Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
1645 IX 26

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1645 IX 26
Dienstag Franzosen bei W / Haslang. Longueville: Klage,
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daß unangesehen ihrer beschehener remonstrationen und bitten die Heßi-
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sche bei der proposition außgeschloßen wehren; hetten auß lieb und be-
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gierde des friedens dagegen nichts vorgenohmen, der hoffnung, man würde
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nuhn inßkünfftig bei den consultationibus die Heßen a sessione et voto nit
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außschließen und eine mehrere reflexion auff die cron Franckreich machen.
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Am Deputationstag hat Hessen-Darmstadt mit Vollmacht von Kassel teil-
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genommen
, das jetzt selbst die Session wahrnehmen will. W trägt die
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mit Bayern vereinbarte Antwort vor; am Deputationstag hat Darmstadt
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proprio iure, non substitutorio Cassellensium nomine teilgenommen, indem
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es in die früher von Kassel wahrgenommene Stelle des Hauses Hessen ein-
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gerückt
ist. Als die Franzosen wieder ausführlich für Kassel zu argumentie-
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ren
beginnen und drängen, man könne es nicht von Themen ausschließen, die
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das ganze Reich betreffen, während es bei Beratung eigener oder kurköl-
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nischer
Sachen freiwillig fernbleiben wolle, wird geantwortet, die Hessen
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hätten an den Propositionen der Kronen mitgewirkt. Daß sie nuhn a parte
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imperatoris gleichergestaltt mitt zu rhat gehen wolten, das wehre eine
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sache, welche man nit begreiffen noch mit raison praetendiren konte, sie
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müßten sich hierin an eine parthei halten und die praeliminartractaten und
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passeporten in keinen wiedrigen verstandt torquiren; und wan sie vermein-
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ten , daß ihnen bei dieser exclusion wehe geschähe, so hetten sie es sich selb-
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sten zuzuschreiben, daß sie offters angebottene und selbsteignerweise be-
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gehrte Kaiserliche gnad und außsöhnung mit dem vorwandt endlich ver-
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worffen , könten ihre confoederirte vor dem gemeinen friedenschluß nit
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verlaßen. Was sonsten für eine sententz uber die Heßen ergangen, das
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wehre auß dem Prager friedenschluß zu ersehen, und bei allen von anfang
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deßen publication vorgangene tractaten sie sonderlich darauff bestanden,
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daß dieße reservatio et exclusio ab amnistia cassirt würde. Bei den Maintzi-
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schen tractaten

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Die Verhandlungen führten zum Mainzer Vertrag 1638 VIII 21, der vom Kaiser zu-
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nächst nur mit Einschränkungen in den religionspolitischen Klauseln, 1639 VII 25
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jedoch in ziemlich unveränderter Form (Druck: J. Dumont VI 1 S. 176ff) ratifiziert
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wurde; vgl. H. Brockhaus S. 17ff.
bekente die landtgravin noch heutige stundt selbsten, daß
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sie von Ihrer Kayserlichen Majestät erhalten, was sie begehrt; deme dan-
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noch unangesehen pliebe sie bei ihren vorigen procedurn und feindsehlig-
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keiten , daß sie sonsten gegen Ihre Kayserliche Majestät gewesen, darüber

[p. 289] [scan. 339]


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hatt man die bekentnuß gnug bei itzo gemelten Maintzischen tractaten.
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[...] Die landgravin hette sich in ihren selbst eignen auffgesetzten conditio-
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nibus gegen Ihre Kayserliche Majestät und respective Ir Majestät ihro und
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den ihrigen alle Kayserliche gnaden, huld, schuz und schirm anerbotten.
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Wan sie deme nachkeme, so würde den sachen baltt geholffen sein, es
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schiene aber, daß von dergleiche innerlichen beruhigung des reichs die herren
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Frantzosen ein abschewen hetten. Sie haben in Den Haag die Evakuation
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verhindert, zu der sich die Landgräfin nit ungeneigt bezeigt

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Zu den Verhandlungen über eine Evakuation des westfälischen Kreises in Den Haag 1642/
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43 vgl. J. Foerster S. 217ff; die Aussicht für einen Beitritt der Landgräfin war jedoch
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geringer, als W hier zugibt, und hing jedenfalls von der Anerkennung ihres Militärstatus
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in Westfalen ab (vgl. J. Foerster S. 233f).
, und damit der
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Kirche und letztlich auch sich selbst geschadet, denn Neuss und Gehrde
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zeigen, daß sie gegenüber Schweden und Hessen keine Autorität mehr
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haben. Dieses, wie ihnen vormahls gesagtt, wehre disreputirlich und schäd-
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lich , hett auch darauß abzunehmen, daß, wan die Heßen und Schweden
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noch weiters ihr glück vorttsetzen solten, wenig stima von ihnen machen
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würden. Diesem allem unangesehen, seind die plenipotentiarii bei ihrer
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erinnerung und bitt bestehen plieben, man konte die Heßen ein- oder
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etlichemahl zulaßen, würden sich vielleicht damit contentiren und darnach
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selbsten außbleiben, mitt wiederholung ihrer vorigen motiven und daß
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Heßen keine feinde des reichs wehren. Auff welches letzte mit wenigen
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repliciert, illos esse hostes imperii qui statum imperii invertant, daß die
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Heßen solches gethan, solches wehre ihnen mit dem Paderbornischen exem-
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pel vor augen gestellt. Welches der d’Avaux reassumirt, si hostis
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imperii sit, qui statum imperii invertit, tunc quoque imperatorem hostem
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imperii esse, cum statum imperii invertat. Und alß hierauff begehrt wor-
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den , mögte ad particularia, warauff er solches bedeutete, kommen, ist er in
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istis generalibus geblieben und von den kriegsbeschwerden und exactionibus
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contributionum, darüber sich die stände beschwerten, viell geredet. Und der
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conte Servient dabei gesetzt, es wehren auch stände des reichs, welche sich
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wegen der contribution uber Churbayern hochlich beschwerten. Wel-
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ches der von Haslang alsobalt resumirt mit dem vermelden, wißte nit, war-
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umb einiger sich bei ihnen den Frantzosen deswegen zu beklagen, hett aber
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woll ursach, wegen des unchristlichen brennens, raubens und schadtthaten,
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welche itzo noch täglich von ihren volckern vorgienge, sich zu beschweren.
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Von Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht volckern würde man dergleichen
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nit sagen konnen, würde eine unordnung und beschwerd vorgebracht,
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deßen remediirung hetten Ihre Churfürstliche Durchlaucht jederzeit sich
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angelegen sein laßen. Mit den contributionibus hette es eine weitt andere
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beschaffenheit alß sie es außdeuteten, und ließen sich der Heßen waffen
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und actionen dergestalt nit vergleichen, daß man darauß solche argumenta
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nehmen und conclusiones erzwingen wolte. Da die Franzosen die hessisch-
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spanische
Neutralität damitt entschüldigen wollen, daß die Heßen zu

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anfang des kriegs mögten vermerckt haben, es ihrem estat nit dienlich zu
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sein, mit der Spanischen parthei sich abzuwerffen, so hatt man ihnen auch
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[...] berichten müßen, daß die Heßen von anfang ihres kriegs mit den Spa-
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nischen in feindtschafft gestanden, hetten aber, alß das letzte armistitium
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in disen landen gemachtt, die Spanische mit eingeschloßen, und alß sie die
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waffen wieder an der Sale gegen Ihre Kayserliche Majestät und die reichs-
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volcker emploiirt und den stillstandt auffgehoben, damit sie desto sicherer
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andere fürsten und stande dieß- und jenseit Rheins bekriegen mogten, den
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stillstandt der waffen und die neutralitet mit den Spanischen continuirt

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Der Dortmunder Waffenstillstand 1638 III 3 war durch die Verbindung der hessischen
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Armee mit Baner im Mai 1640 beendet worden; obwohl die Lgfin. für Westfalen die
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Fortsetzung anbot, gingen die dortigen ksl.-bayerischen Truppen wieder zu Kampfhand-
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lungen über, während die Spanier auch weiterhin direkte Zusammenstöße mit den
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Hessen vermieden (vgl. J. Foerster S. 146, 178f, 188, 287).
. Es
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wehren dieses so klare sachen, daß es alle unpassionirte leichtlich erkennen
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konnten, und weiln so viel von den Spanischen consiliis geredet würde, alß
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wan der krieg von ihnen fomentirt würde, so wolten sie die herren Frantzo-
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sen doch eingedenck sein, welchergestalt der verstorbener konig den chur-
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fürsten von Saxen mit anerbietung, ihme ein mehrers zu erhalten alß ihme
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Ihre Majestät versprochen, von dem frieden und vergleich abgemahnet.
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[...] Heßen wurde von ihnen auch noch abgehalten, und hette es das an-
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sehen , daß sie auff die von ihnen selbst improbirte vindict ihre consilia
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richten, da man sich dieserseits von solcher passion umb liebe des friedens
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befreyet wißte. Es bestünde aber solches nit darin, daß man mit hindtanset-
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zung der reichsordnung und der Kaiserlichen authoritet und hochheitt,
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welche nit in persona alicuius principis et familiae, sed in ipso statu et
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maiestate imperiali bestünde, die Heßen vor dem außsöhnung admittiren
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solte. Es wehren ihnen zu Regenspurg ehr gnug geschehen, wolten sie etwas
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pro bono publico vorbringen und bezeigen, daß sie des reichs wolfahrt und
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der christenheit beruhigung zu befürderen gedechten, so könten sie es ange-
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ben , man würde schon dem Regenspurgischen modo nach sie anhoren und
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sich zu erkleren bedacht sein. Wie es nuhn nachtt worden und die
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Frantzosen bei ihren principiis geblieben, haben sie dabei mit wiederholung
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ihrer bitt und erinnerung den abschiedt genohmen, in particulari colloquio
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aber, so absonderlich in dem auffstehen einer mit dem andern a part noch
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gehalten, sich allerseits vernehmen laßen, daß sie von den Hessen dieser
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sachen halber stindlich so starck importuinirt würden, daß sie sich dero-
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selben annehmen müßten. Sagte auch der Longeville zue I. H. G., man solte
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nur sehen daß ietzt frieden wurde, sie wolten hernegst denn catholischen
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beßer assistirenn.

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