Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
1645 XII 26

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1645 XII 26
Dienstag Relation Buschmanns: Magdeburger Admis-
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sionssache . – Nassau bei W.

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Servien bei W: Nach Beilegung der Schwierigkeiten wegen Admission Magde-
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burgs
und der Pässe für die Mediatstände werde ohne weittere hindernus zu
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den sachen geschritten werden und darauß seines konigs und aller ihrer eiff-
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rige begierd und intention zum frieden erscheinen konnen. Sinnlosigkeit
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spanisch-staatischer Sonderverhandlungen. Zur näheren Absprache der vom
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Reich zu fordernden Satisfaktion wird Oxenstierna morgen nach Münster
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kommen. Trauttmansdorffs Vorschlag mit Metz, Toul und Verdun unzurei-
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chend
. Zwar soll Trauttmansdorff gegenüber den Schweden sich auch wegen
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Pinerolo geäußert haben, es seye aber nit wenig zue verwundern, daß die
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Kayserlichen solcher sachen gedencken möchten, darahn doch der Kayser
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nichts hette, auch nit einmal bey allen Savoyischen kriegen und vorgangenen
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handlungen das geringste wegen einigen rechtens oder ansprach vorpracht,
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weniger zue der auffgerichten vergleichen gezogen worden. Alß darauff I. H.
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G., daß Pignorola feudum imperii, sagte er, das recht so der Kayser darahn
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zu haben vermaint, konte der cron Franckreich ebensowol alß den Spaniern
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mit dem, so sie in Italia ahn sich pracht, geschehen, gelaßen werden, solches
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aber seye fur keine und weniger fur eine gnugsambe recompentzen und
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satisfaction zue achten. Was der graff ferner dem Oxenstirn wegen demo-
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liirung Breysach angedeut, seye wol lächerlich, nachdemaln dieser plaz nit
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in Kayserlichen sondern ihr der Franzosen gewalt seye, consequenter die

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demolition bey ihrem guttbefinden selbst stehe. Von deme nahmen
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I. H. G. ursach zu fragen, was doch dan der cron Franckreich praetension
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eigentlich seye? Warauf der Servient: Sie hetten alles jehnseith Rheins
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biß ahn Tryer ein, woltens also innenbehalten. Welches I. H. G. dahin
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beandworttet, sie wolten nicht dafur halten, daß solches der cron Franck-
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reich oder einigem trewen ministro ernst sein konne, zuemalen es ganz kein
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mittel zum frieden, auch den bißherzu mit außlaßung der schreiben ad
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imperii status und sonst vorgebenen principiis zuwieder were. Was dieses
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fur eine libertet der stend, die sie allezeit in der feder und gefuhrt, sein
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solle, Mainz, Tryer, Collen Pfalz, und also 4 churfursten under sich zu
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ziehen? Der Servient sagt hienwieder ridendo, er muste bekennen, daß
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dergleichen große stätt alß Mainz und andere schwer sey zu manuteniren,
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das Elsaß aber, soviell Osterreich biß dato darahn iure et dominio gehabt,
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werden sie praetendiren, misten ebensowol reichsfursten alß die Spanier
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sein, die sich ratione circuli Burgundici meisterlich gebrauchten, auff den
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diaetis ein stand da, den andern dort ahn sich zu ziehen. Auf welches
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I. H. G.: Eben wenig kondten sie dieses glauben, indem sie euserlich so
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große begierd zum frieden bezeigten, und doch solches medium, so zu er-
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langung des friedens garnicht accomodabel, solten vorschlagen und behaub-
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ten wollen, und daß bey einem christlichen konig die intention, solche junge
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fursten, die mit dem krieg nichts zue thun gehabt, ihrer hereditet unschuldi-
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gerweiß zu endsezen. Das Elsaß gehorte des erzherzogs Leopoldi erben, und
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wurden sie sich erinnern, was vor diesem dem abgelebten erzherzogen Leo-
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poldo fur offerten, sogar mit dem Kayserthumb geschehen, die prinzen
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wurden in solche alienation nimmermehr willigen. Da Servien sich unwis-
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send
stellt, führt W aus, dieses Angebot sei kurz vor dem Tod des Erzher-
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zogs

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Erzherzog Leopold V. starb 1632 IX 13.
zur Verhinderung der Wahl des jetzigen Kaisers gemacht worden.

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Er Servient aber pliebe beym vorigen, meldent, man habe den Spaniern
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vom reich absque diminuitione imperii so viel gelaßen, deßgleichen nun
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auch ihnen, die sich ebensogutt alß die Spanier hielten, geschehen kondt,
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und dadurch dannoch das reich nit verringern. Wie man dan auch alßdan
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pro conservandis imperii iuribus mit ihnen wegen des Elsaß schon wurde
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genugsamb capituliren und conditioniren konnen. W: Den Wert solcher
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Zusagen Frankreichs zeigen der Regensburger Vertrag und die gegen die
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Rechte des Reiches gerichtete Einrichtung des Parlaments in Metz. Hierauf
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alß abermal von ihme Servient mit vielem exaggerirt, wie sonderlich
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Franckreich der reichsstende libertet suchen thett, dagegen aber von I. H. G.
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remonstrirt worden, daß solches in dem gebrauchenden medio den catho-
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lischen die uncatholische durch starcke assistenz uber den haltz zu ziehen
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und sich, auch ihren statum selbst in scheinbare gefahr zu sezen, gar weitt
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fehlete, wodurch dan veruhrsacht, daß die catholische, weyln sie sich, meh-
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rer desolation zue verhüetten, mit den außländischen nit coniungiren kond-

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ten , sondern ahn Ihrer Kayserlichen Majestät allein hielten, viel contra
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ipsas imperii leges mit den schweren contributionibus ertragen und ausste-
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hen müsten. Sagte er, mit dem reich muste man frieden machen und
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solches wegen der Spanier nicht underlaßen, quoad statum politicum werde
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mans wol eins sein oder doch eins werden konnen, in puncto religionis habe
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man den alten regulis nachzugehen. Worauf I. H. G.: Wan man den
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alten regulis und religionfrieden recht nachginge und selbige nicht anderst,
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zu der catholischen religion hochsten nachtheyl, außlägen und in einen
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andern verstand umbsezen thette, wurde auß den sachen leicht zue kommen
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sein. Negst diesem hat der Servient den discurß dahin gezogen, daß sie
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mit den Schwedischen, soviel ihre confoederation anginge, allerdings einig,
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sich auch ihrer trew gegen sie wol versichert hielten, und dahero wol zufrie-
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den weren, daß die Schwedische vorhin mit der [!] Kayserlichen in puncto
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satisfactionis verglichen. Der circulus Burgundicus, deßen autoritet und
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vortheyl die Spanier auf reichstägen sich verscheidenerley mißbrauchten,
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sey lapis offensionis; Carolus V. hette Artois und Hennegaw, so Gallicum
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Belgicum genendt gewest und weder dem reich noch Spanien yemaln ge-
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hört , von Franckreich bekommen, alsobald mit den Niederländischen pro-
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vincien incorporirt, circulum Burgundicum vom reich eximirt und dannoch
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daselbe obligirt, daß auß deßen mittelen dem Burgundischen craiß zu assi-
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stiren seye. Von dieser materi seind I. H. G. wiederumb auf den punc-
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tum praetensae satisfactionis kommen, und gesagt, daß Franckreich einigen
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titulum habe, was sie von den Spanischen villeicht praetendiren möchten,
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alß daß sie, was sub Francisco I. nachgegeben, wiederhaben wolten. Nun
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hetten sie aber ahns Elsaß zumal kein ansprach, und wan sie daselbe mit
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gewalt der waffen zu erzwingen gedencken solten, würde darauß keine be-
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stendige versicherung des friedens erfolgen, indeme hernegst ihrem exempel
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nach dergleichen ansprach wiederumb würde gemacht werden. Welches
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Servient distinguirt, daß sie das Elsaß mit gewalt nit begerten, man solt es
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ihnen auß gutem willen geben, da alßdan die ratio repetendi cessirte.

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Hierdurch haben I. H. G. abermaln ursach genommen zu remonstriren,
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wie unverandwortlich es seye, mit den Franzosischen waffen die catholi-
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sche zu dem vergleich ratione ecclesiarum et ecclesiasticorum bonorum zu
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zwingen. Und alß der Servient hiervon auf die Pfalzische sach kom-
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men und vermeldet, daß mit Churbayern die cron Franckreich guter
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freundschafft weren und dannoch die exercitus alle jahr sich tapffer mit-
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einander herümbschlügen. Haben I. H. G. Churbayerns hierbey haben-
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de displicenz contestirt und dem Servient zu bedencken geben, obs nicht
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zeit, sich zu wehren, wan man einem solche gäst mit so starcken betrohun-
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gen und anderwerz verspuhrten würckungen ins hauß schicken und selbiges
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ganz umbkehren wolte. Ihre Churfürstliche Durchlaucht zu Bayern hetten
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in Franckreich keine volcker geschickt, sie wurden aber hingegen von ihnen
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den Franzosen starck angegriffen und musten sich derentwegen, alßlang
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man ihren friedlichen consiliis kein gehör geben wolte, nohtwendig weh-

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ren . Der Servient hat hierauf der cron Franckreich gute affection gegen
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Bayern abermalß wiederholet und angezeigt, daß ratione Palatinatus alhie
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einiger vorschlag mit der alternation geschehen sein solte, welches sie ihres-
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theylß zu thun bedenckens gehabt hetten. I. H. G. aber haben ihm ex-
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plicirt , daß dieses allein discursus privatus sein musten, und Ihre Kayser-
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liche Majestät noch keiner andern intention, weniger Churbayern darzu
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einigergestalt sich verstehen werde. Wobey der Servient wiederumb
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der cron Franckreich gute zuenaigung zu Ihrer Churfürstlichen Durch-
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laucht , unangesehen dieselbe sogar mit Osterreich alliert, cum hac compa-
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ratione wiederholet, daß der pfalzgraff mit ihnen gleichsamb confoederirt
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und sie sich dannoch mehrers Churbayern alß seiner des pfalzgraffen affec-
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tionirt bezeigten. Welches I. H. G. damit beandtworttet, man kondte
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Ihre Churfürstliche Durchlaucht eben wie den vorigen konig in Franck-
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reich von dem hauß Osterreich benennen, weyln sie beyde Austriacas ge-
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habt und hetten

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Vgl. oben S. 274 Anm. 3 und [ S. 8 Anm. 18 ] .
, und würde die cron Franckreich bekennen, daß bey einer
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solchen koniginnen regierung sie bey ihrem statu nit ubell gefahren. Sonsten
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würden, der Franzosen selbsteigener bekendtnus nach des haußes Oster-
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reich bediehnte wol wissen, daß Ihre Churfürstliche Durchlaucht in Bayern
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kein herr seye, der von einem andern hauß dependentz nehme.

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W bei den Bayern: Bericht Buschmanns. Vertraulich zur Hand gebrachter
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Extrakt der protestantischen Gravamina

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Vgl. unten [ S. 344 Anm. 1 ] .
. Gespräch mit Servien.

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