Acta Pacis Westphalicae II A 3 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 3: 1645 - 1646 / Karsten Ruppert
101. Trauttmansdorff, Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1646 Januar 18
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Osnabrück 1646 Januar 18
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 51a fol. 13–13’ = Druckvorlage – Kopie: Ebenda Fasz. 92
VII fol. 214–214’; Giessen 206 nr. 235 S. 1335–1336.
Verzögerung der Ausgabe der französischen Replik. Konferenz der kaiserlichen
Gesandten.
Demnach die Frantzösische abgesandte zu Münster mit außgebung irer
replic oder waß loco replicarum von denen herren mediatorn aufgezeichnet
worden, immerforth zurückhalten, seindt Ewer Mayestät abgesandte, der
herr graff von Naßaw und Dr. Volmar, beede auf selbiger mediatorn
selbsteigene antrieb und gutbefinden, zumahl sie der botte mit dem schreiben,
darin der herr graff von Naßaw in loco zu subsistirn, erinnert worden, ver-
fehlt, montags, den 15. dieses, gegen abendt alhie angelangt. Darauf dan
alßpaldt andern tags darnach mit denselben conferentz angestelt, darbey
etliche von mir, dem graven von Trautmansdorff, aufgesetzte puncta be-
rathschlagt und auf maaß und weiß, wie beyverwahrtes prothocoll mit
mehrerm nachführt, erörtert worden.
Weiln aber sowol auß iüngst angeregten bedencken, dhamit nhemblich die
Frantzosen ihre tergiversation soviel desto weniger mit der Kayserlichen
legation abweesenheit bemantlen möegen, alß auch vornhemblich, umb die
von selben Frantzosen auß den dreyen reichscollegiis zu ihnen erförderte
deputation zu verhindern, von mir, dem graffen von Trautmansdorff, die
vacantz zu Münster alßpaldt wieder zu ersetzen, für rathsamb erachtet
worden, alß hat sich wolgedachter graff von Naßaw gleich gestern wieder
nacher Münster zurückgewendet, deme der Dr. Volmar heud dhahin ge-
folgt und wirdt, geliebts Gott, ubermorgen ahn beeden örtern das
Schweedische prothocoll, umb die Frantzosen soviel desto ehender zu auß-
gebung des irigen anzutreiben, denen stendten ad deliberandum außgeant-
wortet werden.
[1] Protokoll, Osnabrück 1646 Januar 15, 16 . In den Gemächern Trauttmansdorffs; an-
wesend : Trauttmansdorff, Nassau, Lamberg, Volmar und Krane. Kopie: RK , FrA
Fasz. 51a fol. 14–17’ = Druckvorlage; RK , FrA Fasz. 91 II fol. 23–26’; Giessen
210 nr. 11 S. 185–195 [ 1646 Januar 15] und nr. 12 S. 196–204 [ 1646 Januar 16];
RK , FrA Fasz. 92 VII fol. 215–218’ – Druck: Gärtner VII nr. 87 S. 548–555.
Nassau und Volmar sind am 15. die von Trauttmansdorff aufgesetzten Punkte
zugestellt worden
Diese Punkte scheinen den Gesandten schon früher vorgelegt worden zu sein. Unter der
Überschrift Quid proponendum dominis collegiis finden sich sowohl in KHA , A IV
Bd. 1628/39 unfol.; RK , FrA Fasz. 92 VII fol. 202 und Giessen 210 nr. 6 S. 65–75
unter Datum Osn. 1646 Januar 9 die angeführten Fragen; allerdings hat Giessen quoad
materiam einen 4. Punkt mehr, der am 16. nicht beraten wurde: 4. Quid suadendum
Caesari puncto petitae declarationis circa actum de reformatis? In Giessen 210 a. a. O.
folgen dann Überlegungen (Vorüberlegungen Kranes für die angesetzte Konferenz?),
wie auf die einzelnen Fragen zu antworten sei.
ohne vorgreifen zu wollen, seine Meinung zu den einzelnen Punkten kurz umrissen.
Sequuntur puncta:
-
Quibus communicanda declaratio Suecica et Gallica, an electoribus solis vel omnibus
statibus? -
2. Quo modo, quid penes communicationem dicendum scribendumve? -
3. An votum a statibus Imperii petendum et expectandum interim in tractatu cum ex-
teris? -
4. An expectanda compositio gravaminum et donec ea fiat, suspendendi tractatus cum
exteris?
De re ipsa si nunc respondendum.
-
1. Quid respondendum ad petitionem amnistiae ad annum 1618, quomodo limitanda
amnistia de anno 1630. -
2. Ad postulatam satisfactionem pro coronis, quid respondendum, quid faciendum in re
ipsa? -
3. Quomodo promovenda compositio gravaminum et quis inde fructus sperandus?
Martis 16 Januarii 1646 circa nonam. In aedibus excellentissimi domini comitis de
Trautmansdorff, bene memoratis dominis legatis praesentibus, werden gestrigs tags
communicirte puncta berathschlagt und darüber die conclusa gemacht wie folgt:
Ad primum. Wirdt dhavor gehalten, daß beste mitl und nötig zu sein, solche decla-
rationes beeder maalstette auf einen tag dem Churmentzischen directorio mit dem ver-
melden einzuhendigen, daß man selbige ehist ad dictaturam allen ahnweesenden chur-,
fürstlichen und ubrigen stendten communiciren wölle, auf daß ehist darüber ad consul-
tandum fürgeschrieten werden möege, dhabey aber nit allein den Churmentzischen
directoriis bewegliche erinnerung zu thuen, waß man ahn seithen irer majestät bey
einen und andern punct zu beobachten und zu resolviren ersprießlich erachten thete,
sondern zumahl sich zu befleißen, daß dergleichen auch bey allen ubrigen churfürst-
lichen auch der fürsten und stendte gesandten mit guter dexteritet geschehe.
Ad secundum. Bleibe bey vorgehender erinnerung und daß sönderlich in puncto
satisfactionis beeder cronen extraorbitantiae, auch dhahero dem Römischen reich erfol-
gende ruin, wol fürgebildet, die zusamenhaltung in concludenda negativa recommen-
dirt, auch möeglichst unterbawet werde, daß man sich etwah auf einige hypotheticas
conditiones außlaße, nhemblich, wan ie bey dem feindt anders nit zu erhalten, alßdan
dieses oder ienes begehren nachzugeben.
Ad tertium. Wirdt vor nötig gehalten, den stendten die communication also zu thuen,
daß sie darüber ihr gutachten zu ertheilen haben sollen, sintemahl bewust, daß sie in
bewilligung, die Kayserliche responsiones denen cronen immediate zu übergeben, per
expressum bedingt, daß ihnen solches an hergebragten iure suffragii nit abbrüchig sein
solle, auch nichts gewißers, dan wan mans alleine bey ploßer communication verblei-
ben laßen und nit ihr votum darüber begehren wölte, darauß allerhandt ungelegenheit
und beschwehrung sowol bey denen stendten alß denen cronen erfolgen würde.
Man haltet aber nit dhavor, daß derentwegen mit aller handlung gegen der frembden
cronen plenipotentiarios selbst gentzlich sölte eingehalten, sondern entzwischen
eventualiter nach müglichkeit fortgesetzt, wie weith ein und ander punct zu bringen,
versucht, auch ieweils bey denen gesandten der stendte penetrirt werden, wohin ihre
conclusa hinausschlagen möegten.
Ad quartum. Der catholischen stendte meinung gehet apparenter dhahin, daß man
beyderseits pari passu fortfahren solle. Hingegen haben die protestirende den argwohn,
man understehe mit den frembden cronen den punctum satisfactionis richtig zu machen
und alßdan die compositionem gravaminum stecken zu laßen, derentwegen auf fort-
setzung dieser composition in alle weege zu tringen, hingegen aber mit und neben dem
die tractatus cum exteris nit zu unterlaßen sein wöllen. Sönderlich aber werde eine hohe
notturfft sein, die catholische ernstlich zu ermahnen, daß sie mit iren gravaminibus
lenger nit zurückhalten, sondern selbige herausgeben und zu würcklicher handlung
etliche ires mitls deputiren, auch solche tractation in Oßnabrück vorzunhemmen willi-
gen wölten.
Rationes seindt, daß die compositio gravaminum von Oßnabrück auß von der cron
Schweeden beschehen und auf solchs postulatum von Kaiserlicher majestätt ad
propositionem Suecicam alleine geantwortet worden; 2. daß ohne solche handlung und
deren förderung khein fruchtbarlich tractat mit den exteris zu hoffen, 3. daß man
hirdürch den exteris allen praetext ires vorgenhomenen kriegs benhemme, 4. daß man
die protestirende desto mehr obligiren könte, mit Kaiserlicher majestätt und denen
catholischen vor einen man zu stehen, dhamit man ad aequiores conditiones cum
exteris kommen möegte und bey beschließung der gravaminum wehre auch solche
condition außzudingen.
Quoad materialia quid respondendum de re ipsa?
Ad primum. Ist in alle weege nötig, auf dem termino amnistiae de anno 1630 zu ver-
harren, weiln es ein algemeiner reichsschluß und man sich dießeits der vornhembsten
fundamenten begeben würde, wan man auß selbigem termino außetzen sölte. Zu solchem
ende seindt vornhemblichen zweyerley rationes gegen die exteros zu gebrauchen: 1. wan
sie alles in den standt, wie es anno 1618 gewest, gesetzt haben wölten, daß sie alßdan
auch solche regul wieder sich selbst gelten laßen müsten, consequenter ihnen selbst
aditum ad postulandam aliquam satisfactionem praecludiren; 2. daß sie keine weitere
amnistia suchen und praetendiren können, alß so lang sie mit Kayserlicher majestätt in
offensione gewesen. Dieses erstrecke sich aber nit weiter dan auf das jahr 1630, und
obwol Schweeden die von Kayserlicher majestätt vor die cron Polen wieder Schweeden
zugeschickte hülff auch pro offensione anziehet, so ist doch sölchs directo nit ad offen-
dendam coronam Sueciae, sondern ad defensionem vicini et cognati regis, ac talis
provincia, quae ad Imperium spectat, geschehen. Und könten zumahl diese praeten-
dirte offensiones gar wol in die amnistiam de anno 1630 gezogen und deütlich mit
eingerückt werden. In ubrigen hete man von den causis particularibus, darauf erscheint
bey der kron Schweeden das absehen zu sein, absönderlich zu handtlen.
In specie werden die protestirende bey vorgehenden consultationibus wol zu erinnern
sein, daß dies eine mit ihnen verglichene sach und bey iüngst gehaltenem
Regenspurgischen reichstag beederseits versprochen seie, es falle des kriegs außchlag
wohin immer wölle, daß es doch dhabey verpleiben solle et cetera, consequenter darauf
zu tringen, daß solche parola gehalten werde.
Ad secundum. Waß Franckreich anlangt, wehre nochmals in terminis negativis zu ver-
halten, denen Frantzösischen gesandten sowol alß denen herren mediatoribus zu
remonstrirn, daß die beschehene offerta nit so schlecht seie, sondern Franckreich viel
daran gewinne und seinen statum in große sicherheit setze, daß das Römische Reich in
continua possessione iurium biß auf diesen letzten krieg geblieben, quod demonstran-
dum ex libello gravatorio hertzog Frantzen von Lothringen
auf iüngstem reichstag ubergeben, wie auch ex opusculo literarum cardinalis Ossati
sodan, daß kaiser Rudolphus secundus
Rudolf II. (1552–1612), 1575 Römischer Kg., seit 1576 Römisch-deutscher Kaiser. Vgl.
ADB XXIX S. 493–515 .
wie sich derselbe dhomals einiger turbation in bemelten stifftern unterstanden, beweg-
lich zugeschrieben, daß sich seiner magnanimitet bey dhamals hervorgebrochn [er]
calamitet nit praevaliren wölte, warauf der könig die attentata abgestelt und weiters
nichts vorgenhommen. Item die androwende gefahr mit dem Türcken, dhafür Franck-
reich nit allerdings versichert, zu gemüth zu führen.
Bey diesem punct würden expresse dem hertzog von Lothringen
Hg. Karl IV.v. Lothringen (1604–1675), seit 1625 Hg., wurde im Januar 1632 zum
Anschluß an Frankreich gezwungen, brach das Abkommen, woraufhin er 1633 aus
seinem Land vertrieben wurde und am 19. Januar 1634 zugunsten seines Bruders
Nikolaus Franz abdanken mußte. Im Pariser Vertrag vom 2. April 1641 wurde er unter
schweren Bedingungen wieder in sein Land eingesetzt, trat aber schon im Juli 1641
erneut auf die ksl.-span. Seite zurück. Vgl. NBG XXXI S. 676–680; ADB XV
S. 302f. ; S. Fitte und APW I, 1 S. 88 Anm. 1.
stifftern habende lehen zu reservirn sein.
Der Schweeden satisfaction betreffendt, würde under der handt zu suchen sein, wie
weith es dhamit zu bringen, doch statuum Imperii consensu semper salvo.
Ad tertium ist hiroben geantwortet.
Uber dieses ist weiter per Monasterienses legatos movirt worden:
1. Waß wegen der gleidtsbrieff vor den hertzog von Lothringen und wegen seines
resentiments zu thuen?
2. Waß auf der Frantzosen begehren wegen der gleidtsbrieffe vor die Potugesen zu
thuen?
3. Wegen liberation des principis Eduardi?
4. Wie die Hollender in curialibus zu tractiren?
5. Ob den Heßen Caßlischen eine attestation Kaiserlicher volmacht, mit denselben
absonderlich zu tractiren, außzugeben?
Respondit excellentissimus dominus comes ad primum, seie ie in alle weege ferner zu
insistirn und rationes negationis Gallicae zu refutiren, dem hertzogen auch ein
synceorationschreiben wegen bemelter lehen zu thuen.
Ad secundum, nichts einzuwilligen, weiln es contra praeliminarem conventionem und
das Reich mit Portugal nit zu thuen habe.
Ad tertium, gehöre zu den tractaten mit Spanien.
Ad quartum, per ministros ihnen titulum excellentiae zu geben, die erste visita zu
erstatten und, wan die Spanier ihnen per se titulum excellentiae geben, könten es die
Kaiserliche auch thuen, doch moderate und etwoh semel vel bis per discursum.
Ad quintum khönte eine solche attestation außgegeben und die tractatus mit ihnen
angetreten werden.
Sie actum ut supra.