Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett
109. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1646 Mai 17
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Osnabrück 1646 Mai 17
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 51a fol. 65–69, PS fol. 70, praes. 1646 Mai 28 = Druckvorlage –
Kopie: KHA A 4 nr. 1628/20 unfol.; Giessen 207 nr. 101 S. 383–391 – Druck: Gärtner IX
nr. 139, 788–793.
Aufschub weiterer Verhandlungen durch schwedische Gesandte. Gerüchte über Kriegsbereitschaft
Rákoczys. Klagen des kurbrandenburgischen Gesandten über mangelnde Friedensbereitschaft
Schwedens und Frankreichs. Hamburgischer Gesandter. Aushändigung des kaiserlichen Textvor-
schlags für das IPO an kurmainzisches Direktorium. Klagen über magdeburgisches Direkto-
rium .
PS Erneuter Aufschub der Verhandlungen durch Schweden.
Nachdeme es zwischen unß und denen königlich Schweedischen abgesand-
ten , lauth nr. 99, veranlaßet, auf mitwochen oder donnerstag, alß gestern oder
heud, beyeinander zu tretten und über das instrumentum pacis, ob und waß
darin noch zu ändern sein möegte, communication zu pflegen, so haben wir
nit underlaßen, unß gestrigs tags, nachdeme wir vorhero der Münsterischen
post und darbey noch einigs berichts erwartet und erlangt gehabt, bey denen
Schweedischen zu erkhündigen, obs ihnen gefellig sein möegte, noch selbigen
tag oder heüd die veranlaste beykhömbst werckstellig zu machen, auch sol-
chesfals eine stundt begehrt, wan wir unß bey ihnen in ihrem losament (weiln
wir von ihnen zum letzten heimbgesucht worden) einfinden möegten. Der
Oxenstern hat unß darauf zurück zu entbieten laßen, daß sich der beschehe-
nen abred wol wiße zu erinnern, möegte ihme auch nichts liebers sein, alß
daß noch selbigen tags diesem werck abwarten khönte, so seie aber bey ih-
nen , Schweedischen, ein abgeordtneter von dem fürsten in Siebenbürgen,
dem Ragozi, ankhommen
Mit selbigem würden sie den gantzen tag zu negotiirn haben, weiln selbiger
fürst auch wieder herfürbrechen würde. Heüd falle bey ihnen das fest der
Auffahrt
khünfftigen freytag, alß morgen, gefellich sein möegte, wölten sie unser umb
9 uhr vormittag erwarten. Nun wöllen wir nit verabsaumen, unß morgen
umb die bestimbte stundt bey denen Schweedischen einzufinden, wißen aber
nit, wie es zu verstehen, daß unß von denselben also ungeschewet die gegen-
warth des Ragotzischen abgeordtneten werde zu wißen gethaen und derent-
wegen die vorgehabte conferentz zurückgestelt, gleichsamb mehr an selbigs
abgeordtneten negotiation alß beforderung des friedens gelegen.
Werden auch von dem Churbrandeburgischen abgesandten, nomine freyhern
von Löwen, (der sich seiner nacher Berlin vorgehabten reiß halben abermals
geendert und dieselbe endtlich heüd angetretten) berichtet, daß der Ragozi
sich anerbietich mache, Ewer Mayestätt mit 40 000 man (warzu er schon vom
Türckischen Kayßer den consens hette) anzufallen und zu bekriegen, wan
man ihme nur der conditionen halben, so mehrern theils auf geldt gesetzt sein
söllen, satisfaction geben werde; hette auch noch eine ungebundene handt,
daß Ewer Majestätt unangesehen des mit deroselben getroffenen friedens
kriegen könte, weiln bemelter friedenschluß noch nit volnkhomblich ge-
schloßen , sondern zu negsten reichstag in Ungarn verschoben sein sölte. Es
seie aber der alhie angelangte negotiant kein geschickter von dem Ragozi,
sondern seie ein Frantzoß, so von der cron Franckreich an den Ragozi ge-
schickt gewest und alhie ankhommen, umb bey denen Schwedischen von sei-
ner verrichtung relation zu thuen. Er, der von Löwen, halte es dhafür, es seie
zwischen Schweeden und Franckreich und dem Ragozi wieder newe ver-
bündtnuß gemacht und alles auf fortsetzung des kriegs angesehen. Ja, seie
kindisch, daß mans glauben wölle, daß bey dieser handlung der friede werde
geschloßen werden. Man würde es erfahren, waß die Schweeden immerforth
vor newe praetensiones herfürsuchen und, wan man endtlich alles wol ver-
gliechen zu haben vermeinen werde, waß für schwirigkeiten dieselbe der con-
ditionen halben, so bey Pommern und denen offerirten ertz- und stifftern
vorbehalten worden, in weeg legen würden. Er verwundere sich aber noch
mehr, daß Ewer Majestätt auch noch die zurücklaßung Breysach zugemuthet
werden wolle. Selbiger orth seie ein schlüßel vom Reich, und habe er solche
rationes dhawieder gehört, daß er auch anstehe, ob nit ehender Wien alß
Breysach zurückzulaßen. Man werde mit dergleichen offerten nit zum frie-
den khommen, sondern die gegentheil unersetlich machen, daß Reich aber
darüber zugrundt gehen. Müßes es bekennen, daß etliche under den stendten
sein, die es dem ertzhauß Österreich gönneten, daß es waß geniedrigt würde,
und gegenwertiche coniuncturn darzu für die gewünschte gelegenheit hielten.
Würden aber selbst betrogen werden und seie under dergleichen consiliis gifft
verborgen, und habe er, der von Löwen, von einem seiner vertraweten corres-
pondenten auß Stockholm die nachrichtung, daß der monsieur de St. Ro-
main
Melchior de Harod de Senevas, baron (später marquis) de Saint Romain (um 1614–1694),
1643–1648 frz. Resident in Münster, Laienabt des Klosters Préaux, 1652 des Klosters Cor-
bigny , Staatsrat, 1666–1685 diplomatische Missionen nach Portugal, in die Schweiz und nach
Deutschland ( Zedler XXXII, 694; Repertorium , 215, 231, 236; DHGE XIII, 825; APW
III D 1, 346).
mit der krieg möege continuirt werden, mit vorgeben, daß es unmöeglich
seie, daß das ertzhauß Österreich wieder uber sich kommen könne, man hette
selbigs gleichsamb under den füeßen, und befünden sich die sachen also un-
derlegt , daß die cronen under sich würden das Reich theilen können, wan sie
nur würden zusamenhalten. Es batt aber der von Löwen, diese sach in ge-
heimb zu halten, wünschte, daß die stendte miteinander vergleichen und mit
gesambten rath zu errettung des Reichs concurrirn möegten. Gab den pro-
testirenden selbst unrecht, daß sie übel daran theten, daß itzo dasienig, war-
über man von hundert jahren hero strietig gewest, auf einmahl wölten rich-
tich gemacht haben.
So hab auch ich, Crane, |:von dem statt Hamburgischen herrn syndico Dr.
Meurer
den gnugsamb versichert, daß iro in religionssachen und wie weith sich die-
selbe der protestirenden darin werde annhemmen wöllen, khein eintrag oder
hindernuß beschehen solle, darauß dan unschwehr abzunhemmen, wie wee-
nig auf die vertröstung, so denen catholischen stendten zu Münster von den
Frantzoßen gegeben wirdt, zu bawen seie.
Demnach dan auch das instrumentum pacis von denen Schweedischen ge-
sandten vermitls des vermeinten Magdeburgischen directorii denen protesti-
renden ad dictaturam geben worden, haben wir selbigs auf bey des herrn gra-
ven von Trautmansdorff exzellentz eingeholten bescheidt und befehl bey
dem Churmentzischen directorio, dhamit es an sämbtliche ständte durch eine
ordentliche dictatur gebracht werden möege, eingeliefert. Und sein die Chur-
mentzischen waß bestürtzt und nit wol dhamit zufrieden, daß sich selbe
Magdeburgische ohne schew in irer, der Churmentzischen, gegenwarth in al-
lem , es gehe religionssach und gravamina ahn oder nit, eins directorii under-
fangen , die stendte zusamenberuffen, in ihrem losament consultationes an-
stellen und denen Schweedischen darbey solchergestaldt zur handt gehen
dörffen, alß wehren sie von denselben bestelt. Soll sich auch ieweiln zutragen,
daß in vorfallenen dubiis under wehrenden consultationibus der Schweedi-
schen gesandten meinung und decisiones eingeholt, ehe dan der schluß ge-
macht würde. Nichtsdestoweeniger ist biß dato von denen Churmentzischen
noch kheine andung, noch waß dhawieder protestando vorgenhommen wor-
den .
PS Indeme wir in dieser expedition begrieffen, schicken die Schweedische
abgesandten zu mir, dem graffen von Lamberg, laßen höffliche complimenta
ablegen und unß zu wißen thuen, daß ihnen so wichtige geschefften über-
khommen , daß sie auch morgen der conferentz nit abwarten können. Be-
gehrn derhalben, dieselbe biß auf übermorgen außzustellen, so wir beschehen
laßen müßen und sein ihnen hingegen mit höfflichen complimentis begeg-
net .