Acta Pacis Westphalicae III C 2,1 : Diarium Volmar, 1. Teil: 1643 - 1647 / Joachim Foerster und Roswitha Philippe
1646 I 28

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1646 I 28
Sonntag

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26 Sontags] am Rande: Volmari conuersatio cum Longauilla super enormitate replicarum,
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ubi refutatur obiectio, daß man auß Tyrol mit Spania pündtnus gemacht contra Frank-
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reich .
Sontags, den 28. huius, als ich von Ihr Excellentz, herrn
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grafen von Trautmansdorff, bevelch empfangen, ihretwegen herrn duca di
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Longavilla wegen seines newgebornen sohns

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Jean Louis Charles d’Orléans (1646–1694), comte de Dunois, geboren 1646 I 7.
ze congratulirn, hab ich mich
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uff gegebne stundt am nachmittag zwischen eins und zwei zu ime verfüegt
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und erstens solche congratulation in wolgedachts herrn grafens namen accom-
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modando orationem ad statum praesentem verrichtet, sodann auch vor mein
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particolarperson vermeldet, daß ich mich bei diser occasion, da ime von
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hohem standts congratulirt werde, anderst nit dan an deme mir gebühren-
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dem ort solcher congratulation ebenmässig gegen ime vernemmen lasse, mit
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ersuechen, selbige von mir mit derjenigen benignitet auffzenemmen, wie er
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sonst seiner diener affection gegen sich ze favorirn pflege etc.

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Er hatt sich darauff erstens gar höflich gegen dem herrn grafen von Traut-

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mansdorff bedankht, sein guette affection gegen ime contestirt und sonder-
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lich erzehlt, wie er nachmaln nichts liebers erwünschen thet, dann daß er mit
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beythuen eines so hohen und wolerfahrnen Kayserlichen ministri den all-
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gemeinen friden der christenheit ehist immer müglich erheben köndte, mit
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erbietten, an seinem ortt nichts daran erwenden ze lassen. Deßgleichen hatt er
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folgendts auch gegen mir absonderliche danksagung gethan etc. Ich hab
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darauff replicirt, er solte an deß herrn grafen guetter intention nit zweifflen
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und versichert sein, daß derselb ebenmässig hirzu allen müglichen fleiß
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anzewenden nit ermanglen wurde. Wann er mir aber erlaubnus geben wolt,
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etwas mehrers dabei ze melden, so würde ich sagen, daß solche handlungen
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nit nur in blossen wortten gelassen, sondern zu werkh gesetzt sein wolten.
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Darauff hatt er angefangen ze discurrirn, waß die cron Frankreich stetigs vor
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guette inclination zum friden hette erscheinen lassen und daß er und seine
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collegae sich ebenmässig darzu iederzeit willfährigst erbotten, auch zu sol-
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chem ende erst newlich ihre replicas mit so billichen und vernünfftigen
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postulatis eröffnet, in eim und anderm und sonderlichen in puncto satisfac-
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tionis sich dermaassen raisonnablement erclärt, daß er verhoffe, wann man
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unserstheils nur wolte, man wurde baldt zum schluss gelangen könden.

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Weil ich dann dise apertur gehabt, so sagte, ich were zwar nit kommen, inen
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vor dißmahln mit dergleichen disputatis auffzehalten, sondern allein in com-
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muni ipsius laetitia mich mit ihme zu erfrewen und mein conversation mit
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wolmeinlichen glückwünschungen zu beschliessen, weil ich aber seine ange-
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borne höflicheit so weit vermerkhe, daß er sich nit zuwider sein lasse, etwas
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wenig zeit auch in der fridensmateria ze passirn, so werde er mir in unguettem
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nit vermerkhen, wann ich hierauff mit wenigem anttwortten thue. Ohne sei
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nit, daß wir nunmehr ihre replicas in handen. Wir befinden aber selbige in
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etlichen punctis und sonderlich de satisfactione also gestellt, daß wir ja daraus
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solche guette inclination ad pacem nit vermerkhen köndten. Ich wüßte nit,
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waß mein gnedigste herrschafft zu Ynsprukh verschuldt hette gegen der
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cron Frankreich, daß man ihnen die uralte patrimoniallande deß Elsaß und
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Preißgau entziehen wolte. Weylandt dero herr vatter, ertzhertzog Leopold,
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wer der cron Frankreich freündt stetigs gewesen, hette deroselben einige
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hostilitet niemaln zugefüegt, keinen reichstandt belaidigt, gegen dennselben,
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solang sie sich gegen ime unverweißlich gehalten, aller guetten, fridliebenden
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nachbarschafft beflissen, vil weniger hetten seine hinterlassene kinder waß
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peccirt oder peccirn könden. Da sagt er, ja die fraw ertzhertzogin hette ein
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pündtnüs mit Spanien contra Frankreich gemacht, conte d’Avaux wer
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damaln zu Venedig geweßt und hetts alldort erfahrn.

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Respondi, gesetzt den fahl, dem wer also, so hetten dessen doch die kinder
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nit zu entgelten, weil die landt denselben und nit der mutter zugehördten. Er
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sey aber dißortts gar ungleich berichtet worden, dann dise pündtnus wer
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anno 1638 (als damaln Preysach vom hertzog von Weimar belägert war)
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angefangen und erst im nachfolgenden Jahr vollendet, auch mit Ihr Kayser-
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licher Maiestät einwilligung praecise und determinate allein zu recuperation

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der Vorderosterreichischen landen und defension deß ihrigen auffgerichtet

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Vertrag von Madrid 1639 IV 13 zwischen Ehgin. Claudia und Kg. Philipp IV. (Inhalt: M. C.
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Londorp Suppl. IV S. 160f.); erweitert durch Beitritt des Kaisers im Vertrag von Ebersdorf
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1639 IX 18 (Druck: J. Dumont VI 1 S. 180f.).
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sonsten aber zu keines menschen offension gemeint und sogar der cron
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Frankreich mit keinem wortt gedacht worden. Dises wer ja ein sach, so iure
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naturae erlaubt und von niemanden übel außgedeüttet werden köndte. Als
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er nun hierwider nichts ze replicirn gewußt, hatt er angefangen, sich auff ein
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andern discurs ze fundirn, sagend, weil die cron Frankreich vermerkht, daß
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das hauß Österreich insgemein selbige gleichsamb in ein ketten einschliessen
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und von allen enden umbgehen, ihre confaederatos opprimirn und also eine
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monarchiam universalem fundirn wolte, so weren ihre consilia auch hinge-
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gen wider das gantze hauß gerichtet worden und hetten dißortts sich nichts
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irren lassen könden, wie und waßgestalt ein oder anderer theil dises hauß
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hiebei interessirt oder nit interessirt wer. Die cron Frankreich müeßte uff ihr
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sicherheit sehen und sich derjenigen posten behalten, daher sie offendirt
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worden oder offendirt werden köndten.

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Respondi, ich wüßte wol, daß dergleichen imaginationes vornemblich die
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cron Hispanien treffen thet, als bei dern die größte macht stüende, dise wolte
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ich auch darauff zu seiner zeit anttwortten lassen, wiewol solche einbildun-
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gen mehr in pur lautterer opinion und wahn als in re ipsa bestüenden. Waß
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aber daß Teütsche hauß betreffen thet, da hette Frankreich ein gantz vergeb-
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liche sorg, weil dasselb kein erbsuccession beim kayserthumb hett noch
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pretendirt, auch an die leges imperii so weit gebunden, daß deme, einigen
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krieg zu nachtheil des reichs anzefangen, gar nit müglich sein kan. Aller-
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maassen sich nit finden werde, daß, solang daß Teütsche kayserthumb
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absonderlich ohne zuziehung der cron Spanien gestanden, die cron Frank-
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reich durch daß Elsaß von einigem fürsten oder Kayser deß hauß Österreich
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proprio Marte et lubidine were bekriegt oder angefochten worden. Zudem
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so gehören dise landt nit dem Kayser, sondern denn ertzhertzogen zu Yns-
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prukh zu, dise seyen ja respectu ihrer landen und leütten in dem standt nit,
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daß die cron Frankreich sich darob ze formalisirn ursach haben solte. Die
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Italiani hetten ein sprichwortt und sagten ’gli stati mezzani non sono pro-
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posti all’ invidia altrui‘. Ich wolte nit erachten, daß die grosse macht der cron
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Frankreich solte solch kleiner status entsetzen und die besorgnus eines unge-
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wissen , ja unmüglichen dings so weit fürtringen lassen, daß sie darumb einem
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so unschuldigen standt das seinig cum summa iniustitia cum summa iniustitiae nota solte abzetringen
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und vorzehalten unterstehen. Er wüßte sich zu erinnern, daß er mir offt
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contestirt hette, es begehrte ihr könig daß hauß Österreich nit ze destruirn.
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Wann aber sie demselben uff einer seitten daß gantze Elsaß, uff der andern
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gantz Schlesien, uff der dritten das landt ob der Enß entziehen, so wüßte
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ich nit, wie solches sine totali destructione et ruina hergehen köndt. Ille, ob
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ich dann vermein, daß man dem hauß Österreich eben diß wider zustellen
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solle, wardurch man anvor offendirt worden oder offendirt werden köndt.

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Respondi, sovil diß uff Preisach und die Vorderosterreichischen lande ge-
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deüttet werden möcht, sei daß praesuppositum falsch. Frankreich hab dan-
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nenhero kein offension empfangen und köndt keine empfangen, solang sie
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mit dem reich werden frid halten, dann das reich werde solches nit gestatten.
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Frankreich müeßt sein assecuration nit cum iniustitia tertii suechen. Er solle
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gedenkhen, daß dise vorenthaltung grosse considerationes auff sich haben,
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und gleich, wie sie dem hauß österreich propter solam potentiam solch
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grosse verfolgung auff den halß gezogen, also werdts nit ermanglen, wann
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sich Frankreich ex tot opimis spoliis huius domus gnugsamb bereicht und
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groß gemacht, daß nit auch ebenmässig ein grosser widerwill, neid, miss-
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gunst , hass und feindtschafft gegen derselben erwachße. Deme bekendt er
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also sein, es müeßte aber derentwegen die cron Frankreich sich desto stär-
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kher gegen den confinen versichern. Respondi, diß seind vergebliche ge-
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dankhen , dann eben dergleichen umbsichgreiffen würdt der cron Frank-
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reich so vil ze schaffen machen, daß sie sich dessen entlich bereüen werden.
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Ich beschlosse endtlich disen discurs und sagte, ich wüßt, daß er die iniusti-
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tiam dergleichen zumuettens selbst gnuegsamb erkennte, patte, er wolt es nit
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dahien kommen lassen, daß mein herrschafft sich bei aller weit ze beclagen
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hette, daß sie unschuldigerweiß ihr altvatterlich erb und aigenthumb der
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cron Frankreich als ein pretium sanguinis hetten in handts lassen müessen.
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Noch eins müeßt ich ine ex actis antiquis erinnern: Anno 1470 hette herzog
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Sigmundt zu Österreich wegen der Schweitzer krieg die Vorderosterreichi-
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sche landt herzog Carl von Burgundt versetzt

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Gegen 500 000 Gulden hatte Hg. Sigismund von Tirol (1427–1496) im Vertrag von St. Omer
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1469 V 9 seine Rechte an der Grafschaft Pfirt, der Landgrafschaft Oberelsaß, der Stadt Breisach,
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den Waldstädten Rheinfelden, Säckingen, Laufenburg und Waldsbut und weiteren Teilen des
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Breisgaus an Hg. Karl den Kühnen von Burgund (1433–1477) verpfändet.
. Als aber könig Ludwig
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der XI. in Frankreich solche vermehrung dises hertzogen macht nit gern
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gesehen, hette der denn aidtgenossen gerathen, sich mit Österreich zu ver-
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gleichen und die Vorderosterreichischen landen dem hertzog Sigmundt wider
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einraumen ze helffen, wie beschehen. Dann es wer denn Schweitzern, ein so
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mächtigen nachbarn ze haben, nit fürtraglich; er solte gedenkhen, daß die
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Schweitzer noch solche considerationes hetten, und wolte sich übel schikhen,
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waß Ludovicus XI. dem hauß Österreich helffen widergeben, daß es deß
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Ludovici XIII., qui dicebatur iustus, erben demselben ietzt sine ullo iustitiae
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titulo entziehen und vorenthalten solten, gewißlich würde diß der cron
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Frankreich mehr unehr als ehr, mehr unsicherheit als sicherheit gebären.

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Darauff sagt er letztlich, helff man, daß man unß daß hertzogthumb Mai-
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landt geb, so hetts mit dem Elsaß kein noth. Ego, daß stüende nit in unser
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macht. Sie würden wol sehen, wie sie mit denn Spanischen zurecht kommen
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möchten, und sonder zweifl nit vil vergessen, destweniger hetten sie ursach,
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daß Elsaß anzefechten. Folgendts kam er auff ein newen einwuerff, sagend,
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sie müeßten verspüeren, daß man kein affection und liebe zu der cron Frank-
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reich trüge, sondern daß man nur ihre confaederirte von inen abzefangen

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begehrte, daß hett inen ursach geben, sich nur desto stärkher mit inen zu ver-
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binden , die würden inen gwiß nit fehlen. Ego, diß seyen übel fundirte suspi-
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ciones , man begehr, mit allen fridt ze machen, liber mit Frankreich als mit
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andern, man müeßte unß aber nit so harte conditiones proponirn, sonst
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derfften wir noch wol ärgere resolutiones fassen. Sie wolten haben, man soll
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sich mit denn protestirenden verglaichen, daß begehr man ze thuen, daß heiße
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darumb nit, ihre confoederatos ze separirn. Er solte mir ein weeg zeigen, waß
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man thuen solte, billich und christliche mittl werden wir nit außschlagen.
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In allen disen discursen ist er gantz bescheidenlich gangen, einmahl oder
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zwei erhitzigt er sich im reden. Ich hab in aber ieweils wider gar leicht ad
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terminos gebracht, pin also mit guettem contento von ime geschieden.

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