Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett
189. [Trauttmansdorff, Lamberg und Krane] an Ferdinand III Osnabrück 1646 Juni 14
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Osnabrück 1646 Juni 14
Kopie: Giessen 207 nr. 145 S. 593–597.
Noch keine schwedische Antwort zur Satisfaktion und keine Gegenerklärung der protestantischen
Reichsstände zu den Religionsgravamina. Vermittlungsversuch im Marburger Erbschaftsstreit.
England; Pfalz.
Es haben die königlich Schwedische abgesanden ihr schrifftlichs memorial in
puncto satisfactionis noch nicht, noch auch die protestierende stände ihre ge-
generklährung in puncto gravaminum ausgeantwortet, diese aber die moram
noch heute durch die Sachsen Altenburgischen dahin entschuldigen laßen,
daß wegen des wercks wichtigkeit etwa noch ein tag oder drey würden zu-
bringen müßen, wolten aber die gegenerklahrung soviel möglich befördern.
Ingleichen haben wir heute den fürstlichen Heßen Caßelischen abgesanden
nomine Schäffer für uns erfordert und demselben fürgehalten, wasgestalt Eur
Majestät allergnädigste sorgfalt dahin gerichtet, damit neben der allgemeinen
reichsberuhigung auch die particulardifferentien, so sich zwischen denen
ständen des Reichs erhalten, in der güte mögen beygelegt und ausn weg ge-
räumt werden, weil dann unter selbigen particulardifferentien diejenige, so
sich im fürstlichen hauß Heßen zwischen der Caßlischen und Darmstadti-
schen linie befinden
Im Streit um das Testament und die Erbschaft des 1604 kinderlos verstorbenen Lgf.en Lud-
wigs IV. von Hessen-Marburg hatte Hessen-Kassel im Hauptakkord vom 5. Oktober 1627
(Druck: DuMont V.2, 524–532) auf ganz Oberhessen verzichten und der darmstädtischen
Linie Gleichberechtigung einräumen müssen. 1636 wurde der hessen-darmstädtische Lgf. zum
Adm. über Hessen-Kassel bestellt; jedoch kam es 1638 im Zuge von Ausgleichsbemühungen
zwischen beiden Linien zu einem Vertrag, in dem Hessen-Darmstadt auf die Vormundschaft
verzichtete, aber den territorialen Gewinn von 1627 halten konnte. Den Hauptakkord von
1627 erklärte Lgf.in Amalie Elisabeth (vgl. [nr. 39 Anm. 1] ) 1644 für ungültig. Das war die
juristische Vorbereitung des nun folgenden Feldzuges gegen Oberhessen, der mit der Kapitula-
tion des Marburger Schlosses am 25. Januar 1646 seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte
( Press, Hessen, 305–314; Bettenhäuser ; Beck).
gütte gepflogen worden, alß wolten Eur Majestät allergnädigst gerne sehen,
damit in selber sache vermittelst einiger von denen allhier anwesenden chur-
fürsten und ständen unterhandlung die gütte möge versucht werden, warzu
sie die churfürstliche durchlaucht zu Sachsen samt des herrn herzogen zu
Sachsen Altenburg und Weymar, sodann Braunschweig Lüneburg Hannove-
rischen theils, allerseits fürstliche gesandten, als commissarios ausgesehen.
Begehrten derhalben wir von ihme, fürstlich Heßen Caßelischen gesanden,
zu vernehmen, wie er disorths instruirt, ob seine gnädige fürstin und frau eine
solche guttliche interposition, wie auch die vorgeschlagen herrn commissa-
rios würden leyden wollen.
Der hat geantwortet, daß seine gnädige fürstin und frau nach dergleichen
güttlichen vergleichung schon längst verlangt, sich derentwegen zum offtern
bey des herrn landgrafen zu Darmstad fürstlicher gnaden selbst, und zwar
noch unter währender possessionsergreiffung der stad Marpurg, durch
schreiben glimpflich insinuirt hätten. Hielte es dafür, daß sich dieselbe
eine solche vergleichung nicht werde entgegen seyn laßen, in erwegung, er
instruiert, dieselbe zwar nicht zu suchen, doch wenn sie vorgeschlagen wer-
den mögte, nicht auszuschlagen, jedoch unter der ausdrücklichen bedin-
gung, daß dieselbe von der allgemeinen friedenshandlung nicht solle sepa-
rirt werden. Der vorgeschlagenen hochansehnlichen Kayserlichen herren
commissarien, in specie Chursachsen und Braunschweig Lüneburg halben,
würde es der nahen schwägerschafft halben bey Heßen Caßel wohl was be-
dencken geben, Sachsen Altenburg und Weymarn aber pro commissariis
nicht recusirt werden. Vermeynten, daß anstatt deren zwene ersten etwa
die churfürstliche durchlaucht zu Brandenburg und ihre fürstliche gnaden
zu Anhalt
Christian II. von Anhalt-Bernburg (1599–1656), 1630 F. ( ADB IV, 150–157 ).
halb wenig tagen seiner gnädigen fürstin und frauen erklährung zu handen
bringen.
Von welcher des Heßen Caßelischen gesanden erklährung auf mein, des gra-
fen von Trautmansdorf, befehl durch mich, Crane, den Chursächßischen und
fürstlich Darmstädischen gesanden alsobald angezeigt worden, die sich bee-
derseits der notification halber gebührlich bedanckt, es zu der frau landgrä-
fin zu Heßen Caßel fürstliche gnaden fernerer erklährung gestelt sein laßen
und die sache ad referendum genommen, die Heßen Darmstattischen jedoch
erinnert, daß es der erbverbrüderung des fürstlichen haußes Heßen zuwieder,
daß andere bey selbiger erbverbrüderung nicht interessirte chur- oder fürsten
zu dergleichen güttlichen unterhandlungen solten gezogen werden, liege
auch der churfürstlichen durchlaucht zu Brandenbürg eben selbige ursache
der nahen schwägerschafft in weg, so bey Chursachsen und Braunschweig
vorhanden.
Wir haben auch hierbey nicht unangezeigt laßen sollen, wasgestalt von be-
melden Heßen Caßelischen gesanden in discursu vermeldet worden, ob solte
die sache in Engelland zwischen dem könig und parlament allerdings vergli-
chen und selbiger krieg aus dem grund niedergelegt seyn, bey welcher be-
wandnis und da es sich also damit verhalten solte, wohl zu besorgen, daß die
Pfälzische sache noch mehr anstoß leyden und etwa schwerlich die alter-
nativa, zu geschweigen octavus electoratus, würde zu erhalten seyn.