Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
97. Nassau und Volmar an Ferdinand III Münster 1645 Februar 10
Münster 1645 Februar 10
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 49a, Konv. A ( Januar – März 1645 ) fol. 63–70, praes. 1645
Februar 21 = Druckvorlage–Konzept: ebenda Fasz. 92 IV nr. 555 fol. 333–339–Kopie:
Den Haag A IV 1628 nr. 16; Giessen 205 nr. 75 S. 310–327–Druck: Gärtner IV
nr. 91 S. 353–363.
Reise d’Avaux’s nach Osnabrück. Mängel der neuen spanischen Vollmacht. Drängen auf Heraus-
gabe der französischen Proposition. Audienzersuchen Andradas bei Wartenberg. Begehren des
Kurfürsten von Brandenburg auf Durchzug brandenburgischer Reiter durch das Stift Münster.
Unterredung Serviens mit Wartenberg: Freilassung Melschedes, Exzellenztitel für die kurfürst-
lichen Bevollmächtigten, Mängel der neuen spanischen Vollmacht.
Wir haben die Weisung vom 13. Januar
Vgl. [ nr. 40,2. ]
wir mitgeteilt, daß wir Befehl haben, sowohl mit ihm als den kurbayerischen Gesandten
gutes Einvernehmen zu halten; letztere halten sich noch in Hamm auf. Die zugleich
mit Botelhos Leiche beschlagnahmten Schriften enthalten nur Privata und sind des-
halb alsbald wieder zurückgegeben worden.
Vergangnen freytags, den 3. huius, ist der conte d’ Avaux damalen nach
Oßnabrugg zu denn Schweedischen plenipotentiariis verreist, aber noch uf
dato nit widerkommen, daher auch entzwischen weiter nichts die fridens-
tractaten betreffend gehandlet worden. Allein haben beede herren media-
tores selbigen tags uf den abendt uns angefüegt, waßmassen sie die von allen
theilen inen zuegestelte neüe vollmachten gegen denn depositierten formu-
laren collazioniert und zwar die unsere wie auch die Franzößische dem ver-
glich allerdings von wortt zu wortt gerecht und gleichlautend, die Spanische
aber in etlichen stellen misßstimmend befunden, deßwegen sie bereits mit
den Spanischen gesandten gehandlet. Die heten es in summa dahingestelt,
das solche ire außferttigung der neüen vollmacht auf ihre erste relation vom
6. Novembris negsthin und also vor der entlich verglichenen formula assecu-
rationis , so erst den 20. eiusdem beschechen
laut eines vorgewisenen originalschreibens will und mainung gewest, das
die neüe außferttigung demjenigen, so alhier verglichen, allerdings gemess
beschechen sollen, sonst aber in den substantialibus einiger mangl nit zu be-
finden wer. Nichtsdestweniger wolten sie alspald ferrer erinnerung an den
königlichen hof thuen, damit dieihenige passus, in welchen von der aufge-
sezten gemainen minuta abgewichen worden, verbessert und dem verglich
gleichlautend gemacht werden, in hoffnung, weil im übrigen dise ire neüe
vollmacht an sich selbst genugsamb und untadlhafft, es soll den fürlauffenden
handlungen inmittelst kein hindernus gebären. Die stellen aber, so dem ver-
glich nit gemäss, seint dise: Erstlich werden drei neüe plenipotentiarii ge-
nennet , als der duca di Medina de las Torras
Caspar de Bracamontey Guzmán, III. conde de Peñaranda ( um 1595–1676 ). Vgl. APW [ II C 2 S. 11 Anm. 1 und ] V. Kybal S. 298 Anm. 1.
erzbischoff von Camerich
Joseph de Bergaigne OFM ( 1588–1647 ), seit 1641 Bischof von ’s-Hertogenbosch, erwählter
Erzbischof von Cambrai. Über ihn vgl. BN II ( 1868 ) Sp. 175f., NNBW I ( 1911 ) Sp. 313f.,
Dictionaire d ’ histoire VIII ( 1934 ) Sp. 434ff., APK 1918–1922, APW [ II C 2 S. 1 Anm. 4 und ] V. Kybal S. 299 Anm. 1.
ahn Ewer Kayserliche Mayestät titulirt, dergleichen nit im concept zu finden.
3. Seye die clausula, wie in dess einen oder andern abweesen die übrige in der
handlung zu verfahren bemächtiget oder nit bemächtigt sein sollen, nit ge-
nuegsamb außgetruckht sondern zweiflhäfftig gesezt. 4. Were die königin
in Franckreich nit mit gleichem praedicat wie Ewer Kayserliche Mayestät
gemeldet. Und letstlich were das datum nit uf die vorgehende alte vollmacht,
sondern uf die zeit diser neüen expedition gerichtet. Sie, mediatores, heten
uns solche beschaffenheit darumb anfüegen wellen, damit wir der sachen
nachdencken möchten, dann sie besorgten, die Franzosen derfften wol hier-
aus abermaln ursach nemmen, die handlungen zu verlengeren.
Wir haben es zu bedencken genommen, und dieweiln sich gleich nach irem
abtritt der herr bischoff von Oßnabrugg sambt seinem adiuncto, dem cano-
nico von Landtsperg , bey uns eingestelt, haben wir ime solches alles
communicirt, da dann von uns sambtlich darfür gehalten worden, das im
namen Ewer Kayserlichen Mayestät wir diser eraigenden unrichtigkeit un-
gehindert in unserem proposito wol verharren und begeren köndten, das die
Franzößische plenipotentiarii vor außwexlung der vollmachten zu voln-
ziechung irer ad 4. Decembris gegebener parola uns ein proposition super
mediis pacis edieren solten; und wann sie wegen erscheinenden mängl-
hafftigkeit der Spanischen vollmacht sich ufhalten wolten, replicieren lassen,
das sie dessen kein ursach, weil bekandtlich, das undterschidliche caussae in
disem negocio pacis universalis gehandlet werden müesten, also wol die-
ihenige , so Ewer Mayestät und das heylige Römische reich immediate be-
treffen theten, vorgenommen werden köndten, darzue wir als Kayserliche
plenipotentiarii genuegsamb bevollmächtiget, und mit uns destwegen kein
disputat wer.
Damit nun aber die Spanische gesandten nit vermeinten, man wolte sich
hierdurch von inen absönderen, so wer ein notdurftt, destwegen vorderist mit
inen zue reden. Wie dann folgenden sontags, den 5. huius, beschechen und
mit Don Saavedra
Diego de Saavedra y Fajardo ( 1584–1648 ), vgl. APW [ II C 2 S. 3 Anm. 3 ] , Kurzbiographie
bei V. Kybal S. 1132f.
dahin gesezt worden, das man ahn die Franzosen simpliciter die eröffnung
irer proposition super mediis pacis sine determinatione, ob es die reichs-
oder andere sachen berüehren möcht, suechen und begehren und darüber
irer erclärung erwartten und nach gestalt derselben weiters deliberieren
solt, was man unserseits ze thuen haben werde.
Montags, den 6. dis, haben wir uns sambtlich zu dem herrn bischoffen von
Oßnabrugg verfliegt und ime in beysein vorbemelts canonici solche mainung
vorgehalten. Der erclärte sich hierauff, das er gleichergestalt nit für unrathsamb
erachten thet, angeregtes begeren durch die herren mediatores an die Franzo-
sen gelangen ze lassen. Allein were zu besorgen, die Franzosen möchten sich
zu keiner proposition verstehen wellen, ehe dann die außwexlung der voll-
machten geschechen. Solte man es dann difficultieren und darmit die handlung
ufhalten wollen, so wurde es übel außgelegt werden. Wir haben hierauf geant-
wortet , unsere mainung wer nit, das man per omnia die commutation verwaige-
ren , sondern allein vorderist das petitum de edenda propositione an die
Franzosen gelangen lassen solt. Wann sie sich aber erclärten, das sie vor
erfolgter außwexlung nichts handlen wolten, so könte darein gar wol ge-
williget werden, doch das die Franzosen ir parola geben theten, alßdann
facta commutatione die begerte proposition, darzue sie doch ohne das noch
vor eingelangten neüen vollmachten crafft ires gegebenen wortts verbun-
den waren, zu eröffnen. Solte dann ein proposition de diversis materiis et
mediis pacis heraußkommen, so wurde man alßdan darvon ze reden haben,
wie man den anfang machen und die reichssachen vorderist in handlung
bringen köndte. Darbey ists verblieben und für guet gehalten worden
zu erwartten, bis der d’ Avaux wider von Oßnabrugg alhier angelangt, und
alßdann bey denn herren mediatoren solche mainung anzebringen.
Vorgestrigen mittwochs, den 8. huius, ist gedachter herr bischoff abermals
zu uns kommen, mit anzeig, das der alhier anweesende Portugesiche gesandt
Francisco d’Andrada Leitäo ( Ende 16. Jhd. – 1655 ), vgl. APW [ II C 2 S. 227 und ] V. Kybal
S. 201 Anm. 2.
zu ime geschickht und umb audienz zwar nit als ein gesandter, sondern als
ein privatcavaglier angesuecht. Begerte darüber unsers guetachtens, dann
der Portugeß brauchte zu seinem argument, das er sich fur kein gesandten
außgebe, zumalen Portugal mit Ewer Kayserlichen Mayestät und dem reich
in unguetem nichts ze thuen. Darauf haben wir ime geantworttet, wir heten
vom herrn nuncio verstanden, das er disem Portugesen weder als ge-
sandten noch als privato audienz ertheilen wellen, sondern es ime zum
dritenmahl abgeschlagen, also möchte volleicht besser sein, seine fürstliche
genaden theten ine noch derzeit auch davon abweisen, dann wir heten
ohne das vertrauliche nachricht, das die Franzosen anstatt irer proposition
vor allen dingen uf die zuelasßung dises Portugesen als eines gesandten, und
zu solchem ende ime ein salvum conductum zu ertheilen, tringen wurden.
Wir wolten iedoch hierdurch ime, herrn bischoff, weder maaß noch ord-
nung vorgeschriben haben etc., und weil er sich darauf der sachen ferrer
nachzedencken benommen, als habens wir auch dahingestelt sein lassen.
Sodann hat er uns innhalts der beyligenden abschrifften A. B. angezeigt, das
der churfürst von Brandenburg undterm schein und vorwandt, das er mit
eheistem sich selbst in dise landt, umb den fridenshandlungen nächender ze
sein, zu begeben vorhabens, 500 reütter als seine leibguardi durch dise stifft
Münster in die grafschafft Ravenspurg einzequartieren commandiert,
welches nun ein sach von weit aussechender consequenz, dardurch sonder
zweifel die contributiones disem craiß entzogen, die Kayserlichen völcker auf
die stiffter zuesamengetriben und besorglich noch mehr andere sachen prac-
ticiert werden möchten. Vor dißmahl aber were es ime, herrn bischoffen,
allein umb die abwendung dess durchzugs durch die stifft Münster zu thuen.
Wir sagten ime, das diss sachen weren, so denn reichsconstitutionibus zu-
wider , und möchte solches denn Churbrandenburgischen räthen zu Cleven
zu gemüet gefüert, auch in crafft dessen die abwendung dess angemasten
durchzugs begert werden. Im übrigen werden Ewer Kayserliche Maye-
stät der sachen notdurfft zu bedenckhen wissen, deren wir solche bewandt-
nus gehorsamist zu referieren nit underlassen wolten. Und weil bereits
hiervor disem underschidliche discurs und reden außgesprengt worden, ob
solte hochgedachter herr churfürst mit hilff der Generalstaaden sich der
Gülch-, Berg- und Clevischen landen völlig zu impatronieren vorhabens
sein
Kf. Friedrich Wilhelm bestritt die Rechtmäßigkeit des Provisionalvertrags von 1629, da an-
geblich die Erträge des pfalzgräflichen Anteils an den jülich-bergischen Landen fast zwei Drittel
der gesamten Einkünfte anstatt der 1614 vereinbarten Hälfte ausmachten; vgl. E. Opgenoorth
S. 140ff. und Urkunden und Akten IV S. 11ff. und 147ff.
Gestern hab ich, graf von Nassau, folgenden weitern verlauff von mehr-
gedachtem herrn bischofen vernommen. Es were nemblich vorgestern
abendts der Franzößische plenipotentiarius, monsieur Servient, ausserhalb
der statt im spazierenfahren uf ine gestossen, und weil der zu fuess gangen,
wer er, herr bischoff, auch außgestiegen und mit demselben in ein conversa-
tion gerathen, da dann der Servient erstens dess Bodelli verbleibender resti-
tution meldung gethan, auch als er demselben repliciert, das es allein an dem
erwenden thete, das die Schweeden entzwischen den thumbdecan von
Oßnabrugg, der doch crafft dess praeliminarvergleichsbillichbefreyet sein sol-
len und sonst neben anderen sein zuegebener rath in disen fridenshandlungen
wer, zu Münden in verhafft genommen, sich darauf erbotten, alspald nach Oß-
nabrugg ze schreiben, damit derselb widerumb uf freyen fuess gestelt
werde.
Sodann hete er, Servient, gesagt, das ime und seinem collegae bevelch von
Pariß zuekommen wer, neben einem starcken verweiß ires beschechenen
difficultierens, das sie denn churfürstlichen gesandten allen respect und ehr
mit entgegenschickhung der wägen, visiten und andern erweisen solten,
dabey aber gebeten, hiervon noch nichts außkommen ze lassen, bis der
conte d’ Avaux wider bey der stelle wer, alßdann wolten sie ime sambtlich
die resolution anfüegen. Doch het er mit dem praedicato excellentiae nit
völlig heraußgewolt, sondern in öffterer widerhollung dises wortts endtlich
gefragt, wie es denn die Kayserlichen gesandten in hoc puncto halten,
und ob sie denn churfürstlichen gesandten dises praedicatum geben wurden.
Darauff het herr bischoff ime repliciert, sie, Franzößische gesandten, heten
sich daran nichts zu kehren, dann zwischen Kayserlichen und des reichs
chur-, fürsten und ständen deputatis schon bekandt wer, wie einer den
andern seinem standt und würde gemäss tractieren solte. Dise iezige begeg-
nus betreffe allein die außwerttige cronen ahn, die heten es angefangen, das
sie solche praedicata haben wolten, also könten sich die churfürsten nit ge-
ringer achten lassen.
Solchem nach hete Servient weiter vermelt, die herren mediatores heten
ieweils so starckh in sie gesezt, umb ire proposition zu eröffnen, aniezt, da
die neüe vollmachten allerseits einkommen, schwigen sie nun etlich tag lang
still. Das were ein anzeig, das ein fehler damit undterlauffen müeste. Darauf
herr bischoff geantwortet, ime were hiervon nichts, aber das wol bewust, das
die Kayserliche vollmacht im geringsten keinen fehler hett, sondern dem
verglich durchauß gemäss wer. Die Spanische het er nit gesechen, wolte
doch nit hoffen, das etwas haubtsächliches darin mangeln solt, da aber schon
einige verenderung als das neüe plenipotentiarii darin eingeruckht, oder
mehrers sich eraigen thet, begerte er zu vernemmen, ob sie, Franzosen,
darumb die sachen ufschieben wolten. Darauf hete er geantwortet: Nein.
Die benambßung neüer plenipotentiarien hete nichts zu bedeutten, und wann
schon ein mehrere ungelegenheit sich darin finden thet, wurden sie doch
mit irer proposition lenger nit mehr zurugghalten, dann sie heten außtrückhen-
lichen bevelch von Pariß, darmit fortzugehen. Und dieweil herr bischhoff
hierauf gesagt, zum wenigsten wurden sie denn Kayserlichen nichts vor-
werffen , noch die handlung mit inen aufhalten können, hett er ferner geant-
wortet , sie heten ia im bevelch, die reichssachen zuerst vorzenemmen, und
theten die Teütschen ständt recht daran, das sie sich nit zuvil an Spania heng-
ten . Dargegen herr bischoff repliciert, in gewissen sachen müeste das reich
sein aufsechen uf Spania haben und in anderen sachen nit, als zum exempl,
wegen dess Burgundischen craiß könte man Spania nit lassen, was aber
Catelonia, Portugal und dergleichen sachen anlangte, darmit hete das reich
eigentlich nicht ze thuen. Weiters sagt herr bischoff, wann sie, Franzößische
plenipotentiarii, schon zu einer proposition fürgehen würden, so besorgte
er, sie wurden doch nur abermalen mit praeliminarquaestionibus aufziechen,
dargegen Servient bezeügt, das sie einmahl zum haubtwerkh selbsten
schreitten wolten. Endtlich als herr bischoff ime vorgeworffen, man
verspürte wol, das Franckreich alles auf die spize der waaffen sezen und zu
solchem ende solche grosse kriegsverfasßung neüerdingen bestellen thet,
hett der Servient geantwortet, dis wer nit auf Teütschlandt angesechen, son-
dern es giengen ire sachen in Catelonia nit zum besten, und wolt sich auch in
Italia ein neüe liga erheben
müesten…
A Gf. Velen
Alexander Reichsgraf von Velen und Megen, Herr zu Raesfeld, kaiserlicher Generalfeldzeug-
meister (1599–1675), vgl. APW [ II C 2 S. 7 Anm. 2. ]
RK , FrA Fasz. 49a, Konv. A ( Januar – März 1645 ) fol. 71. [ Kopie: Giessen 205 nr. 76
S. 328–329. ]
B [ = Beilage z A ] Paßformular des Kf. Friedrich Wilhelm von Brandenburg ( im Namen
des Kurfürsten ausgefertigt von Johann von Norpratb
RK , FrA Fasz. 49a, Konv. A ( Januar – März 1645 ) fol. 72–72’. [ Kopie: Giessen 205
nr. 77 S. 329–331. ]