weilen gleichwohl
die herrn gesanden darvorhielten, solche materi vorzunehmmen, begehrten
sie dieselbe nit zu hindern.
Die sach ahn sich selbsten undt zwar denn geistlichen vorbehalt belangendt,
wehre solches der catholischen höchstes kleinoth und davon im geringsten
nit abzuweichen oder dennselben zu infringiren, dan die geringste limitation
desßelben werde mutationem religionis nach sich ziehen. Sie (protestirende)
betten albereit in die 17 geistliche fürstenthumber in handen, in welchen
viel tausend under ihnen begriffen, undt wann sie sich der übrigen völlig
bemächtigen solten, würde der last des catholischen wesens allein auf die
weltliche, als Österreich undt Bayern, fallen, welche aber dennselben hier-
negst schwerlich würden begegnen können; undt weilen die gefahr so groß,
vermeinten sie, umb soviel mehr bey solchem vorbehalt zu bestehen undt
der antecessorn fuesstapffen zu inhaeriren. Die protestirende würden ihres
darfürhaltens uff einige renuntiation der in handen habenden geistlichen stiff-
21 einige renuntiation nit zu thun] Nach Kurbayern A II und Kurmainz B soll dies
ausdrücklich nicht nur für die Immediatstifter, sondern auch für die mittelbaren geistlichen Güter
und allen sonstigen kirchlichen Besitz gelten. In Kurbayern A II wird besonders betont, daß
ein ewiger Verzicht auf geistliche Güter unmöglich ist, da hierbei die iura tertii berührt werden.
Ferner wird hier ein Schreiben der Herzöge von Sachsen-Weimar an Kurpfalz ( 1556 VIII 21 )
zitiert, in dem die Rechtsgültigkeit des Geistlichen Vorbehalts anerkannt wird.
darvor, ihnen einige renuntiation nit zu thun, undt wan man es auch schon
thun wolte, könte solches doch die posteros nit verbinden, vermeinten
dahero, uff media suspensiva, wie die vorstimmende angeregt, zu gehen.
In der Frage des terminus ad quem solle man sich an den Prager Frieden halten,
im Notfalle könne man den Protestanten ihre Stifter auf 50 oder 60, höchstens auf
70 oder 80 Jahre überlassen, mit dem bedeuten, daß man nach verfliesßung
dieser iahr nit gleich zu denn waffen greiffen solte, und wehre hievon zu
excipiren Halberstatt, Osnabrugk , Minden undt Verden, welche ihre legi-
timos dominos hetten, und wehre der Lubeckische tractat wegen Verden
wie auch die menses Papales undt primariae preces undt die catholische
religion zu beobachten undt dabey zu bedingen, daß sie keine newe statuta
aufrichten, damit die catholische ebensowohl alß sie uff den stifftern zur
election kommen mögen.
Den protestantischen Stiftsinhabern sei Votum und Session nur auf Kreistagen, nicht
jedoch auf Reichstagen zu gestatten.
Kurmainz. Weilen bey denn herrn vorstimmenden kein sonderbahre dis-
crepanz , sich circa materialia heraußzulasßen, so wolten sie auch ihres gnä
digsten herrn meinung hiemit eröffnen; und zwar soviel denn geistlichen
vorbehalt betrifft, da hielten Ihre Churfürstliche Gnaden auch nach erwe-
gung der sachen bestendig darvor, daß von diesem puncto, darauf die
conservation der religion bestünde, keineswegs zu weichen; dafern gleich-
wohl vor rathsamb befunden werden solte, denn protestirenden ichtwas
einzuraumen, daß solches durch ein medium suspensivum zu thun.
Da der Prager Frieden schon 11 Jahre zurückliegt, soll den Protestanten der Besitz
der geistlichen Güter vom Zeitpunkt des Friedensschlusses an auf 50 oder mehr Jahre
zugestanden werden.
Daß aber ihnen wegen solcher inhabenden stiffter einige session oder votum
im reich solte gestattet werden, befinden sie keineswegs rathsamb, aller
masßen höchstgemelte Ihre Churfürstliche Gnaden bey iüngst bevorgewe-
sener Magdenburgischen admissionssach sich allschon, wohien sie derzeit
mit ihren gedancken geziehelet, genugsamb vernehmmen lasßen und derzeit
besorgt, es mögte dardurch in dem religionfrieden ein bruch gemacht undt
solches in hochschädliche consequenz gezogen werden. Sie hetten sich in
außgehendigtem revers ersehen undt befinden, daß die protestirende sich
erpietig gemacht, hiernegst, wann man zu denn consultationen kommen solte,
in den protocollis zu versehen, daß diese admission in keine consequenz
gezogen noch der catholischen religion zu nachtheil gereichen, wie wenigers
nit, daß noch der volgende Magdenburgische gesande ebenergestalt neben
dem andern diesen revers underschreiben solle. Dies ist bis jetzt noch nicht
geschehen und soll nachgeholt werden.
Die entsprechende Versicherung der Protestanten war bereits am 3. Februar 1646 im Fürsten
rat Münster zu Protokoll gegeben worden (vgl. Meiern II S. 263 ).
Wegen der Session dieser Stifter auf Kreistagen sei nach den Bestimmungen des Prager
Friedens zu verfahren .
Die nominationes Papales undt preces primariae wie auch Pontificia indulta
wehren auch ihres erachtens in alleweg zu behaupten, dann dieses noch daß
eintzige mittell, denn zutritt zu den eingezogenen stifftern zu behaupten,
dahero dieses wie auch, daß der herrn Churtrierischen errinnerung nach daß
catholische exercitium uff solchen stifftern gleichergestalt unverwehrt sein
solle, bey der handlung wohl zu beobachten, darzu sie sich dann ihrestheils
erpietig machen theten.