Acta Pacis Westphalicae II A 3 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 3: 1645 - 1646 / Karsten Ruppert
15. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1645 Dezember 7
–/ 15/–
Osnabrück 1645 Dezember 7
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 48a, Konv. C (September–Oktober 1645) fol. 176–180’
= Druckvorlage – Kopie: KHA , A IV Bd. 1628/38 unfol.; RK , FrA Fasz. 92 VI fol.
566–569’; Giessen 206 nr. 175 S. 1085–1096 – Druck: Gärtner VII nr. 7 S. 23–31.
Brandenburgischer Widerstand gegen die Abtretung Pommerns. Reichsständisch-kaiserliche
Abwehr der ausländischen Territorialforderungen. Mangelnder Friedenswille der Schwe-
den. Marburgische Sukzessionssache. Schwedisches Mißfallen an den protestantischen Son-
derberatungen. Angebliche Abneigung der protestantischen Reichsstände gegen Landabtre-
tungen.
Lamberg ist gestern aus Münster zurückgekommen.
Immitls ist den 5. dieses der Churbrandeburgischer abgesandter von Löben
Johann Friedrich, seit 1642 Freiherr, von Löben (1595–1667), 1632 aus kursächsischem
in kurbrandenburgischen diplomatischen Dienst übergetreten, 1642 kurbg. Geh. Rat, seit
April 1645 kurbg. Gesandter auf dem Westf. Friedenskongreß. Vgl. J. L. Walther
S. 46–48 und ADB XIX S. 39f. Das von Löben auf dem Friedenskongreß geführte
Diarium ist zur Veröffentlichung in den APW vorgesehen.
freyherr, bey mir, Crane, gewest und nochmals gar eifrig wegen Pommern,
dhamit von deßen uberlaßung ahn die cron Schweeden denen Schweedi-
schen abgesandten durch den geringsten discurs von denen Kaiserlichen
khein anlaaß gegeben werden möegte, erinnerung gethaen, mit vermelden,
daß die churfürstliche durchlauchtt zu Brandeburg
Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620–1688), seit 1640 Kf.v. Brandenburg. Vgl.
ADB VII S. 480–497 ; M. Philippson; NDB V S. 495–501 und E. Opgenoorth. Zur
Neuorientierung der brandengurgischen Politik gegenüber dem Kaiser durch Friedrich
Wilhelm vgl. auch F. Dickmann, Westf. Frieden S. 101–103 und 108–110.
zu gemüth faßeten, daß sich auch resolvirt heten, ehender alles, waß sie
noch ubrig haben, daran zu wagen, alß darzu einzuwilligen, daß denen
Schweeden der geringste fueßbreit von selbigen landen abgetretten werden
sölte. Die heten iro auch schon selbiges fürstenthumbs stendte und unter-
thanen hüldigen laßen
wüsten, daß dieselbe sich unter kheinen andern hern alß die churfürstliche
durchlaucht würden setzen laßen. Heten sich darauf verschwohren und
dörffte ein großes unheil daraus entstehen, wan man mit denselben einige
translation ahn die cron Schweeden vornhemmen sölte. Es giengen bey
denen Frantzosen discursus, ob wölte man irer churfürstlichen durchlauchtt
ein aequivalens verschaffen. Irer churfürstlichen durchlauchtt seie dhamit
nit gedient, wölten daß irige haben, begehrten nit, daß man einem andern
daß seinige hinwegnhemben und ihr zulegen sölte. Die Schweedische heten
sich noch niemaln gegen sie, Churbrandeburgische, uber diese praetension
ploßgeben dörffen, seie nur eine anstifftung von denen Frantzosen, so von den
Venetiänern supportirt würde. Er habe den Oxenstern noch vorigen tags
deütlich gefragt, ob dan der Schweeden intention bey dem puncto satisfac-
tionis auf Pommern gerichtet seie. Der habe ihme geantwortet, weiln sie,
Schweedische, verspürten, daß die churfürstliche durchlauchtt zu Brande-
burg zue dieser uberlaßung nit verstehen wölten, alß heten sie dhavon
nacher Schweeden berichtet und erwarteten allererst von dort aus fernere
instruction und order. Er, der von Löben, habe von andern die nachricht,
ob solten die Schweden itzo vielmehr ihr absehen auf den ertzstifft Bre-
men
Das Bremer Erzstift war seit Frühjahr 1645 militärisch in schwedischer Hand. Admini-
strator war der Sohn des dänischen Königs Christian IV., Herzog Friedrich
(1609–1670), der nachmalige Friedrich III. von Dänemark. Zu Ihm G. Lorenz, bes.
S. 43–51 und S. 14–32 zur militärisch und politisch-rechtlichen Lage des Erzstifts.
haben. Es würde sich aber auch noch von diesem werck, wan man zu den
deliberationibus schreiten werde, reden laßen, wan man under unß im Reich
einig werden khönte, dergestalt, daß der friede nur ahn der Schweden und
Frantzosen satisfaction hafften und es herausbrechen würde, daß selbe
cronen nur krieg führeten, umb landt und leuthe im Römischen Reich zu
erwerben, so würde man paldt andere resolutiones bey denen stendten
sehen. Die wehren seithero von denen außwertichen cronen mit deme ein-
genhommen und verleitet worden, ob gehe man mit denen gedancken umb,
wie man dieselbe umb ire privilegia und freyheiten in religion- und profan-
sachen bringen möegte. Es hette aber Ewer Mayestätt heroische und löb-
liche resolution ad propositionem Suecicam
Vgl. APW II A 2 nr. 213 Beilage 5. Die am 25. September 1645 den Reichsständen
ausgelieferte ksl. Responsion auf die schwedische Proposition ist gedruckt: G. V.
Meiern I S. 618–628 . Zur Genese vgl. K. Ruppert, Ksl. Politik S. 102ff.
benhommen und den außwertichen cronen den compaß sehr verrückt. Er
finde noch niemandt under denen protestirenden außerhalb Heßen Caßel,
der für Schweeden wegen Pommern rede oder auf recompenß ahn landt
und leuthe gedencke. Soviel weiniger wölten sich die churfürstliche durch-
lauchtt zu Brandeburg versehen, daß an seithen Ewer Mayestätt dhazu
sölte der eingang gemacht oder anlaaß gegeben werden. Ich hab geantwor-
tet, daß wir mehrmals contestirt, nit darauf instruirt zu sein, uns wegen
Pommern oder zurücklaßung landt und leuthe gegen die Schweeden oder
Frantzosen herauszulassen, sondern vielmehr auf das gegenspiel, daß denen
außwertichen cronen das geringste von des Reichs bodem nit solle abgetret-
ten werden, maßen vorangedeutete Ewer Kaiserliche Mayestät allergnädig-
ste erclehrung im buchstaben nachführe, dero unß gehorsambst nachzugehen
auch irer churfürstlichen durchlaucht sorgfalt und gnädigste erinnerung in
schüldigster obacht zu halten obliggen wölle. Es wehre nur zu wünschen,
daß alle ständte darin mit Euer Mayestätt einig sein möegten. So seie nit zu
zweiflen, daß dergleichen praetensiones wol würden zurückpleiben. Ich
sähe auch noch khein mitl oder weeg, wie auß diesem schwehren werck
würde zu khommen sein, wan nit haubt und glieder rechtschaffen werden
zusamensetzen und alle in huiusmodi communi defensione patriae für einen
man stehen. Darauf der von Löben erwehnet, es würden sich die sachen alge-
mach darzu schicken, man müste nur sehen, wie die stendte under sich in
ihren gravaminibus waß näher möegen zusamengebracht werden. Alle reli-
gionsgravamina alhie zu erledigen, seie unmöeglich und glaube nit, daß die
protestirende darauf tringen werden, es würden sich die sachen beßer richten
laßen, wan man nur die handt anschlüge. Erzehlete dhabei, daß dem Oxen-
stern gleich selbig mahls, wie er bei demselben in discursu gewest, ein
schreiben auß Münster zukhommen, warüber derselbe gelachet und ihme,
von Löben, gesagt, daß deßen contenta des graven von Trautmansdorffs
excellentz abordtnung zu diesen tractaten beträffen und dieselbe nur auf
eine innerliche friedenshandlung zwischen Ewr Mayestätt und denen stend-
ten angesehn seie, dhamit man auf deßen erhebung mit gesambter macht
die Schweeden und Frantzosen vons Reichs boden abtreiben möegte, warauf
er, von Löben, geantwortet hette, daß zwischen Ewr Mayestätt und den
stendten khein krieg, also auch kheinen frieden zu erhandlen vonnöthen;
erhielten sich zwar zwischen denen ständten allerhandt mißverständtnuße
der religion halben, die würden sich aber darüber undereinander wol ver-
gleichen. Er wiße, daß der graff von Trautmansdorff fürnhemblich dhaher
geschickt seie, umb diese algemeine friedenshandlung zu glücklichem endt
zu bringen und würde deßen plenipotentz und volmacht solches außweisen.
Der Oxenstern hete gefragt, ob dan ihme, von Löben, bewust, wie sich der
graff von Trautmansdorff zu Münster legitimirt hete und alhie legitimirn
würde. So er mit nein beantwortet. Ferners hete der Oxenstern gefragt, ob
dan der Churmentzischer gesandter graff von Cratz
wehre wieder anhero zu khommen. Sie, Schweedische, würden dem Chur-
mentzischen directorio alhie wol einige auctorität nit gestehen, solang sich
selbiger graff nit wieder alhie einfinden würde. Imgleichen hete der Oxen-
stern gefragt, ob man sich dan noch nit wegen vergleitung der mediatorum
werde vernhemmen und ihnen satisfaction wiederfahren laßen, dan solange
solches nit geschehe, khönten und wölten sie in der haubthandlung ferners
nichts thuen oder vornhemmen. Er, von Löben, hete zu beeden sachen
nichts zu sagen gewust, sich aber nit weenig ob selben discursen verwun-
dern müssen und ließe sich bey denen Schweeden ein solche hoffart und
ubermuth vermercken, gleichsamb dieselbe schon die gantze welt uberwun-
den hetten und niemandt ihnen einreden, sondern nur alles, waß sie begeh-
ren, thuen müeste. Er sorge, dern intention dörffte auf fortsetzung des
kriegs gerichtet sein, weiln in Schweeden newe werbung auf 6000 man, so
auf khünfftigen früeling herausgeschickt werden sollen, angestelt. Der
Torstensohn
Mayestätt miltiste erclehrung wegen abführung dero guarnison nit ver-
stehen wölle
bemächtigt gewesen. Ein vornhemer Schweedischer officyr soll ein discurs
geführt haben, daß Schweden nit zu rathen sey, frieden zu machen, weiln
sie beim krieg nichts zu verlieren heten. Beschloß es mit deme, daß es zeit
seie, daß sich die Teutschen undereinander vergleichen und zuvorderist
under sich friedt machen.
So ist auch der fürstlich Heßen Darmbstattischer abgesandter Dr. Synold
Dr. Justus Sinoldt, genannt Schütz (1592–1657), hessen-darmstädtischer Gesandter und
Vizekanzler. Vgl. ADB XXXIV S. 399f.
bey mir, Crane, gewest und die Marpurgische successionssache
Landgf. Ludwig von Hessen-Darmstadt, der bisher vergeblich das Testament des 1604
verstorbenen Landgrafen Ludwigv. Hessen-Marburg angefochten hatte, war es durch
seine Parteinahme für den K. seit dem Ausbruch der böhmischen Unruhen gelungen,
gegen seinen Vetter Moritz ein Reichshofratsurteil zu erwirken (1623 April 1), das ihm
die Hälfte des von Hessen-Kassel bisher einbehaltenen Erbe zusprach. 1644 erklärte
Landgräfin Amalie Elisabeth den Hauptakkord von 1627, in dem ihr Mann das Urteil
hatte anerkennen müssen, für nichtig und eröffnete im Mai 1645 die militärische
Auseinandersetzung mit Darmstadt um den verlorenen Teil der Marburger Erbschaft.
Vgl. K. E. Demandt S. 244–259 und F. Dickmann, Westf. Frieden S. 29f.
dirt, auch von seinem gnädigen fürsten und herrn
Georg II. (1605–1661), seit 1626 Lgf. von Hessen-Darmstadt, neben Kf. Johann Georg
einer der wenigen ksl. Parteigänger im protestantischen Lager. Vgl. ADB VIII S. 674–
677 und NDB VI S. 217 .
zeigt, bey denen Kaiserlichen abgesandten, bevorab irer excellentz graven
von Trautmansdorff, zu negotiiren, |:ob nicht könte auf eine diversion
von hier aus gegen Niderhessen versuecht werden, damit durch solches mitel
die Hessen Casselische völckher aus Oberhessen zuruckgezogen werden,
würden sonsten selbiges fürstenthumb gar hinweegnemmen:|, weiln kheine
resistentz verhanden. Er habe sowol bey den Frantzosen alß Schweedischen
uber diese thätlichkeit geclagt, die Schweedische auch der verwittibten frau
landtgrävin verfahren improbirt und für unbillig gehalten, die Frantzosen
aber sich ungeschewet vernhemmen laßen, daß sie der frau landtgräffin
beystehen müsten, wan die sach auch noch so ungerecht wehre, und sey der
monsieur d’Avaux fast mit diesen formalien herausgangen, „quod magni
principes in diiudicandis causis non semper attendant iustitiam, sed sese ad
id reflectant, quod ratio status dictet“. Die Schweedische heten sich aber
vernhemen laßen, daß sie derzeit mit bemelter frau landtgräffin in ver-
bundtnüß nit begrieffen, seie zwar zwischen ihnen re renovando foedere
gehandlet, aber nichts geschloßen worden
gelegenheit ihme, Darmstättischen abgesandten, zu verstehen geben, daß
die Schweedische ahn den separationibus der protestirenden von denen
catholischen bey den consultationibus khein gefallen trügen, sondern be-
gehrten selbst, daß die catholische sowol alß uncatholische solten zu den
consultationibus gezogen und mit sämbtlicher ständte zuthuen, wie es im
Heiligen Reich herkhommen, verfahren werden, hete auch ein mißfallen
daran zu haben bezeigt, daß denen Frantzösischen abgesandten zu Münster
der protestirenden einseitige consultationes und conclusa uber die Keiserliche
proposition schon wehren communicirt worden, wohdurch dan in effectu
die haubtsach ehender berathschlagt und beschloßen seie, alß von ihnen,
Schweedischen, ire replica außgegeben, welches aber der abrede, so sie mit
den protestirenden genhommen, zuwieder seie.
So hat mich auch |:selbiger abgesandte berichtet, das der protestierenden
alhie anweesenden gesandten, sogar auch dieiehnige, qui manducant de prae-
sente pane Gallico:| wie die formalia gewest, fast durchgehendt dahin
instruirt, bey dem puncto satisfactionis auf einige cession ahn landt und
leuthe nit zu gehen und vermeint, daß die stende hirin einig sein werden.