Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
186. Nassau und Volmar an Ferdinand III Münster 1645 Juli 7

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Nassau und Volmar an Ferdinand III.


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Münster 1645 Juli 7

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Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 49a, Konv. A ( Juli – September 1645 ) fol. 1–4’, 22–22’,
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praes. 1645 Juli 19 = Druckvorlage – Konzept: ebenda Fasz. 92 V nr. 723 fol. 258–
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261’ – Kopie: Den Haag A IV 1628 nr. 17; Giessen 205 nr. 283 S. 1521–1534 –
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Druck: Gärtner V nr. 92 S. 406–415.

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Unterschiedliche Meinungen der Reichsstände über den Verhandlungsmodus. Geplante Konferenz
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in Lengerich hierüber. Einzug und Titel für Longueville. Ablehnung des Exzellenztitels für
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die kurfürstlichen Bevollmächtigten durch Peneranda. Einzug Penerandas.

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Wir haben vorgestern zwei Weisungen vom 21. Juni

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[ Nr. 180 ] und eine Weisung, mit der ihnen Kopie der Weisung Ferdinand III. an Lamberg und
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Krane vom gleichen Tag zuging, in der diese aufgefordert wurden, bei den schwedischen Bevoll-
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mächtigten einen Geleitbrief für die kursächsischen Bevollmächtigten zu verlangen. [ Vgl. S. 382 ]
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Anm. 1.
erhalten. Hinweis wegen der
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Beratungen in Osnabrück über den modum consultandi auf nr. 181. Die Stände haben
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infolge zwiespältiger Meinungen erst am 29. Juni ihre Erklärungen den kaiserlichen
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Gesandten in Osnabrück übergeben, innhalts wie die mitgeförtigte abschrifften
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lit. A. B. außweisen thuend. Und gehet die eine mit nr. 1 bezeichnet, welche
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von Costanz, Braunschweig, Hessen Darmbstatt, Württenberg und Nürn-
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berg für die besser und annemblicher gehalten worden, dahin, das die
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reichsdeputation zwar in irer verfasßung verbleiben, aber durch derselben
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mitell auch anderer nondeputatorum statum vota vernommen, mit demihe-
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nigen deputato ordinario, aus dessen craiß ein und andere nondeputati
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seint, soweit möglich pro unico voto verglichen und folgendts in consilio
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deputatorum proponiert werden solle. Die andere aber, deren sich alle übrige
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protestierende und sonderlich dieihenige, so sonst in allgemeinen reichs-
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tägen kein session und stimme haben, beypflichtig machen thuend, wollen
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die berathschlagungen per modum collegiorum, wie uf denn reichstägen
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zu geschechen pflegt, eingerichtet, welches das ärgste ist, undter den dreyen
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collegiis eins, und zwar allem bericht nach das fürstencollegium, zu Oßna-
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brugg haben. Und ist dabei in acht zu nemmen, das darinn gleich im eingang
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die hierundter an obbestimbte deputatos ordinarios gethane proposition
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und zuegestelter extract gar nit in denen terminis, wie die formalia lauten,
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sondern zu besonderem vortel in weit mehrere generalitet angezogen und
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reassumiert werden.

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Dise beede erclärungen haben wir nun den allhießigen churfürstlichen rä-
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then und gesandten vergangnen montags zuegestelt und dabei anvermahnt,
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das sie nunmehr dahin sechen solten, damit die über dise materi veranlaste

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conferenz ohne lengeren anstandt möchte volnzogen und ins werckh gesezt
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werden. Und seint hierauf berichtet, das es biß negstkommenden sontag zu
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Lengering beschechen soll, mit begehren, das auch wir und unsere collegae
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wa nit sambtlich doch iemandt aus unserm mitel dabey erscheinen wolten.

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Bei solcher bewandtnus ist biß anher nit möglich gewesen, zu einiger con-
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sultation in dem haubtwerckh zu gelangen; neben dem wir vermerckhen,
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das ohne das allerseits über die eingeschickhte Schweedische und Franzö-
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ßische propositiones von denn herren principalen, wie man sich dargegen
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zu verhalten haben solt, resolution und bevelch erwartet würdt.

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Wegen des Titels für Longueville Hinweis auf nr. 181. Beilage C gibt umständlich,
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was bei Einzug des Herzogs verloffen, mit was für argumentis und starcker
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nachfolg die andere beede Franzößische plenipotentiarii d’Avaux und Ser-
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vient an uns gesezt, darüber wir dann Ewer Kayserlichen Mayestät gesand-
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ten zu Oßnabrugg auch zuegeschriben und ires guetachtens zwar annoch
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erwartend seint

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Am 4. Juli 1645 baten Nassau und Volmar ihre Kollegen in Osnabrück um ihr Gutachten
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( Konzept: RK , FrA Fasz. 92 V nr. 719 fol. 238–241 – Kopie: Den Haag A IV 1628
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nr. 17; Giessen 205 nr. 267 S. 1463–1472 – Druck: Gärtner V nr. 86 S. 389–394 );
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da Krane abwesend war, fertigte Lamberg das Gutachten an, das vom 6. Juli 1645 datiert ist
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( Ausfertigung: Den Haag A IV 1628 nr. 17 – Kopie: RK , FrA Fasz. 92 V nr. 726
43
fol. 278–281; Giessen 205 nr. 268 S. 1472–1480 – Druck: Gärtner V nr. 90 S. 400–
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405 ).
. Dieweil aber die Spanische plenipotentiarii sich solcher
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praetension eben sehr starckh widersezen, zumalen beede mediatores, als
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herr nuncius und der Venetianische potschaffter, noch bißher gleicherge-
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stalt nit nachgeben wollen, sondern sich gleichsamb uf uns beziechen thuend
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und doch heimblich nit gern sechen, das man disem herzogen hierundter
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willfahren solt, so befinden wir wie lenger ie mehr, das uns ohne Ewer
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Kayserlichen Mayestät gemessenen bevelch solche titulatur nachzugeben
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nit verantwortlich fallen wolte. Da er aber sich von uns in tertia persona
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mit den wortten „illustrissimus dominus dux“ ohne beysezung einiges
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praedicati in abstracto wolte ansprechen lassen, inmaassen die mediatores
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bißher uf solche manier ire visita zu verrichten anerbiettend gewesen, aber
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sovil wir wissen, noch zu keinem vergleich kommen seint, so verhofften
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wir auch unsersortts, es wurde bey Ewer Kayserlichen Mayestät verant-
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wortlich sein, das wir daraufhin gegen ime die gebürende complimenti ver-
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richten theten. Unsere rationes in contrarium seint sonst dise nachfolgende:
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Erstens, das diß ein ganz neülicher gesuech, und ungeacht diser herzog
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gleich anfangs in der Franzößischen vollmacht mit denn anderen beeden als
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ein plenipotentiarius Gallicus einkommen, iedoch ohne einigen underschidt
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und außzug seiner person der titulus „excellentia“ vor die Franzößische
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plenipotentiarios in genere capituliert und verglichen worden. Zum andern
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ist bekandt, das er kein freyer noch mit hochen königlichen regalien fun-
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dierter fürst seye, dann was sein herrschafft Welches Neüenburg anlangt,
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wann man erwegen will, was ime daselbst von der statt Bern in der Schweiz

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vor eintrag geschechen thuet, kan er sich wol keiner sovranità berüemen.
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Zum dritten, das ime in Franckreich selbst dergleichen praedicat bis daher
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niemaln gegeben worden. Zum vierten, das ebenmäsßig an Ewer Kayser-
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liche Mayestät Kayserlichen noch anderen hochen fürstlichen höfen in
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Teütschlandt dergleichen außländischen, von Römischen Kayseren und
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königen nit befreyten fürsten solche titl nit verstattet werden. Zum 5., das
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die Spanische ministri solches starckh widerfechten, undterschidtliche casus,
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da mit dergleichen Franzößischen fürsten als mit ime, Longavilla, selbst,
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conte di Soisson, duc de Bouillon, gehandlet wird, allein das praedicat
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„excellenza“ gegeben worden sey, allegieren und anziechen thuend. Zum
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6., das die mediatores selbst diser widrigen mainung verbleiben, ausserhalb
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das sie sich vernemmen lassen, wann der anfang von uns gemacht, so alß-
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dann auch folgen würden.

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Auf die von denn Franzosen beygebrachte behelff würdt geantwortet, sovil
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den anzug, das er von königlichem geblüett seye, anlangt, das auch der-
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gleichen fürsten dises praedicat nit geben werde, wie mit dem conte di
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Soisson exemplificiert ist. Neben deme der ursprung dises iuris de sanguine
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regio ex linea infecta herkommen soll. So gestehen die Spanische nit, das
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herr marchese Castel Rodrigo dem baron de Tramble

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Über ihn konnte nichts ermittelt werden.
, so dem herzogen
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durch die Niderlanden zum gleitcommissario zuegeben worden, bevolchen
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hete, inen d’altezza zu tractieren, sonder es bezeugt der herr conte Pene-
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randa das contrarium. Ebenmäsßig bezeügt sich don Saavedra bestendig,
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das er dem Franzößischen residenten Romain rundt gesagt, sie, Spanische,
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könten und wolten dises neüe praedicat dem duca di Longavilla nit geben.
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Das man aber bei dennselben durch nachgebung dises praedicats einen meh-
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ren glimpf und guete anaignung bei denn vorstehenden fridenshandlungen
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erhalten werde, ist zwar wol zu glauben, aber hingegen auch leicht zu erach-
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ten , das er aus seiner instruction nit werde schreitten derffen.

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Die beede Spanische plenipotentiarii, don Diego Saavedra und Dr. Bruin

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Antoine Brun ( 1599–1654 ). Über ihn DBF VII ( 1956 ) Sp. 507–508; vgl. APW II C 2
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S. 1 Anm. 2.
,
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seint vorgestern mitwochs bei uns gewesen und haben uns angezeigt, wel-
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chergstalt herr conte Peneranda inen zu verstehen geben, nachdem er bei
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seiner ankonfft zu Prüssel vernommen, das man alhie die churfürstliche
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gesandten auch „da excellenza“ zu tractieren angefangen, darvon man aber
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am Spanischen hof zu seiner abförtigung noch keine nachricht gehabt, son-
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dern inen dergleichen tractaments halber in seiner instruction uf den alten
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stylum gewisen; also hete er alspaldt an ire königliche mayestät zurugg umb
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weitern bevelch seines verhaltens geschriben, und wolte ime derentwegen
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unerwartet dessen nit gebüren, angeregtes praedicat denn churfürstlichen
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zu geben. Liesse es iedoch, sovil seine collegas anlangte, in dem standt, wie
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ers befunden hett, verbleiben, mit ersuechen, wir wolten solches denn chur-

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fürstlichen gsandten mit guetem glimpf zu wissen machen, damit ander-
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werts etwan befahrende misßverstände verhüetet würden. Mit diser gelegen-
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heit haben sie auch wegen dess praedicats gegen dem herzogen von Longa-
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villa abermaln anregung gethan und darauf verharret, das ime dißorts
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nichts nachgeben werden solte, daher ich, graf von Nassau, gleich am nach-
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mittag , als der Servient an mich geschickht, umb ein mehrer resolution von
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mir zu vernemmen, ime alsogleich anzeigen lassen, das wir zwar dessent-
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wegen noch von unseren collegis zu Oßnabrugg einer antwortt erwarteten,
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wir heten aber in ferrerm nachgedencken sovil ungelegenheiten befunden,
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das wir einmahl kein möglicheit sechen köndten, wie dem herzogen zu
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willfahren sein solte.

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Was aber die Spanische wegen dess conte Peneranda uns angezeigt, das
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haben wir denn churfürstlichen bestermassen zu wissen gemacht, iedoch
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darüber noch kein erclärung empfangen.

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Vorgemelten mitwoch abents gegen 7 uhr hat der conte Peneranda in
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beglaittung der anderen Spanischen plenipotentiarien zugleich sein einzug
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gahalten, aber in vil weeg sich der hochheit, so vom duca di Longavilla
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gespieglt worden, nit gebraucht.


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Beilagen


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A Erklärung des Bevollmächtigten von Konstanz über den modum consultandi. Kopie: RK ,
21
FrA Fasz. 49a, Konv. A ( Juli – September 1645 ) fol. 12–14’ Kopie: ebenda Fasz. 92
22
V ad nr. 723 fol. 263–266’; Den Haag A IV 1628 nr. 17. ]

23
B Erklärung der Bevollmächtigten von Fürsten und Städten über den modum consultandi.
24
Kopie: RK , FrA Fasz. 49a, Konv. A ( Juli – September 1645 ) fol. 16–19’. [ Kopie: ebenda
25
Fasz. 92 V ad nr. 723 fol. 269–272’; Den Haag A IV 1628 nr. 17. ]

26
C Extractus protocolli, Münster 1645 Juni 30 – Juli 4. Kopie: RK , FrA Fasz. 49a, Konv. A
27
( Juli – September 1645 ) fol. 7–10’ – Druck: Volmar S. 186–189. [ Kopie: Den Haag
28
A IV 1628 nr. 17; Giessen 205 nr. 284 S. 1534–1550. ]

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