Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
227. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1645 September 7
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Osnabrück 1645 September 7
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 48a, Konv. c ( September – Dezember 1645 ) fol. 1–11’, 22–22’,
Auflösung der Chiffre fol. 13–20’, praes. 1645 September 16 – Druckvorlage – Kopie:
ebenda Fasz. 92 V ad nr. 798b fol. 555–562’; Giessen 206 nr. 43 S. 282–301 – Druck:
Gärtner VI nr. 17 S. 82–93.
Besuch des bessen-darmstädtischen Bevollmächtigten: Verhandlungsmodus; von Würzburg ange-
nommene schwedische Protektion; Verrat Bayerns am Reich durch seine Verhandlungen mit
Frankreich.
Am 1. September hat uns der hessen-darmstädtische Bevollmächtigte berichtet, daß
er Befehl habe, sein Votum so zu führen, damit |:in allem dero [ Ewer Mayestät ]
allergnädigsten intention nachgangen werde. Er habe uns diesen befehl anzei-
gen auch unß von seinen gedanckhen und bißhero bey den consultationen
gefüehrtem voto parte geben und unßere gemüetsmeinung darüber, ob er
darin mit der unserigen zutreffe, in vertrawen vernemmen wollen. Und sey
seithero seine meinung bey disem werckhe dahin gangen, das, weilen mit
der reichsdeputation nit vortzukommen, die consultationes zwar nach den
reichscollegien, die abtheilung aber also anzustellen sey, das zwey collegia
zu Münster und eines alhie angeordnet, und ein iedes seinen ordentlichen
im reich hergebrachten directoriis undergeben werden müesten. Welche
meinung anfangs bey den stenden einhellig gewest, sogar das die Schwedi-
sche gesandte selbst damit übereingestimmet, und der Salvius ihme, abge-
sandten , noch für 6 wochen, wie derselb ihme die visita geben, deutlich
gesagt, das er keinen füeglichern modum als selben vorzuschlagen wüste;
aber vor wenig wochen hero, und zwar seiter der zeit, das des erzstifft Mag-
deburgisches directorium etwas aufm fueß kommen, sodan der Hessen
Casselische und andere excludendi mit ad sessiones zugelassen worden,
heten sich die consilia geendert und beim mehrern theil der anweesenden
fürsten und stenden abgesandten die hoffnung angesezt, ob mögte etwo
ein solches directorium und die zulassung bemelter stendt können behaubtet
und dadurch den protestierenden in ihren praetensionibus bey diser hand-
lung grosser nuzen geschafft werden. Warüber mit den Schweedischen ge-
sandten , als mit welchen von allem, was vorgehet, vertrewlich communi-
ciert und sonderlich von den Hessen Casselischen ungeschewt immediate
aus dem rath an dieselbe übertragen wurde, allerhandt geheime underre-
dung gepflogen, und entlich der Schluß per maiora gemacht worden, das
die reichscollegia sowohl hier als zu Münster völlig anzueordtnen und ein
ieder standt ohne iemandts exclusion cum iure suffragii zuzulassen seye,
warbey ihnen dan etliche die gedanckhen machten, ob wirde vermittels
solcher abtheilung Österreich und Salzburg zu Münster allein verbleiben
müessen und sich alhie keines directorii beim fürstenrath anmassen können,
welchesfahls das Magdeburgische alhie wurde können behaubtet undt die
catholische per maiora überstimmet werden, zu welchem ende die vota
auß allen eckhen zusammengesuecht wurden, sogar das auch in vorschlag
kommen, das die fürstlich Mechelburgische wittib zu Gustro in vormundt-
schafft ihres jungen herrns, unangesehen herzog Adolf Friederich zu Me-
chelnburg fürstliche gnaden von selbiger fürstlich Mechelnburgischen witti-
ben selbst pro tutore legitimo selbiges minderjährigen herrns erkennet
würden, auch disen tag durch die ihrige zu beschechen zu lassen, einzu-
laden seye, dawider sich aber der alhie anwesender fürstlich Mechelburgi-
scher seithero widersezt hette.
Damit auch mit selben consiliis soviel desto sicherer möge durchgebro-
chen werden, sey zugleich der schlus gefasset, deme haus Bayrn session und
votum beim fürstenrath ex eo capita zu disputiren, weiln sich das chur-
fürstliche hauß Sachssen der session beim fürstenrath alsobald auf erlangte
churfürstliche dignitet begeben habe, also auch Bayrn zu begeben [ schul-
dig ] sey. Solte sich aber Bayern nit abweisen lassen wollen, das alßdan
beede heüßer Sachssen und Brandenburg auch herzuziehen und vor Bayrn
der vorsiz einzuraumen. Und darin stekh das secretum, warumb auf anstel-
lung der reichscollegien an beyden örttern so eyfferig getrieben wurde, und
vermeldete der abgesandter darbey, das man bey ersten anstoß dergleichen
ungestimmen consiliis waß nachgeben, sich aber daran nit schrekhen lassen
müsse. Es wurden sich die sachen allgemach selbst richten, sonderlich, wan
die rathsmittl under ihre ordentliche directoria würden gesezt sein und bey
legitimation der persohn unnd gewalden die frag, ob ein reichsstandt, der
in offener hostilitet wider sein oberhaubt, die Römische Kayserliche maye-
stätt , und das reich begriffen, Kayserlicher Mayestätt daß schuldige homa-
gium noch nit praestirt, noch auch die regalia noch confirmationem tutelae
empfangen, ia Kayserliche Mayestätt darumb zue ersuechen, sich nit gewür-
diget hette, ad consilia imperii zuezulassen, oder auch andere fürsten oder
ständt ihnen einen solchen werden fürsizen lassen wollen, der sachen nach
groß Hecht geben und die vota noch anders fallen, alß sich villeicht etliche
derzeit einbilden thätten; bevorab, wan bey solcher consultation ein ieder
standt des reichs auf sein eyd und pflicht, womit er Kayserlicher Mayestätt
und dem reich verwandt ist, solte verwiesen und seines gewissens und schul-
digkeit erinnert werden, gestalt ihme, abgesandten, dan genugsamb bewust,
das bey solcher begebenheit Magdeburg so wenig alß Hessen Cassel oder
einig ander von denen excludendis werde fortkommen können. Eß gingen
gemeinlich die sachen ersten anfangs waß unordentlich her, kommen doch
endtlich zu richtigkeit, massen sich dan auch seither iüngster unser bey den
ständen der conferenz halben in loco intermedio beschehenen ferneren erin-
nerung und zu gemüht gefürtem bedenkhen, die gemühter merkhlich und
dergestalt geändert hetten, daß es der conferenz halben verners nit werde
bedenckhen haben, sonderlich, wan die stände vernemmen solten, das die
consultationes nach den reichscollegien nicht solten schwer gemacht wer-
den , dan selbiges bedenkhen liege vornemblich im wege, und weren die
stände bey iüngster consultation, die sich domahls wegen vorgeschlagener
conferenz also weigerlich bezeügt, von denen Schweden verleitet worden,
indeme dieselbe vorgeben dörffen, ob solten denen Kayserlichen gesand-
ten ernstliche bevelch und decreta, warin ein gewisser modus, so Ewer
Mayestätt bey den consultationibus gehalten haben wolten, vorgeschrieben
worden, von Kayserlichen hoff zukommen sein, umb denen ständen bey
solcher conferenz fürzuhalten und zu intimiren, auch dieselbe dabey ihrer
eyd unnd pflichten zu erinnern und zu schuldigster parition anzuweisen.
Es hetten aber die gesandten auß unsern damahligen discursen und ihnen
zu gemüth geführten glimpflichen erinnerungen soviel verspühren können,
daß dieses vorgeben ohne fundament sein müße; derhalben sich endtlich
entschlossen, nochmahls bey denen Münsterischen einen versuch zu thuen,
ob sich dieselbe den alhie vorgeschlagenen modum wegen anstellung der
reichscollegien an beyde örtter mögten belieben lassen. Es falle aber deren
erklärung darauf, wie sie wölle, so würden sie sich doch endtlich der con-
ferenz halben bequemen. Er, abgesandter, habe unß dises auß gutem vertra-
wen und in ansehung, das er von hochgemelt seinem fürsten und herrn zu
underhaltung vertrewlicher correspondenz mit unnß sey angewisen worden,
entdekhen und benebens unnsere gedankhen circa modum ipsum consul-
tandi , fürnemblich aber, ob er, abgesandter, mit seiner meinung recht daran
sey und ihr Kayserlichen mayestätt intention nachgehe, vernemmen wollen,
mit bitte, alles in guetem zu vernemmen und gegen ihne hingegen in ver-
trawen heraußzugehen.
Wir haben ihm gedankt und ihn vertraulicher Korrespondenz und der Geheimhaltung
versichert. Wir haben ihn ersucht, uns auch künftig offen vorzutragen, was er zu
dienst des gemeinen weesens halte, bevorab, weiln ihme bewust, das wier
fast von menniglichen verlassen und niemand wusten oder hetten, der mit
unnß über ichtwas communicirte, sodan daß unß über den punct, den mo-
dum consultandi betreffent, sobald unß von Münster auß, was alda wegen
vorgeschlagenen conferentz geschlossen worden, bericht zuekommen
würde, was mehr vernemmen lassen wolten.
Hat der abgesandter es selbst beklagt und ihme leider mehr dan zuviel
bewust zu sein vermeldet, wie fleissig bey denen Schweeden über alles vor
und nach dem rath communicirt, die Kayserliche aber immer vorbeygangen
wurden, wiewohl die ursach unnschwer zu erathen, dan bey denen consul-
tationen solche sachen fürkommen, so wieder Gott, ihr Kayserliche maye-
stätt und daß gewissen sey. Hat sich sonderlich ob dem doctor Friz ver-
wundert , daß derselbe so hart reden dörffen, sey aber erschrokhen, wie er
vernommen, das derselbe gleich andern tags darnach von Gott sey berührt
worden und hette man sich wohl an einem solchem exempl zu spiegeln.
Der furstlich Culmbachische, Mechelburgische, Hessen Darmbstadische
und statt Nürmbergische hetten bey disem werkh allzeit aufrichtigt gehan-
delt und redliche vota geführt, die übrigen aber wehren fast alle mit weit
aussehenden reden aufgezogen, ia der Dr. Lampadius so hizig bezeüget,
das ihme, abgesandten, in seinem voto einreden dörffen, deme er aber der-
gestalt begegnet hette, daß er sich dergleichen wohl nit mehr wurde under-
fangen ; der wolle sich zu allen sachen, wo man unverschambt im reden sein
müst, gebrauchen lassen. Der Hessen Casselische habe in voto erinnert,
wan es zu abtheilung der reichscollegien kommen, so müssen von hieraus
rechtschaffene leüthe (sein die formalia gewest), so denen catholischen zu
Münster einzureden wusten, abgeferttigt werden, warauf sich der Lampa-
dius alsobaldt zu der hinüberreis nacher Münster anerbotten, mit vermel-
den , das er ein maul habe und denen catholischen wohl wurde zu begegnen
wissen; andere aber betten über das wort „rechtschaffene leüthe“ den spot
getrieben und gefraget, ob dan der Lampadius allein und sie nit auch recht-
schaffene leüthe weren, es köndte niemendt nacher Münster reisen, er müsse
dan von allen darzu deputirt sein, und in summa, so wurde von den Mün-
sterischen und disen convent nit anders geredt, alß wan es ein separatweesen
und die catholischen allezeit Münsterische, die protestirende aber alhier
sein wurden. Es lige nur an deme, das die sachen an die ordentlich directoria
gebracht werden, so würden ihrer noch viel confundierter darvongehen,
dan selbige richtigkeit würde ihnen die augen eröffnen, das ihnen ihre ein-
gebildete anschleg nit würden zum effect zu bringen sein.
Über dises hat unß bemelter abgesandte eine relation des statt Nürnbergi-
schen syndici an selbe statt uber einen discurs, so der Oxenstern den 20.
Augusti iüngsthin mit selbem stattsyndico gehalten haben soll, fürgelesen,
welche relation ihme von selbigs Nürnbergischen syndici scribenten inge-
heimb communiciert sey. Und war der discurs dises inhalts, nemblich, es
hette ihme, syndico, der Oxenstern erzehlet, das ihr fürstliche gnaden, herr
Bischoff zu Würzburg, Schweedische protection angenommen hetten, erst-
lich durch zween ihrer rethe mit dem Schweedischen generalcommissario
Chemnitio
Dr. Martin Chemnitz (1596–1645), seit 1630 schwedischer Geh. Rat und Generalkriegs-
kommissar für den fränkischen und schwäbischen Kreis; vgl. ADB IV (1876) S. 118 .
aber der Chemnitius den bogen zu hoch gespannen und sonderlich auf ein-
raumbung einer vestung getrungen, die fürstlich Würzburgische aber dar-
auf nit instruiert gewest, hetten dieselbe den Chemnitium vermögt, das er
mit ihnen nacher Würzburg geritten, alwo dan die sache mit ihr fürstliche
gnaden immediate selbst dergestalt geschlossen worden, das zwar die cron
Schweeden die eine condition wegen einraumung einiges plazes, weilen
diser bischoff darauf bestanden, ehender alles zerschlagen zu lassen und sich
in Franzößische protection zu begeben, alß selbe condition einzugehen,
habe fallen lassen; und scheint selbiges herren bischoffs parol und zusag
contentiert, dan der Chemnitius die versicherung gethan, das wan trew und
glauben in der welt gehalten werden solte, so hette man sich darauf zu ver-
lassen , das selbigs herren bischoffs zusag würde gehalten werden. Wegen
der contribution habe man sich der verfallenen halben auf 32.000 reichs-
thaler , davon die halbschiedt alsobaldt, die andere aber in zwen termin und
zwey monathen abgefüehrt, sodan inskünfftig monathlich 5.000 reichsthaler
erlegt werden sollen, verglichen.
Es hette sich selbiger bischof gegen dem Schwedischen commissario
zuforderst wider Churbayern sehr beklagt, das derselbe die vier obrigen
craiß gedechte in Franzößischen schuz, aber in effectu under sein joch zu
bringen, weiln er darüber das directorium zu behalten gedenckhe. Es sey
ihme, bischof, solches nachdenckhlich, die Französische consilia aber alle-
zeit verdechtig vorkommen, und weilen er vermerckt, das die Schweeden
mehr auf erhaltung des status imperii gerichtet, als wolle er sich lieber in
der cron Schweeden alß Franckhreich schuz einlassen, aber einigen orth
könte noch wolte er einraumen, weilen sonsten Churbayern dergleichen
praetendieren wurde; der sueche vermitels des königs in Franckhreich assi-
stenz sich bey der chur zu halten, versicherte dagegen selbigen könig, das
er ihme des Römischen reichs cron wolle auf den Kopf sezen, so doch Chur-
bayern allein zu thuen nit mächtig seye. Sey wohl zu schmeckhen, was
Franckhreich bey disem krieg sueche; der Teutschen uneinigkeit
467, 35-40 sey dessen glickh – weiln die catholische religion]. In den Kopien ( hier nach
Fasz. 92 V ) sey dessen glickh. Seye zu erbarmen, das es die Teutschen nit erkenten.
Die geistliche güetter sein des kriegs nit werth, das man darumb krieg füehren solte.
Der Oxenstern hete hinzugesetzt, das sie, Schweedische, auch nachricht hetten, wie
eiferig sich Bayern umb die Französische protection bewurbe; der Franzößische
clerus liege dem krieg starckh an, damit man Churbayrn dergestalt mit macht nit
zusetzen wöllen, weil die catholische religion. – lige dem krieg starckh an ist offen-
sichtlich falsch, richtig bei Gärtner könig starck an. In Wien war man mit der Auflösung
der Chiffre nicht fertig geworden und setzte lige dem krieg an Bayern, dann folgt eine Lücke.
Am Rande ist vermerkt in der ziffra kombt ordentlich lit lacht, es war also l und m ver-
wechselt worden.
glickh. Die geistliche güetter sein des kriegs nit werth. Oxenstern sagt, das
sie wusten, wie eiferig sich Bayern umb die Französische schuzung bewurbe;
der Französische clerus lige dem könig starckh an, damit man Churbayrn
dergestalt mit macht nit zusetzen wöllen, weiln die catholische religion
darbey leiden.
Der herr nuntius apostolicus zu Münster und Venetianischer abgesandter
warneten auch Franckreich fur dergleichen gefahr, es wurden aber Bayern
seine anschleg nit angehen.
Bamberg auf selbe conditiones Schweeden ergeben, gebe monathlich 2000
reichsthaler contribution. Er, Oxenstern, hette gesagt, daß er die pfaffen
loben müeste, so die religion von den politischen sachen separierten und
moderata consilia füehrten:|. Dieß seindt nuhn allerhandt wichtige und
weitaußsehende sachen, so wier billich an seinen ortt, ob und wieviel den-
selben zu trawen, gestelt sein laßen.