Acta Pacis Westphalicae : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 7: 1647 - 1648 / Andreas Hausmann
90. Nassau an Ferdinand III Münster 1648 Januar 17
Münster 1648 Januar 17
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 58a (1648 I-VI)fol. 15–19’, 29–29’, PSfol. 27, praes. 1648
Januar 26 = Druckvorlage – Kopie: RK FrA Fasz. 54f. 523–528’, PSfol. 535 – Teilkopie:
KHA A 4 nr. 1628/23 unfol.
Unterredung mit den Mediatoren (1648 I 14): Niederländische Vermittlung in den spanisch-
französischen Verhandlungen von Frankreich gewünscht; Contarini: negative Folgen eines
spanisch-niederländischen Friedensschlusses für die spanisch-französischen Verhandlungen;
niederländische Vermittlungsvorschläge betreffend 1. Freilassung Eduards von Braganza, 2.
französische Assistenz für Portugal, 3. Casale, 4. Umfang der von Spanien abzutretenden
Eroberungen, 5. katalanische Festungen; französisches Angebot zur Restitution Herzog Karls
IV. von Lothringen.
Unterredung mit Peñaranda (1648 I 14): angekündigte Rückfrage der französischen Ge-
sandten am Königshof betreffend die Restitution Herzog Karls IV. von Lothringen; Zweifel
Peñarandas an der Aufrichtigkeit des französischen Angebots.
Unterredung mit Nomis (1648 I 15): kaiserliche Lehenshoheit über Güter in der Grafschaft
Asti.
Unterredung mit Contarini (1648 I 16): angebliche Bereitschaft Frankreichs zum Friedens-
schluß mit Spanien bei dessen Nachgeben bezüglich der Schleifung der lothringischen Festun-
gen ; keine diesbezügliche Erklärung Peñarandas mit Verweis auf fehlende Weisung der fran-
zösischen Gesandten in dieser Angelegenheit; Gelassenheit Frankreichs hinsichtlich des er-
warteten spanisch-niederländischen Friedensschlusses. Postangelegenheiten.
PS Unterzeichnung des spanisch-niederländischen Friedensvertrags am gestrigen Tag ver-
mutet .
Auf das kaiserliche Übersendungsschreiben vom 31. Dezember 1647 (Nr.
67) und ein weiteres Schreiben Ferdinands III. vom gleichen Tage
weis auf Beilagen 1–4 betreffend die Aufkündigung des Ulmer Waffen-
stillstands durch Frankreich und deren Anzeige bei den Mediatoren durch
Nassau am 14. Januar 1648. Bey solcher gelegenheit haben mich die herrn
mediatores berichtet, daß nunmehr die Frantzosen denen Holländeren die
decision der bißher zwischen Spanien und Franckreich geschwebten strei-
tigen puncten zu ihrem pleno arbitrio gestelt hetten
fur , daß nunmehr negst Gott in der Holländer handt stünde, den frieden
zu machen.
Der Venetianisch gesandter sagte absönderlichen, daß die Frantzosen sich
erclehrt, wan die Spanische mitt Hollandt, ehe sie mitt ihnen auch vergli-
chen , schliessen, und die Holländer ihren mitt Spanien gemachten frie-
den zuvor unterschreiben theten, daß sie alßdan wider eine freye handt
haben und ahn daßienig, waß zwischen ihnen und den Spanischen abge-
handlet , keineswegs verbunden sein wollen. Er, Venetianisch gesandter,
müste also darfurhalten, wan die Holländer (wie man außgebe, daß itziger
tagen geschehen wurde) ihren frieden unterschreiben, ehe der Spanisch
und Frantzösische fridt auch verglichen, daß der guttige Gott den frieden
noch nitt geben wollt, dan er beförchtete, die Frantzosen auff solchen fahl
zurughgehen wurden.
Die streitige puncten betreffendt, alß erstlichen wegen deß printzen Edu-
ardi erledigung, wolten die Holländer, daß derselb nach geschlossenem
frieden auff sein parola, nicht nach Portugal zu gehen, auff freyen fueß
gesteldt werden solt
Der portugiesische Pz. Eduard (Dom Duarte) von Braganza, ein Bruder Kg. Johanns IV.
von Portugal, war 1641 in Regensburg verhaftet und anschließend in span. Haft überstellt
worden. Seine Freilassung sollte in einem Geheimartikel des span.-frz. Friedensinstruments
geregelt werden. Pz. Eduard starb 1649 in span. Gefangenschaft ( Tischer , Diplomatie,
229, 390, 392; APW [ II B 6, XCV ] ).
Waß die assistentz ahn Portugal betreffe, da wolten sie, daß es deßwegen
beym articulo 3
Bezug auf den span., von der frz. Gesandtschaft akzeptierten Entwurf des Art.s 3 des span.-
frz. Friedensvertrags, die Assistenz der Alliierten betr., [Münster 1647 August 22] (vgl.
APW [ II B 6 Nr. 130 Beilage 2 ] ).
rendt , ohne Portugal in specie zu benennen, in genere gäntzlichen verplei-
ben solt und, wan je die Frantzosen damitt nitt content, sondern Portugal
specificirt haben wolten, alßdan daß wort „defensive“ beyzusetzen.
Wegen Casal wolten die Frantzosen es zu dreissig jahren
Diese Forderung basiert auf dem frz. Project d’article touchant Casal donné aux ambassa-
deurs de Messieurs les Estats vom 3. November 1646 ( APW [ II B 4 Nr. 234 Beilage 1 ] ) und
wurde von den frz. Ges. fortan wiederholt. – Strittig war die Restitution der seit 1630 frz.
besetzten Stadt und Festung Casale im Hgt. Montferrat (vgl. Oresko / Parrott ; APW II
[ B 5/1 Nr. 1 Anm. 21 ] ). In dem gen. frz. Schriftsatz war in der Hauptsache vorgesehen, daß
die Festung Casale für einen Zeitraum von 30 Jahren von einer Schweizer Garnison besetzt
werden solle. Durch weitere Präzisierungen für den Modus dieser Besatzung stellte diese
Regelung sicher, daß die Festung zukünftig keinesfalls an Spanien fallen würde (vgl.
Rohrschneider , Frieden, 403f)
aber zu 20 und noch weniger oder aber, biß der hertzog von Mantua
dreißig jahr alt wehre.
Wegen der acquesten, deren dependentien und limiten
Ein „Haupthindernis der gesamten frz.-span. Verhandlungen“ ( APW [ II B 6, XCVI Anm. 232 ] , auch zum folgenden) war der Streit über den genauen Umfang der von Spanien an
Frk. abzutretenden Eroberungen. Frk. forderte neben den eroberten Orten und befestigten
Plätzen auch die davon abhängigen Gebiete ( dépendances ).
länder statuiren, waß sie fur pillig erkenneten.
Wegen der fortificationen in Catalonien solte es gehalten werden, wie es
zwischen Spanien und Hollandt bey wehrendem ihrem treves
Gemeint ist der zwölfjährige span.-ndl. Waffenstillstand von Antwerpen (1609 April 9.
Text (frz.): DuMont V/2, 99–102). Dort war in Art. XXIX das Verbot zum Bau neuer
Befestigungen für die Dauer des Waffenstillstands festgelegt. – Frk. forderte gegen den vehe-
menten Widerstand Spaniens das Recht, für die Dauer der für Katalonien vorgesehenen
dreißigjährigen Waffenruhe neue Befestigungswerke in Katalonien errichten bzw. zuvor
begonnene fertigstellen zu dürfen (vgl. APW [ II B 6, XCVII ] ; zu einem entsprechenden
frz. Textvorschlag für den einschlägigen Art. 26 des span.-frz. Friedensvertrags vgl. ebenda
[ Nr. 203 Anm. 8 ] ).
ten worden.
Waß anlangt deß hertzogs von Lothringen restitution, hetten sich die
Frantzosen erclehrt, ihrer furstlichen durchlauchtt zwar daß hertzogt-
humb Lothringen widerzugeben, Barr aber und die von den dreyen bis-
tumber Metz, Tull und Verdun tragende lehenschafften fur die cron
Franckreich zu behalten, doch mitt der condition, zuvor die vestungen in
Lothringen zu demoliren
So bereits in der Relation Nassaus vom 14. Januar 1647 ( [ Nr. 85 ] ).
Alß ich von diesen abgefahren, hab ich dem graffen Peneranda die revisi-
tam erstattet und von obigem parte geben, der hatt aber fast daß contra-
rium wegen Lothringen berichtet, nemblichen daß noch selben tags die
Holländer ihme hetten wissen lassen, daß die Frantzosen sich außtrück-
lichen vernemmen lassen, sie hetten keinen gwaldt, dem hertzogen zu
Lothringen auch eines fueß breit von seinen landen zu restituiren, iedoch
auff ihr, der Holländer, starckes zusprechen sich dahin erclehrt, daß sie
wegen restitution deß hertzogthumbs Lothringen auff obgedachte weise
ahn königlich Parisischen hove schreiben und solche remonstrationes und
motiven dabey thuen und anführen wolten, daß sie nitt zweiffleten, der
königliche consensus daruber inner 14 tagen gewiß einkommen wurde.
Er, herr graff Peneranda, hielte darfur, daß diese der Frantzosen declara-
tion nur ein außflucht seie und damitt verlängerung gesucht werde, daß
sie entzwischen erfahren mögen, wie die sachen in Italien und dem Nea-
politanischen wesen abgehen und außschlagen und sich dan darnach bes-
ser richten mögten
bens auffhalten und solchen friden, solang es ihnen möglich, verzögeren
können.
Vorgestern ist deß Savoyschen gesandtens adiunctus, comes Nomis
mir kommen und mitt vielen complimenten entschuldiget, daß der prin-
cipalabgesandter
Saint-Maurice, Claude-Jérôme de Chabod (1583–1659), 1635 marquis de Saint-Maurice
(San Maurizio), barone di San Joire e Lupigni, 1645–1648 Ges. Savoyens ( Carutti II,
471, 496f.). Der ursprüngliche Primarges. Savoyens, Dr. Gian Francesco Bellezia (1602–
1672), war wegen Rangstreitigkeiten mit Frk. im März 1646 abberufen worden (vgl.
APW [ II B 3/1 Nr. 142 ] ; zu den savoyischen Bestrebungen nach Rangerhöhung im 17. Jh.
vgl. Oresko ).
nitt selbst käme, es hette ihnen die hertzogin ahnbefohlen, unß, Ewer
Kayserlicher Mayestät gesandten, alhier ihre sachen zum besten zu re-
commendiren und unß ihrer trewistn devotion zu Ewer Kayserlicher
Mayestät zu versicheren, liesse sich dabey vernemmen, daß etliche stück
in der graffschafft Asty gelegen, so hievor sie allezeit fur allodialgütter
gehalten, welche sie aber nunmehr künfftig von Ewer Kayserlicher Maye-
stät auch zu lehen empfangen wolten.
Ich hab ihme geantworttet, daß Ewer Kayserlicher Mayestät der hertzo-
gin erclehrung zu Ewer Kayserlicher Mayestät diensten und devotion
ohngezweiffelt lieb und angenehmb sein wurde, die belehnung aber uber
die obgemelte particularstück betreffend wurde es besser und schicklicher
sein, daß deßwegen ahn Euer Kayserliche Mayestät sie immediate
selbsten gelangen liessen, dan ich mich nitt erinnerte, daß darvon sich
ichtwas in unserer instruction befünde; doch wolte mitt meinem collega,
herrn Volmar, darauß communiciren .
Ille hielten es selbst fur daß beste, sie vermeinten aber, daß bey diesem
congress alle strittigkeiten solten verglichen und auffgehoben werden,
daß auch diese sach alhier sich ahm besten vergleichen wurden.
Gestern hab ich den herrn Venetum besuchet, wabey under anderen dis-
cursen er widerholet, waß bey obgedachter vorigen visiten sie wegen der
in den Spanisch und Frantzösischen tractaten nach unverglichenen
punctis mir erzehlet, darauff ich ihn gefragt, ob es allein der Holländer
meinung seie, auff vorgedachte weiße selbige puncta (auß deme ihnen
ubergebenen arbitrio) zu vergleichen, oder ob die Frantzosen mitt sol-
chen ihren fürschlägen albereit zufrieden wehren.
Hatt er mir geantworttet, daß die Frantzosen oftgedachte der Holländer
beschehene fürschläg also agregirten
stünde allein auff dem puncto, daß die Spanische nitt zugeben wolten, daß
die vestungen in Lothringen bey der restitution solten demoliret werden.
Ich sagte ihme, verstanden zu haben, daß die Holländer den Spanischen
angezeigt, daß die Frantzosen, wie schon oben gedacht, sich erclehrt,
keine instruction zu haben, ichtwas dem hertzogen zu Lothringen zu
restituiren, sie wolten aber gehn Paris schreiben und inner 14 tag den
königlichen consensum zur Lothringischen restitution auff die weise,
wie hier oben albereit gedacht, außbringen.
Welches erpieten er, herr Venetus, von ihnen alß gevolmächtigten abge-
sandten ebenso verbindtlich hielte, alß wan sie sich absolutlichen schon
erclehrt hetten. Eß hetten die Frantzosen sich auch gegen sie, herrn me-
diatores , vernemmen lassen, wan die herrn Spanische mitt solcher offerte
wegen Lothringischer restitution und demolirung der vestungen (dan sie
dem hertzogen von Lothringen, wan er die vestungen in handen hette,
nitt trawen köndten, daß ihre furstliche durchlauchtt nitt wider newe
troubles anfiengen) inwilligen wurden, sie erpietig wehren, den frieden
zu underzeichen, auch die hülffe und vorschub, so Franckreich itzo den
Neapolitanern leistete, alsopaldt wider zuruggzuforderen und sich deß
Neapolitanischen wesens ferners nichts anzunemmen. Sie, herrn media-
tores , hetten dem herrn graffen Peneranda gestern davon anzeig gethan
und sönderlichen wegen der Lothringischen vestungen demolition ercleh-
rung begehrt, es hette aber seine excellenz die antwort geben, weiln die
Frantzosen sich nitt absolutlichen in diesem puncto erclehrt, sondern erst
in 14 tagen von Pariß resolution erwartteten, also sähen sie nitt, waß sie
vor ursach hetten, sich hierauff also fruhzeitig zu erclehren, sondern es
pillig dahin außstelleten, biß die Parisische erclehrung wurde einglangt
sein.
Herr Venetus sagte auch, es hetten sich die Frantzosen verlauten lassen,
sie hetten verstanden, daß die Holländer selbigen tag, nemblichen den 16.
dießes, ihren frieden mitt den Spanischen underzeichnen wolten. Sie kön-
ten es zwar geschehen lassen und gäben nitt viel drauff, dan wan es ge-
schehen wurde, wolten sie gleichwohln ihren statum durch newe bundt-
nußen mitt andern gnugsamb wider versicherern. Verweis auf Beilagen
[5]–[6] betreffend Postwesen.
PS Weiln ich vernommen, daß gestern die Holländische gesandten von
zwo uhren ahn biß noch sechs bey den Spanischen gewest und sich mitt-
einander auch dabey mitt einem trünklein lustig gemacht, hab ich heut zu
dem herrn graffen Peneranda geschickt und kürtzlichen communiciren
lassen, warauff die tractaten zu Oßnabrück beruheten, auch dabey anre-
gung thuen lassen, wie es mitt ihren tractaten stünde.
Der hatt sich nitt allerdings heraußgelassen, daß die unterschreibung zwi-
schen ihnen und Holländer vorgangen, sondern berichtet, daß sie zwar
noch nitt unterschrieben hetten, aber wohl ein solch pignus und versiche-
rung in handen hetten, daß darahn nitt mehr zu zweifflen
Die span. und ndl. Ges. (außer Nederhorst) hatten am 16. Januar 1648 eine Vereinbarung
über die Unterzeichnung und Ratifikation des span.-ndl. Friedens unterzeichnet (vgl. [ Nr. 106 Beilage [1] ] ). Darin war die Unabänderlichkeit der beschlossenen Artikel sowie der 30.
Januar 1648 als Tag der Unterzeichnung festgelegt. Die beiden verbindlichen Fassungen
des Vertrags in frz. und ndl. Sprache wurden in zwei Umschläge gelegt, die mit den Sie-
geln aller Ges. verschlossen wurden; die Vereinbarung legte auch die Aufschrift beider
Umschläge fest (vgl. Poelhekke , Vrede, 494f.).
nach abgelauffener post der herr de Brun von allem umbstandtlichen be-
richten wurdt. Ich halte aber darfur und vernemme es auch von anderen,
daß bey selbiger conferentz die underschrifft würcklichen beschehen seie.