Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann
20. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1646 September 24
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Osnabrück 1646 September 24
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 51a fol. 57–57’, 74, praes. 1646 Oktober 15 = Druckvorlage –
Kopie: RK FrA Fasz. 92 X nr. 1447 fol. 356–356’; Giessen 207 nr. 293 p. 1112–1114.
Verhandlung mit den französischen Gesandten: Schwedische Ansprüche auf schlesische Fürstentü-
mer ; übermäßige Forderungen der Protestierenden bei den Religionsverhandlungen; Aufnahme
Spaniens in den deutschen Frieden? Verhandlung mit den protestierenden Reichsständen; ihre
Verärgerung über die neue Erklärung der Katholischen.
Der nr. 13 zufolge sind wir bei den frz. Ges. gewesen und haben mit ihnen laut
der Beilage 1 verhandelt. Gemäß nr. 11 haben wir einem Ausschuß der prot.
Reichsstände laut Beilage 2 vorgetragen, selbe protestirende aber sehr ab deme
entrüstet vermerckt, daß die catholische stendte von ihrer voriger erclehrung
wieder zurückgegangen, und sich dieser harter worte vermercken laßen:
Selbigs werck dörffte eversionem Imperii nach sich ziehen. Wir haben aber
dhagegen erinnert, daß die Kayserliche gesandte bey irem vorschlag verplie-
ben und sich darin nit änderten, also stünde es in belieben der protestirenden
stendte, sich darüber zu erclehren und denen Kayserlichen abgesandten
dhadurch anlaaß und gelegenheit zu geben, ire angefangne negotiation bey
denen catholischen stendten bey diesem werck zur richtigkeit zu pringen.
Warauf sie zwar acquiescirt, aber der Braunschweig Lüneburgischer gesand-
ter Dr. Lampadius zu mir, dem graffen von Lamberg, im heraußgehen gesagt,
er seie offt bey denen Kayserlichen gesandten gewest, aber niemaln mit so
betrübten gemüth zurückgangen alß itzo.
1 Protokoll, [Osnabrück] 1646 September 23, 24. Ausfertigung: RK FrA Fasz. 51a fol. 58–62’
= Druckvorlage – Kopie: RK FrA Fasz. 92 X nr. 1447 fol. 358–361’; Giessen 207 nr. 294
p. 1114–1123, nr. 295 p. 1123–1125.
[ 1646 September 23 ]
Besuch bei den frz. Ges. ; Komplimente. Der duca de Longeville hat höflich dhagegen
complementirt, sich der visiten bedanckt und unß gleich erzehlet, wie es ihnen mit denen
Schweedischen ergehe und warauf es der ubernhommener negotiation halben haffte,
nhemblich daß sie nuhmehr zum andern mahl mit denselben eine geraumbe zeit über
dem puncto satisfactionis in conferentia zugebracht. Würden auch noch heüd und
morgen derentwegen mit ihnen fernere handlung pflegen. Befinden dieselbe waß hart
und daß sie von gantz Pommern und vorigen praetensionibus nit weichen wölten.
Hingegen wehren die Churbrandeburgische noch gestern bey ihnen gewest und wölten
von gantz Pommern nichts hören. Die Schweeden aber vermeinten, daß die Brandeburgi-
sche nachgeben und weichen würden, wan man ihnen dhagegen ein aequivalens
verschaffe, und insinuirten von den fürstenthumben Sagan und Großglogaw in Silesien,
derhalben sie, abgesandten, unß wölten ersucht haben, weiln man nuhmehr an seithen
Kayserlicher mayestätt und der cron Franckreich in puncto satisfactionis vergliechen und
also gleichsamb in einer negotiation begrieffen, wir wölten unß doch in vertrawen
herauslaßen, ob nit selbigen fürstenthumben in Silesien möegte nachgesehen werden,
dhamit sie materi haben möegen, diesen punctum zur richtigkeit zu pringen. Der krieg
seie wieder das hauß Österreich geführt, also würde selbigs auch auf mitle gedencken
müeßen, sich von dem kriegslast, so gut es könte, ledig zu machen. Man solte gleichwol
unsern statum militiae betrachten, wie gefehrlich es dhamit stehe und wie paldt sich ein
großes unglück wieder die erblande zutragen könte.
Wir haben dieses Anliegen entschieden zurückgewiesen und auf einen für weenig tagen
deswegen wiederholter ernstliche [n] inhibitori-befehl verwiesen.
Der duca di Longeville erinnert, desgleichen von irer excellentz, herrn graven von
Trautmansdorff, verstanden zu haben. Wie aber dem werck zu helffen seie? Ob nit beßer,
noch waß zu hinderlaßen alß alles in compromiss zu stellen. Der conte de Servient, daß
die Schweeden vorgeben, es seie die nachlaßung und begebung des fürstenthumbs Silesien
mit dem praesupposito beschehen, daß dhagegen Kaißerliche majestätt ihnen den
consensum wegen Pommern apud interessatos zuwegebringen solten
de natura feudi et investiturae seie, daß der dominus directus dem vasallo daß lehen
einantworte und dhabey erhalte. Weiln dan Kayserliche majestätt alß dominus directus
der cron Schweden Pommern zum lehen verwilligt, würde es auch die notturfft erfordern,
Schweeden dhabey zu manutenirn.
Nos: Wüsten unß dergleichen reservats oder praesuppositi wegen außbringung des
consensus nit zu erinnern. Kaiserliche majestätt könten sich auch ad factum tertii
praestandum nit obligiren. Die reciproca obligatio, so dem contractui feudali ex reciproca
obligatione einseie, könne hiehero nit gezogen werden, weiln die cron Schweeden mit
Pommern noch nit belehnet, sondern man noch in praeparatoriis schwebe, umb solche
belehnung zu erheben, dhabey sich aber Kaiserliche majestätt per expressum bedingt, daß
sie zu dergleichen praestation wegen außbringung des consensus interessatorum noch zu
hergebung eines aequivalentis wölten gehalten sein
dießeits außgeben, lige für augen und seie daraus zu ersehen, wie weit sich Kaiserliche
majestät hirüber eingelaßen. In selbigen terminis thäten wir unß billig halten und könten
nit darüber schreiten.
Der duca de Longaville: Ob wir unß dan wolten belieben laßen, bey denen Churbrande-
burgischen zu negotiiren, daß dieselbe in uberlaßung Pommern verwilligen thäten.
Würde alßdan herauskommen, waß dieselbe für ein aequivalens suchen möegten.
Nos: Könten unß in dergleichen negotiation nit einlaßen, weiln wir dardurch in effectu
würden zu verstehen geben, daß es Kayserlicher mayestätt oblige, den consensum
interessatorum zuwege zu pringen. Zudeme wüsten wir auch, daß die Churbrandeburgi-
sche sich wegen Pommern nit wölten in handlung einlaßen, es heten sich dan die
Schweedische vorhero erclehrt, daß sie gantz Pommern nit affectirten.
Conte de Servient: Daß wehren nur ceremonien. Man sölte einen versuch bey denen
Churbrandeburgischen thuen, so würden es dieselbe wol wolfehler geben.
Nos: Könten es nit thuen auß obverstandtener ursach.
Relicto ergo hoc discursu haben wir ihnen gemäß der Anweisung Trauttmansdorffs über die
Gravamina vorgetragen, ihnen die Zusammenstellung der kath. Forderungen übergeben und
sie um Mithilfe gebeten. Die frz. Gesandten haben versprochen, ihre gegebenen Zusagen zu
erfüllen.
Addebat der conte d’Avaux: Es zeige sich die nothwendigkeit dieser negotiation selbst.
Die protestirende hetten anno 1552 den Paßawischen vertrag erzwungen
Der Vertrag von Passau vom 2. August 1552 ( Bonwetsch ; Druck: Sammlung III S. 3–10).
Zu dieser vorläufigen Regelung des Religionsstreits war Karl V. (1500–1558; 1530–1556/58
Ks.) von ev. F.en gezwungen worden, die, geschützt durch ihren mit Frankreich abgeschlosse-
nen Vertrag von Chambord vom 15. Januar 1552 ( Lutz , Christianitas S. 62–72; Druck:
Druffel III S. 340–348), den Ks. in schwere Bedrängnis gebracht hatten ( Gebhardt II S.
114–115).
bey disem convent abermals in effectu einen newen Paßawischen vertrag erzwingen. Sölte
es hirnegst zum dritten mahl darzu kommen, würde es umb die catholische religion in
Teütschlandt gethan sein. Der duca de Longeville, daß er seinstheils darzu rathe, man
sölte für allen dingen den punctum satisfactionis mit der cron Schweeden richtig machen,
so würde den gravaminibus baldt können abgeholffen werden. Nos recommendamus
utrumque negotium und nhemen dhamit abschiedt.
[ 1646 September 24 ]
Revisitirten unß der duca de Longaville und conte Servient, weiln der conte d’Avaux sich
waß unpäßlich befunden und selben tag medicin eingenhommen. Die revisita ist fast ploß
in complimentis bestanden, darbey doch etliche sachen auß gestrigen discursen wieder-
holt worden, alß under andern, daß man dhahin sehen sölte, wie der punctus satisfactio-
nis mit der cron Schweeden zur richtigkeit zu pringen. Alßdan würden sich die sachen in
puncto gravaminum zwischen den stendten auch wol schicken. Vermeinten, wan der
heyrath zwischen der königin in Schweden und Churbrandeburg würde iren fortgang
gehabt haben
Schon Kg. Gustav II. Adolf von Schweden (1594–1632; 1611 Kg.) hatte die Heirat seiner
Tochter Christine (1626–1689; 1632–1654 Kg.in) mit dem späteren Kf.en Friedrich Wilhelm
I. (1620–1688; 1640 Kf.) vorgeschlagen. Nachdem das Projekt lange verhandelt worden war,
hatten die Schweden im Dezember 1645, der bg. Kf. im Sommer 1646 davon Abstand
genommen ( Odhner S. 141–142; Schulze ; Opgenoorth I S. 118–121, 145–146).
satisfactionis auf die Kayserliche erblande würden gesetzt und Pommern in den vorschlag
nit gebracht haben. Alß solte man itzo, umb den frieden zu erlangen, wegen Sagan und
Großglogaw desto weiniger bedencken machen. Wir sein aber pure auf deme bestanden,
weßen man sich in instrumento pacis erclehrt und daß wir weiters zu gehen nit befehlicht
wehren.
Der duca de Longeville erinnerte ferners, daß die remora pacis von den Spanischen
vornhemblich dardurch verursacht würde, daß dieselbe mit wölten in den frieden mit
Teütschlandt begrieffen sein. Kayserliche majestätt hetten schon fürm halben iahr frieden
haben können, wan die Spanische es nit mit selbiger irer praetension verhindert hetten. Es
habe aber bei ihnen, Frantzosen, die meinung nit, Spanien im krieg zu laßen, sondern daß
hernach, wan der friede mit Teütschlandt würde richtig sein, alßdan auch mit Spanien
sölte tractirt werden. Undt könten sich etwoh Kayserliche mayestätt der interposition
selbst unterfangen, weiln dieselbe beeden partheien mit so naher blutfreündt- und
schwegerschafft verwandt wehrn. Man könte ie nit zugleich beedes auf einen tag richten.
Item insinuirten von gleidtsbrieffen für die Portugesen. Wir haben uns darauf nicht
eingelassen, da dieses zu den Verhandlungen in Münster gehöre.
Die frz. Ges. haben daraufhin die kurmainzischen
Kurmainz unterhielt in Münster und Osnabrück je eine Gesandtschaft mit einem Prinzipal-
und einem Sekundarges. Für Osnabrück waren die Ges. Brömser und Krebs, für Münster Cratz
von Scharffenstein und Raigersperger akkreditiert ( APW III A 1 S. 896, 898): Heinrich
Brömser von Rüdesheim Fh. von Sauerburg (1600–1668); 1646 Fh.; kurmainzischer GR ,
Hofrichter und Vizdom zu Mainz, 1651 Titular- RHR ; 1643–1645 Ges. auf dem Frankfurter
Deputationstag, 1645–1647 auf dem WFK ( Zedler IV Sp. 1458; Möller , Adels- Geschlech-
ter I Tafel XXXIII S. 88; Gschliesser S. 524; Becker S. 164 Anm. 132). – Dr. Johann
Adam Krebs (Lebensdaten konnten nicht ermittelt werden); weltlicher Richter zu Mainz;
1639–1640 Ges. auf dem Nürnberger Kf.entag, 1640–1641 auf dem Regensburger RT ,
1645–1648 auf dem WFK, 1649 auf dem Nürnberger Exekutionstag ( Sammlung III S. 567;
freundliche Auskunft des StA Würzburg von 21. Oktober 1985). – Gf. Hugo Cratz von
Scharffenstein (gest. 1663); Domherr der Stifter Mainz, Trier und Worms, 1638–1663 Propst
des ksl. ST.-Bartholomei-Stifts in Frankfurt, 1653 Propst in Trier, 1654 Bf. von Worms; ksl.
Rat, kurmainzischer GR ; 1640–1641 kurmainzischer Ges. auf dem Regensburger RT ,
1645–1647 auf dem WFK ( Dohna II S. 108; Becker S. 273; Rauch S. 155–164, 329;
Abmeier S. 43 Anm. 77). – Dr. Nikolaus Georg von Raigersperger (gest. 1652); 1635 Ritter;
1622 kurmainzischer Hofrat, 1624–1651 Stadtschultheiß von Aschaffenburg, 1645 kurmain-
zischer Kanzler, ksl. Rat; 1643–1645 Ges. auf dem Frankfurter Deputationstag, 1645–1648
auf dem WFK, auch für das Hst. Worms ( Sammlung III S. 567; Reinhard ; Kietzell S.
104 Anm. 28; APW III D 1 S. 347, 350).
Beilage
[1] Liste der Einwände (17 Punkte) und Forderungen (19 Punkte) der katholischen Reichs-
stände betreffend die Erklärung der protestierenden Reichsstände vom [14./24. August
1646], dict. Münster 1646 September 20. Kopie: RK FrA Fasz. 51a fol. 63–68; Giessen
200 fol. 97–104; RK FrA Fasz. 96 VI fol. 327–331’ – Konzept: GehStReg Rep. N Ka.
97 Fasz. 69 pars 3 nr. 3.
(Vgl. die Liste der Einwände der katholischen Reichsstände (13 Punkte), s. l. s. d.; Druck:
Meiern , APW III S. 354)
2 Protokoll
Vgl. ein anderes Protokoll über diese Konferenz (Druck: Meiern , APW III S. 363 ).
= Vorlage – Kopie: RK FrA Fasz. 92 X nr. 1447 fol. 362–363’; Giessen 207 nr. 292 p.
1108–1111.