Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann
27. Kurz an Trauttmansdorff Preßburg 1646 September 26
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Preßburg 1646 September 26
Eigh. Ausfertigung: Klattau TA Ka. 10 Inv.nr. 200 fol. 53–53’, 68–68’, PS fol. 68’.
Beschlußlage am kaiserlichen Hof. PS Post. Ungarischer Reichstag.
Auf ein Schreiben vom 11. September 1646 . Privata.
Was Euer Gnaden erwehnen, das von hoff sei so gar nix erinert worden, das
verstett sich oder auff militaria oder uff fridenssachen. Von militaribus wissen
wir nix, ausser das der feindt bis an dem Inn ist undt was der beyschluss mit
sich bringt. In pacificis wissen wir sonst vorigen befelch nix beyzurukhen.
Marpurgh
Sehr wahrscheinlich ist der Marburger Erbschaftsstreit gemeint. Nachdem nach dem Tod des
Lgf.en Philipp des Großmütigen (1504–1567; 1509/1518 Lgf.) die Lgft. Hessen unter seine
vier Söhne aufgeteilt worden und im Jahre 1604 Lgf. Ludwig von Hessen-Marburg
(1537–1604; 1567 Lgf.) ohne Erben gestorben war, hatten die beiden noch verbliebenen
Linien Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt wegen politischer, konfessioneller und territoria-
ler Gegensätze nicht über die Nachfolge in Marburg übereinkommen können. Interne
Einigungsversuche in den Jahren 1604/1605, 1627 (der Hauptakkord vom 24. September/4.
Oktober und der anschließende Vergleich vom 14./24. Dezember 1627) und 1638 (der
Vertrag und Samthausvergleich vom 23. Januar/2. Februar 1638 und der Eventualvergleich
vom 30. Mai/9. Juni 1638) waren ohne Erfolg geblieben. Vielmehr war ein RHR -Urteil vom
11. April 1623 mit Waffengewalt zugunsten Hessen-Darmstadts exekutiert und diesem Lgf.en
große Teile von Hessen-Kassel verpfändet worden. Daraufhin hatte sich Lgf. Wilhelm V. von
Hessen-Kassel (1602–1637; 1627 Lgf.) und nach seinem Tod seine Witwe, Lgf.in Amalie
Elisabeth (1602–1651; 1637–1650 Regentin), eng an Schweden (Verträge von Stralsund vom
11./21. November 1630 und von Werben vom 12./22. August 1631; Drucke: ST V.1 S.
491–504 und 476–490) und nach der schwed. Niederlage bei Nördlingen am 27. August/6.
September 1634 und dem Ausschluß Hessen-Kassels aus dem PF (1635 Mai 20/30; Druck:
Londorp IV S. 458–470) an Frankreich (Verträge von Wesel von 11./21. Oktober 1636 und
von Dorsten vom 12./22. August 1639; Drucke: DuMont VI.1 S. 128–129 und 178–180)
angeschlossen ( Bettenhäuser S. 5–13). Hingegen war der ev. Lgf. Georg II. von Hessen-
Darmstadt (1605–1661; 1626 Lgf.) immer auf ksl. Seite geblieben.
mit ettlichen geheimben es zu deliberiren. Die khan ich nit zusambenbringen,
soll aber nextens antwort erfolgen. Die wirdt sein: Was Euer Gnaden mit
Churmaintz undt Beyrn vor guett befinden, fiat. Mit Marpurgh ists wie mit
Lottringen. Die churfürstlich Bayerischen 〈…〉 wollen wir und khindens
allein per nostram 〈…〉 verhietten, wohin ich Euer Gnaden auch winsche.
PS Schwierigkeiten mit der Post. Wahl des ungarischen Palatin
Vgl. [ nr. 5 Anm. 3 ] .
[1] Kf. Maximilian I. von Bayern an Ferdinand III., Wasserburg 1646 September 19.
Ausfertigung: RK KrA Fasz. 162 fol. 238–242 = Vorlage – Kopie: Klattau TA Ka. 10
Inv.nr. 200 fol. 54–54’, 57 – Regest: DB VII nr. 886 S. 285.
Angesichts des Vormarsches der Feinde bitte ich nochmals dringend darum, mir den
zugesagten Sukkurs und darüber hinaus andere Truppen zuzusenden und die Remontierung
der unberittenen Reiter in Böhmen zu beschleunigen. Meine Truppen sind nicht mehr in der
Lage, den Feind aus meinem Land hinauszudrängen. Ich kann auch nicht beide Heere, das
meinige und das ksl. Hauptheer, versorgen, zumal Ehg. Leopold Wilhelm zu viel Geld für
seinen Hofstaat verbraucht.
Meine Truppen werden zusehends kleiner, besonders gehen Pferde ab, die ich nur mit größter
Mühe ersetzen kann. Als einzige Möglichkeit bleibt nur noch, alles für einen Angriff gegen
den Feind vorzubereiten, sonst müssen bald alle unsere Truppen und ich selber das Land
verlassen. Daher bitte ich Euer Majestät, Abhilfe zu schaffen und Gallas zur Armee zu
schicken. Andernfalls könnten auch die ksl. Erblande in eine bedrohliche Lage kommen.
[1] Tattenbach
Johann Bartholomäus Schäffer (Lebensdaten konnten nicht ermittelt werden); kurbayerischer
Generalkriegskommissar; 1647 Frühjahr kurbayerischer Ges. für die Ulmer Waffenstillstands-
verhandlungen , im Sommer 1647 maßgeblich an der Vereitelung der Meuterei Jan von
Werths (um 1591–1652) beteiligt ( Lahrkamp , Werth S. 166, 216).
10 Inv.nr. 200 fol. 55
Beilagen
[2] Kf. Maximilian I. von Bayern an Ferdinand III., Wasserburg 1646 September 18.
Ausfertigung: RK KrA Fasz. 162 fol. 232–236’ = Druckvorlage – Kopie: Klattau TA
Ka. 10 Inv.nr. 200 fol. 58–66 – Regest: DB VII nr. 883 S. 865.
Auf APW II A 4 nr. 337 Beilage B, insonderhait aber gern darauß verstanden, daß
gedachter Euer Mayestät obrister hofmaister sich von den fridenstractaten nicht
hinwegbegeben würdt, solang mit Franckreich, Schweden oder den protestierenden zue
schliessen sich einige apertur oder hoffnung erzaigt. Welches ich deßdo nothiger zue
sein ermesse, weylen der Oxenstiern, wie mich meine gesandte erst neülich bericht
haben, sich außtruckhenlich und offentlich vernemmen lassen, daß, sobaldt der graf von
Trautmansdorff hinwegraiset, er gleichfalß sein abschid nemmen und sich wider nacher
Schweden begeben wolle.
Waß die von gemelten Französischen plenipotentiariis praetendirte protection und
stethige guarnison in der vestung Philipsburg betrifft, hab Euer Kayserlicher Mayestät
ich meine wohlmeinende gedanckhen in obangezognem vorigen schreiben
gen eröffnet, auß waß für erheblichen ursachen ich darfür halte, daß man den so
hochnothwendigen friden zue erlangen, eß an disem nicht erwenden lassen solte.
Darbey lass ich es auch noch bewenden.
Anlangend die Teütsche und Spannische fridenstractaten, ist mein intention niemahl
dahin gangen, daß dise von den andern absolute separirt und, wan nicht die eüsseriste
noth ein anders erfordert, Teutschland ohne Spannien mit den reichsfeinden friden
machen soll. Vihlmehr hab ich iederzeit, wie noch, verlangt und gewünscht, auch an
allen orthen meinem besten vermögen nach befürdern helffen, damit die zwischen der
cron Spannien und Franckhreich schwebende differentien gleich so baldt und so wol alß
das Teütsche unwesen verglichen und zu beständiger richtigkhait gebracht, also der frid
allerseiz desdo volkhommener erlangt werden möchte, inmassen ich meine gedanckhen
yber solches werckh sowohl Euer Mayestät commissarien
anwesenden Spanischen ambasciadorn nie anderster vortragen und erclären lassen.
Demnach aber Euer Mayestät und meniglich bekhandt ist, daß die strittigkhaiten der
cron Franckhreich mit Spanien vil älter und tieffer eingewurzelt, zumahl vil grösser,
schwährer und mehrer alß die iüngst mit dem Reich entsprungene misshölligkhaiten,
auch daher dise vil leichter und ehender dan die andere zue componieren seindt, wie dan
die erfahrung selbsten und die bißhero zue Münster vorgangene handlungen und acta
yberflissig zu erkhennen geben, wie langsamb die ganze zeit hinumb in dem Spanni-
schen und Französischen fridenswerckh procedirt worden und wie weit baide thail noch
voneinander seindt, daß noch dato fast einige hoffnung zue fürderlicher und zueverläs-
siger vergleichung, sondern vilmehr dieses erschinen, daß baide cronen ihnen eiferiger
angelegen sein lassen, sich mit andern ihren adversariis zue vergleichen, damit sie den
krieg gegeneinander desdo stärckher und länger fortsezen khönden. Hingegen haben die
feind des Reichs in demselben solche grosse und geschwinde progress gethan, thuen es
auch noch täglich ie lenger, ie mehr, daß, wan den sachen nicht baldt und ohne einigen
ferneren verzug durch erträgliche fridensconditiones remedirt würdt, daß nunmehr
beraits gleichsamb in agone ligende, sehr schwaches und hochbekhränkhtes Teütsch-
landt auß mangel aller rettungsmitel negstens unfehlbarlich zue grundt gehen mueß.
Dannenhero alle wolintentionirte patrioten der vernunfft und ihren schwähren pflichten
nach anderster nicht judicieren khönden, dan im fahl die Spannische fridenstractaten
sich noch länger also steckhen, underdessen aber daß kriegswesen in Teütschland sich,
wie laider beschicht und vor augen ist, noch gefährlicher anlassen, daß uberauß schwer
gegen Gott und der posteritet zu verantwortten sein wurde, da man umb frembder
händel willen, welche das Reich principaliter nicht angehen, selbiges sambt so vilen
getrewen chur-, fürsten und ständen, ia Euer Kayserlicher Mayestät und dero loblichen
Teütschen hauses selbsten auf einmahl zue boden fallen und zuegleich daß so vil
hundert jahr bey dem Reich erhaltene Teütsche kaiserthumb neben der catholischen
religion in die eüsseriste und höchste gefahr deren genzlichen eversion gerathen lassen
solte.
Dieweilen aber Euer Mayestät vermelden, daß die cron Spanien vil näher dan das Reich
bei dem friden und niemand noch so weit in diesen tractaten khommen seye, so
vernemb ich solches gar gern und ersueche diselbe gehorsambist, sye wollen an ihrem
hochvermögenden orth daß werckh noch fürders möglichist befördern und es dahin
dirigiren helffen, damit zugleich der Teutsche frid hierdurch mehrers befürdert und, ehe
das Heylige Römische Reich ganz und gar corruiert, zue schleiniger, endtlicher richtig-
kheit gebracht werde. Gleichwohl habe ich von berührter gueter veranlassung deß
Spanischen fridens anderswaher noch nichts, ausser waß Euer Mayestät anyezo in ihrem
schreiben angeregt, vernommen. Und wurde derohalben mir und andern stenden ein
sonderbahrer trost sein, da wir negstens den vertrösteten effect und specialdemonstra-
tion sehen und erfahren wurden. Ich zweifle auch gar nit, wan nur die Spannier sich
näher zum fridenszweckh legen und, gleichwie von dem Reich und Euer Mayestät
selbsten in ansehung der gegenwerttigen höchsten noth geschehen, den Franzosen auch
etwaß mehrers nachgeben und anerbietten, man werde zugleich in den beeden fridens-
handlungen progrediren und zu einem ehisten gesambten schluß gelangen khünden,
darbey ich gern mein bestes, wie bißher, noch fürders thuen will.
Wan aber die cron Spannien auf den vorigen principiis und conditionibus bestehen und
die tractaten noch lenger in die hare ziehen und darmit auch den friden in Teutschlandt
mehrers zu protrahiern vermainen wurde, ist nicht unzeitig zu besorgen, die stend
möchten sich mit blossen vertröstungen weiter nit contentiren oder von dem völligen
schluß mit den reichsfeinden abhalten lassen, sondern sich, so guet sie khünden, auß
disem langwührigen unwesen heraußwenden, welchenfahls ich nit sihe, wan schon Euer
Mayestät und ich unß alßdan darwidersezen solten, waß wir anderster darmit außrich-
ten , alß daß alles zu einer noch schädlichem Separation deß haupts und der glider
außschlagen und endtlich in ein genzliche zerrittung gerathen wurde. Und obzwar noch
ungewiß und zue erwartten ist, ob die Franzosen den friden mit der cron Spanien oder
aber mit dem Römischen Reich eher und lieber schliessen werden, so ist aber diß gewiß,
wan schon die cron Spanien die Teütschen hierin praeveniren und dardurch Euer
Mayestät andeitten nach der ganze kriegschwal auf daß Römische Reich geschoben, daß
sie doch Euer Kayserlicher Mayestät und dero hochloblichen hauß wenig darmit nuzen
wurden, zumahlen es nit wol anderster sein khan, dan daß mit dem Römischen Reich
zugleich auch deroselben aigene erbkönigreich und land, ia daß ganze Teütsche
kaiserthumb, scepter und cron in die eüsseriste gefahr deß verlusts und undergangs
gerathen müessen, welches der cron Spanien wegen der grossen consequentien etwan
mit negstem ebensowenig zustatten und dieselbe umb eines geringen emergentis willen
leichtlich von newem in daß spihl und in nicht geringere noth khommen dörffte.
Der angeregten Konferenz
Die schwed. Truppen unter Wrangel (1613–1676) und die frz. Armee unter Turenne
(1611–1675) hatten am 2./12. bzw. 4./14. September 1646 bei Donauwörth bzw. Lauingen
die Donau überquert und am 4./14. September mit der Belagerung von Rain begonnen, die
sieben Tage später erfolgreich abgeschlossen wurde. Während dieser Zeit führten sie Streifzüge
bis in die Gegend von Landsberg, Freising und Landshut durch. Ehg. Leopold Wilhelm
(1614–1662) traf mit der ksl. Armee erst am 28. September 1646 in Regensburg ein
( Heilmann II S. 706–710; Från Femern S. 181–182; vgl. die Karte der Truppenbewegun-
gen von August bis Oktober 1646 in Süddeutschland: Ebenda S. 180).
droht, in die ksl. Erblande durchzubrechen. Auf dieser Konferenz muß in erster Linie über
Maßnahmen gegen die jetzige Notlage gesprochen werden. Sie sollte schnellstens, und zwar
in meinen Landen, stattfinden. Auf die Resolution aus Brüssel über eine spanische Abordnung
sollten wir nicht weiter warten; vielmehr kann Terranova
Diego Tagliávta d’Aragon y Pignatelli duque de Terranova principe di Castelvetrano (gest.
1674); gran condestable y almirante de Sicilia, grandezza erster Klasse, 1648 Reichsf.; 1648
ksl. GR , 1659 consejero de Estado; 1645–1648 span. Ges. beim Ks., 1654–1657 bei der
Kurie ( Schwarz S. 364–365; DHE I S. 308).
jemanden absenden. Das Elend in meinem Land (ausführliche Darstellung) wird immer
größer, so daß es mir unmöglich werden könnte, meine Verpflichtungen zu erfüllen. Der
versprochene ksl. Sukkurs und das Hauptheer kommen viel zu langsam heran, sonst hätte der
Feind nicht bis vor Ingolstadt vordringen und Streifzüge über die Isar durchführen können.
Wahrscheinlich wäre auch die Belagerung und die in Kürze zu befürchtende Kapitulation
Augsburgs vermieden worden. Ehg. Leopold Wilhelm von Österreich soll zwar jetzt in
Regensburg sein, aber ich habe die Sorge, daß er sich nicht traut, die Feinde anzugreifen.
Diese werden sich jedoch nur um so besser im Land festsetzen. Deshalb ist es dringend nötig,
die Absendung des Sukkurses zu beschleunigen, dazu noch andere Truppen zu schicken und
die Remontierung in Böhmen schnellstens durchzuführen. Außerdem bitte ich Euer Majestät,
sich selbst bald dem Kriegsschauplatz zu nähern, Gallas vorauszuschicken und mir Eure
Resolution über mein Schreiben vom 13. September und über dieses zukommen zu lassen.