Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
77. Volmar an Ferdinand III Münster 1645 Januar 9
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Münster 1645 Januar 9
Ausfertigung: KrA Fasz. 156 fol. 351–351’, 356–356’, 354, Auflösung der Chiffre fol.
352–353 = Druckvorlage–Konzept ( Datum 1645 Januar 8 ): RK , FrA Fasz. 92 IV nr. 512
fol. 178–178’.
Unterredung des Bfs. Franz Wilhelm von Wartenberg mit d’Avaux und Servien: Neutralitäts-
ersuchen Bayerns bei Frankreich.
Eur Kayserlichen Mayestät soll ich allerunderthänigst und zwar auß hohen
erheblichen ursachen hiemit absonderlich zu berichten nit unterlassen, daß
vergangnen donnerstag abends, den 5. diß, |:der herr bischoff von Oßna-
brug bey den Franzosen gewesen:| unterm praetext und schein wegen von
|:der Hessischen guarnigion in Neüß dem catholischem religionsexercitio
begegneter eingriff ein remedium zue suechen
sehr geheime und sichere correspondenz mit guetem grundt berichtet wor-
den , nachdem uff bemeltem tag |:beede Französische gesandte:| welches
sonst lange zeit nit geschehen, |:sich beyeinander in deß Servients behaus-
sung befunden, hatte der d’Avoux dem Servient gesagt, eß hette gedachter
bischoff nun etliche mal mit inen selbst sich zu unterreden begehret, so es
nun iezt die gelegenheit gebe, köndten sie ihne dahien erfordern lassen.
Alß er nun kommen, hat er alßbaldt sein vortrag dahingestelt, eß hette der
herr churfürst von Bayrn nunmehr sich entlich dahin resolviret, sich mit
Franckreich zue accommodieren, dan er sehe, daß Eur Mayestät ruiniert
und gantz nit mehr fort könten, auch nichts anders suechten, dan wie sie
ihme sein landt auch vollents ruinieren möchten. Er were hochen alters,
müeste in sorgen stehen, waß Eur Mayestät bey seinen lebzeiten nit erhalten
könten, sie nach seinem todt ins werckh richten, sich der armada meister
machen, der vormundtschafft annehmen und sehen, wie sie ihme hinter daß
gelt kommen könten; derentwegen er sich und die seinige in sicherheit sezen
und seinen kindern solche gefahr ab dem halß halten müeste, wusse auch
in solchem standt keine andere zuflucht alß zue Franckreich. Er bethe sie,
daz sie diß werckh zue ehrstem schluß wolten bringen helffen, dan der herr
churfürst sich auff alle weiß und weege zue accommodieren begehre und
sobalt man deß schlusß versichert, seye er erbiethig, sein armada mit Franck-
reich zue coniungieren und damits auch sehen möchten, daz ers mit Franck-
reich auffrecht und trewlich meinte, so hette derselbe erst newlich einen
vornemen Franzößischen cavallier
Wahrscheinlich handelt es sich um Louis de la Tremmouille, marquis de Noirmoutier, der während
seiner Haft Beziehungen zum Münchener Hof anknüpfte und über den der Kurfürst seit Ende 1644
Friedensfühler ausstreckte, vgl. Lettres du Mazarin I S. 525 und II S. 140, G. H. Bou-
geant – F. E. Rambach II S. 246 und neuestens K. Schweinesbein S. 185ff.
worden, ohne ein ranzion ledig gelassen:|.
Auff dise proposition |:haben die beede gesanten geantworttet, daz
sie gern nach allem ihrem vermögen hierzu helffen wolten, inmassen der
cardinal Mazarini gantz eyfrig darzue rathen thue. Sie könten ihme aber
dabey nit verhalten, daz die ubrige königliche vormundtschafft einer widri-
gen meinung und bißher darzue nit hetten verstehen wollen, dan erstens
wüesten sie nit, ob dem herrn churfürsten ein rechter ernst, zum andern,
so were ietz Teütschlandt dermassen ruiniert, daz man die Franzößische
armada nirgendts besser alß in Bayrn fundieren könte, neben andern meh-
rern considerationen, so dißorths emporgiengen. Sie wolten aber nit unter-
lassen , dise deß bischoffs newe werbung nach Pariß zue referieren und uff
erfolgende antwordt weiters bescheiden
Im Diarium Wartenberg fehlt zum 5. Januar ( Diarium Wartenberg I S. 207–252)
jeder Hinweis darauf, daß Wartenberg um Neutralität für Bayern nachgesucht hat. Wartenberg
hat das Protokoll vom 5. Januar den kaiserlichen Gesandten vorgelesen und dabei an einer Stelle
eine Seite übersprungen (vgl. Volmar S. 120), was die Kaiserlichen mit den bayerischen Neu-
tralitätsbestrebungen in Verbindung brachten. Eine Abschrift dieses Protokolls befindet sich in
den Wiener Akten ( RK , FrA Fasz. 49b, Korrespondenz Leichnam Botelho fol. 1–9’), in ihr
fehlen etwa anderthalb Seiten. Ein Vergleich der beiden Fassungen zeigt, daß es sich bei der Aus-
lassung Wartenbergs nicht um Verhandlungen über eine Neutralität Bayerns, sondern um Hin-
weise auf ältere Neutralitätsverhandlungen Kurkölns mit Frankreich handelte; gemeint waren
wohl die Verhandlungen vom Herbst 1633, vgl. dazu H. Weber S. 297–313 und W. Momm-
sen S. 137 Anm. 23.
sambt dem thumbprobst von Paderborn auch dises Westphalischen kreises
halber vor consilia schon lang geführt haben, ist Eur Kayserlichen Mayestät
anvor allergenedigst bekhant, welche nun mit disem vorhaben auch zum
außbruch kommen werden:|.
Waß in diser materi vorlaufft, will ich Deo dante iedesmahls leichtlich erkun-
digen und berichten. Ich pitt aber allerunderthänigst, wann Eur Mayestät
darauf etwas an mich und herrn grafen von Nassau gesambter bevehlen
wollen, die schreiben also einrichten ze lassen, daß mein gethander parti-
cular aviso nit entdeckht werde, denn ich sorg, die nothwendige secretezza
werde allhie nit durchauß gehalten.