Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett
162. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1646 Juni 7
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Osnabrück 1646 Juni 7
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 51a fol. 5–5’, praes. 1646 Juni 18 = Druckvorlage – Kopie:
Giessen 207 nr. 132 S. 524–526.
Entgegennahme einer Erklärung des Städterates. Verhandlungen mit schwedischen Gesandten.
Der Städterat hat durch die Gesandten der Städte Lübeck und Nürnberg
Ges. der Reichsstadt Nürnberg auf dem WFK waren 1645–1647 September Oelhafen und
1646–1649 Kreß von Kressenstein. – Dr. Tobias Oelhafen von Schöllenbach (1601–1666),
zugleich Ges. Rothenburgs, Weißenburgs im Nordgau (zeitweise), Windsheims, der fränkischen
Gf.en und des fränkischen Reichskreises. Seit 1627 in nürnbergischen Diensten, 1652 Prokanz-
ler der Universität Altdorf ( ADB XXIV, 298ff. ; Repertorium , 365; Wolff , 214ff.; Kiet-
zell , 104 Anm. 28; APW III A 6, XXXVIII). – Jobst Christoph Kreß von Kressenstein
(1597–1663), 1619 im Dienst des Kf.en Friedrich V. von der Pfalz, seit 1631 im diploma-
tischen Dienst der Stadt Nürnberg, 1649–1650 Ges. auf dem Nürnberger Exekutionstag
( Walther , 90–93; Repertorium , 364f.; APW III A 6, 141 Anm. 1; Wurzbach XIII,
201).
die Beilagen 1 und 2 übergeben lassen, und ist daraus zu ersehen, waß für un-
gereimbte , auch theils das stättische collegium nit angehende sach herfürge-
bracht werden, auch wie sogar die stätte nit mehr wöllen inter bona patrimo-
nialia Caesaris
lia auch bey denen Schweedischen werden eingeraicht sein und man derent-
wegen noch viel verdruß haben werde. Hinweis auf Beilagen 3 und 4.
Beilage 1 zu nr. 162
Memorial des Städterats in Osnabrück, s. l. [ 1646 V 26/VI 5 ]
Kurze Zeit später reichte Leuchselring (zu ihm [ nr. 175 Anm. 2 ] ), der neben anderen Kommis-
sionen mehrere schwäbische Reichsstädte vertrat, im Namen der kath. Städte den ksl. Ges. ein
Memorial ein, in dem er sich über den Inhalt des vorliegenden Schriftsatz beschwerte und um
dessen Mitteilung bat (s. l. s. d., Kopie: Giessen 207 nr. 157 S. 621–623).
fol. 6–8’; vgl. APW III A 6, 244 Anm. 1.
Beilage 3 zu nr. 162
Protokoll, [ Osnabrück ] 1646 Juni 6. Kopie: RK FrA Fasz. 51a fol. 12–17’ = Druckvorlage;
Giessen 207 nr. 130, 131 S. 514–518, 519–524.
Mitwochen, den 6. Junii 1646, habe ich, der graff von Lamberg, dem Schwedischen gesand-
ten Salvio die revisita geben und bey solcher gelegenheit erinnert, daß alnoch in gueter
gedächtnuß hette, waß er, Salvius, iüngsthin bey mir wegen der drei puncta 1. amnistiae,
2. gravaminum et 3. satisfactionis angeregt hette. Wir Kaiserliche hetten seithero nichts
mehr verlangt, alß daß die zwischen unß beederseits veranlaßete conferentz fortgesetzt wer-
den möegen, gestalt wir unß dan zum dritten mahl derentwegen anmelden laßen. Weiln
aber sie, Schweedische, dhawieder allerhandt bedencken gehabt, hetten wir es endtlich auch
dhahin gestelt sein laßen müeßen. Vermeine aber, daß anitzo bey herzukhombst des herrn
graven von Trautmansdorff von diesem werck werde können gehandlet werden.
Der Salvius stellete sich, alß wehre er nit wol dhamit zufrieden, daß die vorgeschlagene
conferentz nit iren fortgang erreicht, und wiße nit, wie es möege versehen sein. Hatt auch
des tags zuvor gegen meinen secretarium, alß mich durch denselben zur visita anmelden
laßen, deütlich bekhennet, daß es nit zu verantworten, daß man unß die gesuchte conferentz
so offt abgeschlagen habe. Seie aber alles seiner unwißendt hergangen, und habe ihme aller-
erst am negsten postag der secretarius Melonius das prothocollum, so uber den verlauf ab-
gefaßet und nacher Schweeden geschickt werden sollen, ad subscribendum uberbracht, so er
aber obgedachter ursachen halben mitzufertigen oder zu underschreiben bedencken gehabt.
Er halte es in alle weege nothwendig, daß die conferentz fortgesetzt werde, sehe sönsten nit,
wie man bey dieser handlung waß fruchtbarlichs werde richten khönnen. Vernhemme aber
gern, daß ihre exzellentz, herr graff von Trautmansdorff, herzukhommen, würde sich alß-
dan soviel desto bestendiger von der sachen reden laßen.
Es würde der punctus gravaminum fast der allerwichtichste sein. In ihrem, der Schweeden,
instrumento pacis, so nach der protestirenden stendten gutachten eingerichtet, lauffe diese
materi ad 52 articul hinauß
Auf den von Salvius verfaßten, internen Entwurf für ein IPO, der in APW II C 2, 360 Z. 2–3
auf den 9. Juli 1646 datiert ist (Druck: Meiern V, 457 –468), paßt diese Beschreibung nicht.
Näheres später in APW III B 2.2. Die Fernere Erklärung der prot. Reichsstände über die
Religionsgravamina vom [8./18. Juni 1646] (nr. 203 Beilage [1]) war in 55 Punkte geglie-
dert .
ders den vorgesetzten scopum componendarum omnium et singularum controversiarum
und praecautionum, dhamit inskhünfftig keine wiedrige interpretationes über den religion-
frieden zu befahren sein möegen, zu erreichen gedencke. Es würde auch der erblande halben
auf ein temperamentum müeßen gedacht werden. Man wiße gleichwol, daß in Boheimb der
maiestätbrief
Vgl. [ nr. 56 Anm. 4 ] .
von denen stendten selbe religionsfreyheit verwürckt haben, so hetten doch solches die üb-
rige , so unschüldich gewesen, weeniger aber die underthanen, auch weib und khindt nit zu
entgelten. Ewer Majestätt solten hirin ein übrigs thuen, würden iro dardurch eine große
affection bey allen protestirenden machen. Es khönte niemandt uber die gewißen herschen.
Improbirte es auch sowol bey denen catholischen alß protestirenden, daß ein ieder fürst in
seinem lande reformiren khönte. Er hette vom dechandt zu St. Johan
derselb von seinem vatter gehört, daß man bey deßen lebzeiten in der Pfaltz zu sechs under-
schiedtlichen mahlen reformirt und die religion verendert hette, man mache die leüthe irr,
daß sie letzlich nit wüsten, waß sie glaube solten. Die gelehrten würden athei und glaubten
gar nichts, die andern würden desperat.
Ego: Es seie leider das religionweesen im Reich in solchem standt, daß es beßer zu wün-
schen , es seie aber der religionfride gemacht, dem müeße man nachgehen. Herr graff von
Trautmansdorff werde der catholischen stendte erclehrung, wie weith dieselbe zu gehen
gemeindt, mitbringen, aber auf ein perpetuum müeße man nit gedencken, dan solches
khönten die catholische im gewißen, auch aidt und pflichten halben nit eingehen.
Ille: Sie, Schweeden, wehren obligirt, sich irer confoederirten und religionsverwandten hirin
anzunhemmen. Verhoffe, Ewer Majestät würden sich darbey waß milter bezeigen. Sein dar-
nach auf andere privatdiscursus kommen, so kheiner relation würdich.
Eodem habe ich, Crane, den Schweedischen abgesandten, herrn Oxenstern, heimbgesucht,
der meine herzukhombst gerne gesehen mit vermelden, daß mich selbst würde heimbge-
sucht haben, wan ich ihme nit wehre fürkhommen, dan seien ihme von Münster einige
sachen zugeschrieben worden, warüber er gern möegte waß mehr bericht haben, und seie
dieses: Man habe ihme zugeschrieben, ob sölten die Kayserliche gesandten zu Münster auch
denen Frantzosen aldha ein instrumentum pacis außgeantwortet und under andern articuln
auch einen darin gesetzt haben, daß die Kayserliche mayestätt ohne Spanien nit khönten
noch wölten frieden schließen. Fals nuhn das instrumentum zu Münster also seie außgeant-
wortet worden, so seie wol daran beschehen, und würde durch solche außanthwortung
diese tractatus befordert werden, dan eine cron würde ohne die andere khein frieden schlie-
ßen noch weiters bey den tractaten gehen alß die andere. Ja, wan endtlich ahn beeden orten
alles würde abgehandtlet sein, so würden doch die cronen allererst in loco intermedio bey-
einandertretten und sich des schlußes halben vergleichen und darauf denselben schließen.
Ob sich aber im instrumento pacis ein solcher articulus, wie angedeutet worden, erhalte,
darab möegte er gern berichtet sein, dan wölle also wahr zu sein fast geglaubt und von
denen stendten also aufgenhommen werden, ob seie es wieder das gemeine reichscon-
clusum
cronen abhandtlen, hernacher aber sich auch Spanien mit annhemmen solte. Ich hab geant-
wortet , daß mir von diesem werck gar nichts bewust seie, hielte es aber dhafür, weiln ire
exzellentz, herr graff von Trautmansdorff, mein gnädiger herr, geliebts Gott morgen oder
übermorgen alhie wieder anglangen würden, daß derentwegen unß hirüber nichts zuge-
schrieben seie, weiln wir bey dero ankhombst von allem erfahren würden.
Ille: Er habe nur waß mehr particularinformation von mir hirüber zu erlangen vermeindt.
Müße also irer exzellentz, herrn graven von Trautmansdorff, ankhombst erwarten, alßdan
werde man den rechten grundt hievon vernhemmen können. Höre aber gern, daß dieselbe
wieder zuruck anhero kommen, dan sie, Schweedische, verlangten nach beforderung der
lengst vorgehabten conferentz super instrumento pacis und wünschen dhabey irer exzel-
lentz gegenwart. Solte sich aber dero zurückkhombst noch waß lenger verweylen wöllen, so
würde die conferentz under unß müßen angetretten werden, weiln man einmahl für alle
wißen müeße, ob under unß die sache möege vergliechen und zum standt gebracht werden
oder nit, dan wiedrigenfals, dha wir es nit einig werden solten, würden sie, Schweedische,
verursacht werden, unß ein instrumentum pacis vorzulegen und zu unser erwöhlung, wie
die formalia gelautet, utrum cum eo pacem habere an bellum malimus, anheimbzustellen.
Warauf ich geantwortet, daß es ahn unß wegen fortstellung der conferentz seithero nit er-
manglet , sondern wir dieselbe vielfaltig gesucht haben und hielten unß noch darzu bereit
und gefast. Es müße aber auf dergleichen harte resolutiones, daß einer theil dem andern
conditiones vorzuschreiben gedencken wölte, khein absehen gemacht werden. Man seie
darumb alhie beyeinander, umb dürch gütliche und schickliche mittle und weege den frie-
den zu erhandtlen. Selbigen principiis müeße inhaerirt und nachgegangen werden.
Ille subridendo erinnert ferners, daß bey der conferentz vornhemblich de termino a quo,
woher der anfang der amnistiae zu nehmmen, gehandtlet werden müeße. Etliche wehren
der meinung, man solle denselben ab anno 1624 nhemmen. Sie, Schwedische, aber hielten es
dhafür, daß man gar kheinen gewißen terminum a quo bestimmen, sondern nur lautere
particulares positiones uber eine iede sach machen solte. Es würde woll daß instrumentum
pacis waß weithlaüfiger fallen und, wie er es uberschlagen, etwoh auf 90 articul hinauslauf-
fen , erfordere es aber die noth, und sehe sönsten nit, wie daraus zu kommen. Das instru-
mentum pacis Vervinensis seie auch zimblich groß.
Ego: Es werde sich das werck schwehrlich ohne gewiße regul richten laßen und man mit
dergleichen particularposition alles noch schwehrer machen. Der Vervinische fried habe
zwar viel capita, aber bey der amnistia seine gewiße regul, und seie solches bey dergleichen
friedenstractaten herkommens und preüchich. Der anfang des kriegs zeige den anfang der
amnistiae, warumb man alhie ein anders machen sölte.
Ille ulterius: Die religionsgravamina müsten auch vergliechen werden, die stende könten
unter sich selbst super mediis nit einig werden, die catholische giengen auf ein temporarium,
die protestirende auf ein perpetuum. Er habe sich uber dies werck informiren laßen, müße
es selbst bekhennen, daß der catholischen erpiethen ein pilligs erpiethen seie, und begehre er
seinstheils, denselben khein perpetuum mehr zuzumuthen. Hetten gleichwol auch ir aidt
und pflicht, und falle schwehr, einem waß wieder seinen aidt zuzumuthen oder ad impossi-
bile oder zu waß, so bey ihnen impossibile ist, zu verbinden wöllen. Verhoffe, die sach solle
sich in hoc passu vergleichen laßen. Er zweifle aber nit, ire exzellentz, herr graff von Traut-
mansdorff , werden der catholischen stendte fernere miltere erclehrung uber ein und anders
mitbringen und man einmahl hirauskhommen khönnen, welches man beederseits ge-
wünscht und darauf voneinander gangen.